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Die Heilige Cäcilia

«O höre, Tochter, sieh und neige dein Ohr! Denn der König hat Gefallen an deiner Anmut. In deiner Anmut und in deiner Schönheit erhebe dich, dringe siegreich vor und herrsche. Alleluja.

Die fünf klugen Jungfrauen nahmen Öl in ihren Gefäßen zu den Lampen mit. Um Mitternacht aber erhob sich der Ruf: Siehe, der Bräutigam kommt, gehet hinaus, Christus, dem Herrn entgegen. Alleluja.»

So heißt es im Graduale am Fest der Jungfrau und Blutzeugin Cäcilia, und die hohen Worte sprechen ihr wunderbares Leben aus, das wie ein göttliches Hochzeitslied war, das nie verklingen mag. Mit einem Hochzeitsreigen beginnt und endet die Geschichte der heiligen Cäcilia, denn sie ist die junge Braut, die im Festschmuck ihrer unschuldigen Seele dem Bräutigam entgegenging, die Lampe in der Nacht tragend, und sie selbst, die Holde, Reine war wie ein Licht, das uns noch heute leuchtet.

Sie lebte und starb um das Jahr 230 zu Rom, da man die Christen grausam verfolgte und der heilige Papst Urban nicht in seinem schönen Vatikan wohnen konnte, sondern sich tief unterirdisch in der feuchten Katakombe zwischen den Gräbern der Märtyrer verbergen mußte. Cäcilia muß ein Liebling des Heiligen Vaters gewesen sein, denn sie schickte ihm jene zu, die für den christlichen Glauben gewonnen wurden, und die wohl in der Katakombe über den altarhaften Särgen der Blutzeugen getauft wurden.

Cäcilia, die einem edlen römischen Geschlecht entstammte, wuchs schon als zartes Kind im christlichen Glauben auf, und trug zeitlebens verborgen unter ihrem Gewand das Evangelium auf ihrer Brust. Sie kannte nur den einen Wunsch: ihr ganzes Leben Gott zu weihen und ewig Jungfrau bleiben zu dürfen. Und dieser Wunsch wurde ihr erfüllt, obwohl ihre Eltern ihr den jungen, reichen Valerian zum Ehegatten ausgesucht hatten. Valerian war ein Heide, der seine junge christliche Braut zwar sehr lieb hatte, wie sie ihn auch, aber an ihrem Hochzeitstage mag Cäcilia doch recht bedrückt gewesen sein, wenn sie während des glänzenden Festes daran dachte, daß sie mit ihrem künftigen Gatten nicht eines Glaubens war. Sie saß an der prächtigen Tafel neben Valerian und unter ihrem gold- und silberbestickten Brautkleide trug sie ein rauhes, härenes Gewand. Und während sie der Musik zu lauschen schien, betete sie in ihrem Herzen:

«O Jesus Christus, Bräutigam meiner Seele, hilf mir und gib mir, daß ich unbefleckt bleibe. Laß mich ohne Sünde bleiben, damit ich für dich meine Jungfräulichkeit bewahren kann.»

Als nun das Fest verrauscht war und Cäcilia mit ihrem Gemahl das stille Brautgemach betrat, sprach sie zu ihm:

«Lieber Valerian, liebster Mann, ich habe dir ein Geheimnis anzuvertrauen. Willst du mir schwören, daß du es nicht verraten wirst?»

Sprach Valerian:

«Ich schwöre es dir.»

Sprach Cäcilia:

«Du mußt wissen, daß Gott mir einen Engel gab, der stets um mich ist, und der meine Jungfräulichkeit schützen wird. Würde der Engel sehen, daß du mich berührst, würde er dich töten. Und du selbst würdest das Schönste an dir, die reine Blüte deiner Unschuld und Jugend verlieren. Wirst du mich dagegen in keuscher Liebe lieben, wird der Engel dich liebhaben, wie auch ich dich liebhaben will. Und du wirst die namenlose, wunderbare Schönheit des Engels erblicken.»

Da gab Valerian zur Antwort:

«Cäcilia, ist es dein Wille, daß ich dir glaube, dann zeige mir den Engel. Sehe ich dann, daß es wahrhaft ein Engel ist, der um dich ist, will ich deinen Wunsch achten und deine Jungfräulichkeit soll mir heilig sein. Würdest du aber einen andern Mann lieben, müßte ich dich töten, damit dein Mund mir ferner keine Lüge und nichts von Liebe mehr sagen könnte.»

«Lieber Liebster, ich will dir von der Liebe sagen. Wirst du an meinen Gott, an Jesus Christus glauben und dich taufen lassen, wirst du den Engel sehen.»

Und dann verkündete Cäcilia ihrem Gatten das Evangelium und den christlichen Glauben, so daß ihre frommen Worte ihm das Herz erleuchteten und er ausrief:

«O Cäcilia, ich bin bereit, deinen Engel zu sehn, und bin bereit, Christ zu werden und mich taufen zu lassen.»

Da war Cäcilia sehr glücklich und sagte zu ihrem Gatten:

«Geh in die Via Appia zu Papst Urban und sage ihm, Cäcilia habe dich geschickt. Er wird dich taufen im Namen des dreieinigen Gottes.»

Da eilte Valerian hinaus auf die Via Appia, die außerhalb Roms liegt. Und als er zum Heiligen Vater kam, hob dieser dankbar und fröhlich seine Hände empor, ausrufend:

«O Herr Jesus Christus, empfange heute, in diesem Augenblick die Frucht, die du an Cäcilia gesäet hast.» Und während dieser Worte erblickte der selige Valerian den Engel, dessen Strahlenschönheit ihn tief entzückte und zugleich erschreckte, so daß er zu Boden sank. Der Engel aber nahm den Gefallenen an der Hand, hob ihn auf und sprach mit milder Stimme:

«Fürchte dich nicht. Glaube nur. Komm und lies.»

Der Engel hielt ein Buch in seinen Händen. Das war aufgeschlagen und der Engel hielt es Valerian hin, der in goldenen Buchstaben die Worte las:

«Es ist ein Glaube und eine heilige Taufe und ein Gott, der die Macht über alles hat.»

Da Valerian dieses gelesen hatte, fragte ihn der Engel: «Glaubst du, was hier geschrieben steht?»

Und Valerian gab zur Antwort:

«Ja, ich glaube.»

Dann verschwand der Engel und Valerian empfing von Papst Urban das Sakrament der heiligen Taufe.

 

Als Valerian wieder heimkam zu seiner Braut, sah er sie in der Gesellschaft des Engels und alle drei waren überglücklich. Der Engel hatte dem jungen Paare zwei Kränze aus dem Paradiese mitgebracht. Die Kränze waren gewunden aus den Rosen der Liebe und den Lilien der Unschuld, aus jenen köstlichen Blumen, die niemals welken.

Der Engel sagte, indem er einen Kranz Cäcilia, den andern Valerianus gab:

«Nur wer unschuldig ist und rein lebt, wird eure Kränze sehen.»

Und zu Valerian sprach der Engel noch besonders:

«Weil du heute getauft worden bist, sage mir, was du dir zum Geschenke wünschest. Es sei dir gewährt.»

Da antwortete Valerian:

«Ich wünsche mir, mein lieber Bruder Tiburtius möge dieselbe Gnade, das gleiche Glück wie ich erfahren. Ich wünsche, daß mein Bruder sich zum christlichen Glauben bekennen möge.»

Der Engel sprach:

«Dein Wunsch wird erfüllt werden.»

Dann nahm der Engel freundlich Abschied und ließ die beiden allein.

 

Kaum jedoch hatte sich der Engel entfernt, als auch schon der Bruder des Valerian, Tiburtius ins Zimmer trat und sogleich den süßen Duft der Rosen und Lilien verspürte. Er sah, wie Cäcilia und Valerian zusammen beteten, wußte aber wohl noch kaum, daß es sein eigen Seelenheil war, das sie fürbittend zu Gott brachten. Da sie nun Tiburtius kommen sahen, lächelten sie ihm grüßend zu.

Er aber sagte:

«Eia, ihr Lieben, wie gut ihr hier beisammen seid. Woher aber mag es kommen, daß es bei euch, mitten im Winter, nach Rosen und Lilien duftet? Fast möchte ich meinen, ich könne die Blumen sehen, des wunderbaren Duftes wegen, und doch sehe ich sie nicht.»

Da sprach Valerian:

«O Bruder, die Rosen und Lilien, die wir bei uns haben, sind schöner als die schönsten Blumen der Erde. Die Lilien sind leuchtender als der reinste Schnee, und die Rosen sind anzusehen wie eine heilige Liebe. Daß du aber die Blumen nicht sehen kannst, kommt von deinem Unglauben her und weil du dich noch im Schatten des Irrtums befindest. Komm in das strahlende Licht des christlichen Glaubens, liebster Bruder, und du wirst dich an den himmlischen Blumen erfreuen.»

Tiburtius antwortete:

«Mein Bruder, träumst oder wachst du? Erkläre mir deine Wandlung?»

Sprach Valerian:

«Wahrlich, Tiburtius, wir haben bisher im Traum gelebt, wenn wir die toten falschen Götter anbeteten. Nun aber wollen wir aus dem Schlafe erwachen. Nimm die Wahrheit Gottes an, Bruder, und Jesus Christus wird mit dir sein. Er ist unser Ein und unser Alles.»

Sprach Tiburtius:

«Woher weißt du dieses?»

«Ein Engel hat es mir verkündet. Ich weiß, was ich glaube, und werde nie mehr zweifeln können.»

Dieser Rede fügte Cäcilia noch viele fromme Worte hinzu, die wie Flammen das Herz des Tiburtius entzündeten, und er sprach zu seinen Geschwistern:

«Cäcilia und Valerian, ich spüre, daß der Engel bei euch ist.»

«Glaube und laß dich taufen und du wirst den Engel sehen.»

Noch am gleichen Tage brachte Valerian seinen Bruder zu Papst Urban, und Tiburtius empfing überglücklich und mit großer Andacht die heilige Taufe und lebte fortan im Hause seines Bruders und seiner Schwägerin Cäcilia.

Inzwischen wurden die Christen aufs härteste verfolgt und die zu Tode Gemarterten ließ man verstümmelt auf der Straße liegen, dies besonders zur Abschreckung und zur Warnung für die Heiden.

Valerian und Tiburtius aber begruben die Märtyrer, unterstützten die armen Hinterbliebenen und taten Gutes, wo sie nur konnten.

Dieses wurde einem von den Oberen der heidnischen Regierung, einem gewissen Almachius, hinterbracht, der sich sehr darüber entrüstete, als er hörte, die reichen Edelleute seien Christen geworden. Er hatte sie zwar ihrer vornehmen Herkunft wegen gerne verschont, doch ließ er sie gleichwohl zu sich führen, um sie zunächst in Güte zu warnen. Er sagte den beiden Brüdern: «Ihr müßt den Göttern opfern, wenn ihr euer Leben nicht in Gefahr bringen wollt.»

Die Brüder antworteten einstimmig:

«Wir können unser Leben nicht in Gefahr bringen, weil wir ewig leben werden durch Jesus Christus, der uns mit seinem Fleisch und Blut, das er für uns hingab, erlöst hat.»

Da ließ Almachius die Brüder ins Gefängnis legen und sandte ihnen einen Ritter namens Maximus, der also sprach:

«Ihr edlen Herren, ich staune, euch fröhlich hier im Kerker zu sehen, da ihr doch wisset, daß ihr gar bald werdet sterben müssen, wenn ihr euren Sinn nicht ändert und den Göttern opfert.»

Da sagten die Gefangenen:

«Es ist unnütz, uns zu töten, denn wir können nicht sterben. Wüßtest du, wie Jesus Christus uns das ewige Leben erworben hat, würdest du unsere Freude teilen.»

Dann sprachen sie so viel vom christlichen Glauben, daß der Ritter Maximus als ein Bekehrter den Kerker verließ und sich und seine ganze Familie von Papst Urban taufen ließ. Alle Neubekehrten jedoch wurden zum Tode verurteilt. Sie gingen aber zur Richtstätte, wie man zu einem Fest geht. Valerian und Tiburtius wurden enthauptet, während Maximus zu Tode geprügelt wurde. Cäcilia aber begrub die drei heiligen Blutzeugen.

Dann aber wurde Cäcilia gefangengenommen und aufgefordert, vor versammeltem Volke den Göttern zu opfern. Da sie sich standhaft weigerte, hatten alle inniges Mitleid mit ihrer Jugend und mit ihrer Schönheit. Das versammelte Volk weinte bittere Tränen. Die hl. Cäcilia aber sprach:

«Ihr sollt nicht weinen um mich! Ihr sollt froh sein, denn es ist kein Wunder, daß ich so früh sterben will. Ich komme zu Gott, bei dem ich nie altern werde, und ewig wird meine Jugend sein.»

Vom Heiligen Geist, der von der opferfreudigen Jungfrau ausging, hingerissen, gab es viele, die laut ihren Glauben bekannten.

Da Almachius sah, wie viele Menschen durch Cäcilia bekehrt wurden, ließ man die Heilige in ihr Haus führen und tat sie in ein Bad mit heißen Dämpfen, in dem sie eine Nacht verblieb, ohne daß die Dämpfe ihrem Leibe Schaden zufügten. Als der Richter sie am Morgen wohlbehalten vorfand, befahl er im Zorn, sie enthaupten zu lassen. Sie empfing drei Schläge, weil das Gesetz keinen Schlag mehr gestattete. Der Henker ließ die Heilige für tot in ihrem Blute liegen, aber durch ein göttliches Wunder lebte sie noch.

Da kam Papst Urban zu ihr, dem sie alles Geld, was sie noch besaß, für die armen Christen schenkte. Erst nach drei Tagen starb die heilige Cäcilia. Man fand sie, die junge Braut Christi, wie ein schlafendes Kind am Boden liegen. Noch im Tode hielt sie die drei Finger der rechten Hand zum letzten Schwur ausgestreckt.

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