Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XVI
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Abul-Hasan von Chorāsân der Wechsler und Schádscharet ed-Durr.

Ferner erzählt man, o glückseliger König, daß El-Mutadid billāhAuf Deutsch etwa Gotthilf; sechzehnter Abbaside 891–902. ein hochgemuter, edelgesinnter Herr war, der zu Bagdad sechshundert Wesire hatte, und dem von den Angelegenheiten des Volks nichts verborgen war. Eines Tages ging er mit Ibn Hamdûn aus, sich an den Unterthanen zu belustigen und Neuigkeiten zu hören, als die Mittagshitze ihnen zu drückend ward, so daß sie, da sie gerade an eine kleine Gasse gelangt waren, aus der Hauptstraße in dieselbe einbogen, an deren Ende sie ein schönes, hochgebautes Haus gewahrten, das mit beredter Zunge seinen Herrn rühmte. Sie setzten sich an die Thür desselben, um sich zu erholen, als zwei Eunuchen gleich Monden in der vierzehnten Nacht herauskamen, und der eine zum andern sagte: »Wollte doch heute ein Gast um Einlaß bitten, da mein Herr nur mit Gästen speist, und wir es schon so spät haben, ohne daß ich jemand gesehen hätte.« Verwundert über ihre Worte, sagte der Chalife: »Dies beweist die Freigebigkeit des Hausherrn; wir müssen sein Haus betreten und seine Großmut schauen, und dies soll ihm von uns ein Geschenk einbringen.« Hierauf sagte er zum Eunuchen: »Bitte deinen Herrn einer Gesellschaft von Fremden den Eintritt zu gestatten.« Wenn aber zu jener Zeit der Chalife unter seinen Unterthanen spazieren wollte, pflegte er sich als Kaufmann zu verkleiden. Der Eunuch trat nun bei seinem Herrn ein und teilte es ihm mit, worauf sich dieser erhob und erfreut zu ihnen in eigner Person herausging; und siehe, er hatte ein hübsches Gesicht und eine schöne Gestalt und war in ein Kamisol von Nisapurer Arbeit und einen goldgestickten Mantel gekleidet; außerdem triefte er förmlich von Wohlgerüchen und trug an seiner Hand einen Siegelring mit Hyazinthen. Als er die 155 beiden Fremden sah, sprach er: »Willkommen, willkommen, ihr Herren, die ihr uns durch euer Kommen die höchste Ehre erweist!« Hierauf traten sie ins Haus ein und fanden, das es Angehörige und Heimat vergessen ließ, da es einem Stück vom Paradiese glich.

Neunhundertundsechzigste Nacht.

Von dem Haus ward ein Garten mit allerlei Bäumen umschlossen, der die Blicke verwirrte, und die Räume des Hauses waren mit kostbaren Sachen ausgestattet. Nachdem sie sich gesetzt hatten, begann der Chalife das Haus und seine Einrichtung zu mustern und, »wie ich nun den Chalifen anschaute,« – so erzählt Ibn Hamdûn, – »gewahrte ich, wie sich seine Mienen veränderten, so daß ich, da ich an seinem Antlitz erkennen konnte, ob er zufrieden oder mißvergnügt war, bei mir sprach: »Was mag ihn nur erzürnt haben?« Alsdann brachten sie ein goldenes Becken, und wir wuschen uns die Hände, worauf sie ein seidenes Tuch ausbreiteten und darauf einen Tisch aus Bambusrohr setzten. Als die Deckel von den Schüsseln abgenommen wurden, sahen wir Gerichte wie des Lenzes Blumen, wenn sie selten sind in ihrer Zeit, zwiefach vorhanden und einmal, und der Hausherr sprach: »In Gottes Namen, ihr Herren! Bei Gott, der Hunger quält mich schon; thut mir die Ehre an und esset von diesen Speisen, wie es Edler Art ist.« Hierauf zerlegte der Hausherr die Hühner und legte sie ihnen vor, indem er dabei lachte und Verse sprach und Anekdoten vortrug und Späße erzählte, wie sie für die Unterhaltung der Gesellschaft angebracht waren. Nachdem wir gegessen und getrunken hatten, begaben wir uns in einen andern Raum, der die Beschauer verwirrte und würzige Gerüche ausströmte, wo man uns einen Tisch mit frischgepflücktem Obst und köstlichem Konfekt vorsetzte, so daß unsere Fröhlichkeit zunahm und unsere Mißstimmung schwand. Bei alledem aber schaute der Chalife finster drein und lächelte nicht über das, was die 156 Seelen erfreut, wiewohl er sonst ein Freund von Scherz und Fröhlichkeit war und gern die Sorgen beiseite schob. Da ich nun wußte, daß er kein Neidhart oder Tyrann war, sprach ich bei mir: »Was mag ihn nur so verdrießlich stimmen, und warum weicht seine Verdrossenheit nicht?« Hierauf trugen sie die Platte mit Wein auf, der der Freunde trauten Verein schafft, und brachten geklärten Trank in goldenen und silbernen und krystallenen Krügen; und nun schlug der Hausherr mit einem Bambusrohr an eine Zimmerthür, worauf sich dieselbe aufthat und drei hochbusige jungfräuliche Mädchen mit Antlitzen wie die Sonne an der vierten Tagesstunde hereintraten, von denen die eine eine Lautnerin, die andere eine Harfnerin und die dritte eine Tänzerin war. Alsdann setzte er uns getrocknete Früchte und Obst vor und zog zwischen uns und den Mädchen einen Vorhang aus Brokat mit seidenen Quasten und goldenen Ringen, ohne daß der Chalife von alle dem Notiz nahm, und ohne daß der Hausherr wußte, wer bei ihm zu Gast war. Mit einem Male fragte der Chalife den Hausherrn: »Bist du ein Scherîf?«Stammst du von Mohammed ab? Oder einfacher. Bist du adelig? Er erwiderte: »Nein, mein Herr, ich bin nur ein Kaufmannssohn und bin unter dem Volk bekannt als Abul-Hasan Alī, der Sohn Ahmeds von Chorāsân« Da fragte ihn der Chalife: »Kennst du mich, Mann?« Er versetzte: »Bei Gott, ich kenne keinen von euer Hochedeln.« Nun sagte ich zu ihm: »Mann, dies ist der Fürst der Gläubigen El-Mutadid bill࣑h, Enkel des El-Mutawakkil alâ-llāh.«Traugott. Zehnter Abbaside 848–61; Enkel Hārûn er-Raschîds. Da erhob sich der Mann, zitternd vor Furcht, und sprach, die Erde vor dem Chalifen küssend: »O Fürst der Gläubigen, bei deinen lautern Vätern, wenn du an mir in deiner Gegenwart einen Verstoß oder Mangel an Takt sahst, so vergieb es mir.« Der Chalife entgegnete: »Was unsere Bewirtung durch dich anlangt, so konnte sie nicht übertroffen werden; in betreff dessen aber, 157 was mich gegen dich aufgebracht hat, so sollst du, falls du mir die Wahrheit angiebst und sie mir plausibel erscheint, straflos ausgehen; giebst du mir jedoch nicht die Wahrheit an, so fasse ich dich mit klar zu Tage liegendem Beweis und strafe dich wie niemand zuvor.« Da versetzte der Hausherr: »Gott soll hüten, daß ich die Unwahrheit spräche! Was ist's, was der Fürst der Gläubigen an mir auszusetzen hat?« Der Chalife erwiderte: »Von dem Moment an, daß ich dein Haus betrat, musterte ich seine Schönheit, das Geschirr, die Einrichtung und all seinen Schmuck bis zu deinen Kleidern und fand, daß auf allem der Name meines Großvaters El-Mutawakkil alâ-llāh steht.« Der Hausherr entgegnete: »So ist's; wisse, o Fürst der Gläubigen – Gott stärke dich! – Wahrheit ist dein Unterkleid und Wahrhaftigkeit dein Mantel, und niemand vermag in deiner Gegenwart die Unwahrheit zu sprechen.« Da befahl ihm der Chalife sich zu setzen und sprach zu ihm, nachdem er seinem Befehl entsprochen hatte: »Erzähle.« Und so hob er an: »Wisse, o Fürst der Gläubigen, – Gott stärke dich mit seiner Hilfe und bedecke dich mit seiner Huld! In Bagdad gab es keinen Wohlhabenderen als mich und meinen Vater. Leihe mir jedoch Sinn, Gehör und Gesicht, daß ich dir in betreff dessen, was du an mir auszusetzen hast, Aufklärung gebe.« Der Chalife versetzte: »Erzähl' deine Geschichte.« Und so fuhr er fort: »Wisse, o Fürst der Gläubigen, mein Vater hatte auf den Bazaren der Wechsler, Drogisten und Linnenhändler je einen Laden, einen Agenten und Waren allerlei Arten; hinter seinem Laden auf dem Wechslerbazar aber hatte er ein Privatgemach, während er den Laden zum Kauf und Verkauf bestimmte. Sein Geld war ohne Zahl und Maß, doch hatte er kein Kind außer mir, und er liebte mich aufs zärtlichste. Als ihm die Todesstunde nahte, rief er mich zu sich, mir meine Mutter empfehlend und mich zur Gottesfurcht ermahnend. Alsdann starb er, – Gott, der Erhabene, hab' ihn selig und erhalte den Fürsten der Gläubigen! Hierauf 158 gab ich mich den Vergnügungen hin, schmauste und zechte und schaffte mir Kameraden und Busenfreunde an, wiewohl meine Mutter mir dies verbot und mich deshalb schalt. Ich hörte jedoch nicht auf sie, bis all mein Geld dahin war, worauf ich die Grundstücke verkaufte, bis mir nichts als das Haus, in dem ich wohne, übrigblieb, und es war eine schöne Stätte, o Fürst der Gläubigen. Hierauf sagte ich zu meiner Mutter: »Ich will das Haus verkaufen.« Sie versetzte: »Mein Sohn, wenn du es verkaufst, so kommst du in Schande und weißt nicht, wo du Unterkommen finden kannst.« Ich erwiderte jedoch: »Es ist fünftausend Dinare wert; ich will mir von der Kaufsumme ein Haus für tausend Dinare kaufen und mit dem Rest Handel treiben.« Da sagte sie: »Willst du mir das Haus für diesen Preis verkaufen?« Ich versetzte: »Ja.« Hierauf ging sie zu einem Kasten und holte aus ihm ein Porzellangefäß heraus, in dem sich fünftausend Dinare befanden, bei deren Anblick mir das ganze Haus wie von Gold vorkam. Sie sagte jedoch: »Glaub' nicht, mein Sohn, daß dieses Geld deines Vaters Geld ist; bei Gott, mein Sohn, es ist von dem Geld meines Vaters, das ich für die Zeit der Not zurücklegte; in den Tagen deines Vaters war ich so reich, daß ich dieses Geldes nicht bedurfte.« Da nahm ich das Geld von ihr in Empfang, o Fürst der Gläubigen, und schmauste und zechte und kumpaneite wie zuvor, bis daß ich die fünftausend Dinare verthan hatte, ohne auf meiner Mutter Worte und Ermahnungen zu hören. Dann sagte ich zu ihr: »Ich will das Haus verkaufen.« Sie versetzte: »Mein Sohn, ich untersagte dir schon seinen Verkauf, da ich wußte, daß du seiner bedürfen würdest; wie willst du es nun zum zweitenmal verkaufen?« Ich erwiderte: »Mach' mir keine langen Reden, ich muß es verkaufen.« Da entgegnete sie: »Verkauf' es mir für fünfzehntausend Dinare unter der Bedingung, daß ich selber deine Geschäfte beaufsichtige.« Ich that dies, und nun ließ sie meines Vaters Agenten zu sich kommen und gab einem jeden von ihnen 159 tausend Dinare, den Rest des Geldes unter ihrer Hand behaltend und Einnahmen und Ausgaben verwaltend. Einen Teil des Geldes gab sie mir jedoch, daß ich damit Handel triebe, und sagte zu mir: »Sitz im Laden deines Vaters.« Ich gehorchte den Worten meiner Mutter, o Fürst der Gläubigen, und begab mich in das Gemach auf dem Wechslerbazar, wo mich nun meine Freunde besuchten und von mir kauften; und ich erzielte hübschen Profit, und mein Geld mehrte sich. Als mich nun meine Mutter auf so guten Wegen sah, zeigte sie mir die Juwelen, Edelsteine, Perlen und das Gold, das sie aufgespeichert hatte, und so kam ich wieder in Besitz der Grundstücke, die ich verschwendet hatte, und mein Gut ward groß wie zuvor. Nachdem ich in dieser Weise eine Weile zugebracht hatte, währenddem meines Vaters Agenten kamen, und ich ihnen Waren übergab, baute ich mir ein zweites Gemach hinter meinem Laden und saß wie gewöhnlich in ihm, o Fürst der Gläubigen, als mit einem Male ein Mädchen, wie die Augen kein schöneres erschaut hatten, auf mich zukam und fragte: »Ist dies die Wohnung Abul-Hasan Alīs, des Sohnes Ahmeds von Chorāsân?« Ich erwiderte: »Jawohl.« Da fragte sie: »Wo ist er?« Ich versetzte: »Ich bin's;« jedoch war mein Verstand von dem Übermaß ihrer Anmut völlig verwirrt, o Fürst der Gläubigen. Hierauf setzte sie sich und sagte zu mir: »Befiehl deinem Burschen, mir dreihundert Dinare abzuwägen.« Ich that dies, und, als der Bursche ihr die dreihundert Dinare abgewogen hatte, nahm sie das Geld und ging fort, mich ganz verwirrt zurücklassend, worauf mich der Bursche fragte: »Kennst du sie?« Ich erwiderte: »Nein, bei Gott.« Da sagte er: »Weshalb befahlst du mir dann ihr das Geld abzuwägen?« Ich versetzte: »Bei Gott, ich war durch ihre Schönheit und Anmut so geblendet, daß ich nicht wußte, was ich sprach.« Da erhob sich der Bursche und lief ihr nach, ohne daß ich etwas davon wußte. Als er weinend und mit der Spur eines Backenstreiches wieder zurückkehrte, 160 fragte ich ihn: »Was ist mit dir vorgefallen?« Er erwiderte mir: »Ich folgte dem Mädchen, um zu sehen, wohin sie ginge; als sie mich jedoch bemerkte, kehrte sie um und versetzte mir diesen Schlag, der mir beinahe das Auge ausgeschlagen hätte.« Hierauf verstrich ein Monat, ohne daß ich sie gesehen hätte, oder daß sie zu mir gekommen wäre; und von Liebe zu ihr, o Fürst der Gläubigen, war ich ganz verstört. Am Ende des Monats aber kam sie mit einem Mal wieder an und begrüßte mich, daß ich vor Freude beinahe geflogen wäre. Dann fragte sie mich nach meinem Befinden und sagte: »Vielleicht sprachst du bei dir: Was ist das für eine Betrügerin, die mein Geld nimmt und ihres Weges geht?« Ich versetzte: »Bei Gott, meine Herrin, mein Geld und mein Leben gehört dir.« Da entschleierte sie ihr Gesicht und setzte sich, um sich auszuruhen, während die Schmucksachen und Kleinodien ihr auf Gesicht und Brust spielten. Dann sagte sie zu mir: »Wäg' mir dreihundert Dinare ab.« Ich erwiderte: »Ich höre und gehorche,« und wog ihr die Dinare ab, worauf sie das Geld nahm und damit fortging. Da sagte ich zum Burschen: »Folg' ihr.« Er that es, kehrte jedoch verdutzt wieder zurück, und nun verging wieder eine Weile, ohne daß sie kam. Während ich aber eines Tages dasaß, erschien sie wieder und plauderte eine Weile mit mir, worauf sie zu mir sagte: »Wäg' mir fünfhundert Dinare ab, ich brauche sie.« Da wollte ich schon zu ihr sagen: »Weshalb sollte ich dir mein Geld geben?« jedoch hinderte mich meine übermäßige Verliebtheit am Reden, denn, o Fürst der Gläubigen, so oft ich sie nur anschaute, erbebte ich in allen Gelenken und ward gelb; und so vergaß ich, was ich sagen wollte, und ward wie der Dichter sagt:

»Nichts ist's; nur, wenn ich sie plötzlich schaue,
Bin ich so verwirrt, daß mir fast die Sprache fehlt.«

Und so wägte ich ihr die fünfhundert Dinare ab, worauf sie das Geld nahm und fortging. Nun aber erhob ich mich 161 selber und folgte ihr, bis ich auf den Bazar der Juweliere gelangte, wo sie bei einem Juwelier stehen blieb und ein Halsband kaufte. Dabei wendete sie sich um und sagte, als sie mich erblickte: »Wäg' ihm für mich fünfhundert Dinare dar.« Als mich aber der Besitzer des Halsbandes sah, erhob er sich vor mir ehrerbietig, worauf ich zu ihm sagte: »Gieb ihr das Halsband und fordere das Geld von mir.« Da versetzte er: »Ich höre und gehorche;« worauf sie das Halsband nahm und ihres Weges ging.

Neunhundertundeinundsechzigste Nacht.

Ich folgte ihr nun wieder, bis sie an den Tigris gelangte, wo sie in ein Fahrzeug stieg. Da machte ich ein Zeichen mit der Hand nach der Erde, als wollte ich die Erde vor ihr küssen; sie aber zog lachend ab, und ich blieb nun stehen und folgte ihr mit den Blicken, bis sie in ein Schloß trat, das ich bei genauerm Zusehen als das Schloß des Chalifen El-Mutawakkil erkannte. Hierauf kehrte ich zurück, o Fürst der Gläubigen, mit einem Herzen, über das aller Gram in der Welt gekommen war, da sie dreitausend Dinare von mir genommen hatte; und ich sprach bei mir: »Nun hat sie mein Geld genommen und mir den Verstand geraubt, und vielleicht verlier' ich aus Liebe zu ihr mein Leben.« Dann kehrte ich heim in mein Haus und erzählte meiner Mutter alles, was mir widerfahren war, worauf sie zu mir sagte: »Mein Sohn, hüte dich, daß du ihr nach diesem noch einmal in den Weg kommst, sonst bist du verloren.« Als ich dann zu meinem Laden ging, kam mein Agent vom Bazar der Drogisten, der ein alter Scheich war, zu mir und sagte: »Mein Herr, wie kommt's, daß ich dich so ganz verändert und mit Spuren von Kümmernis sehe? Erzähl' mir doch, was dir fehlt.« Da erzählte ich ihm mein Erlebnis mit ihr, worauf er zu mir sagte: »Mein Sohn, das ist eines der Mädchen aus dem Schloß des Fürsten der Gläubigen und zwar die Favoritin des Chalifen; denk', du hast das Geld 162 um Gottes willen ausgegeben, und gräme dich nicht mehr um sie. Wenn sie jedoch wieder zu dir kommen sollte, so hüte dich, daß sie dir noch einmal vors Gesicht kommt, und sag' es mir, daß ich dir etwas ausfindig mache, damit du nicht dein Leben verlierst.« Hierauf verließ er mich und ging fort, während mein Herz in Flammen stand. Am Ende des Monats kam sie mit einem Male wieder zu mir, worüber ich aufs höchste erfreut war, und sagte zu mir: »Was bewog dich dazu, mir zu folgen?« Ich versetzte: »Das Übermaß der Leidenschaft meines Herzens trieb mich hierzu.« Dann weinte ich vor ihr, und aus Mitleid weinte sie mit mir und sagte: »Bei Gott, wenn dein Herz von Sehnsucht erfüllt ist, so ist es das meinige noch viel mehr. Was ist jedoch zu thun? Bei Gott, ich weiß nichts anderes, als daß ich dich in jedem Monat einmal sehe.« Hierauf übergab sie mir ein Blatt und sagte zu mir: »Bring' dies dem und dem, der mein Agent ist, und laß dir von ihm die Summe geben, die darauf verzeichnet ist.« Ich versetzte: »Ich hab' kein Geld nötig; mein Geld und mein Leben gäbe ich für dich hin.« Da sagte sie: »Ich werde bestimmt Mittel und Wege ersinnen, wie du zu mir gelangen kannst, und sollte es mir auch Mühe machen.« Hierauf nahm sie von mir Abschied und ging fort, während ich zum Scheich der Drogisten ging und ihm die Sache mitteilte. Da ging er mit mir zu El-Mutawakkils Palast, welchen ich als den Ort erkannte, in den das Mädchen gegangen war. Zuerst wußte der Scheich nicht aus noch ein, dann aber blickte er sich um und gewahrte einen Schneider mit seinen Gesellen gegenüber dem Gitterfenster, das auf das Stromufer ging. Da sagte er: »Hierdurch wirst du deinen Wunsch erreichen; zerreiß' deine Tasche und geh' dann zu ihm und bitt' ihn, dir die Tasche zu nähen. Hat er es gethan, so gieb ihm zehn Dinare.« Ich erwiderte: »Ich höre und gehorche.« Alsdann ging ich zum Schneider, nachdem ich zwei Stücke griechischen Brokat zu mir genommen hatte, und sagte zu ihm: »Schneide 163 mir diese beiden Stücke zu vier Anzügen zu, zwei mit langgeärmelten Röcken und zwei ohne solche.« Als er dann die Kleider zugeschnitten und genäht hatte, bezahlte ich ihm viel mehr als gewöhnlich, und, wie er nun die Hand mit den Anzügen nach mir ausstreckte, sagte ich zu ihm: »Behalt' sie für dich und die Leute, die bei dir sind.« Dann blieb ich lange bei ihm sitzen und bestellte noch andere Anzüge, indem ich zu ihm sprach: »Hänge sie vor deinem Laden auf, daß die Leute, die sie sehen, kaufen.« Da that er es, und jedem, der aus dem Schloß des Chalifen kam, und dem etwas von den Sachen gefiel, schenkte ich sie, bis hinab zum Thürsteher, bis der Schneider eines Tages zu mir sagte: »Mein Sohn, erzähl' mir doch die Wahrheit; nun hast du hundert teure Anzüge bei mir bestellt, von denen jeder ein Stück Geld kostet, und hast den größten Teil derselben den Leuten geschenkt. So thut kein rechter Kaufmann, der jeden Dirhem berechnet; was ist denn der Betrag deines Grundkapitals, daß du solche Geschenke machst, und was ist dein Gewinn pro Tag? Sag' mir die Wahrheit, daß ich dir zu deinem Wunsch verhelfe.« Dann setzte er noch hinzu: »Ich beschwöre dich bei Gott, bist du nicht verliebt?« Ich erwiderte: »Ja.« Nun fragte er: »In wen?« Ich versetzte: »In eins der Mädchen aus dem Chalifenschloß.« Da sagte er: »Gott bringe Schande über sie! Wie viel Leute sollen sie noch verführen!« Dann fragte er mich: »Weißt du ihren Namen?« Ich versetzte: »Nein.« Da sagte er: »So beschreib' sie mir.« Nachdem ich sie beschrieben hatte, rief er: »Weh! Das ist die Lautnerin des Chalifen El-Mutawakkil und seine Favoritin. Jedoch hat sie einen Mamluken und, so du mit ihm Freundschaft schließest, kommst du hierdurch vielleicht zu ihr.« Während wir noch miteinander redeten, kam mit einem Male der Mamluk gleich dem Mond in der vierzehnten Nacht aus dem Thor des Chalifen, während die Sachen, die mir der Schneider aus Brokaten von allerlei Farben genäht hatte, vor mir lagen. Als er sie sah, 164 betrachtete er sie genauer und kam auf mich zu, während ich mich vor ihm erhob und ihn begrüßte. Auf seine Frage, wer ich wäre, versetzte ich: »Ich bin ein Kaufmann;« und als er mich nun fragte, ob ich die Sachen verkaufen wolle, und ich es bejahte, nahm er fünf Stück und fragte: »Wie teuer sind diese fünf?« Ich erwiderte: »Sie sind ein Geschenk von mir an dich als Freundschaftsband zwischen mir und dir.« Da freute er sich, während ich nun nach Hause ging und einen mit Juwelen und Hyazinthen besetzten Anzug im Wert von dreitausend Dinaren holte und ihm denselben brachte. Er nahm ihn von mir an und führte mich in ein Zimmer im Schloß, wo er mich fragte: »Wie ist dein Name unter den Kaufleuten?« Ich versetzte: »Ich bin ein Mann von ihnen.«Das heißt: kehr' dich nicht weiter an meinen Namen. Er aber erwiderte nun: »Deine Sache kommt mir zweifelhaft vor.« Da fragte ich: »Weshalb denn?« Er entgegnete: »Weil du mir ein großes Geschenk gemacht und dadurch mein Herz gewonnen hast; es steht bei mir fest, daß du Abul-Hasan von Chorāsân der Geldwechsler bist.« Da weinte ich, o Fürst der Gläubigen, worauf er zu mir sagte: »Weine nicht; bei Gott, die, um derentwillen du weinst, sehnt sich nach dir noch mehr und heißer als du nach ihr; und allen Mädchen im Schloß ist ihre Sache mit dir bekannt.« Alsdann fragte er mich: »Was wünschest du?« Ich versetzte: »Ich wünsche, daß du mir in meinem Leid beistehst.« Da gab er mir seine Zusage für den kommenden Tag, worauf ich nach Hause ging. Am nächsten Morgen ging ich wieder zu ihm und trat in sein Zimmer. Als er dann ankam, sagte er zu mir: »Wisse, als sie gestern nach Beendigung ihres Dienstes beim Chalifen in ihr Zimmer kam, erzählte ich ihr deine ganze Geschichte, und sie ist entschlossen mit dir zusammenzukommen; bleib' daher bis zum Ende des Tages bei mir.« Da blieb ich bei ihm, und, als die Nacht hereinbrach, kam mit einem Male 165 der Eunuch mit einem golddurchwirkten Hemde und einem der Anzüge des Chalifen an und kleidete mich darin und beräucherte mich, so daß ich dem Chalifen zum Verwechseln ähnlich ward. Dann führte er mich in einen Korridor mit zwei Reihen von Zimmern und sagte zu mir: »Dies sind die Gemächer der Favoritinnen; wenn du bei ihnen vorübergehst, so leg' an jeder Thür eine Bohne nieder, da dies allnächtlich der Chalife zu thun pflegt.

Neunhundertundzweiundsechzigste Nacht.

Wenn du dann zum zweiten Gang rechter Hand gelangst, so wirst du zu einem Zimmer mit marmorner Thürschwelle gelangen. Berühre sie mit deiner Hand oder zähle, wenn du willst, die Thüren, deren Anzahl so und so viel beträgt, und tret' durch die Thür ein, die so und so aussieht; dort wird dich deine Freundin sehen und dich zu sich nehmen; zu deinem Herauskommen wird mir dann schon Gott Mittel und Wege an die Hand geben, und sollte ich dich in einer Kiste herausschaffen.« Hierauf verließ er mich und kehrte zurück, während ich weiter ging und die Thüren zählte, wobei ich an jede Thür eine Bohne legte. Als ich mich aber mitten zwischen den Zimmern befand, hörte ich mit einem Male einen großen Lärm und sah das Licht von Kerzen auf mich zukommen. Näher zuschauend, gewahrte ich den Chalifen, umgeben von Sklavinnen mit Kerzen, und nun hörte ich auch eine der Favoritinnen zu ihrer Nachbarin sagen: »Meine Schwester, haben wir etwa zwei Chalifen? Siehe, der Chalife ging bereits an meinem Zimmer vorüber und legte wie gewöhnlich die Bohne hin, und ich roch auch den Duft der Parfüme und Essenzen, und jetzt sehe ich das Kerzenlicht des Chalifen, und da kommt er heran.« Die andere versetzte darauf: »Das ist eine wunderbare Sache, denn sich als Chalife zu verkleiden würde sich keiner herausnehmen.« Der Kerzenschein aber kam immer näher, daß mir die Glieder zitterten, und mit einem Male rief ein Eunuch den 166 Mädchen zu: »Hierher!« worauf sie zu einem der Zimmer abschwenkten und in dasselbe gingen. Dann kamen sie wieder heraus und schritten weiter, bis sie zum Zimmer meiner Freundin gelangten, als ich den Chalifen fragen hörte: »Wessen Zimmer ist dies?« Sie erwiderten: »Das ist Schádscharet ed-DurrsPerlenbaum. Zimmer.« Da sagte er: »Ruft sie.« Sie thaten es und, als sie herauskam, küßte sie dem Chalifen die Füße, worauf er sie fragte: »Willst du zur Nacht trinken?« Sie versetzte: »Wäre es nicht wegen deiner Gegenwart und um dein Gesicht zu schauen, so würde ich nicht trinken, da ich heute Nacht keine Lust dazu habe.« Alsdann sagte der Chalife zum Schatzmeister: »Gieb ihr das und das Halsband,« und befahl, in ihr Zimmer einzutreten, worauf die Kerzen ihm ins Zimmer vorangetragen wurden. Mit einem Male aber trat ein Mädchen, das ihnen voranschritt und deren Antlitz das Licht ihrer Kerze überstrahlte, auf mich zu und rief: »Wer ist das?« Dann packte sie mich und, mich in eins der Zimmer ziehend, fragte sie: »Wer bist du?« Da küßte ich die Erde vor ihr und sprach: »Ich beschwöre dich bei Gott, meine Herrin, verschone mein Blut; habe Mitleid mit mir und verdiene dir Gottes Huld durch Rettung meines Lebens;« und aus Todesfurcht weinte ich. Hierauf sagte sie: »Zweifellos bist du ein Räuber?« Ich versetzte: »Nein, bei Gott, ich bin kein Räuber, sehe ich denn etwa wie ein Räuber aus?« Nun sagte sie: »Sag' mir die Wahrheit, und ich will dich in Sicherheit bringen.« Da sagt' ich: »Ich bin ein thörichter, einfältiger Liebhaber, den die Liebe zu dem, was du siehst, getrieben hat, daß ich in diesen Schlund geraten bin.« Hierauf sagte sie: »Bleib hier, bis ich wiederkomme.« Dann ging sie fort und kehrte mit den Sachen einer ihrer Sklavinnen wieder, die sie mir in jener Kammer anzog, worauf sie zu mir sagte: »Folge mir.« Da folgte ich ihr, bis sie zu ihrem Zimmer gelangte, in das 167 sie mich eintreten hieß. Alsdann führte sie mich zu einem Ruhesitz auf dem ein feiner Teppich lag, und sagte zu mir: »Setz' dich und sei unbesorgt; bist du nicht Abul-Hasan von Chorāsân der Geldwechsler?« Ich versetzte: »Jawohl.« Da sagte sie: »Gott hat dein Blut verschont, wenn du die Wahrheit sprichst und kein Räuber bist. Sonst wäre es um dich geschehen, zumal wo du des Chalifen Sachen anhast und mit seinem Parfüm parfümiert bist. Bist du aber Abul-Hasan von Chorāsân der Geldwechsler, so bist du sicher, und es soll dir nichts zuleide geschehen, da du der Freund meiner Schwester Schádscharet ed-Durr bist, die unablässig von dir spricht und uns erzählte, wie sie von dir Geld nahm, ohne daß du darüber ungehalten wurdest, und wie du ihr dann an das Ufer des Tigris folgtest und aus Ehrerbietung mit der Hand zur Erde ein Zeichen machtest; ihr Herz steht um deinetwillen mehr in Flammen als das deinige um ihretwillen. Wie bist du jedoch hierhergekommen? Geschah es mit oder ohne ihren Befehl? Sie hat in der That dein Leben aufs Spiel gesetzt. Was wünscht du aber durch eine Zusammenkunft mit ihr?« Ich erwiderte: »Bei Gott, meine Herrin, ich war's, der mein Leben aufs Spiel setzte, und ich suche durch eine Zusammenkunft weiter nichts als sie zu schauen und ihr Geplauder zu hören.« Da rief sie: »Das ist schön,« worauf ich beteuerte: »Meine Herrin, Gott ist für meine Worte Zeuge, daß mich meine Seele zu keiner Sünde gegen sie antrieb.« Sie entgegnete: »Wegen dieser Absicht hat dich Gott errettet, und ist mein Herz von Mitleid zu dir ergriffen.« Dann befahl sie ihrer Sklavin: »Du da, geh' zu Schádscharet ed-Durr und sprich zu ihr: »Deine Schwester läßt dich grüßen und bittet dich, sie heute Nacht wie üblich mit einem Besuch zu beehren, denn die Brust ist ihr beklommen.« Da ging die Sklavin zu ihr und kehrte zurück, ihr Schádscharet ed-Durrs Worte überbringend, die also gesprochen hatte: »Gott erhalte dich mir lange am Leben und mache mich zu deinem Lösegeld! Bei Gott, hättest du mich 168 zu einer andern Zeit eingeladen, so wäre ich nicht ausgeblieben; jedoch hält mich des Chalifen Migräne ab, und du kennst den Rang, den ich bei ihm einnehme.« Da sagte sie zur Sklavin: »Kehre zu ihr zurück und sprich zu ihr: »Du mußt unbedingt zu mir kommen wegen einer geheimen Angelegenheit zwischen uns beiden.« Da ging die Sklavin wieder fort und kehrte nach einer Weile mit dem Mädchen zurück, dessen Antlitz wie der Vollmond leuchtete. Ihre Schwester ging ihr entgegen und umarmte sie; dann rief sie: »Abul-Hasan, komm heraus zu ihr und küss' ihr die Hände.« Da kam ich aus der Kammer, die sich hinter dem Zimmer befand, zu ihr heraus, o Fürst der Gläubigen; sobald sie mich aber erblickte, warf sie sich auf mich und preßte mich an ihre Brust, indem sie mich fragte: »Wie kamst du zu den Sachen des Chalifen, zu seinem Schmuck und seinem Parfüm? Erzähl' mir, wie es dir erging.« Da erzählte ich ihr, wie es mir ergangen war und was ich aus Furcht und anderem erlitten hatte, worauf sie erwiderte: »Es thut mir leid, was du um meinetwillen ausstehen mußtest, und gelobt sei Gott, der die Sache gut ablaufen ließ! Deine volle Sicherheit hast du in meiner Wohnung oder in der meiner Schwester.« Dann nahm sie mich in ihr Zimmer und sagte zu ihrer Schwester: »Ich habe ihm ein Gelöbnis abgenommen, daß ich nur in Ehren mit ihm zusammen sein will; da er jedoch sein Leben aufs Spiel gesetzt und sich diesen Schrecknissen unterzogen hat, will ich nichts sein als Erde für den Tritt seiner Füße und Staub für seine Sandalen.«

Neunhundertunddreiundsechzigste Nacht.

Ihre Schwester erwiderte darauf: »Bei solcher Absicht errette ihn Gott, der Erhabene!« Sie versetzte: »Du sollst sehen, was ich thun werde, um mit ihm auf erlaubte Weise vereinigt zu werden, und mein Herzblut will ich hingeben, um dies zuwege zu bringen.« Während wir aber noch 169 miteinander redeten, erscholl mit einem Male ein großer Lärm, und uns umwendend, sahen wir den Chalifen in seiner großen Liebe zu ihr auf ihr Zimmer zukommen. Da nahm sie mich, o Fürst der Gläubigen, und steckte mich in einen Keller, dessen Fallthür sie über mir zumachte. Dann ging sie dem Chalifen entgegen und empfing ihn, worauf er sich setzte, während sie vor ihm stand, ihn zu bedienen, und Wein aufzutragen befahl. Nun liebte der Chalife aber ein Mädchen, Namens Bendsche, die Mutter des El-Mootaß billāh,13. Abbaside 866–869. mit der er sich entzweit hatte, und die sich, auf ihre Schönheit und Anmut pochend, mit ihm nicht aussöhnen wollte, während er, auf das Chalifat und Königtum pochend, sich wiederum mit ihr nicht aussöhnen und seine Seele zu ihr niederbeugen mochte; und wiewohl sein Herz um ihretwillen in Flammen stand, suchte er sie sich durch ihresgleichen unter den Sklavinnen aus dem Sinn zu schlagen, indem er sie in ihren Zimmern besuchte. Da ihm aber Schádscharet ed-Durrs Gesang gefiel, befahl er ihr zu singen, worauf sie die Laute nahm und, die Saiten stimmend, folgende Verse sang:

»Ich wundere mich, wie das Schicksal sich mühte uns zu trennen,
Und wie es ruht, nachdem unser Glück ein Ende genommen.
Ich mied dich, bis es hieß: Er kennt nicht die Liebe;
Und ich suchte dich auf, bis es hieß: Er kennt keine Geduld.
O Liebe, mehre in jeder Nacht mein Verlangen,
Und du, o Trost der Tage, stell' dich ein erst am jüngsten Gericht!
Seidenweich ist ihre Haut und ihre Rede sanft,
Sie schwätzt nicht zuviel und spricht auch nicht zu wenig.
Ihre Augen, – Gott sprach: Werdet! – Da wurden sie
Und berauschten die Herzen wie feuriger Wein.«

Als der Chalife ihr Lied vernahm, geriet er in großes Entzücken, und ich selber, o Fürst der Gläubigen, ward auch von Entzücken im Keller gepackt und hätte ohne Gottes, des Erhabenen, Güte laut geschrieen und Schande über uns gebracht. Hierauf sang sie noch folgende Verse: 170

»Ich umarme ihn, doch sehnt sich meine Seele noch immer nach ihm;
Was aber giebt's wohl näheres als die Umarmung?
Und ich küsse seinen Mund, um meine Glut zu löschen,
Doch wächst meine Leidenschaft immer mehr.
Mir ist als ob mein Herz seinen Durst nicht löschen könnte,
Es sei denn, du sähest zwei Seelen zu einer vereint.«

Da sagte der Chalife entzückt: »Erbitte dir eine Gnade von mir, Schádscharet ed-Durr.« Sie erwiderte: »So erbitte ich mir von dir meine Freilassung, damit du dir Gottes Lohn verdienst.« Der Chalife versetzte: »Du bist frei um Gottes, des Erhabenen, willen.« Da küßte sie vor ihm die Erde, während er zu ihr sagte: »Nimm die Laute und trag' uns etwas in Bezug auf die Sklavin vor, die ich aus ganzem Herzen liebe, und deren Wohlgefallen ich suche, wie das Volk das meinige.« Da nahm sie die Laute und trug die beiden Verse vor:

»O Herrin der Schönheit, die meine Askese vernichtet,
Sei's, wie es sei, dich muß ich haben.
Sei's durch Demut, wie sie die Liebe am besten kleidet,
Oder durch Gewalt, wie sie der Herrschaft gebührt.«

Da sagte der Chalife entzückt: »Nimm nun deine Laute und sing ein Lied, welches mein Verhältnis zu drei Mädchen behandelt, die meine Zügel halten und mir den Schlaf rauben; du nämlich, jene Spröde und eine Dritte, die ich nicht nenne, und die ihresgleichen nicht hat.« Da nahm sie die Laute und sang zu einer entzückenden Weise die Verse:

»Drei schöne Mädchen halten meine Zügel
Und thronen in meinem Herzen an höchster Statt.
In aller Welt bin ich niemand Gehorsam schuldig,
Doch, gehorch' ich ihnen, so trotzen sie mir.
Das ist der Liebe Sultanat,
Durch das sie mir meiner Herrschaft höchstes Gut entwinden.«

Der Chalife verwunderte sich höchlichst über die Verse, die seine Lage so treffend zum Ausdruck brachten, und sein Entzücken machte ihn geneigt, sich mit der Spröden wieder auszusöhnen, so daß er hinausging und seinen Weg nach ihrem 171 Zimmer nahm. Eine Sklavin lief ihm jedoch voraus und teilte ihr des Chalifen Erscheinen mit, worauf sie ihm zum Empfang entgegenkam und die Erde vor ihm küßte; dann küßte sie ihm die Füße, und so versöhnten sich beide.

Schádscharet ed-Durr aber kam nun erfreut zu mir und sagte: »Durch dein gesegnetes Kommen bin ich eine Freie geworden und vielleicht verhilft mir auch Gott dazu, einen Weg ausfindig zu machen, wie ich in erlaubter Weise mit dir vereint werde.« Ich versetzte darauf: »Gelobt sei Gott!« Wie wir noch miteinander redeten, kam ihr Eunuch zu uns ins Zimmer, worauf wir ihm das Vorgefallene erzählten. Da sagte er: »Gelobt sei Gott, der die Sache zum Guten gewendet hat, und wir wollen ihn bitten, daß er dich zum guten Ende des ganzen wohlbehalten herauskommen läßt!« Während wir aber noch miteinander redeten, kam mit einem Male ihre Schwester an, die den Namen Fâtir hatte, worauf Schádscharet ed-Durr zu ihr sagte: »Wie stellen wir es an ihn wohlbehalten aus dem Schloß zu bringen? Siehe, durch Gottes, des Erhabenen, Huld ward mir die Freilassung zu teil, und ich bin nun durch sein gesegnetes Kommen eine Freie.« Sie erwiderte: »Ich weiß keinen andern Ausweg ihn herauszuschaffen als daß ich ihm Frauenkleider anziehe.« Alsdann holte sie einen Frauenanzug und zog ihn mir an, worauf ich sofort, o Fürst der Gläubigen, herausging. Als ich mich jedoch mitten im Schloß befand, sah ich den Chalifen dort sitzen und die Eunuchen vor ihm stehen. Als er mich erblickte, schöpfte er starken Verdacht gegen mich und sagte zu seinem Gefolge: »Bringt mir schnell jenes Mädchen her, das da fortgeht.« Da führten sie mich vor ihn und hoben mir den Schleier auf, worauf er mich auf den ersten Blick erkannte und zur Rede stellte. Ich erzählte ihm alles, ohne ihm etwas zu verbergen, worauf er, nachdem er meine Erzählung vernommen hatte, über mich in Gedanken versank, bis er plötzlich aufsprang und, in Schádscharet ed-Durrs Gemach gehend, sie fragte: »Wie konntest 172 du einen der Kaufmannssöhne mir vorziehen?« Da küßte sie vor ihm die Erde und erzählte ihm wahrheitsgemäß ihre Geschichte von Anfang bis zu Ende. Als der Chalife ihre Erzählung vernommen hatte, verspürte er Mitleid mit ihr, und sein Herz erbarmte sich ihrer, indem er sie um der Liebe und ihrer Zustände willen entschuldigte. Dann ging er fort, worauf ihr Eunuch zu ihr eintrat und sagte: »Sei guten Mutes; als nämlich dein Freund vor dem Chalifen stand und er ihn zur Rede stellte, erzählte er ihm Wort für Wort dieselbe Geschichte wie du.« Mit einem Male kam der Chalife wieder und befahl mich vor sich, worauf er mich fragte: »Was bewog dich wider den Chalifenpalast zu freveln?« Ich versetzte: »O Fürst der Gläubigen, mich trieb meine Thorheit und Verliebtheit dazu an und die Zuversicht auf deine Verzeihung und Großmut.« Dann weinte ich und küßte die Erde vor ihm. Er aber erwiderte nun: »Ich vergebe euch beiden,« und befahl mir, mich zu setzen, worauf er den Kadi Ahmed, den Sohn des Abū Duwâd, holen ließ und mich mit ihr vermählte. Dann befahl er alle ihre Sachen zu mir herüberzuschaffen, und sie hielten den Auszug der Braut vor mir in ihrem Zimmer ab. Nach drei Tagen ging ich dann fort und schaffte alles in mein Haus, und so ist alles, was du in meinem Hause sahst, und wegen dessen du mich in Verdacht hattest, von ihrer Aussteuer. Eines Tages sagte sie dann zu mir: »Wisse, El-Mutawakkil ist ein hochherziger Mann, doch fürchte ich, er erinnert sich einmal wieder unser oder wird an uns durch irgend einen Neider erinnert; ich will daher etwas thun, das uns hiervor bewahrt.« Da fragte ich: »Was ist's?« Sie versetzte: »Ich will ihn um Erlaubnis bitten, die Pilgerfahrt anzutreten und für das Singen Buße zu thun.« Ich erwiderte: »Dein Rat ist sehr gut.« Als wir jedoch noch miteinander redeten, kam mit einem Male ein Bote vom Chalifen und verlangte nach ihr, da er ihren Gesang gern hörte. Infolgedessen ging sie fort und diente ihm, worauf er zu ihr sagte: »Zieh' dich 173 nicht von uns zurück.« Sie entgegnete: »Ich höre und gehorche.« Einmal ging sie dann wieder zu ihm, nachdem er wie gewöhnlich nach ihr geschickt hatte, als sie, ehe ich's mich versah, mit zerrissenen Kleidern und weinenden Auges von ihm zurückkehrte. Erschrocken hierüber rief ich: »Wir sind Gottes, und zu Ihm kehren wir zurück!« Im Glauben, er hätte befohlen Hand an uns zu legen, fragte ich sie dann: »Ist El-Mutawakkil etwa auf uns erzürnt?« Sie erwiderte: »Und wo ist El-Mutawakkil? Siehe, El-Mutawakkils Herrschaft ist zu Ende, und ausgetilgt ist seine Spur.« Da sagt' ich: »Sprich die Wahrheit;« worauf sie erzählte: »Er saß hinter dem Vorhang und trank mit El-Fath bin Chākân und Sadaka bin Sadaka, als ihn mit einem Male sein Sohn El-Muntasir mit einer Schar TürkenDie Türken bildeten zu jener Zeit die Prätorianer der Chalifen. überfiel und erschlug. So ward Freud in Leid und Wonne in Weinen und Wehklagen verwandelt, und ich und die Sklavin flohen, und Gott errettete uns.« Hierauf machte ich mich sofort auf, o Fürst der Gläubigen, und fuhr herunter nach Basra, wo mir hernach die Kunde ward, daß zwischen El-Muntasir und El-Mustaîn Krieg ausgebrochen wäre, weshalb ich besorgt mein Weib und all mein Gut nach Basra schaffte. Dies ist meine Geschichte, o Fürst der Gläubigen, und ich habe kein Wort hinzugefügt und keines fortgelassen. Und so ist alles, was du, o Fürst der Gläubigen, in meinem Hause siehst, und was den Namen deines Großvaters El-Mutawakkil trägt, eine Gabe seiner Huld, und die Wurzel unseres Glückes stammt von deinen edeln Wurzeln; denn ihr seid ein huldreich Geschlecht und eine Mine von Großmut.«

Der Chalife freute sich mächtig hierüber und verwunderte sich über seine Geschichte. Abul-Hasan aber führte ihm nun das Mädchen und seine Kinder von ihr vor, die vor ihm die Erde küßten. 174

Verwundert über ihre Anmut, verlangte er nach Tinte und setzte ihm einen Steuererlaß von seinen Grundstücken auf zwanzig Jahre auf. Außerdem machte er ihn in seiner Freude zum Tafelgenossen, bis das Schicksal sie trennte, und sie nach den Schlössern die Grüfte zur Behausung nahmen. Preis dem allvergebenden König!

 


 

Ende des sechzehnten Bandes.

 


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