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Der heilige Eustachius und seine Familie

Im Anfang des zweiten Jahrhunderts, unter dem Regiment des Kaisers Trajanus, lebte einmal im römischen Reiche ein hochangesehener und sehr beliebter Feldherr, namens Plazidus, der zwar ein guter Friedenswächter, aber auch ein überaus kühner, weitblickender Kriegsmann war, wenn es sich darum handelte, die Heimat zu verteidigen. Er ging aus allen Schlachten, die er klug zu lenken wußte, siegreich hervor, so daß selbst seine Gegner seiner kriegerischen Begabung wegen ihm ihre Bewunderung nicht versagen konnten.

Noch war Plazidus ein Heide, aber selbst als Ungetaufter besaß er die christliche Eigenschaft der werktätigen Nächstenliebe. Er war ein Freund der Armen, und hatte für diese eine stets offene Hand, die hilfsbereit nach allen Seiten austeilte. Seine junge, schöne Gattin, Trajana, die dem Manne an Hochherzigkeit ebenbürtig war, hatte ihm zwei Kinder geschenkt, Agapius und Theopistus, die schon im Alter von fünf und sechs Jahren so gut erzogen waren, daß man an den Früchten schon hatte den schönen Baum erkennen können. So war eine recht glückliche Familie, die obendrein mit irdischen Gütern reich gesegnet war, in Eintracht beisammen.

 

Plazidus war in seiner Freizeit viel unterwegs, da er sich mit Vorliebe den Vergnügungen der Jagd hingab. Eines Tages nun, da er auf seinem Pferde in einem einsamen, herrlichen Wald jagend umherstreifte, erblickte er plötzlich auf einer kleinen Anhöhe mitten im Gebüsch einen ungewöhnlich schönen, großen Hirsch, der aus dunklen, leuchtenden Augen den Jäger ruhig zu betrachten schien. Als dieser vorsichtig sich dem Hirsch nähern wollte, sprang das herrliche Tier mit einem Satz auf einen Felsblock, blieb hier regungslos stehen, das Augenpaar unverwandt auf Plazidus gerichtet. Zwischen dem Geweih des Hirsches aber ragte ein Kreuz auf, das von Lichtstrahlen umgeben war. Plazidus glitt vom Pferde herab, und von der Majestät dieser Erscheinung überwältigt, sank er in die Knie, während sein Blick starr und gebannt am Kreuz haften blieb. Da vernahm er eine Stimme, die aus dem Kreuz selbst zu rufen schien:

«Plazidus! Plazidus, warum verfolgst du mich?»

«Wer bist du?»

«Ich bin Jesus Christus, der nicht will, daß du ein Heide bist.»

«Herr, wer bist du?»

«Ich bin der, dem Himmel und Erde gehören. Ich bin der Sieger über alle Siegenden. Ich bin der Überwinder des Todes. Ich bin der Jäger. Du aber wirst meine Beute sein.»

«Sprich, Herr, was soll ich tun?»

«Du sollst mir angehören. Man wird dich und deine Familie in meinem Namen taufen. Wenn dies geschehen ist, sollst du wieder hierher kommen und ich will dir dein künftiges Leben offenbaren.»

Nach diesen Worten verschwand die Erscheinung.

Damit war das Wunder vollzogen, und die Seele Plazidus' hatte sich Gott und dem wahren Glauben zugewandt. Trajana aber hatte zu gleicher Zeit daheim eine göttliche Eingebung empfangen, und so kam es, daß Plazidus nicht nur mit seiner Familie, sondern auch mit seiner zahlreichen Dienerschaft zu einem Priester ging, um sich taufen zu lassen.

Als der Priester den Neubekehrten zum erstenmal die heilige Kommunion reichte, wurde ihm eine Erleuchtung von oben zuteil. Er fühlte, daß Plazidus, der neugewonnene Streiter Christi, der in der Taufe den Namen Eustachius empfing, in der Mitte der Seinen ein Blutzeuge sein würde. Plazidus war ja der Mann gewesen, der aus großen, irdischen Schlachten siegreich hervorgegangen war, und Eustachius war auserkoren, den weit härteren Kampf um Gott und um das himmlische Reich glorreich zu bestehen. So war der Priester jetzt der erste, der den künftigen, mächtigen Heiligen um dessen Fürsprache bat, indem er zu ihm sprach:

Wenn du im Paradiese sein wirst, gedenke meiner, damit auch ich einst würdig sein möge, die Gnade der Seligkeit zu empfangen.»

Noch am selben Tage ging Eustachius in den Wald, und abermals erschien ihm der heilige Hirsch in seiner majestätischen Schönheit. Kniend blickte Eustachius auf das Kreuz, von dem das wundersame Licht ausging. Die göttliche Stimme aber rief dem andächtig Lauschenden zu: «Selig bist du, Eustachius, weil du neugeboren wurdest und mein sein wirst für Zeit und Ewigkeit.»

«Herr, ich bin bereit. Sprich, was soll ich tun?»

Und jetzt vernahm Eustachius in der Einsamkeit des Waldes sein künftiges Leben.

«Eustachius, du wirst um des Glaubens willen viele Prüfungen auf dich nehmen. Sieh, du hattest mehr Freude an deinen ritterlichen Erfolgen, an deinem Reichtum, am Glück deines Familienlebens, als du annahmst. Wie sehr Ruhm und Ehre dieser Welt dich gefreut haben, wirst du erst erfahren, wenn du Armut und Verachtung, Not und Verfolgung kennenlernen wirst. Alles, was du heute noch besitzest, wirst du verlieren. Viel Ungemach wird über dich kommen. Du wirst den Kelch des Leidens bis zur Neige austrinken. Arm und elend wirst du sein, wie Hiob es einst war. Wirst du aber treu bleiben, will ich dich selbst in der Nacht des Zweifels nicht verlassen. In der tiefsten Not will ich mit dir sein. Du sollst alles, was einmal dein war, Reichtum, Ruhm und Ehre zurückgewinnen, doch nur, damit du erkennst, wie wenig Bestand das irdische Gut hat. Jetzt geh. Ich will mit dir sein.»

O, wie sich das Leben des Eustachius von einem Tag zum andern veränderte! Die Freunde, die von seiner Bekehrung vernahmen, zogen sich rasch von ihm zurück, weil sie die Verfolgung fürchteten. Es gab Arme, die aus Furcht kein Almosen mehr von ihm anzunehmen wagten. Wurden doch die Christen wie Freiwild gehetzt und getötet.

Man glaubte, Eustachius würde von den toten Göttern, die er verlassen hatte, bestraft, weil das Korn auf seinen Feldern verdarb, während andere reichlich ernteten. Wie auf Verabredung wurde der berühmte Kriegsherr, dem man noch vor kurzem alle nur erdenkbare Ehre erwiesen hatte, ängstlich gemieden. Eustachius aber beschloß, sich vom Kriegsdienst zurückzuziehen und mit seiner Familie auszuwandern. Sein Hab und Gut verteilte er an die Armen, die es noch annehmen mochten. Er behielt für sich und seine Familie nur das Notwendige für die Reise, und so verließ er sein schönes Haus, um sich in ein vollkommen Ungewisses zu begeben.

Er ging mit seiner Frau, die nach ihrer Taufe Theopista genannt wurde und den beiden Kindern zu einem Hafen, wo er sich einschiffen ließ, weil er nach Ägypten, ins Land der Träume und Engel zu fahren gedachte. Als sie ins offene Meer hinaus kamen, erhob sich ein gewaltiger Sturm und das Schiff drohte zu kentern. Eustachius flehte Jesus Christus an, der Petrus einmal über Wellen gehen ließ und dem Wind und Meer gehorsam sind. Da legte sich der Sturm, und Schiff und Mannschaft waren gerettet. Aber gleich nach diesem kam ein neues Unglück. Der Schiffsherr nämlich hatte eine böse Begierde zu Theopista gefaßt, und forderte nun von Eustachius, daß er ihm seine Frau überlassen solle. Eustachius, mitten auf dem Meere, bot dem Manne in solch gefährlicher Lage all sein Geld an, doch dem Schiffsherrn lag weit mehr an Theopista als am Gelde. Er drohte sogar, Eustachius zu töten, wenn er nicht gutwillig einwillige, ihm seine Frau zu überlassen. Als Eustachius sich kühn zum Tode bereit zeigte, um die Ehre seiner Frau zu schützen, drohte man ihm, auch die unschuldigen Kinder umzubringen. Inzwischen näherte sich das Schiff einem Hafen, und der Schiffsherr zwang Eustachius, hier mit den Kindern allein auszusteigen, um Theopista für sich zu behalten.

Da sprach die Frau zu ihrem Manne:

«Eustachius, rette dein Leben und das unserer Kinder. Geh ruhig an Land und laß mich auf dem Schiffe. Ich zweifle nicht daran, daß Gott mir beistehen wird, meine Frauenehre zu bewahren. Sollte es uns nicht beschieden sein, einander in diesem Leben wiederzusehen, hoffe ich doch, dir und den Kindern im Himmel wieder zu begegnen.»

Es war ein unsagbar schmerzlicher Abschied. Eustachius blieb mit den beiden kleinen Kindern am Ufer stehen, die weinend ihrer geliebten Mutter zuwinkten. Theopista, die am Bug des Schiffes stehen blieb, konnte sich der bittersten Tränen nicht erwehren, während das Schiff mit ihr immer weiter in ein Unbekanntes glitt und sie von Mann und Kindern immer weiter entfernte. Eustachius blickte dem Schiffe nach, und als es ihm aus dem Auge entschwand, wähnte er die Sonne seines Glückes für immer gesunken. Ein namenloser Schmerz bemächtigte sich seiner. Dann aber fühlte er die warmen Kinderhände in den seinen. Er neigte sich den kleinen Söhnen zu, schloß beide zugleich in seine Arme, und die Tränen der Kinder vermengten sich mit denen des Vaters.

«Wir bleiben bei dir, Vater», versuchten die Kleinen zu trösten.

Eustachius nahm die Kinder an der Hand, und während sie wanderten, beteten sie für die Mutter auf dem Meere.

Da kam Eustachius an einen Bach, der für ihn leicht zu durchwaten war, aber nicht für die kleinen Knaben. Da nahm er zuerst Theopistus, das größere Kind, auf den Arm und trug es ans andere Ufer, wo es sich, sein Brüderlein erwartend, niedersetzte. Nun wollte Eustachius nochmals den Bach durchwaten, um das zweite Kind zu holen, drehte sich aber in der Mitte des Weges nochmals nach dem ersten, Theopistus, um. Wer aber beschreibt seinen Schrecken, als er einen Löwen mit dem Knaben davoneilen sah? Eustachius stieß einen Schrei des Entsetzens aus. Da er sich aber bestürzt dem kleinen Agapius zuwenden wollte, sah er, noch mitten im Bache stehend, wie sein jüngstes Kind von einem Wolf verschlungen wurde Was die Legende hier berichtet, war das Vorzeichen, daß die Kinder von der bösen Blutgier der Menschen würden verschlungen werden. Es ist das prophetische Erlebnis der künftigen Märtyrer..

Der Löwe aber wurde später von Hirten eingefangen und mußte das Kind unversehrt wieder von sich geben, während der Wolf von Landleuten zur Strecke gebracht wurde und Agapius entstieg dem Rachen des Wolfes ohne Schaden zu erleiden Der Hirte mag die priesterliche Macht bedeuten, die das Kind, die Seele, retten hilft. Die Landleute sind das christlich-gläubige Volk, durch das ein Wunder geschieht. Die Seele stirbt nicht, wenn der Leib verschlungen wird..

Von nun an ging Eustachius einsam seiner Wege. Er kam in eine Wüste, wo er in Hungersnot geriet. Da setzte er sich ermattet unter einen Palmbaum und betete zu Gott: «O, Herr, verlaß mich nicht am Abend meines Lebens. Ach, einmal glich ich einem starken Baume, aber meine schönsten Zweige sind von mir genommen. Tränke und tröste mich, o Herr, auf daß ich nicht verdorre. Gütiger Jesus, um deinetwillen habe ich alles verlassen. O, wolle dich erinnern, daß du mir einmal versprochen hast, mir beizustehen, wenn in der Not mich die Kraft verlassen sollte. Die Stunde ist gekommen, da ich deiner bedarf. Verlaß mich nicht, Herr Jesus Christus, wie ich dich nie verlassen will. Komm zu mir mit deiner Gnade.»

Da kam eine himmlische Ruhe über Eustachius, und er spürte keinen Hunger und keinen Durst mehr, weil Gott selbst ihn mit seinem Trost erquickte. Er schlief friedlich ein, und die wilden Tiere der Wüste taten ihm kein Leid an. Es war, als erkannten oder ahnten sie die Frömmigkeit des heiligen, Mannes.

Schon am nächsten Tage hatte Eustachius' Wanderschaft ihr vorläufiges Ende erreicht. Er kam an einen Flecken, der Badiss genannt wurde. Auf dem Felde begegnete ihm ein Bauersmann, den er befragte, ob er ihn nicht als Knecht annehmen könne. Der Mann sagte sogleich zu, nahm Eustachius mit sich nach Hause, wo er zunächst mit guter Nahrung bewirtet wurde. Er erhielt eine einfache Kammer mit einem Lager zum Wohnen und Schlafen, und dafür half er den Acker bebauen und das Vieh hüten.

Es gefiel dem Eustachius recht wohl in dieser stillen, freundlichen Gegend. Nur der Schmerz um seine verlorengegangene Familie nagte an ihm, wenn er auch stets bemüht war, alles Gott zuliebe aufzuopfern. So vergingen Jahre um Jahre unter Gebet und Arbeit, und Eustachius hatte sich schon an das friedliche Landleben gewöhnt, als eines Tages ein recht unerwartetes Ereignis eintrat.

Im römischen Lande nämlich hatte der Kaiser Trajanus vernommen, daß sehr viel Volk, besonders Soldaten, ihm eidbrüchig geworden waren. Die frühere Ordnung und Zucht hatte wieder im Lande hergestellt werden sollen. Es fehlte jedoch der rechte Mann dazu. Der Kaiser dachte an Plazidus zurück, der früher einen guten Einfluß auf das Volk ausgeübt hatte, und der gleich einem Führer bei den Römern beliebt war. Der Kaiser hatte schon oftmals nach dem viel begehrten Plazidus gesucht, um ihn zu bestimmen, wieder in seine Dienste zu treten, doch Plazidus blieb unauffindbar.

Jetzt schickte der Kaiser nochmals zwei vornehme Kuriere, Acacius und Antiochus auf Reisen, um Eustachius zu suchen.

Diese beiden Männer hatten als Offiziere unter Eustachius gedient und hegten für ihren ehemaligen Vorgesetzten eine große Verehrung.

Nach langen Kreuz- und Querfahrten kamen Acacius und Antiochus auch in die Gegend von Badiss, wo es das Schicksal wollte, daß sie Eustachius begegneten, da er gerade auf dem Felde hinter dem Pfluge ging. Obwohl Eustachius sich im Lauf der Jahre sehr verändert haben mochte, fiel den kaiserlichen Boten an dem einfachen Landmann eine gewisse Ähnlichkeit mit Plazidus auf. Sie waren zwar ihrer Sache keineswegs sicher, zumal im armselig gekleideten Knecht kaum der bekannte frühere Feldherr zu mutmaßen war. Eustachius dagegen hatte seine früheren Offiziere sogleich erkannt, und da er bemerkte, wie sie ihn gar lange beobachteten, trat er freundlich auf sie zu und fragte sie nach ihrem Begehr.

Die liebenswürdige Güte des Mannes, der edle Tonfall seiner Stimme, berührte die kaiserlichen Boten überaus angenehm. Sie erzählten sogleich von ihrem Auftrag, den Feldherrn Plazidus zu suchen.

Ein kleines Lächeln glitt über das Gesicht des Eustachius, und er sagte:

«Auch ich stamme aus dem römischen Land, und daher seid Ihr mir besonders willkommen. Wenn Ihr es nicht verschmäht, in meiner bescheidenen Kammer für ein Weilchen meine Gäste zu sein, bitte ich euch, mit mir zu kommen.»

Die Kuriere gingen mit Eustachius, der zwar nicht geneigt war, sich zu erkennen zu geben, aber doch gerne wissen wollte, wie es in seiner Heimat bestellt war. Acacius und Antiochus begannen von den Unruhen im Lande zu erzählen, von der bevorstehenden Kriegsgefahr und von den Sorgen des Kaisers, der sie auf Reisen geschickt habe, um Plazidus zu suchen.

Eustachius vermochte nur mit Mühe seine Bewegung zu verbergen, da er vernahm, daß sein Heimatland in Gefahr schwebte. Die Boten bemerkten das kühne Aufflammen seiner Augen, das sie an Plazidus erinnerte. War dies nicht der bekannte Feldherrnblick des Kriegsmannes?

«O, wenn wir Plazidus wieder hätten!» riefen beide wie aus einem Munde und blickten auf Eustachius, der sich plötzlich der Tränen nicht zu erwehren vermochte. Er konnte nicht anders. Er stand auf, faßte sich, sah seinen treuen Offizieren in die Augen und sprach mit fester Stimme:

«Ich bin es. Ich bin euer Plazidus.»

Da warfen sich ihm die beiden wie Kinder an den Hals, sahen die Narbe, die er einst im Kampf davongetragen hatte. Und in stürmischer Freude berührten sie die Narbe liebkosend mit ihren Lippen. Da erklärte Eustachius sich bereit, noch einmal in die Dienste des Kaisers zu treten, um seinem Vaterlande zu helfen.

Die Reise wurde sofort angetreten, aber auf dem Schiffe während der Fahrt erzählte Eustachius von seiner Wandlung, und gab den Boten auch seinen wahren Namen kund. Noch bevor die Reisenden die Stadt erreichten, waren Acacius und Antiochus schon bekehrt und willens, sich taufen zu lassen. Nach dreißig Tagen langten sie in Rom an, wo Eustachius sofort ehrenvoll vom Kaiser empfangen wurde. Gleichzeitig war der Tag der Ankunft von Eustachius ein Freudenfest für das ganze Volk.

Da man sich nun wieder im Kriegszustand befand, war Eustachius genötigt, ein besonders starkes Heer von kräftigen jungen Kriegern zu erstellen. Da wurden unter vielen anderen, die sich freiwillig zum Kriegsdienst meldeten, auch zwei Jünglinge angeworben, die aus der Gegend von Badiss kamen und die ihrer schönen, kraftvollen Gestalt wegen als Trabanten für Eustachius auserwählt wurden.

Es waren Theopistus und Agapius, die als Soldaten in die Nähe des Eustachius kamen, obwohl der eine vom andern nichts wußte. So kämpften die tapferen Söhne an der Seite des tapferen Vaters, lange Zeit über nichts anderes wissend, als daß das Herz für die Heimat schlug.

Eustachius errang den Endsieg über die Feinde des Landes, ein Sieg, der ihn auf den hohen Gipfel des Ruhmes führte. Dankbar wurde er von allen Seiten umjubelt als der Retter seines Vaterlandes.

Er hatte sich inmitten seiner Soldaten ein Lager aufschlagen lassen, das in der Nähe eines schönen Landgutes lag, das von einem reizenden Garten umgeben war. Wer wohl diesen anmutigen Garten zu betreuen hatte? Niemand anders als Theopista, die auf dem Landgut als Magd angestellt war. Durch eine wunderbare göttliche Fügung hatte sie dem bösen Schiffsherrn entfliehen können und nach langem Leiden und vielen Entbehrungen Aufnahme bei guten Menschen gefunden. Nur von ihrem Gatten und ihren Söhnen wußte sie nichts, aber der Schmerz um ihre Lieben sollte nicht mehr lange dauern. Das Glück war Theopista nahe, da sie es noch nicht ahnen konnte.

 

Die jungen Soldaten nun pflegten manchmal in der Abendstunde sich im Freien zusammenzutun, um sich zur Kurzweil einander ihre Erlebnisse zu erzählen. In solcher Gesellschaft waren auch Theopistus und Agapius einmal dabei. Eines Abends nun erbot sich Theopistus den Kameraden eine Geschichte vorzutragen und begann also: «Ich war der Sohn eines Kriegsmannes, und meine Mutter war eine liebe Frau. Ich hatte auch ein Brüderlein, mit dem ich oft gespielt habe. Es ist gar vieles, an das ich mich nicht klar erinnern kann, denn ich war kaum sechs Jahre alt, als wir auf die Reise gingen. Wir fuhren auf einem Schiff übers Meer, und als wir an eine Stadt kamen, verließ mein Vater mit meinem kleineren Bruder und mir das Schiff. Warum aber meine liebe Mutter auf dem Schiffe blieb und weiter fuhr, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, wie sehr traurig wir waren, und wie mein Brüderlein und ich bitterlich geweint haben. Auch mein Vater war tiefbetrübt, wenn er auch versuchte, uns Kinder zu trösten. Als wir an einen Bach kamen, hat mein Vater mich auf seinen Arm genommen und ist mit mir durch den Bach gegangen. Er setzte mich am Ufer nieder, damit ich dort auf ihn und auf meinen Bruder warte. Es kam aber ein Löwe auf mich zu, der mich verschlang. Der Löwe jedoch wurde von Hirten eingefangen und mußte mich wieder heil und gesund von sich geben. Bei diesen Hirten bin ich dann erzogen worden und bin bei ihnen geblieben, bis ich Soldat wurde. Wo aber meine Eltern geblieben sind, das weiß ich nicht. Und wo mein Brüderlein geblieben ist, ach, das weiß ich auch nicht.»

Da stieß ein junger Soldat einen hellen Schrei der Freude aus. «Aber ich, ich weiß es! Hier, hier ist dein Bruder Agapius, Theophisto, du mein, du mein Bruder!»

Dann lagen sich beide in den Armen, unsagbar glücklich über das unerwartete Wiedersehen. Aber auch unter den Soldaten herrschte eine jubelnde Freude, und wie in Windeseile ging die Geschichte von Mund zu Mund und von Ohr zu Ohr, so daß in der ganzen Gegend kaum einer war, der nicht von den beiden Brüdern Theopistus und Agapius wußte. Da vernahm auch Theopista die Kunde und so sehr sie auch das Verlangen trug, in übergroßer Freude zu ihren Söhnen zu eilen, wagte sie es gleichwohl nicht, weil sie unter einem fremden Namen in dieser Gegend bekannt war. Würde man ihr Glauben schenken, wenn sie sagen würde, sie sei die Mutter von Theopistus und Agapius? Auch war sie heimlich eine Christin und hätte durch ihr Bekenntnis ihre Familie gefährden können.

Als sie jedoch vernahm, daß auch Eustachius sich in ihrer Nähe befand, wurde die Sehnsucht in Theopista übergroß, zumal sie in Erfahrung brachte, das Heer würde in einigen Tagen nach Rom reisen. Wenn sie also Mann und Kinder wiedersehen wollte, durfte sie die Gelegenheit nicht versäumen. Tief verschleiert, wie es die Sitte des Landes erforderte, ging Theopista ins Lager und wurde auf ihre dringende Bitte zu Eustachius geführt.

Mit niedergeschlagenen Augen stand sie vor ihm und trug ihm ihr Anliegen vor:

«Ich bin geborene Römerin und ein wunderliches Geschick hat mich an diesen Ort geführt. Seit vielen Jahren lebe ich als Magd an diesem Ort, weil ich nie jemanden fand, dem ich mich hätte anschließen können und der mich in meine Heimat hätte zurückbegleiten können. Wenn Ihr, hoher Herr, mir dabei behilflich sein wolltet ...»

Die Stimme der Frau begann leicht zu zittern, und Eustachius empfand ein inniges Mitleid mit der armen, verlassenen Magd. Es lag etwas in ihrer Erscheinung und auch in ihrer Art, zu sprechen, was ihm das Herz bewegte, doch wußte er nicht, was dieses war.

«Wenn Ihr Euch unter meinen Schutz begeben wollt, will ich Euch gerne helfen», versprach er.

Da schlug Theopista ihren Schleier zurück, und blickte in das geliebte Angesicht ihres Gatten, den sie nahezu zwanzig Jahre über nicht gesehen hatte. Sie sah Eustachius nicht im Pilgergewand wie damals, als sie zusammen auswanderten. Er trug jetzt seine vornehme Uniform, und öffentlich war er allen bekannt unter dem Namen Plazidus. Sie zögerte einen kleinen Augenblick, als sei sie seiner nicht vollkommen sicher. Als sie jedoch den warmen Blick seiner Augen auf sich fühlte, rief sie ihm leise und mit dem Ausdruck innigster Liebe zu:

«Eustachius! Ich bin es, ich ...!»

«Oh, Theopista, du! Du, du bist es!»

Eustachius fing sie in seinen Armen auf, da sie vom Glück überwältigt, dem Umsinken nahe war. So blieben sie eine Weile wortlos, während die Herzen der Gatten leise zusammenschlugen. Nachdem sie sich ein wenig gefunden, die Freude des Wiedersehens recht begriffen hatten, fragte Theopista:

«Und wo sind unsere Kinder?»

Eustachius wehrte schmerzlich ab:

«Ach, Theopista, frage in dieser Stunde noch nicht nach den Kindern.»

Da merkte Theopista, daß Eustachius noch nicht wußte, daß die Söhne am Leben waren. Sie bereitete ihn sorglich auf die große Freude vor und sagte ihrem Manne:

«Wie Gott uns beschützt hat in seiner wunderbaren Güte, so hat er auch unsere Kinder beschützt. Eustachius, möchtest du deine Söhne wiedersehen?»

«Oh, wie kannst du fragen? Ich wüßte nicht, wie innig ich dem Herrn danken wollte für solches Wunder.»

«Wir wollen ihm beide danken», antwortete Theopista, und sie beteten zusammen.

Dann aber bat Theopista ihren Mann, er möge seine beiden Trabanten, die für seinen besonderen Dienst bestellt seien, zu sich rufen lassen.

«Warum?» fragte Eustachius erstaunt.

«Weil es deine Söhne sind, Theopistus und Agapius.»

Da ließ Eustachius seine Söhne rufen. Wer aber vermag das Glück zu beschreiben, das die Familie empfunden haben muß, als sie nach langer Zeit, nach so schweren Prüfungen, wieder vereint beisammen war?

Als Eustachius mit den Seinen nach Rom kam, starb der Kaiser Trajanus wenige Tage später. Sogleich kam der Kaiser Hadrian auf den Thron, der aber als fanatischer Heide die Christen in grausamer Weise zu verfolgen begann. Da nun Eustachius am kaiserlichen Hof empfangen wurde, bedachte ihn Hadrian zwar reichlich mit Ehren und Geschenken, da der Kaiser ihn gerne in seinen Diensten behalten wollte, zugleich jedoch verlangte er, daß Eustachius vor versammeltem Volke den Göttern opfern solle. Da weigerte Eustachius sich nicht nur standhaft, sondern bekannte sich öffentlich zum Christentum. Dies war die Herausforderung, die Ansage des Eustachius zum letzten Kampf.

Da er weder durch Schmeicheleien noch durch Drohungen, weder durch Bitten noch durch Befehle sich bewegen ließ, seinen Glauben an Jesus Christus abzuschwören, wurde er, der soeben erst das Volk zum Siege geführt hatte, seiner ritterlichen Würde verlustig erklärt und zusammen mit seiner Familie auf die grauenhafteste Weise gefoltert. Wie ein wahrer Ritter vom Heiligen Geiste betrat Eustachius die Arena mit seiner Familie, die ihm an Standhaftigkeit ebenbürtig war. Die wilden Tiere, die man auf die Wehrlosen hetzte, schienen zurückzuschrecken vor der Macht des Glaubens, die wie ein Licht von den Märtyrern ausstrahlte. Die Löwen wurden zahm und zogen sich beschämt und scheu zurück.

Bevor die Heiligen endlich nach langen Qualen den Flammentod erlitten, knieten alle nebeneinander nieder und beteten: «Herr Jesus Christus, laß unser Opfer gültig sein vor dir, und nimm uns auf in deine selige Gemeinschaft.» Als Antwort vernahmen sie eine Stimme vom Himmel. Es war die gleiche Stimme, die Eustachius einst aus dem Strahlenkreuze vernahm, da er zum Glauben berufen wurde. Die Stimme rief:

«Kommt zu mir, ihr Gesegneten! Ihr seid die Erben des ewigen Reiches, das euch erwartet.»

Da wurde Eustachius mit den Seinigen in die Gemeinschaft der Heiligen aufgenommen. Eine unabsehbare Volksmenge war zugegen, und als die Stimme aus der Höhe vernommen wurde, schrien die Menschen laut auf, und viele Tausende bekannten sich zum Christenglauben in jener Stunde, da die vier heiligen Seelen im Paradiese empfangen wurden. So errang Eustachius noch bei seinem Abschied von dieser Welt, im Augenblick seiner Geburt zur Ewigkeit, einen großen Sieg, da er durch sein heldenmütiges Beispiel Tausende von Seelen mit sich riß und dem Glauben zuführte. Wie eine mächtige Welle ging es durch das Volk und ein Ruf stieg zum Himmel empor, der gleich einem rauschenden Lobgesang anschwoll. So errang der heilige Feldherr Eustachius den Sieg aller Siege, während das versammelte Volk ihm nachrief: «Jesus Christus sei gelobt und gepriesen in seinen Heiligen.»

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