Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XVI
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Die Füchse und der Wolf.

»Man erzählt, daß einmal ein Rudel Füchse auszog, um sich etwas zum Fressen zu suchen, wobei sie auf ein totes Kamel stießen. Da sprachen sie bei sich: »Wir haben hier gefunden, wovon wir geraume Zeit leben könnten; wir fürchten jedoch, daß einer den andern von uns vergewaltigen, und 11 der Starke mit seiner Stärke den Schwachen unterdrücken könnte, daß der Schwache umkommt. Es geziemt uns deshalb einen Richter zu suchen, der zwischen uns entscheide, und wollen wir ihm sein Teil geben, daß der Starke nicht über den Schwachen herrscht.« Während sie hierüber noch des Rates pflogen, kam mit einem Male ein Wolf herbei, worauf einer zum andern sagte: »Euer Rat ist der rechte; macht den Wolf zum Schiedsrichter zwischen uns, da er das stärkste der Tiere ist, und sein Vater zuvor unser Sultan war; und wir wollen zu Gott hoffen, daß er gerecht zwischen uns entscheidet.« Hierauf begaben sie sich zum Wolf und teilten ihm mit, was sie in betreff seiner beschlossen hätten, indem sie zu ihm sprachen: »Wir haben dich zum Schiedsrichter zwischen uns erwählt, einem jeden von uns soviel zu geben, als er für einen Tag Nahrung bedarf, damit nicht der Starke von uns den Schwachen vergewaltigt, und einer den andern von uns umbringt.« Der Wolf willigte in ihren Vorschlag ein und machte sich an die Erledigung ihrer Angelegenheiten, indem er einem jeden von ihnen soviel gab, als er für den Tag bedurfte. Am andern Morgen aber sprach er bei sich: »Beim Verteilen des Kamels unter diese Schwächlinge kommt nichts auf mich als das Stück, das sie für mich bestimmt haben; wenn ich es aber allein auffresse, können sie mir keinen Schaden anthun, wo sie mein und meines Hauses Beute sind. Wer kann mich daran hindern, dies für mich zu nehmen, zumal wo es mir gewiß Gott in die Hand gegeben hat, ohne daß ich jemand Dank dafür schuldete? Das beste ist, ich behalte alles für mich selber, und von jetzt ab gebe ich ihnen nichts mehr.« Als nun die Füchse am andern Morgen wie gewöhnlich zu ihm kamen, um ihre Nahrung von ihm zu verlangen, und zu ihm sprachen: »O Abū Sirhân,Ein Beiname des Wolfs: Vater der Morgenausfahrt. gieb uns unsere Zehrung für den heutigen Tag,« entgegnete er ihnen: »Ich habe nichts mehr für euch übrig.« 12 Da gingen sie in übelster Verfassung fort und sprachen: »Gott hat durch diesen Verräter und Schurken, der weder Gott ehrt noch fürchtet, große Kümmernis über uns gebracht, und wir haben weder Macht noch Kraft.« Alsdann sagte einer zum andern: »Vielleicht hat ihn nur der Hunger hierzu getrieben; laßt ihn sich heute satt fressen, und morgen wollen wir wieder zu ihm gehen.« Infolgedessen gingen sie am nächsten Morgen wieder zu ihm und sprachen zu ihm: »O Abū Sirhân, wir nahmen dich allein zu unserm Sachwalter, daß du jedem von uns sein täglich Brot geben solltest und solltest dem Schwachen gegenüber dem Starken Recht verschaffen; und wenn wir damit fertig wären, solltest du dir Mühe geben, uns andere Nahrung zu verschaffen, so daß wir dauernd unter deinem Schutz und Schirm ständen. Der Hunger quält uns, da wir zwei Tage lang nichts gegessen haben; gieb uns daher unsere Nahrung, und du magst mit all dem andern nach freiem Ermessen schalten und walten.« Der Wolf gab ihnen jedoch gar keine Antwort, sondern verhärtete sich nur noch mehr gegen sie, und ließ sich durch nichts abbringen. Da sagte einer der Füchse zu den andern: »Es bleibt uns kein anderer Ausweg, als daß wir zum Löwen gehen und uns ihm anvertrauen und ihm das Kamel übermachen. Wenn er uns etwas davon schenkt, so geschieht es aus seiner Güte, und, wenn nicht, so verdient er doch mehr als dieser Schurke.« Hierauf machten sie sich zum Löwen auf und trugen ihm vor, wie es ihnen mit dem Wolf ergangen war, indem sie zu ihm sprachen: »Wir sind deine Sklaven und sind zu dir als Schutzsuchende gekommen, daß du uns von jenem Wolf befreiest, und wir deine Sklaven werden.« Als der Löwe die Worte der Füchse vernahm, entbrannte er in heiligem Zorneseifer für Gott, den Erhabenen, und er begab sich mit ihnen zum Wolf, der beim Anblick des Löwen das Weite suchte. Der Löwe setzte ihm jedoch nach und packte ihn, worauf er ihn zerriß und den Füchsen ihre Beute wiedergab. 13

Hierauf ersehen wir, daß es sich für keinen König schickt, über die Angelegenheiten seiner Unterthanen leichtfertig hinwegzusehen; nimm daher meinen Rat an und schenke den Worten, die ich zu dir sprach, Glauben. Wisse auch, daß dein Vater dir vor seinem Scheiden ans Herz legte, einen guten Rat anzunehmen. Und dies ist das letzte meiner Worte, und der Frieden sei auf dir!«

Da versetzte der König: »Ich höre auf dich und werde morgen, so Gott will, der Erhabene, mich ihnen zeigen.« Hierauf verließ ihn Schimâs und teilte dem Volk mit, daß der König seinen Rat angenommen und ihm versprochen hatte, morgen zu ihnen herauszukommen. Als nun aber dem Weib des Königs die Worte Schimâs hinterbracht wurden und sie einsah, daß der König zu seinen Unterthanen herausgehen müßte, eilte sie geschwind zum König und sprach zu ihm: »Wie sehr muß ich mich über deine Gefügigkeit und deinen Gehorsam deinen Unterthanen gegenüber verwundern! Weißt du denn nicht, daß jene deine Wesire deine Sklaven sind? Wie erhöhst du sie also bis zu diesem hohen Grade, daß du ihnen den Glauben beibringst, sie hätten dir dieses Reich verliehen und dich zu dieser Höhe erhoben und dir Geschenke gemacht, wo sie dir nicht das geringste zuleide zu thun vermögen? Nicht du bist es, der ihnen Unterwürfigkeit schuldet, vielmehr schulden sie sie dir und dazu die Ausführung deiner Befehle. Wie konntest du so sehr vor ihnen erschrecken, wo es doch heißt: Wenn du kein Herz von Eisen hast, so taugst du nicht zum König? Nur deine Milde hat sie verführt, daß sie sich gegen dich erfrechen und dir den Gehorsam versagen, wiewohl es sich geziemte sie unter deinen Gehorsam zu zwingen und sie mit Gewalt dir unterthänig zu machen. Wenn du so schnell ihren Worten folgst und sie lässest, wie sie jetzt sind, und ihnen ihr geringstes Anliegen wider deinen Wunsch erfüllst, werden sie auf dich drücken und dich immer mehr bedrängen, bis dies schließlich ihre Gewohnheit wird. Wenn du mir daher folgen willst, so wirst 14 du keinen von ihnen erhöhen und wirst von keinem ein Wort annehmen und keinen anreizen sich wider dich zu erfrechen, damit es dir nicht wie dem Hirten und dem Dieb ergeht.« Da fragte sie der König: »Wie war das?« Worauf sie erzählte:

 


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