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Tausend und eine Nacht. Band XIV
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Die Geschichte des Fischers Chalife mit den Affen.

Ferner erzählt man, daß in alten Zeiten und längstentschwundenen Tagen in der Stadt Bagdad ein Fischer, Namens Chalife, lebte, ein Mann in den ärmlichsten Verhältnissen, der in seinem ganzen Leben nicht verheiratet gewesen war. Eines Tages traf es sich nun, daß er sein Netz nahm und seiner Gewohnheit nach an den Strom ging, um vor den Fischern zu fischen. Als er an den Strom gelangte, gürtete er sich und krempelte sich die Ärmel auf; dann trat er an den Strom heran und warf das Netz einmal und noch einmal aus, ohne daß er etwas herausgezogen hätte. In dieser Weise erging es ihm zehnmal, bis seine Brust beklommen wurde, und er bekümmert rief: »Ich bitte den großen Gott um Verzeihung, außer dem es keinen Gott giebt, dem Lebendigen, Ewigen! Vor ihm bereue ich, und es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Was Gott will, das geschieht, und was er nicht will, das geschieht nicht! Von Gott, dem Mächtigen und Herrlichen, hängt der Unterhalt ab; wenn Gott seinem Knecht giebt, so hindert ihn keiner daran, und wenn er seinem Knecht verwehrt, so giebt ihm keiner!« Alsdann sprach er infolge seines schweren Kummers die beiden Verse:

»Wenn das Schicksal dich mit einem Unheil schlägt,
So wappne dich dawider mit Geduld und weite deine Brust;
Denn der Herr der Welten wird in seiner Güte
Nach dem Schweren auch wieder das Leichte folgen lassen.«

Hierauf setzte er sich hin und saß eine Weile nachdenklich mit zu Boden gesenktem Haupt da; dann sprach er die Verse:

»Trag' mit Geduld der Zeiten Süße und Bitterkeit,
Und wisse, daß Gott seinen Willen erreicht.
Die Nacht wirkt oft auf Sorgen wie auf ein Geschwür,
Daß sie sie zur Reife bringt und ihnen Abfluß gewährt.
Über den Mann ziehen die Ereignisse hin
Und verschwinden für immer aus seinen Gedanken.« 109

Alsdann sprach er bei sich: »Ich will das Netz noch einmal im Vertrauen auf Gott, den Erhabenen, auswerfen, der meine Hoffnung nicht zu Schanden machen wird.« Hierauf trat er vor und warf das Netz, soweit sein Arm reichte, in den Strom, dann faltete er den Strick und wartete eine Weile, worauf er an ihm zog und fand, daß das Netz schwer war.

Achthundertundzweiunddreißigste Nacht.

Als er dies merkte, zog er es vorsichtig und sacht ans Land, und siehe, da war ein einäugiger und lahmer Affe darin. Bei seinem Anblick rief er: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott! Wir sind Gottes, und zu Ihm kehren wir zurück! Was ist das für ein elendes, unseliges Glück! Was hat mich nur an diesem gesegneten Tage überkommen? Jedoch geschieht alles dies nach Gottes, des Erhabenen, Ratschluß.« Hierauf nahm er den Affen, legte ihm einen Strick an und band ihn an einen am Stromufer stehenden Baum. Da er aber eine Peitsche bei sich hatte, nahm er sie in die Hand und schwang sie hoch in die Luft, um sie auf den Affen niedersausen zu lassen, als Gott den Affen mit deutlicher Sprache reden ließ, und er also sprach: »O Chalife, halt ein und schlag mich nicht; laß mich hier am Baum festgebunden, du aber geh wieder an den Strom und wirf voll Gottvertrauen das Netz aus, denn es wird dir deinen Lebensunterhalt herausbringen.« Als Chalife die Worte des Affen vernahm, nahm er das Netz, trat an den Strom und warf es der Länge des Strickes nach aus. Dann zog er wieder an ihm, und als er fand, daß es noch schwerer als das erste Mal war, mühte er sich so lange an ihm ab, bis er es ans Land gezogen hatte; und siehe da war wiederum ein Affe darin, mit einem Spalt zwischen den Vorderzähnen, mit antimonschwarzen Augen und rotgeschminkten Händen, grinsend und mit einem zerschlissenen Kleid am Leibe. Da rief Chalife: »Gelobt sei Gott, der die Fische im 110 Strom in lauter Affen verwandelt hat! Hierauf schritt er zum Affen, den er an den Baum gebunden hatte, und sagte zu ihm: »Unseliger, schau, was für einen niederträchtigen Rat du mir gegeben hast! Du allein bist schuld daran, daß ich diesen zweiten Affen gefangen habe; und nur dadurch, daß du mir mit deiner Lahmheit und Blindheit guten Morgen wünschtest, bin ich niedergedrückt und ermüdet, ohne einen Dirhem oder Dinar zu besitzen.« Hierauf nahm er einen Stock in die Hand und, ihn dreimal durch die Luft schwenkend, wollte er ihn auf den Affen niedersausen lassen, als dieser um Gnade schrie und sagte: »Ich bitte dich um Gott, vergieb mir um dieses meines Gefährten willen und trage ihm dein Anliegen vor; er wird dir den Weg zur Erlangung deines Wunsches weisen.« Da warf Chalife, ihm vergebend, den Stock fort und trat an den andern Affen heran, der nun zu ihm sagte: »O Chalife, meine Worte nützen dir nichts, wenn du nicht auf mich hörst. Hörst du jedoch auf mich und folgst mir ohne Widerspruch, so werde ich dir zu Reichtum verhelfen.« Chalife fragte: »Und was hast du mir zu sagen, das ich befolgen soll?« Der Affe versetzte: »Laß mich hier angebunden und geh zum Strom und wirf dein Netz noch einmal aus; dann will ich dir sagen, was du thun sollst.« Da nahm Chalife das Netz zum drittenmal und warf es aus; nachdem er eine Weile gewartet hatte, zog er an ihm und, da er es schwer fand, mühte er sich so lange ab, bis er es ans Land gezogen hatte; und siehe, da war wiederum ein Affe darin; jedoch war dieser Affe rot, hatte antimonschwarze Augen und Vorder- und Hinterhände mit Henna rot geschminkt und trug blaue Kleider um den Leib. Als Chalife ihn erblickte, rief er: »Preis sei dem großen Gott, Preis dem Herrn der Welt! Das ist heute von Anbeginn an bis zum Ende ein gesegneter Tag; sein Stern war glückbedeutend durch des ersten Affen Gesicht, und die Überschrift giebt den Inhalt des Buches an. Das ist heute der Tag der Affen, denn im ganzen Strom giebt's keinen 111 einzigen Fisch mehr, und wir sind heute auf den Affenfang ausgezogen. Gelobt sei Gott, der die Fische in Affen verwandelt hat!« Alsdann wendete er sich zum dritten Affen und fragte ihn: »Was bist du, Unseliger?« Der Affe fragte ihn: »Kennst du mich nicht, Chalife?« Der Fischer versetzte: »Nein.« Da sagte der Affe: »Ich bin der Affe des Juden Abus-Saādât,Vater der Glückseligkeiten. des Wechslers.« Nun fragte Chalife: »Und was thust du für ihn?« Der Affe erwiderte: »Ich wünsche ihm jeden Tag guten Morgen, worauf er fünf Dinare verdient; und ebenso sage ich ihm guten Abend, worauf er wieder fünf Dinare gewinnt.« Da wendete sich Chalife zum ersten Affen und sagte zu ihm: »Schau, Unseliger, wie schön die Affen der Leute sind! Du aber wünschest mir mit deinem einen Auge, deinem lahmen Bein und deiner unseligen Fratze guten Morgen, so daß ich ein armer und hungriger Bettler werde.« Hierauf langte er nach dem Stock und schwang ihn dreimal durch die Luft, um ihn auf ihn niedersausen zu lassen, als der Affe Abus-Saādâts zu ihm sagte: »Laß ihn, Chalife; halt ein und komm zu mir, damit ich dir etwas sage, das du thun sollst.« Da warf Chalife den Stock fort und fragte ihn, indem er an ihn herantrat: »Was hast du mir zu sagen, o Herr aller Affen?« Er versetzte: »Nimm dein Netz, wirf es in den Strom und laß mich und die andern beiden Affen bei dir bleiben; was du dann herausziehst, das bring her zu mir, und ich will dir sagen, was dir Freude bringen soll.«

Achthundertunddreiunddreißigste Nacht.

Da sagte Chalife: »Ich höre und gehorche,« und sprach, indem er das Netz auf seine Schulter packte, die Verse:

Wenn meine Brust beengt ist, suche ich Hilfe bei meinem Schöpfer,
Der Macht besitzt, alles Schwere leicht zu machen.
Bevor der Blick zurückkehren kann, wird in der Huld unsres Herrn
Das Gefangene befreit und das Zerbrochene geheilt. 112
Überlaß daher Gott alle deine Sachen,
Denn seine Huld erreicht jeden Verständigen.«

Alsdann sprach er noch die beiden Verse:

Du lässest die Menschen in Mühsal stürzen,
Und du verscheuchst auch die Sorgen und kummerbringenden Ursachen.
Laß mich nicht begehren, was ich nicht erreichen kann,
Wieviele begehrten und erreichten nicht ihr Ziel.«

Als Chalife seine Verse gesprochen hatte, trat er an das Meer und warf das Netz aus, worauf er eine Weile wartete; dann zog er es heraus und siehe, da war ein riesiger Fisch mit großem Kopf darin, dessen Augen zwei Dinaren glichen und dessen Schwanz wie ein Schöpflöffel aussah. Als Chalife ihn sah, freute er sich, da er in seinem ganzen Leben noch nicht so einen Fisch gefangen hatte, und brachte ihn verwundert zum Affen des Juden Abus-Saādât, als besäße er bereits die ganze Welt. Der Affe aber fragte ihn: »Was willst du mit ihm thun, Chalife, und was hast du mit deinem Affen vor?« Chalife erwiderte ihm: »Ich will es dir sagen, o Herr aller Affen; zu allererst will ich mir überlegen, wie ich meinen Affen, diesen Verruchten, beseitige und dich an seiner Statt annehme; du sollst auch täglich alles, was du willst, zu fressen bekommen.« Da versetzte der Affe: »Wo du mir deine Absicht mitgeteilt hast, will ich dir auch sagen, was du thun sollst, damit du, so Gott will, der Erhabene, dadurch deine Lage aufbesserst. Höre daher auf meine Worte und binde mich ebenfalls an einen Baum; geh dann mitten auf den Damm, wirf dein Netz in den Tigris und warte ein wenig; wenn du es dann wieder herausziehst, wirst du einen Fisch gefangen haben, wie du einen schönern dein Lebenlang noch nicht geschaut hast. Bring diesen Fisch zu mir her und dann will ich dir sagen, was du zu thun hast.« Chalife erhob sich nun unverzüglich und warf das Netz in den Tigris; als er es dann wieder herauszog, fand er einen Silurus von der Größe eines Lammes darin, wie er seinesgleichen noch nicht gesehen hatte, und der noch größer 113 als der erste Fisch war. Da nahm er ihn und brachte ihn dem Affen, der zu ihm sagte: »Hole dir etwas grünes Gras, thu' die Hälfte davon in einen Korb, leg' dann den Fisch in den Korb und deck' ihn mit der andern Hälfte zu. Alsdann nimm den Korb auf deine Schulter, ohne uns loszubinden, geh' in die Stadt Bagdad und gieb keinem, der dich anredet und fragt, Antwort, sondern begieb dich auf den Bazar der Wechsler, an dessen Ende du den Laden des Meisters Abus-Saādât des Juden, des Wechslerscheichs, finden wirst. Du wirst ihn umgeben von Mamluken, Sklaven und Pagen auf einem Polster sitzen sehen mit einem Kissen hinter seinem Rücken, während vor ihm zwei Kästen stehen, der eine fürs Gold und der andere fürs Silber. Tritt an ihn heran, stell' den Korb vor ihn und sprich zu ihm: »O Abus-Saādât, ich ging heute auf den Fischfang aus und warf mein Netz auf deinen Namen aus, worauf Gott, der Erhabene, mir diesen Fisch sandte.« Wenn er dich dann fragen wird: »Hast du den Fisch irgend einem andern gezeigt?« so sprich: »Nein, bei Gott!« Er wird ihn dann nehmen und dir einen Dinar dafür geben. Du aber gieb ihm den Dinar zurück, worauf er dir zwei Dinare geben wird; aber auch die zwei Dinare gieb ihm zurück, und jedesmal wenn er dir mehr giebt, gieb es ihm zurück, auch wenn er dir den Fisch mit Gold aufwägen wollte, bis er dich fragt: »Sag', was du haben willst.« Dann sprich zu ihm: »Bei Gott, ich verkaufe ihn dir nur für zwei Worte.« Wenn er dich dann fragt: »Was sind sie?« so sprich zu ihm: »Erheb' dich auf deine Füße und sprich: Ihr, die ihr anwesend seid auf dem Bazar, ich nehme euch zu Zeugen, daß ich den Affen des Fischers Chalife für meinen Affen umtausche, und umtausche meinen Anteil für seinen Anteil und mein Glück für sein Glück. Dies ist der Preis für den Fisch, und nicht bedarf ich des Goldes.« Wenn er nun dies gethan hat, so werde ich dir jeden Tag guten Morgen und guten Abend wünschen, und du sollst jeden Tag zehn Golddinare verdienen, während den Juden 114 Abus-Saādât hinfort jeden Tag sein Affe, nämlich dieser einäugige und lahme, begrüßen wird, und Gott wird ihn jeden Tag mit einer Geldbuße heimsuchen, die er bezahlen muß. Dies wird so lange geschehen, bis er bettelarm geworden ist und nichts mehr besitzt. Höre daher auf meine Worte, daß es dir wohlergeht, und du recht geleitet wirst.« Als der Fischer Chalife des Affen Worte vernommen hatte, sagte er zu ihm: »Ich nehme deinen Rat an, o König aller Affen; was aber diesen Unseligen anlangt, so segne ihn Gott nicht! Ich weiß nicht, was ich mit ihm anfangen soll.« Da sagte der Affe zu ihm: »Laß uns beide ins Wasser gehen.« Chalife erwiderte: »Ich höre und gehorche.« Alsdann trat er an die Affen, band sie los und ließ sie ihres Weges gehen, worauf sie in den Strom sprangen. Dann nahm er den Fisch, wusch ihn und legte ihn in den Korb auf grünes Gras, ihn ebenfalls mit Gras zudeckend. Hierauf nahm er den Korb auf seine Schulter und zog, folgendes Lied trällernd, ab:

Überlaß dem Herrn des Himmels deine Sachen, und du wirst sicher sein,
Und thue Gutes dein Lebenlang, und du wirst nichts bereuen;
Verkehre nicht mit verdächtigen Leuten, daß man dich nicht auch verdächtigt,
Und hüte deine Zunge vor dem Schmähen, daß man dich nicht auch schmäht.«

Achthundertundvierunddreißigste Nacht.

Als er in die Stadt kam, erkannten ihn die Leute und schrieen ihm nach: »Was hast du da, Chalife?« Er kehrte sich jedoch an niemand, bis er zum Bazar der Wechsler gelangte, wo er an den Läden vorüberging, ganz so, wie es ihn der Affe geheißen hatte, bis er den Juden, von seinen Pagen dienstbar umstanden, im Laden sitzen sah, als wäre er der König von Chorāsân. Chalife, der ihn sofort erkannte, schritt nun auf ihn zu, bis er vor ihm stand, worauf der Jude den Kopf hob und zu ihm, ihn erkennend, sagte: »Willkommen, Chalife, was begehrst du und was ist dein Wunsch? 115 Wenn jemand mit dir Worte gewechselt und gestritten hat, so sag' es mir, daß ich mit dir zum Wâlī gehe, der dir dein Recht verschaffen soll.« Chalife erwiderte: »Nein, bei deines Hauptes Leben, o Meister der Juden, niemand hat mit mir Worte gewechselt, vielmehr ging ich heute von Hause fort, um mein Netz auf dein Glück in den Tigris zu werfen, und zog diesen Fisch heraus.« Alsdann öffnete er den Korb und warf den Fisch vor den Juden, der ihn bewunderte und rief: »Bei der Thora und den zehn Geboten, ich träumte letzte Nacht, daß Esra vor mir stand und zu mir sagte: Wisse, Abus-Saādât, ich schicke dir ein hübsches Geschenk. Vielleicht ist das Geschenk dieser Fisch; ohne Zweifel ist's so.« Alsdann wendete er sich zu Chalife und fragte ihn: »Bei deinem Glauben, hat ihn schon ein andrer gesehen?« Chalife erwiderte: »Nein, bei Gott und Abu Bekr dem Gerechten, o Meister der Juden! Außer dir hat niemand den Fisch gesehen.« Da wendete sich der Jude zu einem seiner Pagen und sagte zu ihm: »Komm her, trag' diesen Fisch nach Hause und laß Saâde den Fisch zurechtmachen, backen und braten, bis ich mein Geschäft beendet habe und heimkehre.« Und Chalife sagte ebenfalls: »Geh, Bursche, und laß die Frau des Juden den Fisch zum Teil backen und zum Teil braten.« Der Page antwortete: »Ich höre und gehorche, mein Herr,« und ging mit dem Fisch zum Haus des Juden fort, während der Jude dem Fischer Chalife einen Dinar reichte und zu ihm sagte: »Nimm dies, Chalife, und gieb es für deine Familie aus.« Als Chalife den Dinar in seiner Hand sah, rief er: »Preis sei dem Herrn der Herrlichkeit!« wie wenn er noch nie in seinem Leben Gold gesehen hätte. Als er sich jedoch einige Schritte entfernt hatte, fiel ihm wieder der Auftrag des Affen ein, worauf er zurückkehrte und, den Dinar hinwerfend, zu ihm sagte: »Nimm dein Gold und gieb den Fisch den Leuten zurück; machst du dich etwa über die Leute lustig?« Als der Jude seine Worte vernahm, glaubte er, er spaße mit ihm und reichte ihm noch zwei Dinare zu dem 116 ersten; Chalife versetzte jedoch: »Gieb den Fisch her, ohne Scherz zu treiben. Woher weißt du, daß ich den Fisch für diesen Preis verkaufe?« Da streckte der Jude seine Hand nach zwei andern Dinaren aus und sagte zu ihm: »Nimm die fünf Dinare für den Fisch und sei nicht so habgierig.« Da nahm Chalife das Gold in die Hand und trollte sich fröhlich, indem er das Gold bewundernd betrachtete und rief: »Preis sei Gott! Der Chalife von Bagdad hat heute nicht was ich habe.« Als er jedoch ans Ende des Bazars gekommen war, erinnerte er sich wieder des Auftrags des Affen, worauf er noch einmal das Gold vor den Juden warf, so daß ihn dieser fragte: »Was fehlt dir, Chalife? Was begehrst du? Willst du deine Dinare in Dirheme einwechseln?« Chalife erwiderte: »Ich will weder Dirheme noch Dinare; ich verlange allein, daß du den Leuten den Fisch zurückgiebst.« Da erboste sich der Jude und schrie ihn an: »Fischer, du bringst mir einen Fisch, der nicht einen Dinar wert ist, ich aber gebe dir fünf Dinare für ihn, und du bist nicht damit zufrieden? Bist du verrückt? Sag' mir, wie teuer du ihn verkaufen willst.« Chalife entgegnete: »Ich verkaufe ihn weder für Silber noch für Gold, sondern nur für zwei Worte, die du sprechen sollst.« Als aber der Jude ihn von »zwei Worten« sprechen hörte, sanken ihm die Augen tief in die Höhlen, und mit stockendem Atem und knirschend mit den Zähnen schrie er ihn an: »Du AbschaumWörtlich. Du Schnipsel. der Moslems, willst du, daß ich um deines Fisches willen meinen Glauben abschwöre?Der Jude glaubt, er solle die beiden Sätze des moslemischen Bekenntnisses sprechen. Willst du mich wider meine Religion und mein Bekenntnis aufsässig machen, dem meine Väter vor mir anhingen?« Alsdann rief er seine Burschen und befahl ihnen: »Wehe euch, los auf diesen Unglücksmenschen, zerprügelt ihm seinen Nacken und bläut ihn weidlich durch!« Da fielen sie mit Hieben über ihn her und ruhten 117 nicht eher, als bis er unter die Ladenbank fiel, worauf der Jude zu ihnen sagte: »Laßt ihn aufstehen.« Da stand Chalife auf, als wenn nichts mit ihm vorgefallen wäre, und der Jude fragte ihn von neuem: »Sag' mir, wieviel du für deinen Fisch haben willst, und ich will es dir geben; denn du hast soeben von uns nichts Gutes erhalten.« Chalife versetzte: »Meister, hab' wegen der Schläge um mich keine Furcht, denn ich vertrage ein Futter Schläge für zehn Esel.« Da lachte der Jude über seine Worte und sagte zu ihm: »Um Gott, sprich, was du willst, denn, bei meinem Glauben, ich will es dir geben.« Chalife erwiderte: »Mich stellt als Preis für die Fische nichts als zwei Worte zufrieden.« Nun fragte der Jude: »Mir deucht, du verlangst von mir, ich soll Moslem werden?« Chalife antwortete: »Bei Gott, o Jude, wolltest du auch Moslem werden, so würde es weder den Moslems nützen noch den Juden schaden; bleibst du aber bei deinem Unglauben, so schadet er weder den Moslems noch nützt er den Juden; was ich jedoch von dir verlange ist, daß du dich auf deine Füße erhebst und sprichst: »Ihr Leute des Bazars, seid Zeugen wider mich, daß ich meinen Affen für den Affen des Fischers Chalife umtausche, mein Glück in der Welt für sein Glück und mein Geschick für sein Geschick.« Der Jude versetzte: »Wenn dies dein Wunsch ist, so ist's für mich ein Leichtes.«

Achthundertundfünfunddreißigste Nacht.

Alsdann erhob sich der Jude unverzüglich und wiederholte die Worte, wie Chalife sie ihm vorgesprochen hatte; hierauf wendete er sich zu ihm und fragte ihn: »Verlangst du noch sonst etwas von mir?« Der Fischer versetzte: »Nein,« worauf der Jude versetzte: »So zieh hin in Frieden.« Da sprang Chalife sofort auf die Füße, nahm seinen Korb und sein Netz und begab sich an das Ufer des Tigris, wo er das Netz auswarf; alsdann zog er es an und, da er fand, daß es schwer war, zog er es heraus; er konnte es jedoch nur 118 mit großer Mühe herausbringen und fand es voll von Fischen jeglicher Art. Bald darauf kam ein Weib mit einer Schüssel an, die ihm einen Dinar gab, für den er ihr Fische gab; dann kam ein Eunuch an, der ihm ebenfalls für einen Dinar Fische abkaufte, und so ging es weiter, bis er für zehn Dinare Fische verkauft hatte. Und so verkaufte er zehn Tage lang jeden Tag für zehn Dinare Fische, bis er nach Verlauf derselben hundert Golddinare eingenommen hatte.

Nun wohnte dieser Fischer in der Passage der Kaufleute, und eines Nachts, als er in seinem Gemach lag, sprach er bei sich: »Chalife, alle Leute wissen, daß du ein armer Fischer bist, und nun hast du hundert Golddinare in deinem Besitz. Unbedingt wird der Fürst der Gläubigen Hārûn er-Raschîd durch irgend jemand von dir hören und, wenn er Geld braucht, wird er zu dir schicken und dir sagen lassen: »Siehe, ich brauche etwas Geld und, da mir zu Ohren gekommen ist, daß du hundert Dinare besitzest, so leihe sie mir.« Dann werde ich zu ihm sagen: »O Fürst der Gläubigen, ich bin ein armer Mann, und wer dir gesagt hat, daß ich hundert Dinare habe, der hat gelogen; ich habe nichts von alledem bei mir.« Alsdann wird er mich dem Wâlī übergeben und wird zu ihm sagen: »Zieh ihm die Sachen ab und zerbläue ihn so lange, bis er eingesteht und seine hundert Dinare bringt.« Das Richtige, das sich mir aus diesem Schlund ergiebt, ist demnach, daß ich sofort aufstehe und mich selber durchpeitsche, damit ich mich an Prügel gewöhne.« Und so gab ihm sein Haschisch ein: »Steh' auf und zieh' dir die Sachen aus,« und unverzüglich dies ausführend, nahm er eine Peitsche, die er bei sich hatte, in die Hand und that abwechselnd auf ein Lederkissen und auf seine Haut einen Hieb, wobei er fortwährend schrie: »Ach, ach, bei Gott, mein Herr, das Gerede ist nicht wahr; sie lügen, denn ich bin ein armer Fischer, der nichts vom vergänglichen Gut dieser Welt besitzt!« Die Peitschenhiebe aber, die auf seinen Leib und das Kissen fielen, schallten durch die Nacht, daß es die Leute 119 hörten, und die Kaufleute sagten: »Warum schreit nur dieser arme Kerl, und wie kommt's, daß wir Peitschenhiebe auf ihn niederfallen hören? Sind etwa Räuber bei ihm eingebrochen und prügeln ihn durch?« Alsdann standen alle infolge der Schläge und des Geschreis auf und gingen zu Chalifes Haus, das sie jedoch verschlossen fanden, so daß sie zu einander sprachen: »Vielleicht sind die Räuber auf der Hinterseite von dem anstoßenden Raum aus eingebrochen; wir wollen über die Dächer klettern.« Hierauf kletterten sie auf die Dächer und stiegen durch die Dachluke ein, um ihn nun nackend und sich selber geißelnd zu sehen. Da fragten sie ihn: »Was fehlt dir, Chalife? Was ist mit dir vorgefallen?« Er versetzte: »Wißt, ihr Leute, ich hab' ein paar Dinare verdient und nun fürchte ich, die Sache könnte dem Fürsten der Gläubigen Hārûn er-Raschîd zugetragen werden, so daß er mich vor sich bringen läßt und mir das Geld abfordert. Wenn ich es nun ableugne, so fürchte ich Prügel zu bekommen, und deshalb prügele ich mich selber, um mich an die künftigen Prügel zu gewöhnen.« Da lachten ihn die Kaufleute aus und sagten zu ihm: »Laß diesen Unsinn; Gott segne weder dich noch deine Dinare! Du hast uns heute Nacht gestört und unser Herz beunruhigt.« Und so steckte es denn Chalife auf, sich zu prügeln, und schlief bis zum Morgen. Als er dann aber aufstand und an sein Geschäft gehen wollte, dachte er wieder an seine hundert Dinare und sprach bei sich: »Wenn ich sie zu Hause lasse, so stehlen sie mir die Diebe, und wenn ich sie in einen Gurt stecke und um meinen Leib binde, so bemerkt vielleicht jemand das Geld und lauert mir auf, bis er mich an einem menschenleeren Ort totschlägt und es mir raubt. Ich habe jedoch einen feinen, vortrefflichen Plan.« Alsdann sprang er unverzüglich auf und machte sich eine Tasche im Kragen seiner Jacke, worauf er die hundert Dinare in einen Beutel band und ihn in die Tasche steckte. Dann erhob er sich, nahm sein Netz, seinen Korb und Stock und wanderte wieder an den Tigris. 120

Achthundertundsechsunddreißigste Nacht.

Er warf dort sein Netz aus, fand jedoch nichts darin, als er es herauszog; da verließ er den Ort und ging an eine andere Stelle, wo er jedoch wieder nichts herauszog; und so wanderte er von einer Stelle bis zur andern, bis er sich auf einen halben Tagesmarsch von der Stadt entfernt hatte, überall das Netz auswerfend und leer herausziehend. Da sprach er bei sich: »Bei Gott, ich werfe das Netz nur noch diesmal aus, sei es, daß es glückt oder nicht.« Hierauf warf er in seinem Grimm das Netz aus Leibeskräften aus, wobei der Beutel mit den hundert Dinaren aus seinem Kragen flog und mitten in den Tigris fiel, wo ihn die Strömung fortriß. Da warf er das Netz aus der Hand und zog sich die Kleider aus, worauf er, die Kleider auf dem Lande liegen lassend, in den Strom stieg und wohl an die hundert Male nach dem Beutel tauchte, bis ihm die Kraft erlahmte, ohne daß er den Beutel gefunden hätte. Wie er nun die Hoffnung, ihn wiederzubekommen, aufgab, stieg er wieder ans Land, wo er jedoch nur den Stock, das Netz und den Korb fand, während er von seinen Kleidern keine Spur mehr gewahrte. Da wickelte er sich in das Netz ein, nahm den Stock in die Hand und den Korb auf die Schulter und rannte wie ein brünstiges Kamel bald nach rechts bald nach links, bald vorwärts und bald rückwärts, mit wirrem Haar und staubfarben, wie ein rebellischer, aus dem Gefängnis Salomos entlassener Ifrît.

Soviel mit Bezug auf den Fischer Chalife. Nun aber hatte der Chalife Hārûn er-Raschîd einen Freund, einen Juwelier, Namens Ibn el-Kirnâs. Alle Leute und die Kaufleute, die Mäkler und Unterhändler wußten, daß Ibn el-Kirnâs der Kaufmann des Chalifen war, und nichts wurde an seltenen Kostbarkeiten und Wertsachen, sowie Mamluken und Sklavinnen, in Bagdad erkauft, das nicht zuvor Ibn el-Kirnâs gezeigt worden wäre. Als nun dieser 121 Kaufmann Ibn el-Kirnâs eines Tages in seinem Laden saß, trat der Maklerscheich mit einer Sklavin zu ihm heran, wie kein Auge ihresgleichen an Schönheit, Anmut, Wuchs und Ebenmaß geschaut hatte, zu deren Vorzügen auch gehörte, daß sie alle Künste und Wissenschaften kannte und Verse machen und alle Musikinstrumente spielen konnte. Der Juwelier Ibn el-Kirnâs kaufte sie für fünftausend Golddinare und kleidete sie für tausend ein, worauf er sie dem Fürsten der Gläubigen brachte, der sie die Nacht über gleich bei sich behielt und sie in allen Künsten und Wissenschaften prüfte und fand, daß sie in allen Kunstfertigkeiten und Wissenschaften wohlbeschlagen war und in ihrer Zeit ihresgleichen nicht hatte. Ihr Name aber lautete Kût el-Kulûb. Am andern Morgen ließ dann der Chalife den Juwelier Ibn el-Kirnâs zu sich entbieten und gab ihm als Kaufpreis für das Mädchen zehntausend Dinare. Und von nun an ward sein Herz ganz von Kût el-Kulûb eingenommen, daß er die Herrin Subeide, die Tochter El-Kâsims, seine Base, und alle Konkubinen vernachlässigte und einen ganzen Monat bei dem Mädchen saß, indem er es nur zum Freitagsgebet verließ und dann stracks wieder zu ihr zurückkehrte. Die Großen des Reiches fühlten sich hierdurch verletzt und teilten es dem Wesir Dschaafar dem Barmekiden mit, welcher wartete, bis der Fürst der Gläubigen am nächsten Freitag in die große Moschee ging, worauf er sich ihm anschloß und ihm alles, was ihm selber an seltsamen Liebesaffairen zugestoßen war, erzählte, um so herauszuholen, wie es um ihn stand. Der Chalife erwiderte ihm: »O Dschaafar, bei Gott, das ist nicht aus meinem freien Willen so, vielmehr ist mein Herz im Netz der Liebe verstrickt, daß ich nicht weiß, was ich thun soll.« Der Wesir Dschaafar versetzte: »Wisse, o Fürst der Gläubigen, diese Favoritin Kût el-Kulûb ist unter deinen Befehl gekommen und gehört nunmehr zur Zahl deiner Dienerinnen; und, was die Hand besitzt, begehrt die Seele nicht mehr. Überdies will ich dir ein anderes Ding sagen; nämlich, der höchste Ruhm 122 der Könige und Prinzen ist Jagd und Spiel. Wenn du dies thust, so wirst du vielleicht von ihr abgelenkt und vergissest sie.« Der Chalife versetzte: »Dein Rat ist ausgezeichnet, Dschaafar; laß uns stracks noch zu dieser Stunde auf die Jagd gehen.« Infolgedessen verließen beide die Moschee, nachdem das Freitagsgebet beendet war, und ritten unverzüglich auf ihren Maultieren hinaus auf die Jagd in die Steppe.

Achthundertundsiebenunddreißigste Nacht.

Unterwegs plauderten sie miteinander, während ihnen das Geleit vorausritt, bis mit einem Male Er-Raschîd, da die Hitze sie bedrückte, zu Dschaafar sagte: »Dschaafar, ich habe riesigen Durst bekommen.« Alsdann spähte Er-Raschîd aus und gewahrte eine Gestalt auf einem hohen Schutthaufen, worauf er den Wesir fragte: »Siehst du, was ich sehe?« Der Wesir versetzte: »Jawohl, o Fürst der Gläubigen, ich sehe eine Gestalt auf einem hohen Schutthaufen; entweder ist es ein Garten- oder ein Gurkenfeldwächter; auf jeden Fall aber wird es in seiner Nähe nicht an Wasser fehlen, weshalb ich mich zu ihm aufmachen und dir von ihm Wasser holen will.« Er-Raschîd erwiderte jedoch: »Mein Maultier ist schneller als das deinige; bleib deshalb wegen des Geleits hier, während ich mich selbst aufmachen und bei jener Person trinken will, um dann wieder zurückzukehren.« Alsdann spornte Er-Raschîd sein Maultier an, das wie der Sturm oder ein Sturzbach mit ihm fortstob, bis er im Nu bei jener Person angelangt war, welche niemand anders als der Fischer Chalife war, den Er-Raschîd nackend, in sein Netz eingewickelt, mit roten, wie zwei Fackeln leuchtenden Augen erblickte, schrecklich anzuschauen, in geneigter Haltung mit wirrem Haar und staubfarben, als wäre er ein Ifrît oder ein grimmer Löwe. Er-Raschîd begrüßte ihn, und er erwiderte ihm den Salâm; doch war er zornig und schnob förmlich Flammen. Hierauf fragte ihn Er-Raschîd: »Mann, hast 123 du etwas Wasser bei dir?« Da versetzte Chalife: »Du da, bist du blind oder verrückt? Geh zum Tigris, der hinter dem Hügel ist.« Da ritt Er-Raschîd hinter den Hügel zum Tigris hinunter und stillte seinen Durst, worauf er das Maultier tränkte.« Dann kehrte er ohne Verzug wieder zum Fischer Chalife zurück und fragte ihn: »Weshalb stehst du hier, Mann, und was ist dein Gewerbe?« Chalife erwiderte: »Diese Frage ist noch wunderbarer und merkwürdiger als deine Frage nach Wasser; siehst du nicht mein Handwerkszeug auf meiner Schulter?« Er-Raschîd versetzte nun: »So bist du wohl ein Fischer?« Er erwiderte: »Jawohl.« Da fragte Er-Raschîd: »Wo ist denn aber deine Jacke, wo ist dein Rock, dein Tuch und wo sind deine andern Sachen?« Es waren dies aber Stück für Stück die Sachen, die ihm abhanden gekommen waren, so daß er, als er den Chalifen sie nennen hörte, glaubte, er wäre der Dieb, der ihm die Sachen vom Ufer des Tigris gestohlen hätte, und infolgedessen stracks wie der blendende Blitz vom Hügel hinuntergelaufen kam und, dem Maultier des Chalifen in den Zügel fallend, rief: »Mann, her mit meinen Sachen und laß den Scherz ruhn.« Der Chalife versetzte: »Bei Gott, ich habe deine Sachen nicht gesehen und weiß nichts von ihnen.« Der Chalife hatte aber dicke Wangen und einen kleinen Mund, weshalb der Fischer Chalife entgegnete: »Bist du vielleicht ein Sänger oder Flötenspieler? Jedoch, gieb mir jetzt meine Sachen hübsch her, oder ich wichse dich mit diesem Stock durch, daß du dich von hinten und vorn bemachst.« Als nun der Chalife in der Hand des Fischers Chalife den Stock sah, sprach er bei sich: »Bei Gott, ich kann von diesem Bettler nicht einen halben Hieb seines Knittels ertragen!« Dann zog er einen Mantel aus Satin, den er anhatte, aus und sagte zu ihm: »Mann, nimm diesen Mantel für deine Sachen.« Chalife nahm ihn und sagte, ihn um und um drehend: »Meine Sachen waren zehnmal mehr wert als dieser bunte Rock;« worauf Er-Raschîd entgegnete: »Zieh' 124 ihn an, bis ich dir deine Sachen bringe.« Da nahm Chalife den Mantel und zog ihn an; da er aber sah, daß er ihm zu lang war, nahm er ein Messer, das er an den Henkel seines Korbes angebunden hatte, und schnitt den Saum des Mantels in der Breite eines Drittels vom ganzen Mantel ab, so daß er bis zu seinen Knieen reichte. Hierauf wendete er sich zu Er-Raschîd und sagte zu ihm: »Bei Gott, Pfeifer, sag' mir, wie viel du von deinem Meister als Monatslohn für dein Flötenspiel erhältst?« Der Chalife erwiderte: »Mein Monatslohn beträgt zehn Golddinare.« Da sagte Chalife: »Bei Gott, armer Kerl, du thust mir leid. Bei Gott, ich verdiene täglich zehn Dinare, und, so du mir dienen willst, werde ich dich das Fischerhandwerk lehren und mit dir den Gewinn teilen, daß du täglich fünf Dinare verdienst; du sollst mein Bursche sein, und mit diesem Knittel will ich dich vor deinem Lehrer schützen.« Er-Raschîd versetzte: »Ich bin's zufrieden;« worauf Chalife sagte: »So steig' von deiner Eselin ab und binde sie an, daß sie uns hernach die Fische tragen kann; du aber komm, daß ich dir sogleich das Fischen beibringe.« Infolgedessen stieg Er-Raschîd von seinem Maultier ab und band es an, worauf er seine Säume in seinen Gürtel schürzte. Dann sagte Chalife zu ihm: »Pfeifer, pack' das Netz so an, leg' es in dieser Weise über deinen Vorderarm und wirf es in den Tigris.« Da stärkte Er-Raschîd sein Herz und verfuhr so, wie es ihm Chalife zeigte. Als er aber das Netz in den Tigris geworfen hatte und nun anzog, vermochte er es nicht herauszubringen. Da kam Chalife und legte mit ihm Hand an, doch vermochte er es ebenfalls nicht herauszuziehen, so daß er zu Er-Raschîd sagte: »Unglückspfeifer, hab' ich vorher deinen Mantel für meine Sachen genommen, so nehme ich diesmal deine Eselin für mein Netz, wenn ich sehe, daß es zerrissen ist, und wichse dich obendrein durch, bis du dich selber bemachst.« Er-Raschîd erwiderte: »Laß uns beide auf einmal anziehen.« Da zogen sie beide auf einmal an, vermochten das Netz jedoch 125 nur mit großer Mühe herauszuziehen und sahen, als sie es endlich ans Land gezogen hatten, daß es voll von Fischen allerlei Art und Farbe war.

Achthundertundachtunddreißigste Nacht.

Beim Anblick der Fische sagte Chalife zu Er-Raschîd: »Bei Gott, Pfeifer, du bist ein häßlicher Kerl; wenn du dich jedoch aufs Fischen verlegst, so wirst du ein tüchtiger Fischer werden. Nun aber ist es das beste, du setzest dich auf deine Eselin und holst mir vom Bazar zwei Körbe, während ich bei den Fischen aufpasse, bis du wieder zurückkehrst, worauf wir sie auf den Rücken deines Esels laden wollen. Ich habe Wage, Gewichte und alles, was wir brauchen, zu Hause, so daß wir alles mit uns nehmen können, und du weiter nichts zu thun hast, als die Wage zu halten und das Geld einzunehmen; denn wir haben Fische für zwanzig Dinare gefangen. Bring daher schnell die Körbe und sei nicht säumig.« Der Chalife versetzte: »Ich höre und gehorche,« und, aufsitzend und die Fische hinter sich lassend, trieb er höchst vergnügt sein Maultier an und lachte in einem fort über sein Abenteuer mit dem Fischer, bis er bei Dschaafar anlangte. Als dieser ihn erblickte, sagte er zu ihm: »O Fürst der Gläubigen, du hast gewiß, als du fortrittst, um Wasser zu trinken, einen schönen Garten gefunden und bist in ihn eingetreten und hast dich allein in ihm vergnügt.« Als der Chalife Dschaafars Worte vernahm, lachte er, worauf sich alle Barmekiden vor ihm erhoben, die Erde vor ihm küßten und zu ihm sprachen: »O Fürst der Gläubigen, Gott lasse dauern deine Freuden und scheuche von hinnen deine Leiden! Was hat dich so lange fern gehalten, als du Wasser zu trinken fortrittest, und was ist dir zugestoßen?« Der Chalife erwiderte ihnen: »Mir ist eine seltsame und höchst ergötzliche, wunderbare Geschichte passiert.« Alsdann erzählte er ihnen sein Abenteuer mit dem Fischer, wie dieser ihn des Diebstahls seiner Kleider bezichtigt, und wie er ihm seinen Mantel 126 gegeben und der Fischer dann ein Stück vom Mantel abgeschnitten hätte, da er ihm zu lang gewesen wäre. Dschaafar versetzte: »Bei Gott, o Fürst der Gläubigen, es war meine Absicht mir den Mantel von dir auszubitten, jedoch will ich mich jetzt zum Fischer aufmachen und ihm denselben abkaufen.« Der Chalife entgegnete: »Bei Gott, er hat das untere Drittel von ihm abgeschnitten und ihn verdorben; jedoch bin ich müde vom Fischen, Dschaafar, da ich viele Fische gefangen habe, die bei meinem Lehrmeister Chalife auf dem Ufer liegen geblieben sind; er wartet dort nämlich auf mich, da ich ihm zwei Körbe holen sollte, worauf wir zusammen auf den Bazar gehen, die Fische verkaufen und den Erlös teilen wollten.« Da versetzte Dschaafar: »O Fürst der Gläubigen, ich will euch einen Käufer für die Fische besorgen.« Der Chalife versetzte jedoch: »Dschaafar, bei meinen lautern Ahnen, jeder, wer mir einen von den Fischen, die vor meinem Lehrmeister im Fischen, dem Fischer Chalife, liegen, bringt, dem bezahle ich dafür einen Golddinar.« Hierauf rief der Herold unter den Truppen aus: »Geht fort und kauft für den Fürsten der Gläubigen Fische,« worauf die Mamluken sich zum Ufer des Tigrisstromes aufmachten. Während nun Chalife daselbst wartete, daß der Chalife mit den beiden Körben zurückkäme, stürzten mit einem Male die Mamluken wie Adler auf ihn los und nahmen ihm die Fische fort, dieselben in goldgestickte Tücher packend und sich um die Fische prügelnd, so daß Chalife bei sich sprach: »Zweifellos sind dies Fische aus dem Paradies.« Dann nahm er zwei Fische in die rechte und zwei in die linke Hand, lief bis an den Hals ins Wasser und rief: »O Gott, bei diesen Fischen, laß deinen Knecht, den Pfeifer, meinen Gefährten, sofort erscheinen!« Und siehe, da kam ein schwarzer Eunuch herbei, welcher das Oberhaupt aller der schwarzen Sklaven des Chalifen war und dadurch, daß sein Pferd unterwegs stallen mußte, hinter den Mamluken zurückgeblieben war. Als er bei Chalife anlangte, sah er, daß von den 127 Fischen weder wenig noch viel übriggeblieben war, und, nach rechts und links blickend, gewahrte er endlich den Fischer Chalife mit den Fischen im Wasser stehen. Da sagte er zu ihm: »Fischer, komm her.« Chalife entgegnete jedoch: »Mach dich fort und sei nicht so unverschämt.« Da näherte sich ihm der Eunuch und sagte: »Gieb mir die Fische, ich bezahle sie dir.« Der Fischer versetzte jedoch: »Fehlt es dir an Verstand, ich verkaufe sie nicht.« Da zog der Eunuch seine Keule wider ihn, worauf Chalife rief: »Schlag' nicht, du elender Wicht; ein Geschenk ist besser als die Keule.« Dann warf er ihm die Fische zu, worauf der Eunuch sie nahm und in sein Tuch legte; als er nun aber seine Hand in die Tasche steckte, fand er keinen einzigen Dirhem darin, so daß er zu ihm sagte: »Fischer, du hast Pech, denn, bei Gott, ich habe kein Geld bei mir; komm' jedoch morgen in den Chalifenpalast und verlange zum Eunuchen Sandal geführt zu werden. Du sollst dann dein Teil bekommen und magst wieder deines Weges gehen.« Da rief der Fischer: »Das ist heute ein gesegneter Tag, und sein Segen war sichtbar von Anfang an!« Alsdann packte er sein Netz auf die Schulter und marschierte nach Bagdad; das Volk aber, das ihn in den Bazaren vorübergehen sah, schaute ihm nach, da er des Chalifen Kleid anhatte, bis er zum Thor seines Quartiers gelangte, bei welchem der Laden des Schneiders des Fürsten der Gläubigen war. Als der Schneider den Fischer Chalife in einem Gewand ankommen sah, das tausend Dinare wert war und zu den Kleidungsstücken des Chalifen gehörte, fragte er ihn: »Chalife, woher hast du dieses Gewand?« Chalife erwiderte: »Was fehlt dir, daß du so unverschämt bist? Ich hab' es von dem bekommen, dem ich das Fischen beibrachte, und der nun mein Bursche geworden ist. Ich sparte ihm den Verlust der Hand,Die Strafe für den Diebstahl. da er meine Kleider gestohlen hatte, und er gab mir an Stelle derselben diesen 128 Mantel.« Da erkannte der Schneider, daß der Chalife bei ihm vorübergekommen war, als er gerade gefischt hatte, und mit ihm gescherzt und ihm das Gewand geschenkt hatte.

Achthundertundneununddreißigste Nacht.

Hierauf ging der Fischer nach Hause. Um nun wieder auf den Chalifen Hārûn er-Raschîd zu kommen, so war derselbe nur, um seine Gedanken von dem Mädchen Kût el-Kulûb abzubringen, auf die Jagd ausgezogen. Als aber Subeide von Kût el-Kulûb und des Chalifen Verliebtheit in dieses Mädchen vernahm, wurde sie wie alle Weiber von Eifersucht gepackt, so daß sie auf Speise und Trank verzichtete, des Schlafes Süße mied und nur auf des Chalifen Abwesenheit, sei es auf einer Reise oder sonstwie, wartete, um Kût el-Kulûb eine Falle zu stellen. Sobald sie nun erfuhr, daß der Chalife eine Pürschfahrt angetreten hatte, befahl sie ihren Sklavinnen, den Palast schön auszustaffieren und aufs prächtigste zu schmücken und Speisen und Süßigkeiten aufzutragen, unter denen sie auch eine Porzellanschüssel mit der leckersten Süßigkeit anrichtete, an die sie Bendsch that. Alsdann befahl sie einem ihrer Eunuchen zu Kût el-Kulûb zu gehen und sie zur Herrin Subeide, der Tochter El-Kâsims, der Gemahlin des Fürsten der Gläubigen, zu Gast zu laden und also zu ihr zu sprechen: »Die Gemahlin des Fürsten der Gläubigen hat heute Medizin getrunken und verlangt, da sie von deiner schönen Stimme gehört hat, sich an einer Probe deiner Kunst zu erheitern.« Kût el-Kulûb erwiderte dem Eunuchen: »Ich höre und gehorche Gott und der Herrin Subeide;« und erhob sich unverzüglich, ohne zu ahnen, was das Schicksal ihr im Verborgenen verhängt hatte, indem sie die Instrumente, die sie brauchte, mit sich nahm und dem Eunuchen zur Herrin Subeide folgte. Als sie bei ihr eintrat, küßte sie die Erde nochmals vor ihr, worauf sie sich auf ihre Füße erhob und sprach: »Den Salâm dem hohen Schutz und der unerreichbaren Majestät, dem 129 Abbasidensproß und Prophetenreis! Gott schenke dir Glück und Frieden in Tagen und Jahren hienieden!« Alsdann trat sie zurück unter die Sklavinnen und Eunuchen, während nun die Herrin Subeide ihr Haupt zu ihr erhob und ihre Schönheit und Anmut betrachtete. Sie sah in ihr ein Mädchen mit ovalen sanften Wangen und Brüsten gleich Granatäpfeln, mit einem Antlitz licht wie der Mond, mit blütenweißer Stirn und Huriaugen; matt blickten ihre Augenlider, ihr Antlitz strahlte hell, als stiege die Sonne aus der Blässe ihrer Stirn und das Dunkel der Nacht aus ihren Locken. Ihr Odem duftete wie Moschus, Blumen leuchteten aus ihrem Liebreiz, der Mond ging auf aus ihrer Stirn, und wie das Reis bog sich ihre schwanke Gestalt. So glich sie dem Vollmond im Dunkel der Nacht; ihre Augen äugelten mit Gazellenblicken, ihre Brauen waren wie Bögen geschweift und ihre Lippen aus Korallen erschaffen; alle, die sie erschauten, verwirrte sie mit ihrer Schönheit, und jeden bezauberte sie mit ihren Blicken. Preis Ihm, der sie erschaffen und so vollkommen geformt und gebildet! Kurz, sie war, wie der Dichter ein ihr ähnliches Mädchen schildert:

»Grollt sie, so siehst du die Menschen erschlagen am Boden,
Und wenn sie voll Huld ist, so kehrt ihnen das Leben wieder.
Ihrer Augen Blicke sind voll Zauberkraft,
Sie tötet mit ihnen und macht lebendig, wen sie will.«

Alsdann sprach die Herrin Subeide zu ihr: »Willkommen, willkommen von Herzen, Kût el-Kulûb; setz' dich und erheitere uns mit deiner Kunst und deiner schönen Gabe. Kût el-Kulûb versetzte: »Ich höre und gehorche;« dann setzte sie sich, und langte mit der Hand nach dem Tamburin, worauf sie dasselbe tüchtig schlug und dazu sang, daß die Vögel im Fluge inne hielten, und der ganze Raum sich mit ihnen drehte. Hierauf legte sie das Tamburin beiseite und nahm die Pfeife, mit der sie alle Anwesenden bezauberte; dann langte sie zur Laute, spannte und stimmte ihre Saiten und legte sie in ihren Schoß, worauf sie sich über sie wie eine 130 Mutter über ihr Kind neigte. Sie spielte vierzehn Weisen und sang ein ganzes Stück zu ihrem Spiel, daß alle, die sie schauten und hörten, entzückt wurden, worauf sie die Verse sang:

»Das Kommen zu dir ist gesegnet,
Denn es bringt Freuden, die stets sich erneun.
Glück folgt auf Glück aus ihm,
Und die Wonnen nehmen kein Ende.«

Achthundertundvierzigste Nacht.

Nachdem Kût el-Kulûb in dieser Weise vor der Herrin Subeide Verse gesungen und die Saiten geschlagen hatte, erhob sie sich und trug allerlei Kunststücke und hübsche Sachen vor, daß die Herrin Subeide sich fast in sie verliebt hätte und bei sich sprach: »Mein Vetter Er-Raschîd ist nicht zu tadeln, daß er sich in sie verliebt hat.« Alsdann küßte das Mädchen vor der Herrin Subeide die Erde und setzte sich, worauf sie ihr das Essen und die Süßigkeiten, unter denen sich auch die Schüssel mit Bendsch fand, vorsetzten. Kaum aber war der Bendsch in ihren Magen gekommen, da fiel auch schon ihr Haupt rückwärts, und sie sank schlafend zu Boden. Da sagte die Herrin Subeide zu ihren Mädchen: »Tragt sie in eins der Gemächer, bis ich nach ihr verlange.« Während nun die Mädchen versetzten: »Wir hören und gehorchen,« sagte sie zu einem der Eunuchen: »Mach' uns eine Kiste und bring' sie uns her.« Nach diesem befahl sie dann ein Grabmal zu machen und das Gerücht zu verbreiten, daß Kût el-Kulûb sich verschluckt hätte und gestorben sei, indem sie ihrer Umgebung androhte, alle köpfen zu lassen, die sagen würden, daß sie noch lebe.

Und siehe, zur selben Stunde kehrte der Chalife wieder von der Jagd zurück, und seine erste Frage war nach Kût el-Kulûb. Da trat einer seiner Eunuchen herzu, dem die Herrin Subeide beigebracht hatte, falls der Chalife nach ihr fragen sollte, zu sagen, sie sei gestorben, und sprach zu ihm, die Erde vor ihm küssend: »Mein Herr, dein Haupt lebe! 131 Siehe, Kût el-Kulûb ist beim Essen erstickt und gestorben.« Da rief der Chalife: »Gott erfreue dich mit keiner guten Botschaft, du Unglückssklave!« Dann erhob er sich und trat in den Palast, wo er von allen im Palast die Kunde von ihrem Tode vernahm. Auf seine Frage nach ihrem Grab, führten sie ihn nach dem Totenacker und zeigten ihm das falsche Grab, indem sie sprachen: »Dies ist ihr Grab.« Er aber schrie laut bei seinem Anblick und weinend umarmte er es und sprach die beiden Verse:

Um Gott, o Grab, haben ihre Reize aufgehört,
Ist wirklich dies strahlende Gesicht verblaßt?
Grab, du bist keine Erde und kein Himmel,
Wie kann denn das Reis und der Mond in dir wohnen?«

Alsdann beweinte sie der Chalife aufs bitterlichste und verweilte eine volle Stunde bei ihrem Grabe, bis er tiefbetrübt fortging, während die Herrin Subeide hieraus das Gelingen ihres Anschlags entnahm und zu dem Eunuchen sagte: »Bring' die Kiste her.« Als er sie vor sie gebracht hatte, ließ sie das Mädchen holen und hineinlegen und sagte zum Eunuchen: »Verkauf' die Kiste schleunigst und stelle dem Käufer die Bedingung, sie verschlossen zu kaufen; das Geld aber gieb als Almosen fort. Da nahm der Eunuch die Kiste und ging fort, ihren Befehl auszuführen.

Soviel mit Bezug auf diese; was nun aber den Fischer Chalife anlangt, so sprach er, als der Morgen anbrach, und es licht ward und tagte: »Ich hab' heut' kein besseres Geschäft zu verrichten als zum Eunuchen, der die Fische von mir gekauft hat, zu gehen, da er mich hieß zu ihm nach dem Chalifenpalast zu kommen.« Alsdann verließ er sein Haus und schlug den Weg nach dem Chalifenpalast ein. Als er dort anlangte, fand er die Mamluken, Sklaven und Eunuchen daselbst stehen und sitzen und betrachtete sie, und siehe, da saß auch der Eunuch, der ihm die Fische weggenommen hatte, da, dienstbar umgeben von den Mamluken. Einer der Mamluken rief ihm zu, und, wie er sich nun umwandte, 132 um zu schauen, wer da wäre, siehe, da war es der Fischer. Als dieser nun merkte, daß er ihn sah und erkannte, sagte er zu ihm: »Ich hab' nicht verfehlt, mein Anemönchen; so halten es Leute von Wort.« Der Eunuch lachte über seine Worte und erwiderte: »Bei Gott, du hast recht, Fischer;« alsdann steckte der Eunuch Sandal seine Hand in die Tasche, um ihm etwas zu geben, als sich mit einem Male ein gewaltiger Lärm erhob, so daß der Eunuch sein Haupt hob, um nachzuschauen was es gäbe; und siehe, da war es der Wesir Dschaafar der Barmekide, der gerade den Chalifen verlassen hatte, weshalb sich der Eunuch erhob und vor ihm einherschritt, mit ihm lange Zeit plaudernd, während der Fischer Chalife dastand und auf die Rückkehr des Eunuchen wartete. Als ihm nun die Zeit lang ward und er sah, daß der Eunuch sich gar nicht an ihn kehrte, trat er ihm in den Weg und sagte zu ihm, indem er ihm von fern mit der Hand zuwinkte: »Mein Herr und Anemönchen, laß mich gehen.« Als der Eunuch dies vernahm, schämte er sich wegen der Anwesenheit des Wesirs Dschaafar ihm Antwort zu geben und plauderte weiter mit ihm, ohne vom Fischer die geringste Notiz zu nehmen. Infolgedessen rief Chalife: »Du fauler Zahler, Gott schände alle launischen Kerle und alle, die das Gut der Leute nehmen und nicht bezahlen wollen! Ich begebe mich in deinen Schutz, o mein Herr Kleiebauch, daß du mir giebst, was mir zukommt, damit ich fortgehen kann.« Der Eunuch hörte ihn, schämte sich jedoch vor Dschaafar; Dschaafar aber sah ebenfalls, wie er mit der Hand dem Eunuchen winkte und zu ihm redete, ohne seine Worte zu verstehen, so daß er unwillig zum Eunuchen sagte: »Was will jener elende Bettler von dir?« Der Eunuch Sandal erwiderte: »Kennst du ihn nicht, mein Herr Wesir?« Der Wesir Dschaafar versetzte: »Bei Gott, nein; woher sollte ich ihn kennen, da ich ihn soeben zum erstenmal sehe?« Da sagte der Eunuch: »Mein Herr, dies ist der Fischer, dem wir die Fische vom Tigrisufer fortnahmen. Ich hatte nichts mehr 133 vorgefunden, schämte mich aber mit leeren Händen zum Chalifen zurückzukehren, während alle Mamluken Fische hatten. Als ich nun bei ihm anlangte und ihn mit vier Fischen in den Händen im Wasser stehen und zu Gott beten sah, sagte ich zu ihm: »Gieb die Fische da her und nimm das Geld dafür.« Als er mir aber die Fische gegeben hatte, und ich meine Hand in die Tasche steckte, um ihm etwas zu geben, fand ich nichts darin, so daß ich zu ihm sagte: »Komm zu mir ins Schloß, ich werde dir dann etwas geben, das dir in deiner Armut aufhelfen soll. Nun kam er heute zu mir, und ich hatte gerade meine Hand in die Tasche gesteckt, um ihm etwas zu geben, als du ankamst, worauf ich mich erhob dir aufzuwarten, und ihn warten ließ; ihm aber währte die Zeit zu lange. Das ist die ganze Geschichte und der Grund, weshalb er hier steht.«

Achthundertundeinundvierzigste Nacht.

Dschaafar lächelte beim Anhören dieses Berichts und sagte: »O Eunuch, wie kommt es, daß der Fischer in der Stunde der Not zu dir kommt, und du ihn nicht zufriedenstellst? Weißt du denn nicht, Eunuchenoberhaupt, wer er ist?« Der Eunuch versetzte: »Nein.« Da sagte Dschaafar zu ihm: »Das ist der Lehrmeister des Fürsten der Gläubigen und sein Compagnon; und heute, wo seine Brust beklommen, sein Herz betrübt und sein Gemüt bekümmert ist, giebt es nichts für ihn, ihn wieder aufzuheitern als diesen Fischer; laß ihn daher nicht eher fort, als bis ich mit dem Chalifen über ihn gesprochen und ihn vor ihn gebracht habe; vielleicht verstreut Gott durch ihn seine Trübsal und tröstet ihn über den Verlust Kût el-Kulûbs, so daß er ihm mit einem Geschenk aufhilft, dessen Ursache du sein wirst.« Der Eunuch versetzte: »Mein Gebieter, thu' nach deinem Belieben, und Gott, der Erhabene, erhalte dich als Säule der Dynastie des Fürsten der Gläubigen, deren Schatten Gott dauern lasse, und deren Ast und Wurzel er behüten möge!« Hierauf kehrte der Wesir 134 Dschaafar wieder zum Chalifen zurück, während der Eunuch den Mamluken befahl, den Fischer nicht fortzulassen. Da rief der Fischer Chalife: »Wie reizend ist doch deine Güte, o Anemönchen! Der Suchende ist nun der Gesuchte geworden, da ich herkam mein Geld zu holen und für unbezahlte Schulden eingesperrt werde.«

Wie nun Dschaafar bei dem Chalifen eintrat, fand er ihn mit zu Boden gesenktem Haupt und beklommener Brust dasitzen und in trübseliger Stimmung die Verse singen:

»Meine Tadler dringen in mich, mich über ihren Verlust zu trösten,
Was aber kann ich thun, wenn mein Herz meinem Befehl nicht gehorcht?
Wie kann ich geduldig einer holden Geliebten Verlust ertragen,
Wo mir die Geduld fehlt, ohne sie leben zu können?
Nimmer vergesse ich sie und den Becher, der unter uns kreiste,
Und den Wein ihrer Blicke, der mich berauschte.«

Wie nun Dschaafar vor dem Chalifen stand, sprach er: »Der Frieden sei auf dir, o Fürst der Gläubigen, Schirmherr der Ehre des Glaubens und Sohn des Oheims des Herrn der Gottesgesandten, – Gott segne ihn und spende ihm Heil und seinem Hause insgesamt!« Da erhob der Chalife sein Haupt und erwiderte: »Und auf dir sei der Friede, die Barmherzigkeit Gottes und seine Segnungen!« Hierauf versetzte Dschaafar: »Darf der Knecht des Fürsten der Gläubigen mit seiner Erlaubnis ein freies Wort sprechen?« Der Chalife entgegnete: »Wann war denn deine Rede eingeschränkt, wo du der Großwesir bist? Sprich, was du willst.« Da sagte der Wesir Dschaafar zu ihm: »Als ich von dir hinausging, o unser Gebieter, und nach Hause gehen wollte, da fand ich deinen Herrn, Lehrmeister und Compagnon, den Fischer Chalife an der Thür stehen; er ist böse auf dich und beklagte sich über dich, indem er sagte: »Preis sei Gott, ich lehrte ihn das Fischen, und er ging fort, mir zwei Körbe zu holen, doch kehrte er nicht wieder zurück; so benimmt sich kein Compagnon und kein Lehrling.« Hast du Lust zum Compagnongeschäft, so ist's gut, wenn aber nicht, so laß ihn 135 wissen, daß er sich einen andern Teilhaber suchen soll.« Als der Chalife Dschaafars Worte vernahm, lächelte er, und seine Brust ward von allem Kummer frei; dann sagte er zu Dschaafar: »Bei meinem Leben, ist es wirklich wahr, daß der Fischer an der Thür steht?« Dschaafar erwiderte: »Bei deinem Leben, o Fürst der Gläubigen, er steht vor der Thür.« Infolgedessen sagte der Chalife zu Dschaafar: »Bei Gott, Dschaafar, ich will mein Bestes thun, ihm seinen Teil zu geben; wenn ihm Gott durch meine Hand Unsegen spendet, so soll er ihn haben, und spendet er ihm Segen, so soll er ihm werden.« Alsdann nahm der Chalife ein Blatt Papier, zerschnitt es in Stücke und sprach: »Dschaafar schreib' mit deiner Hand zwanzig Geldbeträge von einem bis zu tausend Dinaren auf; ebenso Gouverneursposten und Emirate, vom geringsten Amt an bis zum Chalifat, und schließlich zwanzig Arten Strafen von der geringsten bis zur Todesstrafe.« Dschaafar versetzte: »Ich höre und gehorche, o Fürst der Gläubigen;« alsdann beschrieb er die Blättchen nach des Chalifen Geheiß, worauf der Fürst der Gläubigen zu ihm sagte: »Dschaafar, ich schwöre bei meinen lautern Ahnen und bei meiner Verwandtschaft mit Hamse und Akîl,Hamse war Mohammeds Oheim, Akîl sein Vetter. ich will den Fischer Chalife vor mir haben und ihm befehlen, eins dieser Blättchen zu wählen, deren Aufschrift ich und du allein kennen. Was auf dem von ihm erwählten Blatt steht, will ich ihm geben; und wäre es selbst das Chalifat, ich würde es niederlegen und ihm ohne Knickerei übermachen; steht aber der Tod durch den Strang, Verstümmelung oder Verlust des Lebens darauf, so soll es ihm ebenfalls zu teil werden; nun geh fort und hol' ihn.« Als Dschaafar diese Worte vernahm, sprach er bei sich: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Vielleicht erlost dieser arme Kerl sein Verderben, und dann trage ich die Schuld daran. Jedoch hat der Chalife geschworen, und es 136 bleibt nichts anderes übrig als ihn hereinzuführen, und dann mag geschehen, was Gott will.« Alsdann schritt er hinaus zum Fischer Chalife, und faßte ihn bei der Hand, um ihn hineinzuführen; da aber verlor Chalife den Verstand, so daß er bei sich sprach: »Was war das für ein Unfug, daß ich zu diesem Unglückssklaven Anemönchen kam, der mich mit Kleiebauch bekannt machte!« Dschaafar aber schritt mit ihm vorwärts, mit Mamluken voran und hinterdrein, während er bei sich sprach: »Genügte nicht der Arrest, daß auch noch die Mamluken vor mir und hinter mir gehen müssen, um mich am Entlaufen zu hindern?« Nachdem Dschaafar mit ihm sieben Vestibüle durchschritten hatte, sagte er zu ihm: »Wehe dir, Fischer, du stehst jetzt vor dem Fürsten der Gläubigen, dem Schirmherrn der Ehre des Glaubens.« Alsdann hob er den großen Vorhang, worauf Chalifes Augen auf den Chalifen fielen, der auf seinem Throne saß, dienstbar umstanden von den Großen des Reiches. Als er ihn erkannte, trat er an ihn heran und sprach zu ihm: »Willkommen, willkommen, o Pfeifer; es war nicht recht von dir ein Fischer zu werden und mich die Fische hüten zu lassen, ohne wieder zu mir zurückzukehren. Ehe ich mich's versah, fielen Mamluken auf Reittieren von allerlei Farbe über mich her und entrissen mir die Fische, während ich allein dastand; an alledem bist du allein schuld, denn wärst du schnell mit den Körben zurückgekehrt, hätten wir für hundert Dinare Fische verkaufen können. Wie ich nun herkam, um das mir Zukommende zu holen, hat man mich eingesperrt. Wer aber hat dich hier eingesperrt?« Da lachte der Chalife und sagte zum Fischer, indem er einen Zipfel des Vorhangs lüftete und seinen Kopf heraussteckte: »Tritt näher und such' dir eins von diesen Blättern aus.« Der Fischer Chalife versetzte: »Du warst ein Fischer und heute finde ich dich als Sterndeuter wieder; jedoch, je mehr Handwerke ein Mann betreibt, desto ärmer wird er.« Nun fiel Dschaafar ein: »Such' dir schnell ein Blatt aus, ohne lange Reden zu halten, und 137 gehorch' dem Befehl des Fürsten der Gläubigen.« Da trat der Fischer Chalife herzu und sagte, indem er seine Hand ausstreckte: »Das sei ferne, daß dieser Pfeifer wieder mein Bursche werden und mit mir fischen sollte!« Alsdann wählte er ein Blatt und sprach zum Chalifen, indem er ihm dasselbe überreichte: »O Pfeifer, was ist für mich herausgekommen? Verbirg mir nichts.«

Achthundertundzweiundvierzigste Nacht.

Da nahm der Chalife das Blatt und sagte zu Dschaafar, indem er ihm dasselbe einhändigte: »Lies, was darauf steht.« Als nun aber Dschaafar das Blatt betrachtete, rief er: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« Der Chalife fragte: »Ist's eine gute Nachricht, Dschaafar? Was hast du darauf gefunden?« Dschaafar versetzte: »O Fürst der Gläubigen, auf dem Blatt steht, daß der Fischer hundert Stockprügel erhalten soll.« Da befahl der Chalife dem Fischer die hundert Stockprügel zu verabfolgen, und, als sie seinen Befehl ausgeführt hatten, erhob sich der Fischer und sagte: »Gott verdamme dies Spiel, Kleiebauch! Gehören das Einsperren und die Prügel auch zum Spiel?« Dschaafar sagte nun: »O Fürst der Gläubigen, dieser arme Kerl ist zum Strom gekommen, und wie sollte er nun durstig wieder fortgehen! Wir erhoffen, der Fürst der Gläubigen gewährt ihm das Almosen, sich noch ein anderes Blatt auszusuchen, vielleicht kommt so etwas für ihn heraus, mit dem er seiner Armut aufhelfen kann.« Der Chalife versetzte: »Bei Gott, Dschaafar, wenn er sich das Todeslos zieht, so muß er unbedingt sein Leben lassen, und du bist dann schuld an seinem Tode.« Dschaafar erwiderte: »Geht's ihm an den Kopf, so hat er wenigstens Ruhe.« Da sagte der Fischer Chalife zu ihm: »Gott erfreue dich nicht mit guter Nachricht! Habe ich euch etwa Bagdad zu eng gemacht, daß ihr mich umbringen wollt?« Dschaafar erwiderte: »Wähle dir ein Blatt aus 138 und bitte Gott, den Erhabenen, um Gutes.« Da streckte er seine Hand nach einem zweiten Blatt aus und reichte es Dschaafar, der es an sich nahm und las, worauf er schwieg. Der Chalife fragte ihn deshalb: »Warum schweigst du, Sohn Jahjās?« Dschaafar versetzte: »O Fürst der Gläubigen, auf dem Blatt steht, der Fischer soll nichts bekommen.« Da versetzte der Chalife: »Sein täglich Brot kommt ihm nicht von uns; sag' ihm, er soll sich aus meinen Augen fortmachen.« Dschaafar erwiderte jedoch: »Bei deinen lautern Ahnen, lässest du ihn noch ein drittes Blatt ziehen, so bringt es ihm vielleicht seinen Unterhalt.« Der Chalife entgegnete: »So laß ihn noch ein Blatt ziehen, aber nicht mehr.« Infolgedessen streckte der Fischer noch einmal seine Hand aus und nahm ein drittes Blatt, und siehe, da stand darauf geschrieben: »Der Fischer soll einen Dinar bekommen.« Da sagte Dschaafar zu Chalife: »Ich suchte dein Glück, doch wollte dir Gott nicht mehr als diesen Dinar bescheren.« Chalife erwiderte: »Für jede hundert Stockprügel einen Dinar ist ein prächtiger Lohn! Gott gebe deinem Leib keine Gesundheit!« Da lachte der Chalife, während Dschaafar den Fischer bei der Hand faßte und wieder hinausführte. Als er zum Thor kam, sah ihn der Eunuch Sandal und sagte zu ihm: »Komm her, Fischer, und schenke uns etwas von dem, was der Fürst der Gläubigen dir schenkte, als er seinen Scherz mit dir trieb.« Chalife entgegnete: »Bei Gott, du hast recht, Anemönchen! Willst du etwa mit mir teilen, du Schwarzleder, du? Hundert Stockprügel habe ich fressen müssen und nur einen Dinar dafür bekommen; fürwahr, er kommt dir zu.« Mit diesen Worten warf er den Dinar dem Eunuchen zu und ging hinaus, während ihm die Thränen über die Backen liefen. Als ihn nun der Eunuch in dieser Verfassung sah, erkannte er, daß er die Wahrheit gesprochen hatte, und ging ihm nach, zugleich seinen Burschen zurufend, ihn zurückzubringen. Dann steckte er seine Hand in die Tasche und holte daraus einen roten Beutel hervor, aus dem er hundert 139 Golddinare schüttete, worauf er sagte: »Fischer, nimm dieses Gold für deine Fische und geh' deines Weges.« Da nahm der Fischer Chalife erfreut die hundert Dinare nebst dem Dinar des Chalifen und ging fort, seine Prügel vergessend.

Wie Gott, der Erhabene, es nun aber wollte, um seinen Ratschluß zur Ausführung zu bringen, traf es sich, daß der Fischer Chalife den Sklavinnenbazar passierte und dort eine riesige Volksmenge in einem großen Ring stehen sah, so daß er bei sich sprach: »Was wollen diese Leute hier?« Alsdann trat er herzu und brach sich durch die Menge, die aus Kaufleuten und anderm Volk bestand, Bahn, während die Kaufleute riefen: »Macht diesem gottlosen Lotterbuben Platz!« Wie sie nun vor ihm auseinanderwichen, sah Chalife einen Scheich auf seinen Füßen stehen und vor ihm eine Kiste, auf dem ein Eunuch saß; und der Scheich rief laut aus: »Ihr Kaufleute, ihr Kapitalisten, wer wagt sein Geld ohne Besinnen für diese Kiste mit unbekanntem Inhalt aus dem Palast der Herrin Subeide, der Tochter El-Kâsims, der Gemahlin des Fürsten der Gläubigen Hārûn er-Raschîd? Wie viel bietet ihr, – und Gott segne euch alle!?« Da sagte einer der Kaufleute: »Bei Gott, das ist ein Wagnis, jedoch will ich ein Wort sagen und keinen Vorwurf dafür haben; ich biete zwanzig Dinare.« Nun bot ein anderer fünfzig Dinare, und so trieben sie sich bis auf hundert Dinare, worauf der Ausbieter fragte: »Bietet einer von euch noch mehr, ihr Kaufleute?« Da sagte der Fischer Chalife: »Ich biete hundertundeinen Dinar.« Als die Kaufleute sein Gebot hörten, glaubten sie, er scherze, und sagten lachend: »Eunuch, verkauf' Chalife die Kiste für hundertundeinen Dinar,« worauf der Eunuch versetzte: »Bei Gott, ich verkaufe sie keinem andern als ihm; Fischer, nimm die Kiste, und Gott segne sie dir! Her mit dem Geld!« Da holte Chalife das Gold hervor und übergab es dem Eunuchen, der das Gold, nachdem der Kauf perfekt geworden war, auf der Stelle als Almosen verteilte. Dann kehrte er ins Schloß zurück und 140 teilte es der Herrin Subeide mit, die sich hierüber freute, während der Fischer Chalife die Kiste inzwischen auf seine Schulter lud; da sie ihm jedoch zu schwer war, sie in dieser Weise zu tragen, lud er sie auf seinen Kopf und schaffte sie so in sein Viertel, wo er sie wieder vom Haupt nahm und ermüdet niedersetzte, indem er, nachdenklich über sein Abenteuer, bei sich sprach: »Ich möchte wohl wissen, was sich in dieser Kiste befindet.« Hierauf öffnete er seine Hausthür und mühte sich an der Kiste ab, bis er sie ins Haus geschafft hatte. Dann versuchte er sie zu öffnen, vermochte es jedoch nicht, so daß er bei sich sprach: »Was ist nur mit meinem Verstand vorgefallen, daß ich diese Kiste kaufte? Ich muß sie aufbrechen, um zu sehen, was darin ist.« Hierauf bastelte er am Schloß herum, sprach jedoch bei sich, als er dasselbe nicht aufbekommen konnte: »Ich will es bis morgen lassen.« Alsdann wollte er sich schlafen legen; da er aber keinen Platz zum Schlafen finden konnte, da die Kiste den ganzen Raum einnahm, legte er sich auf dieselbe und lag eine Weile still, als sich mit einem Male etwas unter ihm regte, so daß er vor Furcht den Verstand verlor und nicht einzuschlafen vermochte.

Achthundertunddreiundvierzigste Nacht.

In seiner Angst stand er auf und sprach: »Mir ist's, als ob Dschinn in der Kiste sind. Gelobt sei Gott, der mich die Kiste nicht aufbekommen ließ, da mich sonst die Dschinn in der Finsternis überfallen und umgebracht hätten; denn nichts Gutes wäre mir von ihnen zu teil geworden.« Hierauf legte er sich wieder schlafen, doch rührte sich die Kiste noch einmal und zwar noch stärker als das erste Mal, so daß er wieder aufsprang und rief: »Das ist das zweite Mal; es ist ganz entsetzlich.« Dann sprang er auf und suchte in großer Hast nach der Lampe, konnte sie jedoch nicht finden; und da er auch kein Geld hatte, sich eine Lampe zu kaufen, lief er aus seiner Kammer und schrie: »Ihr Leute im Viertel!« worauf 141 die Leute, die meist bereits schliefen, aufwachten und ihn fragten: »Was fehlt dir Chalife?« Er erwiderte: »Gebt mir eine Lampe, denn die Dschinn sind hinter mir her.« Da gaben sie ihm lachend eine Lampe, worauf er wieder in seine Kammer ging und das Schloß der Kiste mit einem Stein zerschlug. Dann öffnete er die Kiste, und siehe, da lag ein Mädchen wie eine Huri darin und schlief, von Bendsch betäubt. Im selben Augenblick aber brach sie den Bendsch aus und erwachte, die Augen öffnend; dann rührte sie sich, da sie sich beengt fand. Als Chalife sie gewahrte, trat er an sie heran und sagte: »Bei Gott, meine Herrin, woher bist du?« Da schlug sie die Augen auf und rief: »Bringt mir Jasmin und Narzisse her!« Chalife entgegnete: »Ich habe hier nur Henna.« Da kam sie ganz zu sich und fragte Chalife, als sie ihn erblickte: »Was bist du, und wo bin ich?« Chalife versetzte: »Du bist in meiner Kammer.« Nun fragte sie: »Bin ich denn nicht im Schloß des Chalifen Hārûn er-Raschîd?« Er entgegnete: »Was ist Hārûn er-Raschîd, du Verrückte? Du bist nichts anderes als meine Sklavin, die ich heute für hundertundeinen Dinar gekauft und in meine Wohnung gebracht habe, während du in der Kiste schliefst.« Als das Mädchen seine Worte vernommen hatte, fragte sie ihn: »Wie heißest du?« Er erwiderte: »Ich heiße Chalife der Fischer; wie kommt's, daß mein Stern mir Glück bringt, wo ich ihn anders kenne?« Da lachte sie und sagte: »Laß diese Worte; hast du etwas zum Essen?« Er erwiderte: »Bei Gott, nein, und auch nichts zum Trinken; seit zwei Tagen habe ich nichts gegessen und lechze selber nach einem Bissen.« Nun fragte sie: »Hast du Geld?« Er entgegnete: »Gott hüte diese Kiste, die mich arm gemacht hat! Ich gab all mein Geld für sie aus, daß ich bankerott wurde.« Da lachte das Mädchen über ihn und sagte: »Steh auf und erbitte dir von deinen Nachbarn etwas zum Essen, denn ich bin hungrig.« Infolgedessen ging Chalife hinaus und schrie: »Ihr Leute im Viertel!« worauf sie aus dem Schlaf 142 erwachten und fragten: »Was fehlt dir, Chalife?« Er versetzte: »Ihr Nachbarn, ich bin hungrig und habe nichts zum Essen bei mir.« Da kam der eine mit einem ganzen Brot zu ihm herunter, ein anderer brachte ihm ein Stück [Fleisch], ein dritter ein Stück Käse und ein vierter eine Gurke, bis er seinen Schoß gefüllt hatte, worauf er wieder in seine Wohnung zurückkehrte und alles vor das Mädchen setzte, indem er zu ihr sagte: »Iß.« Da lachte sie und sagte: »Wie kann ich hiervon essen, ohne einen Krug Wasser zu haben, das ich dazu trinken könnte; ich fürchte, daß mir die Bissen im Halse stecken bleiben, und ich ersticke.« Darauf versetzte Chalife: »Ich will dir diesen Krug füllen.« Alsdann nahm er den Krug, trat mitten auf die Straße und rief wieder: »Ihr Leute im Viertel!« worauf dieselben riefen: »Was für ein Unglück ist dir in der Nacht geschehen, Chalife?« Er erwiderte: »Ihr gabt mir zu essen, und ich aß, jedoch habe ich auch Durst; gebt mir daher etwas zu trinken.« Da brachte ihm der eine einen Krug, der andere einen Eimer und der dritte eine Kruke, worauf er seinen Krug füllte und mit ihm in seine Wohnung zurückkehrte, indem er zu dem Mädchen sagte: »Meine Herrin, jetzt fehlt dir nichts mehr;« und sie versetzte: »Du hast recht; mir fehlt jetzt nichts weiter.« Alsdann sagte er zu ihr: »Sprich zu mir und erzähl' mir deine Geschichte.« Sie erwiderte: »Wehe dir, wenn du mich nicht kennst, so will ich dir sagen, wer ich bin; ich bin Kût el-Kulûb, die Sklavin Hārûn er-Raschîds; die Herrin Subeide ward eifersüchtig auf mich und brachte mir deshalb Bendsch bei, worauf sie mich in diese Kiste packen ließ. Jedoch, gelobt sei Gott, daß diese Sache einen so guten Ausgang genommen hat, und daß es nicht schlimmer geworden ist! Alles dieses geschah mir aber nur zu deinem Glück; denn unbedingt wirst du vom Chalifen Er-Raschîd einen Haufen Geld bekommen und hierdurch reich werden.« Da fragte sie Chalife: »Ist Er-Raschîd nicht der, in dessen Palast ich eingesperrt war?« Sie versetzte: »Jawohl;« worauf er 143 entgegnete: »Bei Gott, ich sah keinen größern Knicker als diesen Pfeifer, der wenig Gut und Verstand besitzt, da er mir gestern hundert Stockprügel und einen einzigen Dinar dafür gab, daß ich ihn das Fischen lehrte und zum Compagnon nahm; er aber betrog mich.« Kût el-Kulûb erwiderte: »Laß doch jetzt diese gemeinen Reden, öffne deine Augen und benimm dich gesittet, wenn du ihn hernach siehst, damit du deinen Wunsch erreichst.« Als der Fischer ihre Worte vernahm, da war es, als ob er aus dem Schlaf erwachte; und Gott nahm die Hülle von seinem Verstand fort, um seines Glückes willen, so daß er zu ihr sprach: »Auf Kopf und Auge.« Dann sagte er: »Im Namen Gottes, geh' schlafen.« Da erhob sie sich und legte sich schlafen, während er sich fern von ihr zur Ruhe legte. Am andern Morgen in der Frühe verlangte sie von ihm Tinte und Papier und schrieb an den Kaufmann Ibn El-Kirnâs, den Freund des Chalifen, einen Brief, in dem sie ihm alles, was ihr zugestoßen war, schrieb und auch mitteilte, daß sie jetzt beim Fischer Chalife weilte, der sie gekauft hätte. Dann übergab sie ihm das Blatt und sagte zu ihm: »Nimm dieses Blatt, geh' damit auf den Juwelenbazar, erkundige dich nach dem Laden des Juweliers Ibn el-Kirnâs und gieb ihm dieses Blatt ohne ein Wort zu reden.« Chalife erwiderte ihr: »Ich höre und gehorche;« alsdann nahm er das Blatt aus ihrer Hand und ließ sich nach dem Laden des Juweliers Ibn el-Kirnâs weisen, worauf er ihm den Salâm bot. Der Juwelier erwiderte ihm geringschätzig den Gruß und fragte ihn: »Was willst du?« Da übergab er ihm das Blatt, doch las der Juwelier es gar nicht, da er ihn für einen Bettler hielt, der ihn um ein Almosen anbettelte, sondern sagte zu einem seiner Burschen: »Gieb ihm einen halben Dirhem.« Chalife versetzte jedoch: »Ich brauche keine Almosen, lies nur das Blatt.« Da nahm er das Blatt und las es; sobald er aber seinen Inhalt begriff, küßte er es und legte es auf sein Haupt, – 144

Achthundertundvierundvierzigste Nacht.

worauf er aufsprang und Chalife fragte: »Mein Bruder, wo ist dein Haus?« Chalife versetzte: »Was willst du mit meinem Haus? Willst du etwa hingehen und mir meine Sklavin stehlen?« Der Juwelier entgegnete: »Nein, ich will vielmehr etwas für dich und für sie zum Essen kaufen.« Nun erwiderte er: »Mein Haus ist in dem und dem Viertel;« worauf der Kaufmann versetzte: »Brav gethan! Gott schenke dir nicht Gesundheit, du Unseliger!«Die Worte sind hier natürlich scherzhaft gesprochen und bedeuten das Gegenteil, etwa wie unser. »Du bist ein Teufelskerl.« Hierauf rief er zwei seiner schwarzen Sklaven und befahl ihnen: »Nehmt diesen Mann zum Laden des Wechslers Mohsin und bittet diesen, ihm tausend Golddinare zu geben; dann bringt ihn schnell wieder her.« Die Sklaven vollzogen sofort seinen Befehl, und der Wechsler zahlte ihm die tausend Dinare, worauf ihn die Sklaven wieder zum Laden ihres Herrn zurückbrachten, den sie auf einem stahlgrauen Maultier im Wert von tausend Dinaren sitzen sahen, rings von Mamluken und Pagen umgeben, während sich neben seinem Maultier ein gleiches gesattelt und gezäumt befand. Der Juwelier sagte nun zu Chalife: »Im Namen Gottes, besteig' dieses Maultier.« Chalife versetzte: »Ich reite nicht; bei Gott, ich fürchte, es wirft mich ab.« Der Kaufmann Ibn el-Kirnâs entgegnete jedoch: »Bei Gott, du mußt aufsitzen.« Da trat Chalife herzu und, sich verkehrt aufsetzend, packte er den Schwanz und schrie, worauf das Maultier ihn abwarf, so daß sie ihn auslachten; er aber erhob sich wieder und sagte: »Habe ich dir nicht gesagt, daß ich nicht auf diesem großen Esel reiten will?« Da ließ Ibn el-Kirnâs Chalife auf dem Bazar und ritt zum Fürsten der Gläubigen, um ihm die Kunde von Kût el-Kulûb zu überbringen, worauf er zurückkehrte und sie in sein Haus schaffen ließ. Wie nun Chalife nach Hause kam, sah er dort die Leute des Viertels 145 dichtgedrängt beisammenstehen und hörte sie zu einander sprechen: »Chalife ist heut' in einer schrecklichen Klemme; woher mag er nur das Mädchen gehabt haben?« Der eine von ihnen sagte dann: »Das ist ein verrückter Kuppler; vielleicht hat er sie unterwegs betrunken aufgelesen und nach Hause geschleppt; und nur im Bewußtsein seiner Schuld ist er jetzt fort.« Während sie so miteinander redeten, kam Chalife mit einem Mal an, worauf sie ihn fragten: »Wie geht es dir, armer Kerl? Weißt du nicht, wie es dir ergangen ist?« Er erwiderte: »Nein, bei Gott.« Da sagten sie: »Soeben waren Mamluken hier und holten dein Mädchen fort; sie fragten auch nach dir, fanden dich jedoch nicht.« Chalife entgegnete: »Wie kamen sie dazu, mir mein Mädchen fortzunehmen?« worauf einer von den Leuten sagte: »Wäre er in ihre Hand gefallen, sie hätten ihn totgeschlagen.« Ohne sich jedoch weiter an sie zu kehren, lief Chalife wieder zum Laden des Juweliers zurück und sprach zu Ibn el-Kirnâs, den er auf seinem Maultier reitend antraf: »Bei Gott, es war nicht recht von dir mich fortzuschicken und inzwischen mein Mädchen durch Mamluken fortholen zu lassen.« Ibn el-Kirnâs erwiderte: »Verrückter, komm mit mir und halt's Maul.« Hierauf nahm er ihn und führte ihn in ein hübsches Haus, wo er das Mädchen auf einem goldenen Thron, umgeben von zehn Sklavinnen gleich Monden, sitzen sah. Sobald Ibn el-Kirnâs sie erblickte, küßte er die Erde vor ihr, sie aber fragte ihn: »Was hast du mit meinem neuen Herrn gethan, der mich mit all seinem Geld kaufte?« Er versetzte: »Ich gab ihm tausend Golddinare.« Alsdann erzählte er ihr Chalifes Geschichte von Anfang bis zu Ende, worauf sie lachend sagte: »Halt's ihm zu gut; denn er ist nur ein Mann aus dem Volk.« Hierauf sprach sie: »Diese andern tausend Dinare sind ein Geschenk von mir für ihn, und, so Gott will, der Erhabene, wird er vom Chalifen soviel bekommen, daß er ein reicher Mann werden wird.«

Während sie aber miteinander sprachen, kam mit einem 146 Mal ein Eunuch vom Chalifen und verlangte nach Kût el-Kulûb, da der Chalife wußte, daß sie sich in Ibn el-Kirnâs' Hause befand und er sich nicht mehr gedulden konnte, sie zu sehen, weshalb er sie zu holen befahl. Als sie sich nun zu ihm aufmachte, nahm sie Chalife mit sich; beim Chalifen angelangt, küßte sie die Erde vor ihm, worauf er sich vor ihr erhob, sie begrüßte und willkommen hieß und sie fragte, wie es ihr bei ihrem Käufer ergangen wäre. Da erzählte sie ihm, es wäre ein Mann Namens Chalife der Fischer, und er stände vor der Thür; er habe ihr auch von einer Rechnung gesprochen, die er noch mit dem Chalifen auszugleichen habe wegen einer Teilhaberschaft mit dem Fürsten der Gläubigen beim Fischen.« Der Chalife fragte: »Steht er wirklich draußen?« Als sie es bejahte, befahl er ihn vorzuführen; und, als er nun vor ihn geführt wurde, küßte er die Erde vor ihm und wünschte ihm Ruhm und Glück in ewiger Dauer, daß sich der Chalife über ihn verwunderte und lachend zu ihm sagte: »Fischer, warst du wirklich gestern mein Compagnon?« Chalife, der die Worte des Fürsten der Gläubigen begriff, stärkte nun sein Herz und festigte sein Gemüt, worauf er versetzte: »Bei Ihm, der dich mit dem Chalifat des Sohnes deines Oheims begnadet hat, ich kenne sie in keiner Weise und habe sie nur geschaut und mit ihr gesprochen.« Hierauf erzählte er dem Chalifen seine letzten Erlebnisse von Anfang bis zu Ende, der seinen Bericht lachend anhörte und mit frohgeschwellter Brust zu ihm sagte: »Wir geben dir, was du begehrst, der du den Besitzern ihr Eigentum zurückbringst.« Chalife schwieg jedoch, und so befahl der Chalife ihm fünfzigtausend Golddinare, ein kostbares Ehrenkleid, wie es die großen Chalifen tragen, und ein Maultier zu geben, und schenkte ihm außerdem Sklaven aus dem Sudan zur Bedienung, so daß er wie einer der Könige seiner Zeit ward. Der Chalife aber freute sich, daß er sein Mädchen wieder hatte, und erkannte, daß alles dies ein Werk seiner Base der Herrin Subeide war. 147

Achthundertundfünfundvierzigste Nacht.

Er erzürnte sich deshalb mächtig über sie und mied sie geraume Zeit, sie weder besuchend noch ihr sein Herz wieder zuneigend, so daß sie sich schwer grämte, und ihr rosiges Gesicht gelb ward. Als ihr dann schließlich die Geduld versagte, schickte sie an ihren Vetter, den Fürsten der Gläubigen, einen Brief, in dem sie sich entschuldigte, ihre Schuld bekannte und folgende Verse schrieb:

»Ich sehne mich nach eurer frühern Huld,
Um zu ersticken das Feuer meines Kummers und Grams.
O meine Herren, erbarmt euch meines allzugroßen Liebesleids,
Denn das, was ich von euch erduldete, genügt.
Seit eurer Abkehr, o meine Geliebten, hat meine Geduld versagt,
Und mein Leben, das so licht war, habt ihr getrübt.
So ihr eure Gelübde erfüllt, lebe ich,
Und ich sterbe, wenn ihr mir ihre Erfüllung nicht gewährt.
Hab' ich wirklich ein Verbrechen begangen, so vergebt es mir,
Denn, bei Gott, wie süß ist der Geliebte, wenn er verzeiht.«

Als das Schreiben der Herrin Subeide beim Fürsten der Gläubigen eintraf und er es gelesen hatte, ersah er, daß sie ihre Schuld eingestand und zu ihm geschickt hatte, um sich für ihre Missethat zu entschuldigen. Er sprach deshalb bei sich: »Siehe, Gott vergiebt die Sünden allzumal, denn er ist der Vergebende, der Barmherzige!« Dann schickte er ihr eine Antwort auf ihr Schreiben, indem er ihr seine Zufriedenheit, seine Vergebung und Verzeihung für das Vergangene aussprach, so daß sie sich mächtig freute. Alsdann setzte der Chalife dem Fischer Chalife einen Monatsgehalt von fünfzig Dinaren fest und zeichnete ihn mit Rang, Würden und Ehren aus, worauf derselbe die Erde vor dem Fürsten der Gläubigen küßte und einherstolzierend abzog. Als er zum Thor gelangte, erblickte ihn der Eunuch, der ihm die hundert Dinare gegeben hatte, und sagte zu ihm: »Fischer, woher ward dir alles dies?« Da erzählte er ihm seine Erlebnisse von Anfang bis zu Ende, worauf der Eunuch, erfreut, daß 148 er die Ursache seines Reichtums gewesen war, zu ihm sagte: »Willst du mir nicht ein Geschenk von diesem Geld machen, das jetzt in deinen Besitz gekommen ist?« Da steckte Chalife seine Hand in die Tasche, holte einen Beutel mit tausend Golddinaren aus ihr hervor und überreichte ihn dem Eunuchen, worauf dieser zu ihm sagte: »Behalt' dein Geld und Gott segne es dir!« Und er verwunderte sich über seine Großmut und die Freigebigkeit seiner Seele bei seiner frühern Armut. Alsdann verließ Chalife den Eunuchen und ritt auf seinem Maultier, das die Sklaven an der Kruppe faßten, zu seinem Chân, während die Leute ihn angafften und sich über die ihm zu teil gewordenen Ehren verwunderten. Nachdem er dann vom Maultier abgestiegen war, traten die Leute an ihn heran und fragten ihn nach der Ursache dieses Glückes, worauf er ihnen seine Erlebnisse von Anfang bis zu Ende erzählte. Dann kaufte er sich ein hübsches Haus und verwendete für dasselbe eine große Geldsumme, bis es in jeder Weise vollkommen war. In diesem Hause lebte er hinfort und pflegte die beiden Verse zu sprechen:

»Siehe, ein Haus, das dem Haus der WonnenDas Paradies. gleicht,
Die Sorgen verscheucht's und heilt den Kranken.
Erbaut ist's, eine Stätte des Ruhmes zu sein,
Und allezeit wohnt das Glück in ihm.«

Als er aber in seinem Hause seine Wohnung aufgeschlagen hatte, bewarb er sich um die Tochter eines der Vornehmen der Stadt, ein hübsches Mädchen, und suchte sie heim und führte ein äußerst angenehmes, glückliches und heiteres Leben; und es wuchs sein Wohlstand immer mehr und sein Glück ward vollkommen. Er aber dankte Gott, – Preis Ihm, dem Erhabenen! – für alle reichen Gaben und unaufhörlichen Gnaden und pries seinen Herrn voll Dankgefühl. Den Chalifen Hārûn er-Raschîd, bei dem er Gnade gefunden hatte, besuchte er fürderhin regelmäßig, und Er-Raschîd überhäufte 149 ihn mit seiner Huld und Freigebigkeit. Und so führte Chalife ein Leben in Glück, Freuden, Ehren und Fröhlichkeit in höchstem Maße, in immer wachsendem Wohlstand und steigendem Ansehen, ein Leben voll Annehmlichkeit und Bekömmlichkeit, voll lauterer und zufriedenstellender Lust, bis der Zerstörer der Freuden und der Trenner der Vereinigungen ihn heimsuchte. Preis Ihm, dem die Ehre ist und Dauer, dem Lebendigen, dem Einigen, der nimmerdar stirbt!

 


 


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