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Tausend und eine Nacht. Band XVI
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Abū Kîr und Abū Sîr.

Ferner erzählt man, daß in der Stadt Alexandria einst zwei Männer lebten, von denen der eine ein Färber, Namens Abū Kîr, und der andere ein Barbier, Namens Abū Sîr, war. Beide waren auf dem Bazar Nachbarn, und der Laden des Barbiers stieß an den Laden des Färbers; der Färber aber war ein Gauner und Lügner, ein ganz gemeiner Kerl, als wäre seine Schläfe aus hartem Felsen gehauen oder aus der Schwelle einer jüdischen Synagoge gebildet, und ohne Scham verübte er seine Schandthaten gegen die Leute. Es war seine Gewohnheit, wenn ihm jemand Zeug zum Färben brachte, zuerst Bezahlung von ihm zu verlangen, unter dem Vorwand erst Ingredienzien zum Färben kaufen zu müssen; gab ihm dann der Betreffende das Geld im voraus, so nahm er es und verpraßte es mit Essen und Trinken, worauf er das Zeug, das er von seinem Eigentümer erhalten hatte, verkaufte und den Erlös dafür ebenfalls für Essen, Trinken und dergleichen ausgab, indem er die leckersten Gerichte schmauste und das feinste, was den Verstand raubt, zechte. Kam dann der Eigentümer des Zeugs zu ihm, so sprach er zu ihm: »Komm morgen vor Sonnenaufgang wieder, du wirst dann deinen Stoff gefärbt finden.« Wenn dann der Eigentümer bei sich sprach: »Ein Tag ist nahe dem andern,« und am folgenden Tage zur verabredeten Zeit wiederkehrte, dann sagte der Färber zu ihm: »Komm morgen wieder, gestern konnte ich nicht arbeiten, da ich Gäste bei mir hatte und sie bis zu ihrem Fortgang bewirten mußte; 48 komm morgen vor Sonnenaufgang wieder und nimm dein Zeug gefärbt in Empfang.« Ging er dann fort und kehrte am dritten Tag wieder, so sprach er zu ihm: »Ich war gestern zu entschuldigen, da meine Frau während der Nacht ein Kind bekam, und ich den ganzen Tag über andere Sachen zu thun hatte; wenn du jedoch morgen kommst, sollst du unter allen Umständen deinen Stoff gefärbt haben.« Kam dann der Mann zur verabredeten Zeit wieder, so hatte er eine andere Ausrede, ganz gleich welche, und schwor ihm zu. –

Neunhundertundeinunddreißigste Nacht.

Und so trieb er es mit Beteuerungen und Beschwörungen von einem Tag zum andern, bis der Kunde schließlich ungeduldig wurde und zu ihm sprach: »Wie lange willst du mich noch auf morgen vertrösten? Gieb mir mein Zeug wieder, ich will es nicht gefärbt haben.« Dann sagte er: »Bei Gott, mein Bruder, ich schäme mich vor dir, jedoch will ich dir die Wahrheit sagen, und Gott schädige jeden, der die Leute in ihren Waren schädigt!« Fragte ihn dann der Kunde: »Was ist geschehen?« so versetzte er: »Was deinen Stoff anlangt, so färbte ich ihn auf unvergleichliche Weise; als ich ihn dann aber auf die Leine hängte, stahl ihn jemand, ohne daß ich den Dieb kenne.« War nun der Eigentümer des Stoffes ein gutmütiger Mensch, so sagte er wohl: »Gott wird ihn mir ersetzen;« war er jedoch von übler Natur und ruhte er nicht Schimpf und Schande über ihn zu bringen, so erlangte er doch nichts von ihm, auch wenn er ihn bei dem Richter verklagte.

In dieser Weise verfuhr der Färber, bis sich sein Ruf unter den Leuten verbreitete, und einer den andern vor Abū Kîr warnte, so daß er zum Sprichwort ward und sich alle von ihm fernhielten; schließlich fiel höchstens noch einer, der ihn nicht kannte, bei ihm herein, und außerdem hatte er alle Tage von Gottes Kreatur Schimpf und Schande zu ertragen. Auf diese Weise kam es, daß seine Geschäfte immer 49 flauer gingen, und er pflegte zum Laden seines Nachbars, des Barbiers Abū Sîr, zu gehen und sich in ihn so zu setzen, daß er die Thür der Färberei im Auge behielt. Sah er dann jemand, der ihn nicht kannte, mit etwas zum Färben ankommen und an der Thür der Färberei stehen, so kam er aus dem Laden des Barbiers heraus und fragte ihn: »He, du da, was wünschest du?« Sagte er dann zu ihm: »Nimm dies und färbe es mir,« so fragte er: »Welche Farbe wünschest du?« Denn bei all seinen Schurkereien verstand er sich auf allerlei Farben, wiewohl er gegen keinen ehrlich war, weshalb er in Not geraten war. Dann nahm er ihm den Stoff ab und sprach zu ihm: »Bezahl' mir im voraus und komm morgen und hol' ihn.« Wenn ihm dann der Betreffende das Geld gab und fortging, nahm er den Stoff und verkaufte ihn auf dem Bazar, worauf er für den Erlös Fleisch, Gemüse, Tabak, Früchte und sonstige Bedürfnisse kaufte; sah er aber jemals einen von denen, die ihm etwas zum Färben gegeben hatten, vor seinem Laden stehen, so zeigte er sich ihm nicht und ward nicht sichtbar.

Nachdem er in dieser Weise jahrelang zugebracht hatte, traf es sich eines Tages, daß er von einem gewaltthätigen Mann Zeug zum Färben bekam, das er verkaufte, worauf er den Erlös für sich verbrauchte. Als nun sein Kunde Tag für Tag kam und ihn nie in seinem Laden sah, da er, sobald er jemand sah, der etwas bei ihm hatte, in den Laden des Barbiers Abū Sîr lief, verlor er die Geduld und ging nun zum Kadi, von dem er einen Gerichtsboten holte, worauf er in Gegenwart einer Anzahl Moslems die Ladenthür vernagelte und versiegelte, da er nichts, was er an Stelle seines Stoffes hätte nehmen können, darin fand, es sei denn einige zerbrochene irdene Gefäße. Hierauf nahm der Gerichtsbote den Schlüssel und sprach zu den Nachbarn: »Sagt ihm, er soll das Zeug dieses Mannes bringen und seinen Ladenschlüssel holen.« Alsdann gingen beide, der Mann und der Bote, ihres Weges. Abū Sîr aber sagte nun zu Abū 50 Kîr: »Was für Pech hast du doch! Jedesmal, wenn dir jemand einen Stoff giebt, verbringst du ihm denselben. Wo ist der Stoff dieses rücksichtslosen Menschen hingekommen?« Abū Kîr versetzte: »Mein Nachbar, siehe, er ist mir gestohlen.« Abū Sîr erwiderte: »Wunderbar! Jedesmal, wenn dir jemand ein Stück Zeug bringt, stiehlt es dir ein Dieb; bist du denn zum Versammlungspunkt aller Diebe geworden? Jedoch scheint es mir, du lügst; erzähl' mir daher deine Geschichte.« Nun entgegnete Abū Kîr: »Mein Nachbar, niemand hat mir etwas gestohlen.« – »Und was,« versetzte Abū Sîr, »fängst du mit dem Gut der Leute an?« Abū Kîr erwiderte: »Wenn mir jemand etwas bringt, so verkaufe ich es und verbrauche den Erlös dafür.« Da sagte Abū Sîr: »Ist dir dies denn von Gott erlaubt?« Abū Kîr antwortete: »Ich thue dies nur aus Armut, denn mein Geschäft geht flau und ich bin arm und habe nichts.« Alsdann hob er an über die Flauheit seines Geschäftes und seiner mangelnden Mittel zu klagen, worauf Abū Sîr in dieselbe Klage einstimmte und sprach: »Ich bin ein Meister vom Fach und ohnegleichen in dieser Stadt, jedoch läßt sich niemand bei mir scheren, da ich ebenfalls arm bin; und ich bin dieser Kunst überdrüssig, mein Bruder.« Abū Kîr der Färber versetzte nun: »Ich bin meiner Kunst wegen der Flauheit der Geschäfte ebenfalls überdrüssig; jedoch, mein Bruder, wer hält uns denn in dieser Stadt fest? Wir wollen uns beide auf die Wanderschaft machen und uns das Land der Menschen besehen, mit unserer Kunst in unserer Hand, die in allen Landen geht. Auf der Reise kommen wir an die frische Luft und ruhen uns von diesen schweren Sorgen aus.« Und so ließ Abū Kîr nicht nach ihm das Reisen schön auszumalen, bis er zur Wanderschaft Lust bekam. worauf beide hierin eins wurden, – 51

Neunhundertundzweiunddreißigste Nacht.

und Abū Kîr, erfreut über Abū Sîrs Einwilligung die Verse sprach:

»Zieh fort von der Heimat in die Ferne nach Ruhm
Und reise, denn fünferlei Nutzen bringt das Reisen.
Es verscheucht deine Sorgen, es bringt dir dein Brot ein,
Kenntnis und feines Wesen und Umgang mit löblichen Menschen.
Wenn es heißt, daß Reisen Sorge und Kummer bringt,
Daß es Trennung verhängt und Drangsale viel,
So ist für den Mann der Tod doch besser als ein Leben
Im Haus der Verachtung zwischen Verleumdern und Neidern.«

Nachdem sie sich also zum Reisen entschlossen hatten, sprach Abū Kîr zu Abū Sîr: »Mein Nachbar, wir sind nunmehr Brüder geworden, und es ist kein Unterschied zwischen uns; es geziemt uns daher die Fâtihe daraufhin zu recitieren, daß, wer von uns beiden Arbeit findet, den andern, der keine Arbeit bekommt, zu ernähren hat, und daß wir den Rest in eine Kiste thun; wenn wir dann nach Alexandria zurückkehren, wollen wir das Geld zwischen uns nach Recht und Billigkeit teilen.« Abū Sîr versetzte: »So soll's sein;« worauf beide die Fâtihe daraufhin hersagten. Alsdann verschloß Abū Sîr seinen Laden und gab die Schlüssel dem Besitzer des Ladens, während Abū Kîr die Schlüssel beim Gerichtsboten und seinen Laden verschlossen und versiegelt ließ. Hierauf nahmen beide ihre Sachen, stiegen auf eine Galeone und segelten noch an demselben Tage hinaus ins Salzmeer. Das Glück wollte ihnen wohl, zumal was den Barbier anlangt, da auf der ganzen Galeone unter den hundertundzwanzig Personen, die sich ohne den Kapitän und die Mannschaft auf ihr befanden, kein einziger Barbier war. Als sie nun die Segel ausgespannt hatten, sprach der Barbier zum Färber: »Mein Bruder, wir haben hier auf dem Meer Speise und Trank nötig und haben nur sehr wenig Zehrung bei uns. Vielleicht wird jemand zu mir sprechen: Barbier, komm her und scher' mich! Dann will ich ihn für ein Brot 52 oder einen halben Dirhem oder einen Trunk Wasser scheren, so daß wir beide dadurch profitieren.« Der Färber antwortete: »Das kann nichts schaden,« worauf er sein Haupt niederlegte und schlief, während sich der Barbier nun erhob, sein Handwerkszeug und seine Schale nahm und über seine Schulter einen Lumpen warf, da er wegen seiner Armut kein Handtuch hatte; dann schritt er mitten durch die Schiffspassagiere, bis der eine ihm zurief: »Heda, Meister, scher'Wie wir bereits aus der Geschichte des Barbiers im 2. Band wissen, wird der Kopf rasiert, nicht geschoren. mich.« Da schor er ihn, worauf ihm der Mann nach Beendigung seiner Arbeit einen halben Dirhem gab; der Barbier aber sagte zu ihm: »Mein Bruder, ich weiß mit diesem halben Dirhem nichts anzufangen; wolltest du mir jedoch ein Brot schenken, so würde mir dies hier auf dem Meer segensreicher sein, da ich noch einen Gefährten habe, und unsere Zehrung nur knapp ist.« Da gab er ihm ein Brot und ein Stück Käse und füllte ihm die Schale mit Süßwasser, worauf Abū Sîr die Sachen Abū Kîr brachte und zu ihm sprach: »Nimm dieses Brot, iß den Käse dazu und trink' auch das Wasser.« Da nahm es Abū Kîr und aß und trank; dann nahm Abū Sîr der Barbier wieder sein Gerät, warf den Lumpen über die Schulter und nahm die Schale in die Hand, worauf er auf der Galeone zwischen den Passagieren hindurchschritt und den einen für zwei Brote und den andern für ein Stück Käse schor; und die Leute verlangten nach ihm, da es außer ihm keinen andern Barbier auf dem Schiff gab. Von jedem aber, der zu ihm sprach: »Meister, scher' mich!« bedang er sich zwei Brote und einen halben Dirhem aus, und alles, was er verlangte, gaben sie ihm, so daß er, noch ehe der Abend recht gekommen war, dreißig Brote und dreißig halbe Silberlinge eingesammelt hatte, nebst Käse, Oliven und gesalzenem Rogen. Als er auch den Kapitän schor und ihm klagte, daß er wenig Zehrung hätte, sagte dieser zu ihm: »Du bist mit deinem Gefährten willkommen; kommt jeden 53 Abend und speist bei mir, ohne euch zu sorgen, so lange die Fahrt dauert.« Hierauf kehrte er zum Färber zurück, den er noch immer schlafend antraf, so daß er ihn aufweckte. Als der Färber zu sich kam und nun zu Häupten eine Menge Brot, Käse, Oliven und Fischrogen sah, fragte er ihn: »Woher hast du das?« Abū Sîr erwiderte: »Von Gottes, des Erhabenen, Güte.« Wie nun Abū Kîr essen wollte, sprach Abū Sîr zu ihm: »Mein Bruder, iß nicht hiervon, sondern laß es für spätere Zeit übrig; wisse, ich habe den Kapitän geschoren und klagte ihm dabei, daß wir so knappe Zehrung hätten, worauf er zu mir sagte: »Du bist mit deinem Gefährten willkommen; kommt jede Nacht und speist mit mir.« Heute Nacht speisen wir zum erstenmal mit ihm.« Abū Kîr versetzte jedoch: »Ich bin seekrank und kann mich nicht von meiner Stelle erheben; laß mich daher hiervon essen, und geh' allein zum Kapitän.« Abū Sîr erwiderte: »Das kann nichts schaden,« und setzte sich, um Abū Kîr beim Essen zuzuschauen, während dieser sich Bissen abhieb, wie ein Steinhauer Steine vom Gebirg' haut, und sie wie ein Elefant, der seit Tagen nichts gefressen hatte, hinunterschluckte; und dabei machte er sich schon einen andern Klumpen zurecht, ehe er den vorhergehenden verschluckt hatte, und verzehrte mit den Augen gierig wie ein Ghul das andere, das vor ihm stand, indem er dabei, wie ein hungriger Stier über seinem Häcksel und seinen Bohnen, schnaufte. Mit einem Male kam ein Schiffer an und sprach: »Meister, der Kapitän ruft dich und deinen Gefährten zu Tisch.« Da fragte Abū Sîr Abū Kîr: »Willst du mit uns kommen?« Abū Kîr erwiderte: »Ich kann nicht gehen;« worauf der Barbier allein fortging. Als er beim Kapitän eintrat, sah er den Kapitän mit seiner ganzen Gesellschaft vor einem Tisch mit zwanzig und mehr Gerichten sitzen und auf ihn und seinen Gefährten warten. Bei seinem Anblick fragte ihn der Kapitän: »Wo ist dein Gefährte?« Abū Sîr versetzte: »Mein Herr, er ist seekrank.« Da sagte der Kapitän: »Das schadet ihm nichts; die 54 Übelkeit wird ihn bald verlassen; komm und iß, ich habe schon auf dich gewartet.« Dann nahm der Kapitän einen Teller beiseite und that von allen Gerichten hinein, bis sich zehn Mann daran hätten sattessen können, worauf er zum Barbier sagte, nachdem derselbe gegessen hatte: »Nimm diesen Teller und bring' ihn deinem Gefährten.« Da nahm Abū Sîr den Teller und brachte ihn Abū Kîr, der mit seinen Zähnen noch immer die Speisen, die vor ihm standen, wie ein Kamel zermalmte und einen Klumpen nach dem andern hinunterjagte. Bei ihm angelangt, sprach er zu ihm: »Sagte ich dir nicht, du solltest nicht hiervon essen? Siehe, der Kapitän ist sehr gütig; schau' nur, was er dir schickt, nachdem ich ihm mitteilte, daß dir übel wäre.« Da versetzte Abū Kîr: »Gieb her;« und als der Barbier ihm den Teller reichte, packte er ihn und fiel über sie und die andern Speisen von neuem her wie ein zähnefletschender Hund oder ein reißender Löwe oder ein Vogel Roch, der auf eine Taube stößt, oder wie einer, der dem Hungertode nahe ist und etwas zu essen erblickt. Während er nun aß, verließ ihn Abū Sîr und begab sich wieder zum Kapitän, bei dem er Kaffee trank, worauf er wieder zu Abū Kîr zurückkehrte, der inzwischen den ganzen Inhalt des Tellers verschlungen und ihn selber leer beiseite geworfen hatte.

Neunhundertunddreiunddreißigste Nacht.

Infolgedessen nahm er den Teller und übergab ihn einem der Diener des Kapitäns, worauf er zu Abū Kîr zurückkehrte und bis zum andern Morgen schlief. Am nächsten Tage schor er dann wieder die Leute und gab alles, was er erhielt, Abū Kîr, der aß und trank und sich nur erhob, um seine Bedürfnisse zu verrichten, und dazu brachte ihm Abū Sîr noch jede Nacht einen vollen Teller vom Kapitän. Nachdem sie in dieser Weise zwanzig Tage verbracht hatten, landete die Galeone im Hafen einer Stadt, worauf sie von der Galeone abstiegen und die Stadt betraten, in der sie sich 55 beide einen Raum in einem Chân nahmen. Abū Sîr richtete ihn ein und kaufte alles, dessen sie bedurften, worauf er Fleisch holte und es kochte, während sich Abū Kîr von dem Moment an, daß sie ihr Gemach betreten hatten, niedergelegt hatte und schlief, bis ihn Abū Sîr weckte und ihm den Tisch vorsetzte. Als er gegessen hatte, sagte er zu Abū Sîr: »Nichts für ungut, mir ist übel,« und legte sich wieder schlafen. Vierzig Tage lang verbrachte er in dieser Weise, während welcher Zeit der Barbier Tag für Tag sein Werkzeug nahm und, durch die Stadt die Runde machend, soviel verdiente, wie ihm bestimmt war, worauf er wieder heimkehrte, um hier Abū Kîr schlafend anzutreffen. Weckte er ihn dann, so fiel er gierig übers Essen her und fraß, wie einer der nicht voll werden und nicht genug bekommen konnte, um sich dann wieder schlafen zu legen. Dies dauerte wieder vierzig Tage lang, und jedesmal, wenn Abū Sîr zu ihm sprach: »Setz' dich aufrecht hin, mach' dir's bequem, geh' hinaus und besieh dir die Stadt, sie ist hübsch und prächtig und hat unter den Städten nicht ihresgleichen,« erwiderte er: »Nichts für ungut, mir ist übel;« und Abū Sîr vermochte es nicht über sich zu bringen, ihn zu betrüben und ihn ein verletzendes Wort hören zu lassen. Am einundvierzigsten Tag jedoch ward der Barbier krank und vermochte nicht auszugehen, so daß er den Pförtner des Châns dingte, ihnen ihre Bedürfnisse zu besorgen, worauf derselbe ihnen Speise und Trank holte, während Abū Kîr weiter aß und schlief. Nachdem Abū Sîr jedoch vier Tage lang den Pförtner für ihre Bedürfnisse hatte sorgen lassen, wurde er so krank, daß er das Bewußtsein verlor; und nun erhob sich Abū Kîr, von brennendem Hunger gequält, und durchsuchte Abū Sîrs Kleider, bis er sein Geld fand; dann steckte er es zu sich, schloß hinter Abū Sîr die Thür des Gemachs zu und ging fort, ohne daß ihn jemand bemerkte, da der Pförtner sich gerade auf dem Bazar befand. Er lenkte seine Schritte zunächst zum Bazar, wo er sich in feine Sachen einkleidete; alsdann 56 schlenderte er durch die Stadt und sah, daß es eine Stadt war, wie ihresgleichen unter den Städten nicht gefunden ward; zugleich aber bemerkte er, daß alle Sachen, die man in ihr trug, nur von weißer und blauer Farbe waren. Infolgedessen suchte er einen Färber auf und, als er auch hier nur blaue Sachen gewahrte, zog er ein Tuch hervor und sagte zum Färber: »Meister, nimm dieses Tuch, färbe es mir und nimm den Lohn dafür.« Der Färber erwiderte: »Das Färben kostet zwanzig Dirhem.« Da entgegnete er: »Wir färben dies in unserm Land für zwei Dirhem,« worauf der Färber versetzte: »So geh' und laß es in euerm Land färben; ich färbe es nicht anders als für zwanzig Dirhem und lasse nichts davon ab.« Nun fragte ihn Abū Kîr: »Wie willst du es färben?« Der Färber erwiderte: »Blau.« Abū Kîr entgegnete: »Ich wünsche es rot von dir gefärbt zu haben.« Der Färber versetzte hierauf: »Ich verstehe nicht rot zu färben.« Da sagte er: »Dann grün.« Aber der Färber entgegnete wieder: »Ich verstehe auch nicht grün zu färben.« – »Dann gelb.« – »Auch das verstehe ich nicht.« Und so nannte ihm Abū Kîr alle Farben nacheinander, bis der Färber ihm zur Antwort gab: »Wir sind in unserer Stadt vierzig Meister, keiner mehr und keiner weniger, und, so einer stirbt, lehren wir seinen Sohn an; hinterläßt er aber keinen Sohn, so bleiben wir neununddreißig, und, so einer zwei Söhne hinterläßt, lehren wir den einen und, wenn dieser stirbt, seinen Bruder. Unser Gewerbe ist fest organisiert, und wir verstehen nur blau und nichts anderes zu färben.« Da entgegnete ihm Abū Kîr: »Wisse, ich bin selber ein Färber und verstehe alle Farben zu färben; laß mich daher für Lohn bei dir dienen, und ich will dich lehren alle Farben zu färben, daß du dich dessen vor der ganzen Färberzunft rühmen sollst.« Der Färber versetzte jedoch: »Wir lassen keinen Fremden in unsere Zunft eintreten.« Da entgegnete Abū Kîr: »Und wenn ich mir allein einen Laden aufmache?« Der Färber erwiderte: »Das wird dir niemals freistehen.« Da verließ 57 ihn Abū Kîr und begab sich zu einem zweiten, der ihm die gleiche Antwort erteilte; und so machte er von Färber zu Färber die Runde, bis er bei allen vierzig Meistern gewesen war, ohne daß sie ihn als Meister oder Arbeiter aufgenommen hätten. Als er sich dann zum Scheich der Färber begab und ihm dies mitteilte, gab dieser ihm zur Antwort: »Wir erlauben keinem Fremden den Zutritt zu unserm Gewerbe.« Da ergrimmte Abū Kîr mächtig und, zum König der Stadt hinaufsteigend, um Klage vor ihm zu führen, sprach er: »O König der Zeit, ich bin ein Fremdling, mein Handwerk ist die Färberei, und so und so ist's mir mit den Färbern ergangen; ich verstehe rot in verschiedenen Schattierungen zu färben, als rosenrot und jujubarot,Braunrot. ebenso grün, als grasgrün, pistaziengrün, olivenfarben und papageiengrün, ferner schwarz, als kohlen- und antimonschwarz, und gelb, wie orangen- und citronengelb.« So zählte er ihm die verschiedenen Farben auf und schloß mit den Worten: »O König der Zeit, kein einziger von allen den Färbern in deiner Stadt vermag irgend eine dieser Farben herzustellen, vielmehr verstehen sie nichts anderes als blau zu färben und wollen mich trotzdem weder als Meister noch als Arbeiter unter sich zulassen.« Der König erwiderte: »Du hast die Wahrheit gesprochen, jedoch will ich dir eine Färberei aufmachen und dir Kapital geben; kehr' dich nicht an sie, denn jeden, der dir in den Weg tritt, hänge ich über seiner Ladenthür auf.« Hierauf erteilte er den Bauleuten Befehl und sprach zu ihnen: »Gehet mit diesem Meister durch die Stadt, werfet den Eigentümer des Platzes, der ihm gefällt, sei es Laden oder Chân oder sonst was hinaus und bauet ihm nach seinem Wunsch eine Färberei. Thut nach seinem Geheiß und seid ihm in allen Befehlen gehorsam.« Alsdann kleidete ihn der König in einen hübschen Anzug und schenkte ihm tausend Dinare, indem er zu ihm sprach: »Verbrauch' 58 dies für dich, bis das Gebäude fertig ist.« Außerdem schenkte er ihm noch zwei Mamluken zur Bedienung und einen Hengst mit goldgesticktem Reitzeug, worauf Abū Kîr in dem Anzug den Hengst bestieg und nun einem Emir glich. Ein Haus hatte ihm der König ebenfalls angewiesen und hatte befohlen, es einzurichten; und, da sie es ihm eingerichtet hatten, –

Neunhundertundvierunddreißigste Nacht.

schlug er seine Wohnung darin auf. Am nächsten Morgen ritt er dann durch die Stadt, und ihm voran die Bauleute, und schaute sich nach allen Seiten um, bis ihm ein Platz gefiel, worauf er sprach: »Dieser Platz ist gut.« Da warfen sie den Eigentümer desselben hinaus und führten ihn vor den König, der ihm für sein Haus soviel bezahlte, daß er mehr als zufrieden war. Alsdann wurde der Bau begonnen, und Abū Kîr befahl den Bauleuten: »Baut dies so und das so!« und die Bauleute führten alles nach seinen Befehlen aus, bis sie ihm eine Färberei erbaut hatten, wie es ihresgleichen keine mehr gab. Hierauf begab er sich zum König und teilte ihm mit, daß die Färberei fertig gebaut wäre und nun nur noch das Geld für die Farben fehlte, um sie in Betrieb zu setzen. Der König erwiderte ihm: »Nimm diese viertausend Dinare als Betriebskapital und zeig' uns die Frucht deiner Färberei.« Da nahm er das Geld und begab sich auf den Bazar, wo er, da er dort Farbstoffe in Menge und ganz wertlos sah, alles, was er zum Färben brauchte, einkaufte. Hierauf schickte ihm der König fünfhundert Stücke Zeug, die er nun in allerlei Farben färbte und vor der Thür der Färberei ausbreitete. Als die vorübergehenden Leute diese wunderbare Sache sahen, wie sie etwas dergleichen in ihrem Leben noch nicht gesehen hatten, drängten sie sich in Masse zur Thür der Färberei und standen staunend da und fragten Abū Kîr: »Meister, wie heißen diese Farben?« worauf er ihnen erwiderte: »Das ist rot, das gelb und das grün;« und ihnen die Namen der 59 Farben aufzählte. Hierauf brachten sie ihm Zeug und sprachen zu ihm: »Färb' uns dies so und so und nimm, was du begehrst.« Als er dann das Zeug des Königs fertig gefärbt hatte, nahm er es und begab sich mit ihm hinauf in den Diwan zum König, der beim Anblick des Zeugs sich freute und ihn überreich beschenkte; und nun brachten ihm auch die Truppen Zeug und baten ihn, es so und so zu färben, worauf er es ihnen nach Wunsch färbte und sie ihm Gold und Silber zuwarfen. Und so verbreitete sich der Ruf von ihm, und seine Färberei wurde die Sultansfärberei geheißen; zu jeder Thür kam Gutes zu ihm herein, und keiner von all den andern Färbern vermochte ein Wort zu ihm zu reden, vielmehr kamen sie alle zu ihm und küßten ihm die Hände, indem sie sich bei ihm für ihr früheres Betragen ihm gegenüber entschuldigten und sich ihm mit den Worten anboten: »Nimm uns zu Dienern an,« während er sie alle abwies, da er Sklaven und Sklavinnen und großes Gut erworben hatte.

Soviel mit Bezug auf Abū Kîr; was nun aber Abū Sîr anlangt, so lag er, nachdem ihm Abū Kîr sein Geld fortgenommen hatte und weggegangen war, drei Tage lang in der Kammer, von Abū Kîr eingeschlossen, bewußtlos in seiner Krankheit da, bis sich der Pförtner des Châns der Thür wieder erinnerte und, als er sie verschlossen fand und bis zum Abend keinen der beiden gesehen und auch sonst nichts von ihnen vernommen hatte, bei sich sprach: »Vielleicht sind sie, ohne die Miete zu zahlen, fortgezogen oder sind gestorben; oder was mag sonst mit ihnen geschehen sein?« Alsdann trat er an die Kammerthür und sah nun den Schlüssel im Riegel stecken und hörte den Barbier innen stöhnen. Da öffnete er die Thür und sprach zum Barbier, als er ihn stöhnend daliegen sah: »Nichts für ungut, wo ist dein Gefährte?« Der Barbier versetzte: »Bei Gott, ich bin erst heute aus meiner Krankheit wieder zum Bewußtsein gelangt und rief, doch gab mir niemand Antwort; um Gott, mein 60 Bruder, such' nach dem Beutel unter meinem Kopf, nimm fünf halbe Dirhem heraus und kauf' mir dafür etwas zum Essen, denn ich bin halb verhungert.« Da streckte er seine Hand nach dem Beutel heraus, fand ihn jedoch leer, so daß er zum Barbier sagte: »Der Beutel ist leer; es ist nichts darin.« Da erkannte Abū Sîr der Barbier, daß Abū Kîr den Inhalt herausgenommen und sich davon gemacht hatte. Er fragte den Pförtner deshalb: »Hast du nicht meinen Gefährten gesehen?« Der Pförtner versetzte: »Ich habe ihn seit drei Tagen nicht mehr gesehen, und ich glaubte nichts anderes, als daß ihr beide abgezogen wäret.« Der Barbier erwiderte: »Wir sind nicht fortgezogen, vielmehr gelüstete ihn nach meinem Gelde, und er nahm es und machte sich aus dem Staube, als er mich krank daliegen sah.« Alsdann weinte und jammerte er, jedoch sagte der Pförtner des Châns zu ihm: »Nimm's dir nicht zu Herzen, Gott wird ihm sein Thun heimzahlen.« Hierauf ging der Pförtner fort und kochte ihm eine Brühe, von der er ihm einen Teller voll schöpfte und gab. Und so sorgte der Pförtner zwei Monate lang unablässig für ihn, indem er aus seiner Tasche für ihn bezahlte, bis Abū Sîr in Schweiß kam, und Gott ihn von seiner Krankheit genesen ließ. Dann erhob er sich auf seine Füße und sprach zum Pförtner des Châns: »Wenn mich Gott, der Erhabene, in stand setzt, will ich dir das mir erwiesene Gute vergelten; jedoch vergilt keiner als Gott in seiner Güte.« Der Pförtner erwiderte ihm: »Gelobt sei Gott für deine Rettung! Ich that dies nur an dir aus Verlangen nach Gottes, des Allgütigen, Antlitz.« Hierauf verließ der Barbier den Chân und schritt durch die Bazare, wobei ihn das Schicksal auch auf den Bazar führte, in dem sich Abū Kîrs Färberei befand. Als er die buntgefärbten Zeuge vor der Thür der Färberei ausgebreitet und das Volk sich neugierig darum scharen sah, fragte er einen der Stadtbewohner: »Was ist das für ein Ort, und warum drängen sich die Leute so?« Der Gefragte versetzte: »Das ist die 61 Sultansfärberei, welche der Sultan für einen Fremden, Namens Abū Kîr, erbaut hat; und so oft er ein Zeug gefärbt hat, versammeln wir uns und sehen es uns an, da es in unserm Land keine Färber giebt, die Zeug mit diesen Farben färben können; mit den Färbern aber erging es ihm so und so.« Alsdann erzählte er ihm seine Geschichte, worauf Abū Sîr erfreut bei sich sprach: »Gelobt sei Gott, der ihm Erfolg gab, so daß er ein Meister ward! Der Mann ist zu entschuldigen, da ihn sicherlich sein Handwerk zu sehr beschäftigte, so daß er dich vergaß; du aber handeltest gütig und hochherzig gegen ihn, als er keine Beschäftigung hatte, so daß er sich freuen wird, wenn er dich sieht, und sich ebenso hochherzig gegen dich benehmen wird, wie du gegen ihn.« Dann näherte er sich der Thür der Färberei und sah nun Abū Kîr auf hohem Polster auf einer Steinbank im Eingang zur Färberei in königlichem Anzug sitzen, während vor ihm vier Negersklaven und vier weiße Mamluken, angethan mit den prächtigsten Kleidern, standen; außerdem gewahrte er zehn Negersklaven, seine Werkleute, bei der Arbeit, die er, als er sie gekauft hatte, zum Färben angelernt hatte; er selber aber saß zwischen seinen Kissen wie ein Großwesir oder mächtiger König da, ohne seine Hand zu rühren, und kommandierte ihnen nur: »Macht dies so und das so.« Wie nun Abū Sîr vor ihm stand, im Glauben, daß er, wenn er ihn sähe, ihn erfreut begrüßen und ehren- und liebevoll aufnehmen würde, da schrie ihn mit einem Male Abū Kîr an, als sein Blick auf ihn fiel: »Schurke, wie oft habe ich dir nicht schon verboten in der Thür der Werkstätte zu stehen? Willst du mich etwa vor den Leuten bloßstellen, du Dieb? Packt ihn!« Da stürzten sich die Sklaven auf ihn und legten Hand an ihn, worauf sich Abū Kîr erhob, nach einem Stock langte und den Sklaven zurief: »Werft ihn nieder!« Dann verabfolgte er ihm hundert Schläge auf den Rücken und hundert andere, nachdem sie ihn umgedreht hatten, auf den Bauch, worauf er zu ihm sagte: »Du Schurke, du Verräter, sehe ich 62 dich von heute an noch einmal in der Thür der Färberei stehen, so lasse ich dich auf der Stelle vor den König führen, daß er dich dem Wâlī zum Köpfen überantwortet. Pack dich fort, und Gott segne dich nicht!« Da verließ ihn Abū Sîr gebrochenen Herzens wegen der Schläge und der ihm widerfahrenden Entehrung, während die Anwesenden den Färber Abū Kîr fragten: »Was hat jener Mann gethan?« Abū Kîr gab ihnen zur Antwort: »Das ist ein Dieb, der das Zeug der Leute stiehlt.

Neunhundertundfünfunddreißigste Nacht.

Wie oft hat er mir schon Zeug gestohlen, während ich bei mir sprach: »Gott mag es ihm vergeben, denn er ist ein armer Mann!« und ihm nichts zuleide thun wollte, sondern den Leuten ihr Zeug ersetzte und es ihm in Güte untersagte, ohne daß er's beherzigte. Wenn er noch einmal wiederkommt, so lasse ich ihn zum König abführen, daß er ihn hinrichten läßt, und die Leute vor ihm Ruhe haben.« Da hob das Volk an, Abū Sîr nach seinem Fortgang zu schmähen, während er nach dem Chân zurückkehrte und betrübt über die ihm von Abū Kîr widerfahrene Unbill dasaß, bis ihn die Schläge nicht mehr brannten, worauf er wieder ausging und die Bazare der Stadt durchstreifte. Hierbei kam es ihm in den Sinn ins Warmbad zu gehen, weshalb er einen der Stadtbewohner fragte: »Mein Bruder, wo führt der Weg zum Warmbad?« Der Mann versetzte: »Was ist ein Warmbad?« Abū Sîr erwiderte: »Ein Ort, wo man sich wäscht und sich von seinem Schmutz reinigt; es ist eine der größten Annehmlichkeiten der Welt.« Da sagte der Mann: »Geh zum Meer.« Abū Sîr entgegnete jedoch: »Ich will aber ins Warmbad gehen;« worauf der andere wiederum versetzte: »Wir wissen nicht, was ein Warmbad ist; wir gehen, wenn wir uns waschen wollen, zum Meer, was selbst der König thut.« Als nun Abū Sîr sah, daß es in der Stadt kein Warmbad gab, und daß die Leute weder 63 ein Bad noch seine Beschaffenheit kannten, begab er sich in den Diwan des Königs und, zu ihm eintretend und ihm die Hände küssend, wünschte er ihm Segen und sprach: »Ich bin ein landfremder Mann und von Gewerbe ein Bademeister. Als ich in deine Stadt kam und ins Bad gehen wollte, fand ich in ihr kein einziges, wo doch sonst die Stadt so hübsch ist. Wie kommt dies, wo doch ein Bad eine der höchsten Wonnen der Welt ist?« Der König versetzte: »Was ist ein Bad?« Da hob Abū Sîr an, ihm ein Bad zu beschreiben und schloß mit den Worten: »Deine Stadt ist keine Stadt, wenn sie nicht ein Bad besitzt.« Der König erwiderte nun: »Du bist willkommen;« worauf er ihn in einen unvergleichlichen Anzug kleidete, ihm einen Hengst, zwei Sklaven, vier Sklavinnen und zwei Mamluken schenkte, ihm ein Haus einrichten ließ und ihn noch mehr als den Färber auszeichnete. Dann gab er ihm Bauleute mit und sprach zu ihnen: »Baut an dem Ort, der ihm gefällt, ein Warmbad für ihn.« Hierauf zog Abū Sîr mit ihnen durch die Stadt, bis er ihnen einen Ort zeigte, der ihm gefiel, worauf sie sich ans Werk machten und nach seinen Anweisungen für ihn ein unvergleichlich schönes Bad bauten. Alsdann ließ er es mit Malereien schmücken, und sie bemalten es in wunderbarer Weise, daß es eine Wonne für die Beschauer war, worauf er wieder zum König hinaufstieg und ihm mitteilte, daß das Bad fertiggestellt und mit Malereien ausgeschmückt wäre, und daß nun weiter nichts als die Einrichtung fehlte. Da gab ihm der König zur Einrichtung des Bades zehntausend Dinare, worauf er die Handtücher auf Leinen in Reih' und Glied hängte; und alle an der Thür des Bades Vorübergehenden staunten es in dichtem Gedränge an und waren von der Schönheit der Malerei ganz bezaubert, da sie so etwas in ihrem Leben noch nicht gesehen hatten. Fragten sie dann Abū Sîr, was das wäre, so gab er ihnen zu ihrer Verwunderung die Antwort: »Das ist ein Warmbad.« Hierauf machte er das Wasser warm und setzte das Bad in 64 Betrieb; außerdem ließ er einen Springquell im Bassin steigen, der die Sinne aller Städter, die ihn schauten, gefangen nahm, und erbat sich vom König zehn noch unerwachsene Mamluken, worauf ihm dieser zehn Mamluken gleich Monden zum Geschenk machte. Indem nun Abū Sîr dieselben knetete, sagte er zu ihnen: »Thut also mit den Badenden.« Nachdem er dann noch das Bad durchräuchert hatte, schickte er einen Ausrufer durch die Stadt und ließ ausrufen: »Ihr Geschöpfe Gottes, kommt ins Bad, das das Sultansbad heißen soll.« Da kamen die Leute zu ihm, und er befahl den Mamluken ihnen den Leib zu waschen; und die Leute stiegen in die Wanne und wieder heraus, worauf sie sich auf den Līwân setzten, während die Mamluken sie kneteten, wie Abū Sîr sie es gelehrt hatte. Nachdem die Leute in dieser Weise drei Tage lang ins Bad gekommen waren und ohne Bezahlung gebadet hatten, lud er am vierten Tage den König ins Bad ein, worauf derselbe sich mit den Großen des Reiches aufsetzte und zum Bad ritt. Dort entkleidete er sich und trat ein, gefolgt von Abū Sîr, der den König rieb und den Schmutz in Rollen von seinem Leib herunterholte; und als er ihm dann den Schmutz zeigte, freute sich der König und es schallte nur so vor lauter Weichheit und Sauberkeit, wenn er mit der Hand seinen Leib klatschte.

Nachdem er den König abgewaschen hatte, goß er in das Wasser des Beckens Rosenwasser, worauf der König hineinstieg; und als er wieder herauskam, verspürte er eine Wonne in seinem Leib und eine Wohligkeit, wie er sie in seinem ganzen Leben nicht empfunden hatte. Dann ließ er ihn auf den Līwân niedersitzen, und nun kneteten ihn die Mamluken, während die Räuchergefäße Aloe- und Nedddüfte aushauchten. Der König aber fragte nun: »Meister, ist das das Warmbad?« Abū Sîr versetzte: »Jawohl.« Da sagte der König: »Bei meines Hauptes Leben, meine Stadt war ohne dieses Bad keine Stadt!« Hierauf fragte er ihn: »Was läßt du dir pro Kopf bezahlen?« Abū Sîr 65 entgegnete: »Was du mir befiehlst, will ich nehmen.« Da befahl der König, ihm tausend Dinare zu geben, und sprach: »Laß dir von jedem, der sich bei dir badet, tausend Dinare geben.« Abū Sîr versetzte jedoch: »Um Vergebung, o König der Zeit, siehe, die Leute sind nicht alle gleich, sondern es giebt Reiche und Arme unter ihnen. Wenn ich daher tausend Dinare von jedem nehme, so bleibt das Bad leer, denn der Arme kann keine tausend Dinare erschwingen.« Nun fragte der König: »Und wie willst du es denn mit dem Preise halten?« Abū Sîr versetzte: »Ich will ihn der Großmut überlassen; wer etwas zahlen kann und nicht knauserig ist, wird's geben, so daß wir von allen Leuten nach ihren Verhältnissen einnehmen. In dieser Weise werden die Leute zu uns kommen, und der Reiche wird nach seinem Stand und der Arme nach seinem Belieben zahlen; so wird auch das Bad gehen und im Flor stehen; was aber die tausend Dinare anlangt, so ist's eines Königs Gabe, und nicht jeder vermag soviel zu geben.« Die Großen pflichteten ihm bei und sprachen: »Das ist das Rechte, o König der Zeit! Wähnst du etwa, daß alle Menschen wie du sind, ruhmvoller König?« Der König versetzte: »Eure Worte sind wohl wahr, jedoch ist dies ein armer fremder Mann, und es geziemt uns großmütig gegen ihn zu sein, da er in unserer Stadt dieses Bad eingerichtet hat, desgleichen wir in unserm Leben nicht gesehen haben, und ohne das unsere Stadt ohne Schmuck und Wert war; wenn wir ihn daher mit erhöhter Bezahlung ehren, so ist's nicht viel.« Die Großen versetzten jedoch: »Wenn du ihn ehren willst, so thu's mit deinem Geld und erweise deine Huld den Armen durch einen geringen Preis für den Besuch des Bades, daß dich die Unterthanen segnen. Was aber die tausend Dinare anlangt, so sind wir wohl die Großen deines Reiches, jedoch sträubt sich unsere Seele dagegen, soviel zu geben, um wie viel mehr demnach die der Armen!« Da entgegnete der König: »Ihr Großen meines Reiches, jeder von euch gebe ihm für diesmal hundert Dinare, einen 66 Mamluken, eine Sklavin und einen Sklaven.« Sie versetzten: »Schön; wir wollen es ihm diesmal geben, später soll ihm jedoch jeder nach Belieben zahlen;« und der König erwiderte: »Das kann nichts schaden.« Hierauf gab ihm jeder der Großen hundert Dinare, eine Sklavin, einen Mamluken und einen Sklaven. Die Zahl der Großen aber, die sich an jenem Tage mit dem König gebadet hatten, betrug vierhundert Seelen, –

Neunhundertundsechsunddreißigste Nacht.

so daß er im ganzen von ihnen vierzigtausend Dinare, vierhundert Mamluken, vierhundert Sklaven und vierhundert Sklavinnen erhielt, ein Geschenk, wie es kein besseres geben kann. Außerdem aber schenkte ihm der König noch zehntausend Dinare, zehn Mamluken, zehn Sklavinnen und zehn Sklaven, so daß Abū Sîr auf den König zutrat und, die Erde vor ihm küssend, sprach: »Glückseliger König und Herr des rechten Rates, welcher Platz nimmt mir all diese Mamluken, Sklaven und Sklavinnen auf?« Der König versetzte: »Ich habe dies nur meinem Hofe aus dem Grunde befohlen, damit wir für dich einen Haufen Geld zusammenbringen; vielleicht könnte dir wieder dein Land und deine Familie in den Sinn kommen, und du könntest Heimweh bekommen und heimzuziehen verlangen; dann sollst du aus unserm Land eine reichliche Geldsumme mitnehmen, daß du davon während der Zeit deines Aufenthaltes in deiner Heimat leben kannst.« Abū Sîr erwiderte: »O König der Zeit, Gott verleihe dir Ruhm! Siehe, diese vielen Mamluken, Sklavinnen und Sklaven sind ein königlicher Staat, und so du mir Bargeld angewiesen hättest, hätte es mir mehr gedient als dieses Heer, das essen, trinken und gekleidet werden muß, so daß alle meine Einnahmen für ihren Unterhalt nicht ausreichen.« Da lachte der König und sagte: »Bei Gott, du hast recht; sie sind in der That ein zahlreich Heer, und du hast nicht die Mittel sie zu unterhalten; willst du 67 sie mir jedoch für hundert Dinare pro Kopf verkaufen?« Abū Sîr versetzte: »Ich verkaufe sie dir dafür.« Da schickte der König nach dem Schatzmeister, ihm das Geld zu bringen, und der Schatzmeister brachte es und zahlte Abū Sîr den Preis für alle voll und ganz aus, worauf der König sie ihren Besitzern zurückschenkte, indem er sprach: »Jeder, der seinen Sklaven, seine Sklavin oder seinen Mamluken wiedererkennt, der nehme sie als Geschenk von mir zurück.« Während nun jeder dem Befehl des Königs Folge leistete und nahm, was ihm zukam, sprach Abū Sîr zum König: »Gott gebe dir Ruhe, o König, so wie du mir vor diesen Ghûlen Ruhe verschafftest, die Gott allein satt zu machen vermöchte!« Da lachte der König über seine Worte, sie bestätigend, worauf er mit den Großen des Reiches zu seinem Serâj zurückkehrte; Abū Sîr aber verbrachte die Nacht, indem er sein Geld zählte und es in Beutel packte und versiegelte; und er hatte zwanzig Negersklaven, zwanzig Mamluken und vier Sklavinnen zu seiner Bedienung. Am nächsten Morgen öffnete er dann wieder das Bad und ließ einen Ausrufer ankündigen: »Jeder, der ins Bad kommt und sich badet, soll zahlen nach eigenem Ermessen und gemäß seiner Großmut.« Alsdann setzte er sich neben den Geldkasten, und die Leute kamen herbei, und ein jeder zahlte nach seinen Verhältnissen, so daß, noch ehe der Abend hereingebrochen war, der Kasten voll war von Gottes, des Erhabenen, guter Gabe. Alsdann verlangte auch die Königin ins Bad zu gehen, und als Abū Sîr hiervon Kunde erhielt, teilte er den Tag um ihretwillen in zwei Hälften, indem er die Zeit von der Dämmerung bis zum Mittag für die Männer und die Zeit vom Mittag bis zum Abend für die Frauen bestimmte. Als dann die Königin erschien, stellte er eine Sklavin hinter die Kiste, denn er hatte vier Sklavinnen zu geschickten Badewärterinnen angelernt. Der Königin aber gefiel das Baden, und mit freudig geschwellter Brust legte sie tausend Dinare in den Kasten. So verbreitete sich sein Ruf in der Stadt, und jeden, gleichviel 68 ob reich oder arm, behandelte er gleich zuvorkommend, so daß das Gute zu allen Thüren zu ihm hereinströmte, und er mit den Leibgarden des Königs bekannt und befreundet wurde. Der König aber kam allwöchentlich einmal zu ihm und gab ihm tausend Dinare, während der Rest der Woche für Reich und Arm verblieb, die er alle freundlich und aufs zuvorkommendste aufnahm. Einmal traf es sich, daß auch des Königs Kapitän zu ihm kam, worauf Abū Sîr sich entkleidete und mit ihm ins Bad ging. Nachdem er ihn geknetet und mit ausnehmender Zuvorkommenheit bedient hatte, verließ er wieder das Bad mit ihm und machte ihm Scherbetts und Kaffee zurecht; und als der Kapitän ihm etwas dafür geben wollte, beteuerte er nichts von ihm annehmen zu wollen, so daß sich der Kapitän durch seine ausnehmende Zuvorkommenheit und Güte ihm gegenüber verpflichtet fühlte und nicht wußte, wie er sich dem Bademeister für seine Großmut erkenntlich zeigen sollte.

Soviel, was Abū Sîr anlangt; als nun aber Abū Kîr hörte, wie alle Leute nur von dem Bad schwärmten und sagten: »Fürwahr, dieses Bad ist zweifellos das irdische Paradies! Du da, du mußt, so Gott will, morgen mit uns zu diesem köstlichen Bad gehen,« – sprach er bei sich: »Ich muß unbedingt gleich den andern hingehen und mir das Bad, das den Leuten den Verstand nimmt, besehen.« Alsdann legte er seinen prächtigsten Anzug an und setzte sich auf ein Maultier, worauf er mit einem Geleit von vier schwarzen Sklaven und vier Mamluken, die vor und hinter ihm einherschritten, zum Bad ritt und an der Thür desselben abstieg, wo er den Duft von Nedd und Aloe roch, und die Leute hineingehen und herauskommen sah, während die Steinbänke von Hoch und Gering dicht besetzt waren. Als er dann in das Vestibül eintrat, gewahrte er Abū Sîr, der sich vor ihm erfreut erhob. Da sprach er zu ihm: »Ist das wohlgeborener Leute Benehmen? Ich habe mir eine Färberei aufgethan, bin Meister der Stadt und mit dem 69 König bekannt geworden und bin zu Glück und Ansehen gelangt, und du kamst nicht zu mir und fragtest nicht nach mir und sprachst nicht: »Wo ist mein Freund?« während ich vergeblich nach dir suchte und meine Sklaven und Mamluken in den Chânen und allerorts nach dir suchen ließ, ohne daß sie dein Verbleiben ausfindig machten und von irgend jemand über dich Auskunft erhielten?« Abū Sîr versetzte: »Kam ich nicht zu dir und erklärtest du mich nicht für einen Dieb und schlugst mich und entehrtest mich unter allem Volk?« Da stellte sich Abū Kîr bekümmert und sagte: »Was sind das für Worte? Warst du's, den ich prügelte?« Abū Sîr entgegnete: »Jawohl, ich war's.« Da schwur ihm Abū Kîr tausend Eide, daß er ihn nicht erkannt hätte, und sagte: »Einer, der dir ähnlich ist, kam alle Tage und stahl das Zeug der Leute, so daß ich dich für ihn hielt.« Dann stellte er sich, als ob er Reue empfände, und rief, die Hände zusammenschlagend: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Wir haben dir übel mitgespielt; hättest du dich nur zu erkennen gegeben und gesagt: »Ich bin der und der!« Die Schuld liegt bei dir, daß du dich nicht zu erkennen gabst, zumal wo ich den Kopf voll von Geschäften hatte.« Da sagte Abū Sîr: »Gott verzeihe dir, mein Freund, die Sache war so im Verborgenen verhängt, und Gott entschädigt dafür. Nun aber komme herein, leg' deine Sachen ab und nimm ein erquickendes Bad.« Abū Kîr entgegnete: »Um Gott, vergieb mir, mein Bruder!« und Abū Sîr versetzte: »Gott spreche dich von deiner Schuld frei und vergebe sie dir! Es war so über mich von Ewigkeit her verhängt.« Alsdann fragte Abū Kîr: »Woher ward dir diese hohe Stellung zu teil?« Abū Sîr erwiderte: »Der dir Glück verlieh, verlieh es auch mir. Ich stieg hinauf zum König und sprach mit ihm über das Warmbad, worauf er mir eines zu bauen befahl.« Abū Kîr versetzte hierauf: »So wie du mit dem König bekannt bist, bin ich's auch, – 70

Neunhundertundsiebenunddreißigste Nacht.

und, so Gott will, der Erhabene, will ich's zuwege bringen, daß er dich um meinetwillen noch mehr liebt und ehrt als jetzt; er weiß nicht, daß du mein Freund bist, doch will ich es ihm sagen und dich ihm empfehlen.« Abū Sîr erwiderte: »Ich habe keine Empfehlung nötig, denn der, welcher die Herzen geneigt macht, lebt noch; der König und sein ganzer Hof lieben mich, und er schenkte mir das und das.« Hierauf erzählte er ihm seine Geschichte und sprach zu ihm: »Zieh deine Sachen hinter der Kiste aus und folge mir ins Bad, daß ich dich abreibe.« Da zog er seine Sachen aus und trat zugleich mit Abū Sîr ein, der ihn nun einseifte, abrieb und ihn wieder anzog, ihn bedienend, bis er wieder aus dem Bade herauskam. Alsdann setzte er ihm das Mittagsmahl und Scherbette vor, und alle Leute verwunderten sich über die Auszeichnung, mit der er ihn behandelte. Als ihm nun Abū Kîr etwas geben wollte, beteuerte er, nichts von ihm annehmen zu wollen, und sprach zu ihm: »Schäm' dich doch über solche Sache! Du bist mein Freund, und zwischen uns ist kein Unterschied.« Hierauf sagte Abū Kîr zu Abū Sîr: »Mein Freund, bei Gott, dieses Bad ist grandios, jedoch fehlt deiner Kunst noch etwas.« Da fragte ihn Abū Sîr: »Was fehlt denn noch?« Und Abū Kîr versetzte: »Es ist das Mittel, das aus Arsenik und ungelöschtem Kalk zusammengesetzt ist und die Haare aufs angenehmste entfernt. Mach' dies Mittel zurecht, und, wenn der König wieder kommt, biet' es ihm an und zeig' ihm, wie er hierdurch die Haare zu beseitigen hat; er wird dich dann sehr lieb gewinnen und ehren.« Abū Sîr erwiderte: »Du hast recht; so Gott will, werde ich es machen.« Alsdann verließ Abū Kîr das Bad und bestieg sein Maultier, worauf er zum König ritt und, bei ihm eintretend, sprach: »Ich habe dir einen guten Rat zu erteilen, o König der Zeit.« Der König fragte: »Was ist dein Rat?« Und Abū Kîr versetzte: »Mir kam 71 die Kunde zu Ohren, daß du ein Bad bautest.« Der König erwiderte: »Jawohl; es kam ein fremder Mann zu mir, und ich richtete ihm das Bad ein wie dir die Färberei; es ist ein prächtiges Bad und ein Schmuck meiner Stadt.« Hierauf begann er ihm die Vorzüge des Bades zu schildern, bis Abū Kîr ihn fragte: »Und hast du das Bad betreten?« Der König antwortete: »Jawohl.« Da rief Abū Kîr: »Gelobt sei Gott, der dich vor dem Übel, das dieser ruchlose Bademeister, der Feind des Glaubens, plante, errettete!« Nun fragte der König: »Was ist's mit ihm?« worauf Abū Kîr entgegnete: »Wisse, o König der Zeit, wenn du nach dem heutigen Tage das Bad betrittst, so ist's dein Verderben.« – »Und weshalb?« fragte der König. Abū Kîr versetzte: »Siehe, der Bademeister ist dein und des Glaubens Feind; er bewog dich nur aus dem Grunde dieses Bad einzurichten, um dich in ihm zu vergiften. Er hat etwas für dich zubereitet, und, so du bei ihm eintrittst, wird er es dir bringen und zu dir sprechen: »Dies ist ein Mittel, das jeden, der es anwendet, mit Leichtigkeit enthaart.« Es ist aber kein solches Mittel, sondern ein starkes und tödliches Gift; denn der Sultan der Christen versprach diesem Schurken, sein Weib und seine Kinder aus der Gefangenschaft freizulassen, wenn er dich umbrächte. Sein Weib und seine Kinder werden nämlich vom Sultan der Christen gefangen gehalten. Ich war selber mit ihnen in ihrem Land gefangen, doch machte ich eine Buntfärberei auf und färbte für sie in verschiedenen Farben, so daß sie mir das Herz des Königs geneigt machten, und dieser mich aufforderte, mir etwas zu erbitten. Da verlangte ich meine Freilassung, und, als ich sie erhielt, kam ich nach dieser Stadt. Als ich ihn hier im Bade sah, fragte ich ihn: »Wie bewerkstelligtest du dein und deines Weibes und deiner Kinder Entkommen?« worauf er mir erwiderte: »Ich blieb mit Weib und Kindern gefangen, bis der König der Christen eines Tages einen Diwan abhielt und ich mich dazu mit andern einfand. Als ich nun dort mit den Leuten 72 dastand, hörte ich sie die Namen der Könige der Reihe nach aufzählen, bis sie auch den Namen des Königs dieser Stadt erwähnten, als mit einem Male der König der Christen wehklagte und rief: »Nichts in der Welt ärgert mich als der König jener Stadt, und jedem, der ihn mir umzubringen vermag, gebe ich alles, was er von mir wünscht.« Da trat ich auf ihn zu und sprach zu ihm: »Wenn ich ihn dir umbringe, wirst du dann mich, mein Weib und meine Kinder freilassen?« Er versetzte: »Jawohl, ich will euch die Freiheit schenken und will dir obendrein geben, was du von mir erbittest.« So einigten wir uns hierauf, und er schickte mich in einer Galeone zu dieser Stadt, worauf ich zu ihrem König hinaufstieg und er mir dieses Bad baute. Nun habe ich ihn nur noch zu töten, um dann wieder zum König der Nazarenen zu gehen und Weib und Kinder auszulösen und mir eine Gnade zu erbitten.« Da fragte ich ihn: »Und welchen Plan hast du ersonnen ihn umzubringen?« Er erwiderte: »Auf die einfachste Weise; ich habe etwas für ihn zurechtgemacht, in das ich Gift gethan habe; und wenn er nun zu mir ins Bad kommt, will ich zu ihm sprechen: »Nimm dieses Mittel und reib dich damit unten ein, es wird deine Haare befestigen.« Wenn er es dann nimmt und sich damit einreibt, so wird das Gift einen Tag und eine Nacht auf ihn einwirken, bis es zu seinem Herzen dringt und er daran stirbt. Frieden sei auf dir!« Als ich dies von ihm vernahm, fürchtete ich für dich, da du mir Gutes erwiesen hattest, und so hab' ich dir's mitgeteilt.«

Als der König dies vernahm, ergrimmte er gewaltig und sprach zum Färber: »Halt' dies geheim.« Alsdann verlangte er ins Bad zu gehen, um den Zweifel durch die Gewißheit abzuschneiden. Nachdem er das Bad betreten hatte, entkleidete sich Abū Sîr wie gewöhnlich und bediente den König mit großer Sorgfalt; als er ihn aber abgerieben hatte, sprach er zu ihm: »O König der Zeit, ich habe ein Mittel zur Enthaarung des untern Körpers zurechtgemacht.« Der König 73 versetzte: »Bring' es her.« Als er es nun brachte und der König seinen widerlichen Geruch wahrnahm, war er überzeugt, daß es Gift war, und rief seinen Leibgarden ergrimmt zu: »Packt ihn.« Da legten sie Hand an ihn, während der König zornerfüllt das Bad verließ, ohne daß jemand seines Zornes Ursache gekannt hätte, da der König in seiner großen Erregung zu keinem etwas darüber verlauten ließ, und auch niemand ihn zu fragen den Mut hatte. Nachdem er sich wieder angekleidet hatte, stieg er hinauf in den Diwan und ließ Abū Sîr mit auf dem Rücken gebundenen Händen vor sich führen; dann verlangte er nach dem Kapitän und befahl ihm, als er vor ihm erschien: »Nimm diesen Schurken, steck' ihn in einen Sack zugleich mit zwei Centnern ungelöschten Kalk und bind' den Sack über ihm und dem Kalk zu; dann pack' ihn in ein Boot, komm unter meinen Palast, wo du mich am Fenster sitzen sehen wirst, und frag' mich: »Soll ich ihn hineinwerfen?« Wenn ich dir antworte: »Wirf ihn hinein,« so thu' es, daß der Kalk über ihm gelöscht wird, und er den Tod des Ertrinkens und Verbrennens stirbt.« Der Kapitän versetzte: »Ich höre und gehorche,« und führte Abū Sîr vom König fort zu einer Insel gegenüber dem Palast des Königs, wo er zu ihm sagte: »Du da, ich kam einmal zu dir ins Bad, und du ehrtest und bedientest mich und bereitetest mir großes Vergnügen, wobei du beteuertest, keine Bezahlung von mir annehmen zu wollen. Ich habe dich deshalb sehr liebgewonnen, und nun erzähl' mir, was du mit dem König vorgehabt hast, und was für ein Verbrechen du begangen hast, daß er sich wider dich erzürnte und mir befahl dich dieses gemeinen Todes sterben zu lassen.« Abū Sîr versetzte: »Bei Gott, ich hab' nichts gethan, und ich weiß nicht, welches Vergehen ich gegen ihn begangen haben sollte, daß ich dieses verdiente.« 74

Neunhundertundachtunddreißigste Nacht.

Der Kapitän erwiderte ihm hierauf: »Du standest bei dem König in hohem Ansehen, wie niemand zuvor, und jeder, dem es wohl ergeht, wird beneidet. Vielleicht neidet dir einer dieses Glück und hat in Bezug auf dich einige Worte vor den König geworfen, daß er sich so gewaltiglich wider dich erzürnte. Sei jedoch willkommen, es soll dir nichts zuleide geschehen; wie du mich einst ehrtest, ohne daß wir miteinander bekannt waren, so will ich dich jetzt befreien. Habe ich dich jedoch errettet, so mußt du bei mir auf dieser Insel bleiben, bis eine Galeone von unserer Stadt zu deinem Land fährt, auf der ich dich dann heimsende.« Da küßte Abū Sîr dem Kapitän die Hand und dankte ihm hierfür, worauf der Kapitän den Kalk holte und ihn nebst einem großen Stein in der Größe eines Mannes in den Sack steckte, indem er dabei sprach: »Ich setze meine Hoffnung auf Gott.« Dann gab er Abū Sîr ein Netz und sagte zu ihm: »Wirf dieses Netz ins Meer, vielleicht fängst du etwas Fische, denn ich habe die Küche des Königs täglich mit Fischen zu versorgen; durch das Mißgeschick, das dich betroffen hat, bin ich vom Fischen abgehalten, und ich fürchte, die Küchenjungen kommen nach Fischen und finden keine vor. Wenn du aber etwas fängst, so finden sie die Fische vor, während ich inzwischen unter dem Schloß die List ausführe und so thue, als ob ich dich ins Meer werfe.« Abū Sîr versetzte: »Ich werde fischen; geh nur, und Gott steh' dir bei!« Da legte er den Sack ins Boot und fuhr unter den Palast des Königs, wo er den König am Fenster sitzen sah; dann fragte er ihn: »O König der Zeit, soll ich ihn hineinwerfen?« Der König erwiderte: »Wirf ihn hinein,« und winkte ihm mit der Hand zu, wobei etwas aufblitzte und ins Meer fiel; es war dies aber des Königs Siegelring, der einen Zauber besaß, der darin bestand, daß, wenn der König auf jemand erzürnt war und seinen Tod begehrte, er nur mit der rechten Hand, an 75 welcher der Ring steckte, auf ihn zu deuten brauchte, worauf aus dem Ring ein Blitz fuhr und den, nach dem er deutete, traf, daß ihm das Haupt von den Schultern fiel; und nur um dieses Ringes willen gehorchten ihm die Truppen, und hatte er die Gewaltigen bezwungen. Als nun der Ring dem König vom Finger gefallen war, verheimlichte er die Sache und verschwieg, daß ihm der Ring ins Meer gefallen war, aus Furcht, die Truppen möchten sich wider ihn erheben und ihn erschlagen.

Soviel vom König; inzwischen hatte Abū Sîr nach dem Fortgang des Kapitäns das Netz genommen, ins Meer geworfen und voll von Fischen wieder herausgezogen. Dann warf er es zum zweitenmal aus und zog es wieder voll von Fischen heraus, und ebenso fort und fort, bis vor ihm ein großer Haufen von Fischen lag, und er bei sich sprach: »Bei Gott, seit langer Zeit habe ich keine Fische gegessen.« Alsdann suchte er sich einen großen fetten Fisch aus und sprach: »Wenn der Kapitän kommt, will ich ihn bitten, mir diesen Fisch zu braten, damit ich ihn zu Mittag essen kann.« Hierauf schlachtete er ihn mit einem Messer, das er bei sich hatte, wobei das Messer in den Kiemen stecken blieb; und nun sah er auch den Siegelring des Königs, den der Fisch verschluckt hatte, worauf das Schicksal ihn zu jener Insel getrieben hatte, und er so ins Netz geraten war. Abū Sîr nahm den Ring und steckte ihn an seinen kleinen Finger, ohne seine besondern Eigenschaften zu kennen. Mit einem Male kamen zwei Küchenjungen an, um Fische zu holen, und sagten zu Abū Sîr: »Mann, wohin ist der Kapitän gegangen?« Er erwiderte: »Ich weiß es nicht,« und winkte dabei mit der rechten Hand, als mit einem Male den beiden Jungen die Köpfe von den Schultern fielen. Da verwunderte sich Abū Sîr und sprach in einem fort bei sich: »Wer mag sie nur erschlagen haben?« Sie thaten ihm leid und er bekümmerte sich hierüber, bis der Kapitän ankam und einen großen Fischhaufen erblickte und die beiden erschlagen sah und den 76 Siegelring an Abū Sîrs Finger gewahrte. Da sprach er zu ihm: »Mein Bruder, hebe deine Hand, an der du den Siegelring trägst, nicht gegen mich, denn, so du sie bewegst, tötest du mich.« Verwundert über diese Worte, hielt er die Hand still, bis der Kapitän herangekommen war und ihn nun fragte: »Wer hat diese Jungen erschlagen?« Abū Sîr versetzte: »Bei Gott, mein Bruder, ich weiß es nicht.« Der Kapitän erwiderte: »Du sprichst die Wahrheit; sag' mir jedoch, woher du diesen Siegelring hast.« Abū Sîr entgegnete: »Ich fand ihn in den Kiemen dieses Fisches.« Der Kapitän antwortete: »Du sprichst die Wahrheit, denn ich sah, wie er blitzend aus dem Königspalast ins Meer fiel, als der König winkte und zu mir sprach: »Wirf ihn herein.« Ich warf den Sack infolgedessen herein; bei dem Wink aber flog dem König der Ring ab und fiel ins Meer, wo ihn dieser Fisch verschluckte, den dir dann Gott zutrieb, daß du ihn fingst; denn dieser Ring war dir bestimmt. Kennst du jedoch die Eigenschaft dieses Siegelringes?« Abū Sîr versetzte: »Ich weiß nicht, daß er eine besondere Eigenschaft besitzt.« Da sagte der Kapitän: »Wisse, daß die Truppen unserm König nur aus Furcht vor diesem Siegelring gehorchen, da er verzaubert ist; wenn nämlich der König auf jemand erzürnt ist und seinen Tod begehrt, so winkt er ihm zu, worauf ihm der Kopf von den Schultern fällt; denn aus dem Ring fährt ein Blitz, dessen Strahl den Gegenstand seines Zornes trifft, so daß er auf der Stelle tot hinstürzt.« Als Abū Sîr dies vernahm, freute er sich mächtig und sagte zum Kapitän: »Bringe mich zur Stadt zurück;« und der Kapitän entgegnete: »Das will ich thun, denn nunmehr fürchte ich nichts mehr für dich, wo du, wenn du den König töten wolltest, nur mit deiner Hand gegen ihn zu winken brauchtest, und es fiele sein Haupt vor dich nieder; ja, wolltest du den König und alle seine Truppen töten, du vermöchtest es, ohne daran behindert zu werden.« Hierauf nahm er ihn ins Boot und ruderte mit ihm zur Stadt. 77

Neunhundertundneununddreißigste Nacht.

Dort angelangt, stieg er hinauf in den Palast des Königs und begab sich in den Diwan, wo er den König, umgeben von seinen Truppen, in großer Sorge wegen seines Ringes sitzen sah, ohne daß er einem derselben von dem Verlust des Ringes hätte Mitteilung machen können. Als nun der König Abū Sîr erblickte, sprach er zu ihm: »Ließen wir dich nicht ins Meer werfen? Wie hast du es angestellt wieder aus ihm herauszukommen?« Abū Sîr erwiderte ihm: »O König der Zeit, als du mich ins Meer zu werfen befahlst, nahm mich der Kapitän und fuhr mit mir zu einer Insel, wobei er mich nach der Ursache deines Zornes gegen mich fragte und zu mir sprach: »Was hast du mit dem König gethan, daß er deinen Tod befahl?« Ich erwiderte ihm: »Bei Gott, ich weiß nicht, daß ich eine gemeine That gegen ihn beging;« und nun sprach er zu mir: »Siehe, du stehst in hohem Ansehen bei dem König, und vielleicht beneidet dich jemand, und hat über dich einige Worte vor dem König verlauten lassen, daß er sich wider dich erzürnte. Ich aber kam einmal zu dir ins Bad, und du ehrtest mich; und nun will ich dir's vergelten und dich befreien und in dein Land heimsenden.« Hierauf nahm er anstatt meiner einen Stein ins Boot und warf ihn ins Meer. Als du ihm jedoch in betreff meiner einen Wink gabst, fiel dir der Siegelring von der Hand ins Meer, und es verschlang ihn ein Fisch, während ich auf der Insel fischte. Jener Fisch fing sich mit andern Fischen im Netz, und ich nahm ihn und wollte ihn braten; als ich aber seinen Bauch öffnete, fand ich den Ring darin, worauf ich ihn nahm und an meinen Finger steckte. Bald darauf kamen zwei Küchenjungen zu mir und verlangten Fische, worauf ich ihnen zuwinkte, ohne daß ich die Eigenschaft des Ringes gekannt hätte; und da fielen ihnen die Köpfe ab. Als hernach der Kapitän kam, erkannte er an meinem Finger den Ring und erklärte mir seinen Zauber; und nun bin ich zu dir gekommen, da du mir Gutes erwiesest und mir die höchsten 78 Auszeichnungen zu teil werden ließest. Die Freundlichkeit, die du mir erwiesest, ist nicht an mir verloren; hier ist dein Ring, nimm ihn, und so ich etwas Todeswürdiges gegen dich begangen habe, so teile mir mein Vergehen mit und töte mich, ledig der Schuld an meinem Blut.« Hierauf zog er den Ring von seinem Finger und überreichte ihn dem König, der, angesichts des edlen Benehmens Abū Sîrs, den Ring nahm und an den Finger steckte. Von neuem Leben beseelt, erhob er sich auf seine Füße, umarmte Abū Sîr und sprach: »O Mann, du bist einer der Edelsten der Edeln. Nichts für ungut, vergieb mir mein Vergehen gegen dich. Wenn ein anderer als du diesen Ring in Besitz bekommen hätte, hätte er ihn mir nicht wiedergegeben.« Abū Sîr versetzte: »O König der Zeit, willst du, daß ich dir vergebe, so teile mir mein Vergehen mit, das deinen Zorn wider mich erregte, so daß du mich zu töten befahlst.« Der König erwiderte: »Bei Gott, ich bin von deiner Schuldlosigkeit überzeugt, wo du dich so edel gegen mich benommen hast; der Färber sprach nur das und das zu mir;« und so erzählte er ihm alles, was ihm der Färber hinterbracht hatte, worauf Abū Sîr sagte: »Bei Gott, o König der Zeit, ich kenne keinen Nazarenerkönig, in meinem ganzen Leben kam ich nicht ins Nazarenerland, und nie kam es mir in den Sinn dich zu töten. Dieser Färber jedoch war mein Freund und Nachbar in der Stadt Alexandria, und es erging uns daselbst recht kümmerlich, weshalb wir von dort fortzogen und die Fâtihe gemeinschaftlich daraufhin recitierten, daß der, welcher Arbeit fände, den Arbeitslosen ernähren solle; hernach erging es mir dann mit ihm so und so.« Und so erzählte er ihm alle seine Erlebnisse mit Abū Kîr, dem Färber, und wie er ihm sein Geld gestohlen und ihn krank in der Kammer im Chân zurückgelassen hätte; wie ihn dann der Pförtner des Châns mit seinem eigenen Geld in seiner Krankheit verpflegt hätte, bis ihm Gott Genesung schenkte, worauf er dann wie gewöhnlich mit seinem Handwerkszeug durch die Stadt 79 gegangen wäre, wobei er auch zu einer Färberei gekommen wäre, bei der er ein großes Menschengedränge gesehen hätte. Als er dann in die Thür der Färberei geschaut hätte, hätte er dort Abū Kîr auf einer Steinbank sitzen sehen, und wie er nun eingetreten wäre, um ihn zu begrüßen, hätte er ihn jämmerlich durchgeprügelt und ihn einen Dieb genannt. So erzählte er dem König alles, was ihm widerfahren war, von Anfang bis zu Ende, und schloß mit den Worten: »O König der Zeit, er war's gerade, der zu mir sagte: Bereite das Mittel und biet' es dem König an, denn das Bad ist bis auf dieses ihm fehlende Mittel vollkommen. Und wisse, o König der Zeit, es ist ein harmloses Mittel, das wir in unserm Lande machen, wo es zu den Erfordernissen des Bades gehört; ich aber hatte es vergessen. Als der Färber zu mir kam und ich ihn höflich aufnahm, erinnerte er mich daran und sagte mir, ich solle es bereiten. Schick' nur, o König der Zeit, nach dem Pförtner des und des Châns und nach den Arbeitern der Färberei und frag' sie alle nach dem, was ich dir mitgeteilt habe.« Da ließ der König den Pförtner des Châns und die Arbeiter der Färberei holen und fragte sie alle aus, worauf sie ihm den Sachverhalt mitteilten. Alsdann schickte er nach dem Färber und befahl: »Bringt ihn barfuß, barhaupt und mit auf dem Rücken gefesselten Händen her.«

Der Färber aber saß fröhlich über den Tod Abū Sîrs da, als mit einem Male, ehe er sich's versah, die Garden des Königs über ihn herfielen und ihm den Nacken verbläuten, worauf sie ihn fesselten und vor den König schleppten, wo er Abū Sîr neben dem König sitzen und den Pförtner des Châns und die Arbeiter aus der Färberei vor ihm stehen sah. Und nun sprach auch der Pförtner zu ihm: »Ist dies nicht dein Gefährte, dem du das Geld stahlst und den du bei mir krank in der Kammer zurückließest, nachdem du ihm das und das angethan hattest?« Alsdann sprachen die Arbeiter aus der Färberei: »Ist dies nicht der, den du uns befahlst festzunehmen und durchzuprügeln?« Auf diese 80 Weise ward dem König Abū Kîrs Gemeinheit offenbar, und es ward ihm klar, daß er noch strengere Strafen als die Munkars und NakîrsVgl. hierzu die Anmerkung zur 401. Nacht. verdiente. Infolgedessen befahl er seinen Garden: »Nehmt ihn, führt ihn durch die Stadt, –

Neunhundertundvierzigste Nacht.

und steckt ihn dann in einen Sack und werft ihn ins Meer.« Da sagte Abū Sîr: »O König der Zeit, nimm meine Fürsprache für ihn an, denn ich habe ihm alle seine Unthaten vergeben.« Der König versetzte jedoch: »Wenn du ihm auch vergeben hast, so ist mir's nicht möglich ihm zu verzeihen, was er gegen mich sündigte.« Hierauf rief er: »Nehmt ihn fort.« Da nahmen sie ihn und führten ihn durch die Stadt, worauf sie ihn zugleich mit Kalk in einen Sack steckten und ins Meer warfen, so daß er den Tod des Ertrinkens und Verbrennens starb. Zu Abū Sîr aber sprach der König: »Wünsche etwas von mir, und es soll dir gegeben werden!« Da sagte Abū Sîr: »Ich wünsche mir von dir, daß du mich heimsendest, denn ich trage kein Verlangen mehr danach hier zu weilen.« Da gab ihm der König großes Gut zu dem Geld und Gut und den früheren Gaben hinzu und schenkte ihm eine mit Gütern beladene Galeone, die mit Mamluken bemannt war; die Mamluken schenkte er ihm gleichfalls, nachdem er ihm zuvor angeboten hatte, ihn zum Wesir zu machen, er es aber abgelehnt hatte. Hierauf verabschiedete er sich vom König und zog mit der Galeone ab, auf der alles bis zu den Matrosen, den Mamluken, sein Eigentum war. Erst als er in Alexandria anlangte, machten sie Halt und legten am Strand bei. Als sie dann ans Land stiegen, sah einer der Mamluken einen Sack am Strande liegen und sagte deshalb zu seinem Herrn: »Mein Herr, am Strand liegt ein großer, schwerer Sack, dessen Öffnung zugebunden ist, und ich weiß nicht, was sich darinnen befindet.« Da trat Abū Sîr an den Sack heran und öffnete ihn, worauf er in ihm Abū Kîrs Leichnam gewahrte, den das Meer 81 nach Alexandria getrieben hatte. Da holte er ihn heraus und begrub ihn in der Nähe Alexandrias, indem er eine Besuchsstätte über ihm errichtete, die er mit frommen Stiftungen dotierte. Auf die Thür des Grabmals aber schrieb er folgende Verse:

Erkannt wird der Mensch in der Welt an seinen Thaten,
Und des Edeln und Hochherzigen Thun ist wie sein Ursprung.
Verleumde nicht, auf daß du nicht verleumdet wirst,
Denn dasselbe, was einer spricht, wird von ihm gesprochen.
Vermeide auch unanständige Reden und führ' sie nicht,
Magst du im Ernst reden oder im Scherz.
Wir sind mit einem wohlerzogenen Hund zufrieden,
Der Löwe aber wird wegen seiner Gedächtnislosigkeit gefesselt.
Die Kadaver der Wüste schwimmen auf der See,
Während die Perle unbeachtet tief auf dem Grunde liegt.
Kein Sperling würde einen Habicht jagen,
Geschäh's nicht aus Thorheit oder Schwachsinn.
Im Himmel steht's geschrieben auf den Blättern der Luft,
Wer Gutes thut, dem wird mit gleichem gelohnt.
Such' nicht von Koloquinten Zucker zu ernten,
Denn der Geschmack der Dinge ist wie ihr Ursprung.

Hierauf lebte Abū Sîr noch eine Weile, bis ihn Gott zu sich abscheiden ließ, worauf sie ihn nahe bei seinem Gefährten Abū Kîr bestatteten, weshalb jener Ort Abū Kîr und Abū Sîr hieß. Jetzt ist er jedoch allein als Abū Kîr bekannt, und dies ist's, was uns von ihrer Geschichte zu Ohren kam. Preis Ihm, der da lebet in Ewigkeit, und nach dessen Willen die Nacht wechselt mit dem Tag!

 


 


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