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Landung auf Eimeo. Helene beredet den König zum schleunigen Kampfe. Die Orodiener durch Helenens Wachsamkeit umstellt. Sie wird von einem Keulenschlage zu Boden gestreckt.
Die Sonne stand im Zenith, als die Pirogenflotte im Hafen von Eimeo landete. Der König Pomare, die bekehrten Häuptlinge und viel Volkes standen bewaffnet am Ufer und schauten den vielen Fahrzeugen nicht ohne Besorgniß entgegen, denn sie fürchteten, die Rebellen hätten sich aufgemacht, den auf Tahiti abgebrochenen Krieg auf Eimeo fortzusetzen. Befremdend war es allerdings, daß man schon von Weitem auch Kinder und Weiber unter den Ankommenden erkennen konnte.
Als aber jetzt Helene sich leichtfüßig von Piroge zu Piroge schwang, die Landung nicht abwartete, sondern den Raum, welcher sie noch vom Ufer trennte, durchschwamm und in raschem Laufe den Ort erreichte, wo Pomare trotzigen Blickes mit seiner Streitaxt stand, da erscholl ein lauter Freudenruf, denn nun wußten sie, daß Freunde nahten und keine Feinde.
Helene warf sich vor dem Könige nieder und sprach mit fliegender Eile: Siehe alle diese Christen, welche ich vor dem Verderben gerettet habe! Gib ihnen Waffen und kehre augenblicklich mit ihnen um, Tahiti zu erobern, denn Upafara ist im Begriffe, alle Einwohner zu ermorden, welche den Christenglauben angenommen haben. Jetzt ist die Zeit, wo du siegen und die ganze Insel zu einem Hause des Herrn machen wirst.
Der König hob sie aus und ließ sich genaueren Bericht über Alles geben, was sie gesehen und gehört hatte. Sie that es mit einer Eindringlichkeit, welche alle Umstehenden ergriff. O König, schloß sie dann, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo du handeln mußt. Alle Einwohner von Eimeo und Tahiti, welche das Christenthum angenommen haben, stehen zu dir, wie ein Mann, und von denen, welche noch dem Oro dienen, werden dir Viele zufallen, sobald dein Fuß den Boden von Papeiti berührt. Furcht allein hält sie noch zurück, sich für den rechtmäßigen Herrscher zu erklären. Verliere jetzt keinen Augenblick, sondern kehre zurück und schlage sie, ehe sie sich von der Verwirrung erholt haben, in welche sie durch unsere Flucht versetzt worden sind.
Pomare senkte nachdenklich das Haupt, aber er konnte noch zu keinem Entschlusse kommen.
O König, ließ sich nun Helene vernehmen, zögerst du, so wird Upafara alle Christen niedermetzeln, die sich noch auf der Insel befinden. Zwar habe ich Boten nach allen Richtungen ausgesandt und unsern Freunden die schreckliche Gefahr vorstellen lassen, in welcher sie sich befinden; aber auch der Feind hat seine Maßregeln getroffen, und wer weiß, ob nicht die Saumseligen in diesem Augenblicke unter ihren Waffen verbluten.
Jetzt näherten sich auch Vater Eustach, Omans, Jane, Poma, Tupia und einige Andere, welche ihre Bitten mit denen des weißen Mädchens vereinigten.
Ich werde diese Angelegenheit mit den Häuptlingen berathen, gab der König zur Antwort. Bis dahin ruhet und sorget, daß die Flüchtlinge mit Speise und Trank erquickt werden.
Pomare zog sich mit den Häuptlingen unter eine entfernt stehende Gruppe von Bananen zurück, deren breite Blätter ihren Köpfen Schatten gaben.
Eine Stunde mochten sie zusammen gewesen sein, als ein lautes, freudiges Jauchzen den Zurückgebliebenen verkündigte, daß die Entscheidung gefallen war, und wie es schien, zu Gunsten Helenens.
Pomare und die Häuptlinge nahten sich jetzt wieder dem Kreise und der König sprach: Muthiges Mädchen, deine Zuversicht hat uns Allen Kraft gegeben. Der Krieg ist beschlossen, gebe Gott, daß er nicht allzublutig werde!
Ein lauter Freudenruf des versammelten Volkes antwortete dem Könige.
Eure Begeisterung, sprach dieser, ist eine gute Vorbedeutung des Sieges. Wenn die Sonne ihre Strahlen schräge wirft, werden wir unsere Cannots nach Tahiti lenken, um die Feinde im Schlafe zu überraschen und zu umzingeln. Haltet euere Waffen bereit! Frauen und Kinder aber bleiben auf Eimeo zurück, damit sie nicht nutzlos in den Kampf verwickelt werden. Vater Eustach wird ebenfalls hier verweilen, denn die Zurückbleibenden bedürfen des Trostes und die Wegziehenden des Gebetes.
Da trat Helene vor, faßte den Saum seines Gewandes und sprach: Lasse mich mitziehen, Pomare! Meine Hand ist schwach, aber ich muß gleichwohl nach Tahiti, denn unter den Anbetern des Oro befindet sich ein Gefangener, der meinem Herzen nahe sieht, und den ich mit meinem Leibe schützen muß, wenn die Streitaxt des Feindes nach ihm zielt.
Mein Kind, antwortete der König; überlasse uns die blutige Arbeit und vertraue uns auch den Schutz deines Freundes an; sicherer ist er in unserer Hut als in der deinigen.
Nein, nein, antwortete Helene; Niemand kann ihn so sorgfältig schützen als ich, und Niemand außer mir würde ihn im dichtesten Dunkel des Waldes und in den verborgensten Felsenschluchten aufzuspüren wissen.
Poma, die von der Angst verzehrt wurde, ihr Kind werde im Kampfe fallen, eilte auf sie zu und beschwor sie zu bleiben; auch Omana und Jane flehten sie an, dem thörichten Wunsche zu entsagen. Aber je eindringlicher ihre Bitten wurden, desto fester bestand sie auf ihrem Entschlusse. Ihr wollt mir Gutes thun, sprach sie schluchzend, und fleht um mein Verderben. Ich muß hinüber und sollte ich mich in die Wellen werfen, um euern Pirogen nachzuschwimmen.
Da nahm der König ihre Hand und sprach: So sei dein Wunsch gewährt!
Helene stieß einen Jubelruf aus und kniete vor Vater Eustach nieder, der ihr zu der gefahrvollen Reise seinen Segen gab.
Nun zerstreuten sich die Einwohner nach allen Seiten, um Waffen herbeizuholen. Des Laufens und Drängens war kein Ende. Noch vor der bezeichneten Stunde waren alle wehrhaften Männer in der Bucht versammelt, wo die Pirogen lagen. Die Weiber und Kinder umstanden sie weinend, hier Abschied nehmend, dort flehend, sich nicht zu sehr der Gefahr auszusetzen.
Endlich gab der König das Zeichen zur Abfahrt und die Krieger begaben sich in die Boote, welche in buntem Gewimmel vom Ufer abstießen und schon bald in weiter Ferne verschwanden.
Vater Eustach hatte sich auf den Felsen begeben, auf welchem er einst nach Bexore's Beschluß den Hungertod sterben sollte. Dort kniete er mit ausgebreiteten Armen und betete für den Sieg, zugleich aber auch um Schonung und Nachsicht mit den Feinden seines Glaubens.
Helene saß wieder auf dem Hintertheile einer Piroge, das Auge auf das Kreuz Matheo's geheftet. Gott, seufzte sie, wenn die Hülfe zu spät käme, wenn sein Blut schon geflossen wäre!
Obgleich die Pirogen wie im Fluge dahinschossen und kein widriges Lüftchen ihnen entgegenwehte, so ging ihr die Fahrt doch viel zu langsam und zuweilen ergriff sie das lange Ruder aus den Händen des braunen Mannes und arbeitete bis zur Erschöpfung. Die Nacht senkte sich endlich auf das Meer herab und es wurde so dunkel, daß man die Pirogen der Krieger nicht mehr sehen konnte.
Der Ruderer versuchte ihre Eile zu zügeln, indem er ihr vorstellte, wie gefährlich es sei, sich von den übrigen Booten zu trennen. Mit diesem Ungestüm, sprach er, werden wir die Richtung verlieren und die Insel verfehlen.
Helene aber streckte ihre Hand aus und sprach: Schaust du nicht jenen leuchtenden Punkt? Das ist der Hafen von Papeiti, wo die Unholde vielleicht in diesem Augenblicke das Blut unserer Brüder verspritzen. Fahre zu! Nur in der Eile liegt Hoffnung auf Rettung.
Eine halbe Stunde, ehe die andern Pirogen ankamen, legte Helene an einem vorspringenden Felsen des Hafens von Papeiti an und schwang sich mit einer erstaunlichen Sicherheit und Gewandtheit von einem Steinblocke zum andern, bis sie die Höhe erreicht hatte, wo sie Papeiti übersehen konnte. Alles war ruhig und dunkel, nur im Palaste des Königs schimmerten Lichter.
Da bog sie sich vom Felsen herab und lispelte dem Bootführer zu, an dieser Stelle zu warten, bis sie zurückkomme und Nachricht bringe, wie die Angelegenheiten ständen.
Rasch eilte sie nun weiter, vorsichtig an den Hütten lauschend, die auf ihrem Wege lagen. Sie waren sämmtlich leer. Um den Palast wogte eine dichte Menschenmenge, wovon die meisten Fackeln in den Händen trugen.
Da sie die Vorsicht nicht gebraucht hatte, ihr Gesicht zu färben, so durfte sie sich in den lärmenden Haufen nicht wagen. Ein einziger Blick würde sie und vielleicht das ganze Unternehmen verrathen haben.
Lange mühte sie sich vergebens, zu erfahren, was die Versammlung zu bedeuten habe. Den Palast von allen Seiten umschleichend, überall horchend und lauschend, konnte sie dennoch nur ein verworrenes Gemurmel unterscheiden. Da entstand plötzlich Ruhe und sie sah, wie Upafara vor dem Palaste auf eine Erhöhung trat. Papeitier, schrie er mit weithinschallender Stimme, gestern sind uns die Christen auf eine unerklärliche Weise verschwunden. Sie haben ihre Pirogen mitgenommen, woraus ich schließe, daß sie zu Pomare gegangen sind, um Hülfe zu suchen. Sie werden bald mit dem Könige zurückkommen und uns angreifen. Ehe dieses geschieht, wollen wir diejenigen töteten, welche den Oro verlassen haben. Wenn sie am Leben blieben, würden sie die Zahl unserer Feinde vermehren. Hier sind sie gefesselt vor eueren Augen, eine Flucht ist unmögliche In einer halben Stunde werden wir sie an die Bucht hinabführen. Dann wollen wie sehen, ob der Christengott mächtiger ist, als der Oro. Zügelt bis dahin euere Ungeduld, aber wenn ich das Zeichen gebe, werdet ihr euere Hände in ihr Blut tauchen.
Ein wüstes Beifallsgeschrei der Menge erscholl, und aus dem Palaste heraus schritten zu zwei und zwei aneinander gefesselt die Gefangenen, welchen bedeutet wurde, sich im Mittelpunkte des Volkshaufens auszustellen.
Helenens Herz klopfte so laut, daß sie glaubte, es werde zerspringen, denn unter den Gefangenen bemerkte sie Matheo, welcher fester gebunden war, als die Uebrigen. Sein milder Blick schweifte über die Menge und ruhte in der Richtung, wo Helene die Hand auf die hochklopfende Brust drückte.
Fast hätte sie, aller Klugheit vergessend, einen lauten Schrei ausgestoßen; ja sie war im Begriffe, die Menge zu theilen und an seinen Hals zu stürzen.
Glücklicher Weise kam ihr die Besinnung noch früh genug zurück. Schnell huschte sie hinweg und erreichte in athemloser Hast die Bucht.
Dort langten eben jetzt auch die Uebrigen an. Helene eilte zum Könige und theilte ihm mit, –was sie ausgekundschaftet hatte.
Wahrlich, Mädchen, sprach Pomare, du wiegst einen Häuptling auf! Dann wandte er sich an seine Krieger und beorderte Jeden an seinen Ort.
Der Platz am Hafen, wo Upafara sein blutiges Opfer bringen wollte, war überall mit dem dichten Strauchwerk der Guava bewachsen. In dieses verkrochen sich die Bewaffneten und harrten des Augenblickes, wo der Feind kommen würde.
Kaum waren alle Vorbereitungen getroffen, als in der Ferne lautes Jauchzen hörbar wurde; Fackelschein leuchtete über die Bucht und der Schritt von vielen Menschen hallte an den Felsen wieder.
Jetzt tauchte Upafara's riesige Gestalt aus dem Dunkel und warf beim Scheine der Fackel, die er in den Händen trug, einen noch riesigeren Schatten.
Tretet vor, ihr Abtrünnigen, rief er, denn hier ist der Ort, von welchem euer Blut in den Ocean rinnen soll.
Die Reihen öffneten sich und die Gefangenen wurden sichtbar. Auf ihren Gesichtern war keineswegs die Furcht vor dem Tode zu lesen; vielmehr strahlte aus den Augen Aller Ruhe und Zufriedenheit. Matheo hatte Gelegenheit gefunden, sie mitten unter den Feinden auf die himmlischen Freuden aufmerksam zu machen, die ihrer nach dem Martertode jenseits des Grabes warteten. Der Abschied vom Leben wurde ihnen leichter, weil alle ihre Lieben mit in den Tod gingen, die sie noch vor Aufgang der Morgenröthe im Paradiese wiederfinden sollten.
Was ist es denn so Schweres um den Tod? hatte eine junge Mutter gesagt, deren Kind unter der Faust eines Oropriesters gestorben war. Ein augenblicklicher Schmerz wird uns von einem kummervollen Dasein befreien, um uns ein schöneres zu geben. Wer eine Hand oder ein Bein verliert, hat er nicht vielfache Schmerzen, welche ein solcher Tod bereitet? Aber nach dieser Pein wartet seiner nur ein Leben ohne Freude und Zufriedenheit, während wir einem Glücke entgegen gehen, welches für unsere Begriffe zu groß und erhaben ist.
Und wie die junge Mutter gesprochen hatte, so dachten sie alle; darum diese freudige Heiterkeit und Zuversicht, die den heidnischen Tahitiern fremd und unerklärlich war.
Matheo, dessen Hände fest auf dem Rücken zusammengebunden waren, kniete nieder; seine Lippen bewegten sich, er sprach aus tiefster Seele für sich und seine Brüder das letzte Gebet, während die bewaffneten Papeitier mit blutgierigen Geberden den Hintergrund füllten und mit ihren rothglühenden Fackeln den Richtplatz beleuchteten.
Upafara machte sich schon bereit, das Zeichen zum Anfänge der Metzelei zu geben; da, plötzlich und mit einem weithingellenden Schrei stürzte sich ein Mädchen an Matheo's Seite. In ihren Händen blitzte ein Messer, mit dem sie rasch die Fesseln desselben durchschnitt und sich dann weinend um seinen Hals klammerte.
Ehe Matheo wußte, was mit ihm vorging, ehe Upafara und die Seinigen noch das Mädchen ergreifen konnten, hob sich hoch und majestätisch Pomara's Gestalt aus dem Dunkel und auf seinen lauten Ruf: Auf, ihr Christen! wurde das Guavagesträuch lebendig; Kopf an Kopf erhob sich und im nächsten Augenblicke war die Schaar der Papeitier dicht umzingelt.
Geschrei und Waffengetöse erfüllten, die stille Nacht. Upafara's furchtbare Stimme donnerte durch den Lärm und beschwor die Papeitier, Alles niederzuschlagen, was sich ihnen nähere.
Aber sie waren bereits so fest eingeschlossen, daß sie nicht daran denken durften, anzugreifen; sie mußten sich in dem engen Raume auf eine bloße Vertheidigung beschränken.
Blutig wogte der Kampf; die Christen, wie die Orodiener in ihrem Grimme nicht weichen, jeder wollte siegen oder sterben.
Helene hielt noch immer den Hals Matheo's umschlossen, konnte aber vor Freude und Aufregung kein Wort aus ihrem gepreßten Herzen hervorbringen. Da fiel ein furchtbarer Schlag auf ihr Haupt und sie taumelte bewußtlos zu Boden.