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Tausend und eine Nacht. Band XIV
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Fortsetzung der Geschichte des Juweliers Hasan von Basra.

Siebenhundertundeinundneunzigste Nacht.

Nun hob seine Schwester zu ihnen an: »Meine Schwestern, als wir fortgezogen waren und diesen Unglücklichen hier allein zurückgelassen hatten, ward ihm das Schloß eng, und er fürchtete, es könnte jemand zu ihm eindringen, denn ihr wißt, daß die Menschenkinder schwachköpfig sind. Und so öffnete er in seiner Herzensangst und Einsamkeit und Verlassenheit die Thür, die auf das Schloßdach führt, und stieg auf das Dach hinauf, wo er sich setzte und nach dem Wadi schaute und aus Furcht, daß jemand ins Schloß kommen könnte, fortwährend in der Richtung nach dem Thor ausspähte. Wie er nun dort eines Tages wieder saß, kamen mit einem Male zehn Vögel auf das Schloß zugeflogen und setzten sich an den Teich, über welchem sich das Belvedere befindet. Unter den Vögeln gewahrte er einen, der alle andern an Schönheit übertraf, und der die andern mit seinem Schnabel pickte, ohne daß einer von ihnen es gewagt hätte, die Hand nach ihm auszustrecken. Alsdann schlugen sie ihre Krallen in ihre Halskrausen und zerrissen ihre Federkleider, worauf aus denselben lauter Mädchen gleich dem Vollmond in der Nacht seiner Rundung zum Vorschein kamen, die ihre Sachen vor Hasans Augen auszogen, worauf sie ins Wasser stiegen. Hier spielten sie miteinander und das vornehmste Mädchen, die das schönste Gesicht, die ebenmäßigste Gestalt und den schmucksten Anzug unter ihnen hatte, tauchte sie unter, ohne daß eine die Hand nach ihr auszustrecken gewagt hätte. In dieser Weise spielten sie, bis die Zeit des Nachmittagsgebetes nahte, worauf sie aus dem 6 Teich stiegen, ihre Sachen anzogen und, sich in ihr Federkleid hüllend, fortflogen, während Hasan voll Unruhe im Gemüt und mit lohendem Feuer im Herzen zurückblieb und es bereute nicht das Federkleid des vornehmsten Vogels gestohlen zu haben. Dann wurde er krank und wartete auf das Mädchen oben auf dem Schloß, sich Speise, Trank und Schlaf versagend, bis der Neumond kam, als sie mit einem Male wieder ankamen und in den Teich stiegen, nachdem sie sich ihre Kleider ausgezogen hatten. Da stahl er ihr das Kleid, da er wußte, daß sie nur mit Hilfe desselben fortfliegen konnte, und verbarg sich, aus Furcht sie könnten ihn sehen und töten. Dann wartete er, bis die andern fortgeflogen waren, worauf er sich erhob, sie packte und vom Schloß hinuntertrug.« Da fragten ihre Schwestern: »Wo ist sie?« Sie versetzte: »Sie ist bei ihm in dem und dem Gemach.« Nun sagten sie zu ihr: »Beschreib' sie uns, Schwester.« Da sprach sie: »Sie ist schöner als der Mond in der Nacht seiner Rundung, ihr Gesicht ist heller als die Sonne, ihres Mundes Seim ist süßer als Wein, ihre Gestalt ist schlanker als ein Rohr; ihre Augen sind schwarz wie Huriaugen, ihr Gesicht ist mondfarben, ihre Stirn blütenweiß, ihre Brust ist wie ein Juwel mit einem Busen gleich zwei Granatäpfeln, ihre Wangen gleichen zwei Äpfeln, ihr Leib hat Speckfältchen, ihr Nabel ist wie ein Elfenbeinschrein voll Moschus, ihre Schenkel gleichen zwei marmornen Säulen und rauben die Herzen, ihre Augen sind schwarz wie Antimon, ihre Taille ist schlank, ihr Gesäß schwer, ihre Rede heilt den Kranken, ihre Form ist anmutig und ihr Lächeln ist hold, als wäre sie der Vollmond.«

Als die Mädchen diese Beschreibung vernommen hatten, wendeten sie sich zu Hasan und sprachen zu ihm: »Zeig' sie uns.« Da erhob er sich liebeverstört mit ihnen und führte sie zum Gemach der Prinzessin, in das er, ihnen voranschreitend, eintrat. Als sie sie nun erblickten und ihre Anmut mit eigenen Augen sahen, küßten sie, verwundert über ihre 7 äußere Schönheit und ihre inneren Vorzüge, die Erde vor ihr und sagten zu ihr nach dem Salâm: »Bei Gott, o Tochter des Großkönigs, das ist, fürwahr, ein großes Ding; und hättest du dieses Menschen Beschreibung unter den Frauen gehört, du hättest dich über ihn dein ganzes Lebenlang verwundert. Er liebt dich aufs leidenschaftlichste, o Prinzessin, und heischt nichts Schimpfliches von dir, sondern verlangt nach dir allein in erlaubter Weise. Wenn wir wüßten, daß Mädchen der Männer entraten können, so hätten wir ihn von seinem Vorhaben abgehalten, wiewohl er keinen Boten zu dir schickte, sondern in eigener Person kam; ebenso hätten wir ihm das Federkleid abgenommen, wenn er uns nicht gesagt hätte, er hätte es verbrannt.« Alsdann kam eines der Mädchen mit der Prinzessin überein und vollzog als ihr Sachwalter den Ehebund zwischen ihr und Hasan mit ihrer Erlaubnis, während Hasan die Prinzessin bei der Hand nahm und seine Hand in die ihrige legte; hierauf richteten sie ihr das Hochzeitsfest an, wie es sich für Königstöchter schickt, und führten Hasan zu ihr. Und so erhob er sich, öffnete die Thür, lüftete den Vorhang und brach ihr Siegel, wobei seine Liebe zu ihr zunahm, und seine Leidenschaft im Verlangen nach ihr wuchs. Alsdann sprach er, nachdem er seinen Wunsch erreicht hatte, die Verse:

»Deine Gestalt ist verführerisch, dein Aug' ist ein Huriaug',
Und dein Antlitz tropft vom Wasser der Schönheit.
Mein Auge giebt dein Bildnis aufs herrlichste wieder,
Zur Hälfte als Hyacinth, zu einem Drittel als Juwel,
Zu einem Fünftel als Moschus und zu einem Sechstel als Ambra;
Einer Perle bist du ähnlich, doch weißer als eine Perle.
Eva hat kein Mädchen dir gleich geboren,
Und auch in den Gärten der Ewigkeit giebt es niemand dir gleich.
Wenn du mich foltern willst, so ist dies der Liebe Brauch,
Und so du verzeihen willst, so steht es dir frei.
O Zierde der Welt und höchster Wunsch,
Wer könnte der Schönheit deines Gesichts entsagen?« 8

Siebenhundertundzweiundneunzigste Nacht.

Als die Mädchen, die an der Thür standen, Hasans Verse vernahmen, sprachen sie zu ihr: »O Königstochter, hast du dieses Menschen Worte gehört? Wie kannst du uns noch tadeln, wo er in seiner Liebe zu dir Verse macht!« Als sie dies vernahm, dehnte sich ihre Brust weit und fröhlich aus, und sie freute sich. Hasan aber verbrachte mit ihr vierzig Tage in Freude und Fröhlichkeit und in Wonnen und Seligkeit, während die Mädchen die Feste mit jedem Tag erneuerten und ihm immer neue Geschenke, Gaben und seltene Kostbarkeiten bescherten, so daß er unter ihnen fröhlich und vergnügt die Zeit verbrachte, und auch die Prinzessin gern unter ihnen verweilte und ihre Angehörigen vergaß. Nach Verlauf der vierzig Tage traf es sich jedoch, daß Hasan im Schlaf seine Mutter sah, wie sie sich über ihn grämte, und wie sich ihr Leib verzehrt hatte, ihre Farbe gelb geworden war, und ihr ganzer Zustand sich verändert hatte, während er das beste Leben führte. Als sie ihn nun in seinem Wohlleben erblickte, hörte er sie sprechen: »O mein Sohn, o Hasan, wie kannst du in der Welt so vergnüglich leben und mich vergessen? Schau doch, wie es mir, getrennt von dir, ergeht! Ich kann dich nicht vergessen, und meine Zunge wird bis zu meinem Tode nicht aufhören deinen Namen zu nennen. Ich hab' auch ein Grab für dich bei mir im Hause gemacht, damit ich dich nie vergesse. Ach, mein Sohn, ob ich dich wohl noch in meinem Leben bei mir sehe und noch einmal wieder mit dir vereint werde wie früher?« Da erwachte Hasan weinend und jammernd aus dem Schlaf, und die Thränen rannen ihm in Regenströmen über die Wangen; er verfiel in Trauer und Trübsal, seine Thränen wollten nicht versiegen, der Schlaf kehrte nicht wieder zu ihm zurück, und Ruhe und Geduld waren von ihm gewichen. Als nun die Mädchen am Morgen bei ihm eintraten, um ihm guten Morgen zu wünschen, und sich wie gewöhnlich mit ihm vergnügen wollten, 9 kümmerte er sich nicht um sie, so daß sie seine Gemahlin nach seinem Befinden fragten, welche ihnen erwiderte, sie wüßte nicht, was ihm fehle. Da sagten sie zu ihr: »Frag' ihn;« worauf sie an ihn herantrat und ihn fragte: »Was fehlt dir, mein Herr?« Da seufzte und stöhnte er und teilte ihr seinen Traum mit, wobei er die beiden Verse sprach:

»Wir sind voll Unruhe und niedergeschlagen,
Und möchten nahe sein, ohne einen Weg zu finden.
Immer mehr Unglück bringt uns die Liebe,
Und so leicht die Liebe ist, so schwer bedrückt sie uns.«

Als seine Gattin ihnen nun seine Worte mitteilte, und die Mädchen seine Verse vernommen hatten, empfanden sie Mitleid mit seinem Zustand und sagten zu ihm: »Beliebe es dir in Gottes Namen, wir können dich nicht daran hindern deine Mutter zu besuchen. Ja, wir wollen dir sogar mit allen unsern Kräften zu einem Besuch bei deiner Mutter behilflich sein, nur mußt du uns wieder aufsuchen und uns nicht gänzlich vernachlässigen, sei es, daß du auch nur einmal im Jahre kommst.« Hasan erwiderte ihnen: »Ich höre und gehorche;« und nun erhoben sich die Mädchen unverzüglich und besorgten ihm die Wegzehrung, worauf sie ihm die Neuvermählte mit Gewändern, Schmucksachen und jeglichen teuren Gegenständen, wie es sich nicht beschreiben läßt, ausstatteten; außerdem versahen sie ihn mit seltenen Kostbarkeiten, wie es die Federn nicht schildern können. Alsdann schlugen sie die Trommel, worauf von allen Seiten Dromedare zu ihnen kamen, aus denen sie die Tiere für die Lasten auswählten, unter welchen sich fünfundzwanzig Kasten voll Gold und fünfzig voll Silber befanden. Nachdem sie dann Hasan und das Mädchen hatten aufsitzen lassen, begleiteten sie beide drei Tage lang, in denen sie einen Weg von drei Monaten zurücklegten. Dann verabschiedeten sie sich von ihnen, um wieder heimzukehren, und seine Schwester, das jüngste der Mädchen, umarmte ihn und weinte, bis sie in Ohnmacht sank. Als sie dann wieder zu sich kam, sprach sie die beiden Verse: 10

»Ach, daß der Tag der Trennung nimmer gewesen wäre,
Der meinen Augen den Schlaf raubt.
Zerrissen hat er das Band der Vereinigung zwischen uns
Und hat unsere Kraft und unsern Leib zerstört.«

Nachdem sie die Verse beendet hatte, sagte sie ihm Lebewohl und schärfte ihm ein, sie in jedem Halbjahr einen Monat lang zu besuchen, wenn er in sein Land heimgekehrt und frohen Herzens mit seiner Mutter wieder vereint wäre, indem sie hinzufügte: »Wenn dir Kummer oder irgend sonst eine Widerwärtigkeit widerfahren sollte, so schlag die Trommel des Magiers, daß die Dromedare erscheinen und setz' dich auf und kehr' zu uns zurück.« Hasan schwor ihr, dies zu thun, und beschwor sie dann heimzukehren, worauf sie betrübt über die Trennung von ihm Abschied nahmen. Am traurigsten aber war seine Schwester, die jüngste, die Tag und Nacht weinte und weder Ruhe noch Geduld finden konnte. Inzwischen reiste Hasan Tag und Nacht über und durchmaß mit seiner Gattin in heißer Mittagsglut und im Morgengrauen die Steppen, Wüsten, Wadis und steinigen Gefilde, und Gott verzeichnete ihnen eine gute Reise, so daß sie wohlbehalten in der Stadt Basra anlangten, wo sie ihre Dromedare vor Hasans Hausthür niederknieen ließen. Hierauf schickte er die Dromedare fort und trat nun an die Thür sie zu öffnen, als er seine Mutter mit schwacher Stimme weinen hörte, aus einem Herzen, das Feuerqualen gekostet hatte, wobei sie die Verse sprach:

»Wie kann der Schlaf finden, der seine Ruhe verloren hat,
Und der des Nachts wacht, wenn alle Geschöpfe schlummern?
Reichtümer besaß er, Familie und Ruhm,
Doch ein Fremdling ward er und ein einsamer Mensch.
In seiner Brust brennt eine Kohle, und Seufzer wohnen in ihr,
Und mächtige Sehnsucht, wie es keine größere giebt.«

Als Hasan seine Mutter weinen und jammern hörte, weinte er ebenfalls; dann aber pochte er stark an die Thür, worauf seine Mutter fragte: »Wer ist an der Thür?« Er antwortete: »Öffne.« Da öffnete sie die Thür und stürzte, sobald 11 ihr Blick auf ihn fiel und sie ihn erkannte, ohnmächtig zu Boden. Er aber gab ihr fortwährend liebe Worte, bis sie wieder zu sich kam, worauf sie einander umarmten und sie ihn küßte, während Hasans Gattin ihm und seiner Mutter zuschaute. Dann schaffte er all sein Hab und Gut ins Haus, worauf seine Mutter, deren Herz nunmehr beruhigt war, nachdem Gott sie mit ihrem Sohn wieder vereint hatte, die Verse sprach:

Die Zeit hat sich meines Zustandes erbarmt
Und hat Mitleid gehabt mit meiner langen brennenden Qual.
Sie gewährte mir, was ich ersehnte,
Und schaffte hinfort, was ich fürchtete.
Ihre früheren Sünden will ich daher vergeben,
Vergeben ihr selbst meines Scheitels graues Haar.«

Siebenhundertunddreiundneunzigste Nacht.

Hierauf saßen beide und plauderten miteinander, wobei sie ihren Sohn fragte: »Wie ist es dir mit dem Perser ergangen, mein Sohn?« Er versetzte: »Mutter, es war kein Perser, sondern ein Magier, der das Feuer anbetete und nicht Gott, den allmächtigen König.« Alsdann erzählte er ihr, wie er mit ihm verfahren war, indem er mit ihm fortgereist war und ihn in die Kamelshaut eingenäht hatte, worauf ihn die Vögel auf den Berg getragen hatten. Dann erzählte er weiter von den Toten, die er auf dem Berg gesehen hatte, die der Magier alle überlistet und auf dem Berge zurückgelassen hatte, nachdem sie seinen Auftrag ausgerichtet hatten; ferner, wie er sich vom Berge ins Meer gestürzt, und wie ihn Gott, der Erhabene, errettet und zum Schloß der Mädchen geführt hatte; kurz, er erzählte seiner Mutter seine ganze Geschichte, die sich über dieselbe verwunderte und Gott für seine wohlbehaltene und gesunde Heimkehr lobte. Dann trat sie an die Lasten heran, besah sie sich und fragte nach ihnen. Als sie von Hasan vernahm, was sie enthielten, freute sie sich mächtig und trat nun an Hasans Gattin heran, um mit ihr zu plaudern und sich mit ihr zu befreunden. 12 Als aber ihr Blick auf sie fiel, verwirrten sich ihre Sinne von ihrer Holdseligkeit, daß sie sich freute und sich über ihre Schönheit und Anmut und ihren ebenmäßigen Wuchs verwunderte. Dann sagte sie: »Mein Sohn, Gott sei gelobt für deine wohlbehaltene Heimkehr,« und setzte sich neben die junge Frau, ihr Gesellschaft zu leisten und ihr Gemüt aufzuheitern. Am nächsten Morgen in der Frühe begab sie sich auf den Bazar und kaufte eine prächtige Ausstattung und zehn Anzüge von den feinsten Sachen, die es in der Stadt gab, worauf sie die junge Frau einkleidete und mit allen hübschen Dingen schmückte. Alsdann wendete sie sich zu ihrem Sohn und sprach zu ihm: »Wir können mit all diesem Gut nicht weiter in der Stadt leben, denn du weißt, daß wir arme Leute waren, und man wird uns in Verdacht haben, Alchimie zu betreiben. Komm daher und laß uns nach der Stadt Bagdad, der Stätte des Friedens, ziehen, wo wir in dem Heiligtum des Chalifen wohnen können, während du in einem Laden sitzest und kaufst und verkaufst, Gott, den Mächtigen und Herrlichen, fürchtend, der dir mit diesem Gelde die Pforte zum Glück öffnen wird.« Als Hasan ihre Worte vernahm, billigte er sie und, sich sofort erhebend, verließ er sie und verkaufte das Haus. Dann ließ er die Dromedare kommen, lud all sein Hab und Gut samt seiner Mutter und Gattin auf sie und machte sich mit ihnen nach dem Tigris auf, wo er ein Schiff für Bagdad heuerte, in das er all sein Hab und Gut und seine Mutter und Gattin schaffte. Hierauf stieg er an Bord, und das Schiff segelte mit ihnen, von günstigem Wind getrieben, zehn Tage lang, bis sie nach Bagdad gelangten und zu ihrer Freude die Stadt in Sicht bekamen. Das Schiff aber segelte mit ihnen in die Stadt, wo er zur selbigen Zeit und Stunde in einem der Châne ein Magazin mietete, in das er all seine Sachen schaffen ließ. Die Nacht über brachte er im Chân zu, am andern Morgen aber wechselte er seine Kleider; als ihn dann der Mäkler erblickte und ihn nach seinem Anliegen 13 und seinen Wünschen fragte, sagte er: »Ich möchte ein hübsches und geräumiges Haus kaufen.« Da zeigte er ihm die Häuser, die er zu verkaufen hatte, worauf Hasan ein Haus, das früher einem Wesir gehört hatte und das ihm besonders gefiel, für hunderttausend Golddinare in bar kaufte. Dann kehrte er in den Chân, in dem er herbergte, zurück und ließ all sein Hab und Gut in das Haus schaffen, worauf er auf den Bazar ging und alles, was das Haus an Geschirr, Einrichtung u. dgl. brauchte, kaufte, nebst Dienerschaft, unter der sich auch ein kleiner schwarzer Sklave fürs Haus befand. Hierauf führte er mit seiner Gattin drei Jahre lang ein ruhiges Leben in höchster Freude und Annehmlichkeit und wurde von ihr mit zwei Knaben beschenkt, von denen er den einen Nâsir und den andern Mansûr nannte. Nach dieser Zeit aber gedachte er seiner Schwestern, der Prinzessinnen, und erinnerte sich wieder all ihrer Güte und der Hilfe, die sie ihm zur Erreichung seines Wunsches geleistet hatten. Von Sehnsucht nach ihnen ergriffen, begab er sich auf die Bazare der Stadt und kaufte in ihnen Schmucksachen, kostbare Stoffe und getrocknete Früchte, wie sie dergleichen noch nicht gesehen und gekannt hatten. Seiner Mutter, die ihn fragte, weshalb er die Raritäten kaufte, entgegnete er: »Ich bin entschlossen zu meinen Schwestern zu reisen, die mir so viel Gutes erwiesen haben, und von deren Güte und Huld all mein Gut herrührt; ich will deshalb zu ihnen reisen, um sie zu sehen, und bald wieder zurückkehren, so Gott will, der Erhabene.« Seine Mutter versetzte: »Mein Sohn, bleib' nicht zu lange fort;« worauf er zu ihr sagte: »Vernimm, o Mutter, wie du dich gegen mein Weib zu verhalten hast: hier ist ihr Federkleid in einer Kiste in die Erde vergraben; hüte es wohl, daß sie es nicht findet und es nimmt und mit ihren Kindern auf und davon fliegt, während ich niemals mehr etwas von ihnen zu hören bekomme und vor Kummer über ihren Verlust sterbe. Nimm dich daher in acht, niemals hiervon zu ihr zu reden; denn, wisse, sie ist die Tochter eines Königs 14 der Dschânn, unter denen es keinen größern und keinen reicheren an Truppen und Geld und Gut als ihren Vater giebt; und wisse, sie ist die Herrin ihres Volkes und ihrem Vater am teuersten. Sie ist aber auch sehr hochgesinnt, weshalb du ihr selber dienen und nicht zulassen sollst, daß sie aus der Thür geht oder aus dem Fenster oder über die Mauer schaut, da ich um sie vor der Luft besorgt bin, wenn sie weht, und mir ihretwegen das Leben nehme, wenn ihr etwas von dem irdischen Lauf der Dinge zustößt.« Seine Mutter versetzte: »Gott soll hüten, daß ich dir nicht folge; o mein Sohn, bin ich denn verrückt, daß ich diesem Auftrag, den du mir giebst, zuwiderhandeln sollte? Reise nur, mein Sohn, und sei guten Mutes; und so Gott will, der Erhabene, kehrst du glücklich zurück und schaust sie wieder, daß sie dir erzählen kann, wie ich sie behandelt habe. Jedoch, mein Sohn, säume nicht länger als es die Reise erfordert.«

Siebenhundertundvierundneunzigste Nacht.

Nach dem voraus verhängten Geschick aber hatte seine Gattin alle seine Worte, die er zu seiner Mutter sprach, gehört, ohne daß sie davon eine Ahnung hatten. Alsdann erhob sich Hasan und schritt zur Stadt hinaus, wo er die Trommel schlug; und alsbald erschienen die Dromedare, von denen er zwanzig mit den Raritäten des Irâk belud. Dann verabschiedete er sich von seiner Mutter, seiner Frau und seinen beiden Kindern, von denen das eine zwei Jahre, das andere ein Jahr zählte. Ehe er sich aber aufsetzte, kehrte er noch einmal zu seiner Mutter zurück und legte ihr von neuem seine Ermahnung ans Herz; dann endlich brach er zu seinen Schwestern auf und ritt zehn Tage lang Tag und Nacht durch Wadis und über Berge und Ebenen und steinige Gefilde, bis er am elften Tage zum Schloß gelangte und mit den Geschenken, die er ihnen mitgebracht hatte, zu ihnen eintrat. Als sie ihn erblickten, hießen sie ihn erfreut willkommen und beglückwünschten ihn zu seiner wohlbehaltenen 15 Ankunft, während seine Schwester das Schloß außen und innen schmückte. Dann nahmen sie die Geschenke in Empfang, und, ihn wie zuvor in einem Gemach unterbringend, erkundigten sie sich nach seiner Mutter und seiner Gattin, worauf er ihnen erzählte, daß sie ihm zwei Knaben geboren hätte. Als aber seine Schwester, die jüngste, ihn wohl und gesund wiedersah, sprach sie in mächtiger Freude den Vers:

»Ich frage den Wind nach euch, so oft er vorüberzieht,
Und kein anderer als ihr zieht in meinem Herzen vorüber.«

Hierauf verblieb er drei Monate lang bei ihnen, gastlich bewirtet und mit Ehren ausgezeichnet, und die Zeit verstrich ihm in Freuden und Fröhlichkeit und Wonne und Seligkeit und unter Jagdausflügen. Soviel von ihm; inzwischen hatte nun nach seiner Abreise seine Gattin zwei Tage lang mit seiner Mutter zugebracht; am dritten Tage aber sprach sie zu ihr: »Preis sei Gott, soll ich drei Jahre lang bei ihm sitzen, ohne ins Bad zu gehen?« Alsdann hob sie an zu weinen, so daß Hasans Mutter Mitleid mit ihr hatte und zu ihr sagte: »Meine Tochter, wir sind hier fremd, und dein Gatte ist außer Landes. Wäre er hier, so würde er dich bedienen, während ich keinen weiß; jedoch will ich dir, meine Tochter, Wasser wärmen und dir den Kopf im Bade, das sich in unserm Hause befindet, waschen.« Da sagte sie zu ihr: »Meine Herrin, hättest du diese Worte zu einer der Sklavinnen gesprochen, so hätte sie verlangt auf dem Bazar verkauft zu werden und wäre nicht mehr bei euch geblieben. Die Männer, meine Herrin, sind zwar zu entschuldigen, da sie eifersüchtig sind, und ihr Verstand ihnen sagt, daß, wenn eine Frau das Haus verläßt, sie womöglich gleich Unzucht treibt; die Frauen sind jedoch nicht samt und sonders gleich, meine Herrin, und du weißt, daß, wenn eine Frau nach irgend einer Sache Verlangen trägt, keiner Gewalt über sie hat, sie zu hüten oder von dem Bade oder irgend einer andern Sache zurückzuhalten, da sie doch alles thut, was sie will.« Alsdann weinte sie und verfluchte sich selbst, und 16 jammerte über sich und ihre Fremdlingschaft, bis die Mutter ihres Gatten Mitleid mit ihr empfand und einsah, daß alles, was sie sagte, geschehen müsse. Infolgedessen erhob sie sich, machte die Sachen, die sie fürs Bad brauchten, zurecht und machte sich mit ihr auf den Weg zum Bad. Als sie in dasselbe eingetreten waren, zog sie ihr die Sachen aus, während alle Frauen sie anschauten und, sie betrachtend, Gott, den Mächtigen und Herrlichen, für die strahlende Gestalt, die er erschaffen, lobpreisten. Ebenso kamen alle Frauen, die am Bad vorübergingen, herein, und ihr Ruhm verbreitete sich in der Stadt, daß sich die Frauen um sie drängten und niemand durch das Bad gehen konnte. Nun traf es sich, daß an jenem Tage bei diesem wunderbaren Ereignisse auch eine Sklavin des Fürsten der Gläubigen Hārûn er-Raschîd, Namens Tohfe, die Lautnerin, zum Bade kam. Als diese das Gedränge der Frauen und Mädchen sah, daß niemand das Bad passieren konnte, fragte sie, was es gäbe, worauf man ihr von der jungen Frau erzählte. Da ging sie zu ihr herein und besah sie sich, verwirrt von ihrer Schönheit und Anmut und Gott – verherrlicht sei seine Herrlichkeit! – für die schönen Gestalten, die er erschaffen, lobpreisend. Sie ging weder ins Bad noch wusch sie sich, sondern that nichts als daß sie die junge Frau anstarrte, bis sie ihr Bad beendet hatte und hinausging sich die Sachen anzuziehen, worauf Schönheit zu Schönheit hinzugefügt wurde. Als sie aus dem Baderaum herauskam, setzte sie sich auf den Diwan, während die Frauen sie angafften; dann wendete sie sich ihnen zu und ging hinaus. Tohfe die Lautnerin, die Sklavin des Chalifen, erhob sich nun auch und folgte ihr, um zu schauen, in welchem Hause sie wohnte, worauf sie sich von ihr verabschiedete und zum Chalifenpalast zurückkehrte. Sie hielt nicht eher an, als bis sie vor der Herrin Subeide stand und die Erde vor ihr küßte, worauf diese sie fragte: »Tohfe, warum bist du so lange fortgeblieben?« Sie versetzte: »Meine Herrin, ich sah ein Wunder, wie ich dergleichen weder unter 17 Männern noch Frauen bisher sah; und deshalb ward ich abgehalten und ganz bezaubert und verstört, so daß ich mir nicht einmal den Kopf wusch.« Da fragte die Herrin Subeide: »Was ist's, Tohfe?« Sie entgegnete: »Meine Herrin, ich sah eine junge Frau mit zwei kleinen Knaben gleich Monden im Bade, und nie sah ich jemand ihr gleich, sei es vor ihr oder nach ihr; in der ganzen Welt giebt es keine Gestalt ihr gleich, und, bei deiner Huld, meine Herrin, wenn der Fürst der Gläubigen von ihr wüßte, so brächte er ihren Gatten um und nähme sie ihm fort, da ihresgleichen unter den Frauen keine einzige gefunden wird. Ich erkundigte mich auch nach ihrem Gatten und hörte, daß er ein Kaufmann sei, Namens Hasan von Basra, und ich folgte ihr, als sie aus dem Bad ging, bis zu ihrem Haus, welches das Wesirshaus mit den beiden Thoren ist, von denen das eine nach dem Fluß zu und das andere aufs Land geht. Noch einmal, meine Herrin, ich fürchte, der Fürst der Gläubigen könnte von ihr hören und, das Gesetz übertretend, ihren Gatten töten und sie heiraten.«

Siebenhundertundfünfundneunzigste Nacht.

Da versetzte die Herrin Subeide: »Wehe dir, Tohfe, ist jenes Weib so schön und anmutig, daß der Fürst der Gläubigen seinen Glauben für seine irdische Lust verkaufen und das Gesetz um ihretwillen übertreten sollte? Bei Gott, ich muß sie mit eigenen Augen sehen, und, wenn sie nicht so ist, wie du es gesagt hast, so lasse ich dir den Kopf abschlagen! Du Dirne, im Serâj des Fürsten der Gläubigen befinden sich dreihundertundsechzig Mädchen nach der Zahl der Tage im Jahre, und unter ihnen ist keine so schön, als du jene beschrieben hast!« Tohfe erwiderte: »Nein, bei Gott, meine Herrin, und auch nicht in ganz Bagdad noch in Persien oder Arabien, noch hat Gott, der Mächtige und Herrliche, eine ihr gleich erschaffen.«

Infolgedessen rief die Herrin Subeide Mesrûr und sagte zu ihm, als er erschien und die Erde vor ihr küßte: 18 »Mesrûr, geh' zum Wesirshaus mit den beiden Thoren, dem Land- und Stromthor, und bring' die Frau, die dort wohnt, mit ihren Kindern und der Alten, die bei ihr ist, schnell und ohne Verzug her.« Mesrûr versetzte: »Ich höre und gehorche,« und, sie verlassend, machte er sich auf den Weg, bis er zur Hausthür gelangte. Auf sein Pochen kam die Alte, die Mutter Hasans, zu ihm heraus und fragte: »Wer ist an der Thür?« Mesrûr antwortete: »Der Eunuch des Fürsten der Gläubigen.« Da öffnete sie die Thür, worauf er eintrat und sie begrüßte; nachdem sie ihm den Salâm erwidert hatte, fragte sie ihn nach seinem Begehr, worauf er zu ihr sagte: »Siehe, die Herrin Subeide, die Tochter El-Kâsims, die Gemahlin des Fürsten der Gläubigen Hārûn er-Raschîd, des sechstenHārûn er-Raschîd war der fünfte Nachkomme von Abbâs; ebenso war Subeide nicht El-Kâsims, sondern Dschaafar bin Mansûrs Tochter. der Nachkommen des Abbâs, des Oheims des Propheten, – Gott segne ihn und spende ihm Heil! – ladet dich, deines Sohnes Gattin und ihre Kinder zu sich ein, da ihr die Frauen von ihrer Schönheit erzählten.« Hasans Mutter versetzte: »O Mesrûr, wir sind Fremde, und mein Sohn, ihr Gemahl, ist nicht in der Stadt und befahl mir weder selbst auszugehen noch sie zu irgend einem von Gottes, des Erhabenen, Geschöpfen ausgehen zu lassen. Ich fürchte, es könnte etwas passieren, und, wenn dann mein Sohn heimkommt, so nimmt er sich das Leben; deswegen bitte ich, in deiner Güte nicht von uns etwas zu verlangen, was wir nicht thun können.« Mesrûr versetzte: »O meine Herrin, wenn ich wüßte, daß ihr dabei etwas zu befürchten hättet, so würde ich nicht von euch verlangen auszugehen; die Herrin Subeide wünscht die junge Frau nur zu sehen, worauf sie wieder heimkehren kann. Sei daher nicht ungehorsam, damit du es nicht bereust, und, wie ich euch von hier abhole, geleite ich euch auch wieder wohlbehalten heim, so Gott will, der Erhabene.« Da vermochte Hasans Mutter ihm nicht zu widersprechen und, hineingehend, machte sie die junge Frau 19 zurecht und kam mit ihr und den Kindern wieder heraus; dann folgte sie Mesrûr, der ihnen zum Chalifenpalast voranschritt und mit ihnen hinaufstieg, bis er sie vor die Herrin Subeide geführt hatte. Nachdem sie die Erde vor ihr geküßt und Segen auf sie erfleht hatten, sagte die Herrin Subeide zu der jungen Frau, die verschleiert war: »Möchtest du nicht dein Gesicht entschleiern, daß ich es schaue?« Da küßte die junge Frau die Erde vor ihr und entschleierte ein Gesicht, das den Vollmond am Himmelszelt mit seinem Glanz beschämte; die Herrin Subeide aber betrachtete sie erstaunt und verwirrt und ließ ihre Blicke über sie schweifen, während der Palast von ihrem Licht und dem Glanz ihres Gesichtes erleuchtet wurde, so daß ebenfalls alle im Schloß Anwesenden von ihrer Schönheit verwirrt wurden, und jeder, der sie sah, so bezaubert wurde, daß er kein Wort zum andern sprechen konnte. Hierauf erhob sich die Herrin Subeide und ließ die junge Frau aufstehen, worauf sie sie an ihre Brust zog und sie an ihrer Seite auf dem Thron sitzen ließ. Dann befahl sie das Schloß zu schmücken und ihr einen der prächtigsten Anzüge und eine der kostbarsten Juwelenschnüre zu holen, mit denen sie die junge Frau schmückte, indem sie zu ihr sprach: »O Herrin der Schönen, siehe, du gefällst mir und erfüllst mein Auge. Was für Schätze besitzest du?« Die junge Frau erwiderte: »Meine Herrin, ich habe ein Federkleid, und, wenn ich es vor dir anzöge, so würdest du eins der schönsten Kunstwerke zu sehen und bewundern bekommen, und alle, die es schauten, würden von Geschlecht zu Geschlecht von seiner Schönheit erzählen.« Da fragte die Herrin Subeide: »Und wo ist dieses dein Kleid?« Sie versetzte: »Es ist bei der Mutter meines Gatten; fordere es von ihr für mich.« Da sprach die Herrin Subeide: »Meine Mutter, bei meinem Leben, geh' und hol' uns ihr Federkleid, damit wir an ihrem Vorhaben unsere Lust schauen, und nimm es dann wieder.« Die Alte entgegnete ihr: »Meine Herrin, sie lügt; haben wir je ein Weib mit einem 20 Federkleid gesehen? Ein solches haben nur Vögel.« Die junge Frau sagte jedoch zur Herrin Subeide: »Bei deinem Leben, meine Herrin, sie hat mein Federkleid, das in einer Kiste liegt, die in der Schatzkammer im Hause vergraben ist.« Da nahm die Herrin Subeide eine Juwelenschnur, die eines Kisrās und Kaisers Schätze kostete, vom Hals und sprach zur Alten, es ihr überreichend: »O meine Mutter, nimm dieses Halsband, und bei meinem Leben, geh' und hol' jenes Kleid, damit wir unser Vergnügen daran haben, und nimm es dann wieder an dich.« Als die Alte nun zu schwören anhob, daß sie das Kleid nicht gesehen hätte und nichts von ihm wüßte, schrie die Herrin Subeide sie an und nahm ihr die Schlüssel fort, worauf sie Mesrûr rief und zu ihm sagte: »Nimm diesen Schlüssel, geh' zu ihrem Haus, öffne es und geh' in die Kammer mit der und der Thür. Mitten in derselben ist eine Kiste vergraben; hole sie heraus, zerbrich sie und bring das Federkleid, das sich in derselben befindet, hierher.«

Siebenhundertundsechsundneunzigste Nacht.

Mesrûr versetzte: »Ich höre und gehorche,« und, den Schlüssel aus der Hand der Herrin Subeide an sich nehmend, ging er fort, begleitet von Hasans alter Mutter, die aus Reue darüber, daß sie der jungen Frau nachgegeben hatte und mit ihr ins Bad gegangen war, in Thränen zerfloß, während dies von der jungen Frau nur eine List gewesen war. Als nun die Alte mit Mesrûr in ihr Haus getreten war, öffnete sie die Thür der Kammer, worauf er eintrat und die Kiste hervorholte; dann nahm er das Kleid aus ihr heraus, wickelte es in ein Tuch ein und brachte es der Herrin Subeide, die es nahm und um und um drehte und sich über seine kunstvolle Arbeit verwunderte. Hierauf reichte sie es ihr und fragte sie: »Ist dies dein Federkleid?« Sie versetzte: »Jawohl, meine Herrin;« alsdann streckte sie ihre Hand danach aus und nahm es ihr erfreut ab, worauf sie es musterte und zu ihrer Freude fand, daß es ganz war wie zuvor, und daß keine einzige Feder fehlte. Indem sie 21 sich nun von der Seite der Herrin Subeide erhob, nahm sie das Gewand auseinander und, ihre Kinder an ihre Brust drückend, hüllte sie sich in dasselbe ein und ward durch Gottes, des Mächtigen und Herrlichen, Allmacht ein Vogel, worüber die Herrin Subeide und alle Anwesenden sich verwunderten. Alsdann schritt sie wippend auf und ab und tänzelte und spielte, während alle Anwesenden ihr vor Verwunderung starr zusahen, bis sie mit wohltönender Stimme fragte: »Ist dies hübsch, meine Herrinnen?« Die Anwesenden erwiderten: »Jawohl, o Herrin der Schönen, alles, was du thust, ist hübsch.« Hierauf versetzte sie: »Was ich jetzt thun werde, ist noch schöner, meine Herrinnen.« Mit diesen Worten breitete sie ihre Schwingen aus und, mit ihren Kindern auf die Palastkuppel fliegend, ließ sie sich auf das Dach des Saals nieder, während die andern ihr mit großen Augen zuschauten und sprachen: »Bei Gott, das ist eine merkwürdige und hübsche Kunst, wie wir bisher nichts Ähnliches sahen.« Die Herrin Subeide aber sprach zu ihr: »Willst du nicht wieder zu uns herunterkommen, auf daß wir uns an deiner Schönheit satt schauen, o Herrin der Holdseligen? Preis Ihm, der dir Beredsamkeit und strahlende Schönheit verliehen hat!« Sie versetzte jedoch: »Weit gefehlt, daß das Vergangene wiederkehren sollte!« Alsdann sprach sie, indem sie sich vor ihrem Flug in ihr Heimatsland wieder ihres Gatten erinnerte, zur Mutter des trauernden, unglücklichen Hasan: »Bei Gott, meine Herrin, o Mutter Hasans, ich werde einsam sein ohne dich! Und wenn dein Sohn heimkehrt, und die Tage der Trennung ihm lange währen, und er nach Vereinigung und Wiedersehen verlangt, und ihn die Stürme der Liebe und Sehnsucht schütteln, dann soll er sich aufmachen zu den Inseln Wâk.«Man hat diese Inseln, die später auch Wâk Wâk genannt werden, sowohl an der Ostküste Afrikas, als in Neuguinea und den benachbarten Inseln, ja selbst in Japan finden wollen. Alsdann flog sie mit ihren Kindern nach ihrem Lande fort. 22

Als Hasans Mutter dies sah, schlug sie sich weinend vors Gesicht, bis sie in Ohnmacht sank; und, als sie wieder zu sich kam, sagte die Herrin Subeide zu ihr: »O meine Herrin und Pilgerin, ich wußte nicht, daß dies geschehen würde; wenn du mir von ihr Näheres mitgeteilt hättest, so hätte ich nicht wider deinen Willen gehandelt. Erst jetzt sah ich, daß es eine Dschinnîje von den fliegenden Dschinn ist; hätte ich das früher gewußt, so hätte ich sie nicht das Kleid sich anziehen und ihre Kinder an sich nehmen lassen. Sprich mich daher von der Schuld frei, meine Herrin.« Da sagte die Alte, da sie in ihrer Hand kein anderes Mittel hatte: »Du bist frei,« und verließ den Chalifenpalast, fortwährend schreitend, bis sie ihr Haus betrat, wo sie sich vors Gesicht schlug, bis sie in Ohnmacht sank. Als sie dann wieder zu sich kam. sehnte sie sich nach ihr, ihren Kindern und ihrem Sohn und sprach die Verse:

»Am Trennungstage mußte ich weinen über euer Scheiden,
Aus Kummer über eure Trennung von der Heimat.
In brennendem Trennungsschmerz schrie ich laut,
Und die Thränen, die ich weinte, machten meine Lider wund;
Dies ist Trennung. Ach, giebt's für uns ein Wiedersehn?
So raubte die Trennung von euch mir die Kraft zu verheimlichen.
Ach, wären sie doch in echten Treuen wiedergekehrt!
Vielleicht kehrt mit ihrer Wiederkehr auch meine Zeit wieder.«

Alsdann erhob sie sich, grub drei Gräber im Hause und brachte bei ihnen weinend die Tage und Nächte zu; und als ihr ihres Sohnes Abwesenheit zu lange währte, und ihre Unruhe, Sehnsucht und Trauer wuchs, sprach sie die Verse:

Dein Bildnis ist immer zwischen meinen Lidern,
Und dein gedenk ich, ob mein Herz pocht oder ruhig ist.
Die Liebe zu dir kreist in meinem Leib
Wie der Saft in des Gezweiges Früchten.
An dem Tag, da ich dich nicht schaue, ist meine Brust beengt,
Und die Tadler entschuldigen mich wegen meiner Kümmernisse.
O du, der mein ganzes Herz so sehr eingenommen hat,
Daß meiner Liebe Leidenschaft noch übertroffen wird von meiner Liebe Wahnsinn, 23
Fürchte den Allerbarmer und hab' Mitleid mit mir,
Denn die Liebe zu dir hat mich Todesängste schmecken lassen.«

Siebenhundertundsiebenundneunzigste Nacht.

Soviel von Hasans Mutter; inzwischen hatten nun die Mädchen Hasan beschworen, drei Monate bei ihm zu verweilen, nach deren Verlauf sie ihn mit Geld ausrüsteten und ihm zehn Lasten gaben, fünf mit Gold und fünf mit Silber. Außerdem machten sie ihm noch eine Last mit Proviant zurecht und begleiteten ihn, bis er sie beschwor umzukehren. Da umarmten sie ihn zum Abschied, und die Jüngste trat an ihn heran und umarmte ihn weinend, bis sie in Ohnmacht sank, worauf sie die beiden Verse sprach:

»Wann wird das Feuer der Trennung durch eure Nähe ausgelöscht werden?
Wann stille ich mein Sehnen an euch, und wann leben wir wieder wie zuvor?
Der Tag der Trennung hat mich erschreckt und schmerzlich verwundet,
Und das Abschiednehmen von euch, meine Herren, hat meine Schwäche vermehrt.«

Hierauf trat das zweite Mädchen vor, umarmte ihn und sprach die beiden Verse:

»Der Abschied von dir ist wie der Abschied vom Leben,
Und dich entbehren heißt den Zephyr entbehren.
Dein Fernsein ist ein Feuer, das mein Herz versehrt,
Und in deiner Nähe leb' ich wie im Garten der Wonnen.«Der Garten der Wonnen ist das Paradies.

Hierauf trat das dritte Mädchen vor, umarmte ihn und sprach die beiden Verse:

Am Tag der Trennung unterließen wir das Abschiednehmen
Aus Verdrossenheit nicht und nicht aus einem andern häßlichen Grund.
Du bist meine Seele im wahrsten Sinne des Worts,
Und wie sollt' ich wohl von meiner Seele Abschied nehmen?«

Hierauf trat das vierte Mädchen vor, umarmte ihn und sprach die beiden Verse: 24

»Nichts machte mich weinen als seine Worte vom Scheiden,
Als er Abschied nahm und vom Scheiden zu mir sprach
Schau' die Perle, die ich in mein Ohr hängte,
Sie strömte aus meinen Thränen zusammen.«

Hierauf trat das fünfte Mädchen vor, umarmte ihn und sprach die beiden Verse:

Zieh' nicht hinfort, denn mir fehlt die Kraft ohne dich zu leben,
Ja selbst von dir Abschied zu nehmen fällt mir zu schwer.
Mir fehlt die Geduld die Trennung von dir zu ertragen,
Und die Thränen fehlen mir, sie auf des Hauses Trümmer zu vergießen.«

Hierauf trat das sechste Mädchen vor, umarmte ihn und sprach die beiden Verse:

»Ich sprach, als die Kamele mit ihnen fortzogen,
Und als Sehnsucht mein Herz zerquälte:
Wenn ich eines Königs Macht hätte,
Ich hielte alle Schiffe mit Gewalt fest.«

Zuletzt trat das siebente Mädchen vor, umarmte ihn und sprach die beiden Verse:

Wenn du ihn Abschied nehmen siehst, so fasse dich,
Und laß dich nicht von der Trennung erschrecken;
Erwarte seine Rückkehr in kurzer Frist,
Denn, siehe, die Herzen hassen den Abschied.«

Da nahm Hasan ebenfalls von ihnen Abschied und weinte, bis er aus Schmerz über die Trennung von ihnen in Ohnmacht sank. Alsdann sprach er die Verse:

»Am Trennungstage strömten meine Thränen wie Perlen,
Die ich zu Halsschnüren aufreihte.
Der Kameltreiber trieb die Kamele an mit Gesang,
Und ich verlor Fassung, Geduld und mein Herz.
Ich sagte ihnen Lebewohl und zog trauernd ab
Und verließ die trauten Stelldicheinplätze und Stätten.
Ich kehrte heim, ohne den Weg zu kennen, und meine Seele
Freute sich einzig der Hoffnung auf Wiederkehr.
O mein Freund, hör' auf die Worte der Liebe,
Gott hüte, daß dein Herz meine Worte vergißt!
O meine Seele, wenn du von ihnen scheidest, so scheide auch
Von des Lebens Freuden und wünsche nicht länger zu leben.« 25

Hierauf reiste er eilig Tag und Nacht, bis er nach Bagdad, der Stätte des Friedens und dem Heiligtum der Abbasidenchalifen, gelangte, ohne eine Ahnung von dem, was nach seiner Abreise geschehen war, zu haben. Als er nun zu seiner Mutter ins Haus trat und sie begrüßte, sah er, daß sich ihr Leib und Gebein vor Trauer und Schlaflosigkeit und Weinen und Wehklagen ganz verzehrt hatte, und daß sie dünn wie ein Zahnstocher geworden war, ohne ihm den Gruß erwidern zu können; infolgedessen schickte er die Dromedare fort und durchsuchte das ganze Haus nach seiner Gattin und seinen Kindern, ohne eine Spur von ihnen zu finden. Da schaute er nach der Kammer, und als er nun sowohl sie als die Kiste offen fand und kein Kleid in der letzteren sah, wußte er, daß sie sich in den Besitz des Federkleides gesetzt hatte und mit ihren Kindern auf und davon geflogen war. Er ging deshalb wieder zu seiner Mutter und fragte sie, als er sah, daß sie wieder zu sich gekommen war, nach seiner Gattin und ihren Kindern, worauf sie weinend zu ihm sagte: »O mein Sohn, Gott entschädige dich reichlich für ihren Verlust, hier sind ihre drei Gräber.« Bei diesen Worten seiner Mutter stieß er einen lauten Schrei aus und stürzte ohnmächtig zu Boden, in seiner Ohnmacht vom frühen Morgen an bis zum Mittag verharrend, so daß sich seiner Mutter Gram verdoppelte, und sie bereits an seinem Leben verzweifelte. Als er dann endlich wieder zu sich kam, weinte er und, sich vors Gesicht schlagend, die Kleider zerreißend und verstört im Hause umherwandernd, sprach er die beiden Verse:

»Schon vor mir hat man der Sehnsucht Schmerzen geklagt,
Und Lebende und Verstorbene sind durch die Trennung erschreckt
Doch ein Leid, das wie meines die Rippen preßt,
Hab' ich nimmer gehört und geschaut.«

Nachdem er die Verse gesprochen hatte, zückte er sein Schwert und sprach zu seiner Mutter, auf sie losgehend: »Wenn du mir nicht die Wahrheit sagst, schlage ich dir den Kopf ab und bringe mich dann selber um.« Da sagte sie: »Mein 26 Sohn, thu' dies nicht, ich will dir alles erzählen; zuvor steck' jedoch dein Schwert in die Scheide und sitz' still.« Da steckte er das Schwert ein und setzte sich an ihre Seite, worauf sie ihm die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende vortrug und zum Schluß zu ihm sagte: »Mein Sohn, hätte ich sie nicht in ihrem Verlangen nach dem Bade weinen gesehen und nicht befürchtet, sie könnte sich nach deiner Rückkehr bei dir beklagen, daß du dich wider mich erzürntest, so wäre ich nicht mit ihr dorthin gegangen; und wenn sich die Herrin Subeide nicht wider mich erzürnt und mir den Schlüssel mit Gewalt entrissen hätte, hätte ich das Kleid nicht hervorgeholt, und wäre es mein Tod gewesen. Doch du weißt, mein Sohn, daß sich keine Hand mit der Hand des Chalifats an Länge messen kann. Als sie ihr dann das Kleid hervorgeholt hatten, nahm sie es und kehrte es um und um, da sie glaubte, es könnte etwas von ihm verloren gegangen sein. Da sie jedoch sah, daß es keinen Schaden gelitten hatte, freute sie sich und nahm ihre Kinder, dieselben fest an ihren Leib bindend. Dann zog sie das Federkleid an, nachdem ihr die Herrin Subeide alle Sachen, die sie anhatte, ihrer Schönheit zu Ehren ausgezogen hatte, und schüttelte sich, worauf sie ein Vogel ward und im Schloß auf und ab schritt, während die andern ihr zuschauten und ihre Schönheit und Anmut bewunderten. Mit einem Male aber flog sie aufs Schloß und sprach zu mir, mich anblickend: »Wenn dein Sohn heimkehrt, und ihm die Nächte der Trennung lange währen, und er nach Vereinigung und Wiedersehen verlangt, und ihn die Stürme der Liebe und Sehnsucht schütteln, dann soll er seine Heimat verlassen und sich aufmachen zu den Inseln Wâk.« Also trug es sich mit ihr während deiner Abwesenheit zu.«

Siebenhundertundachtundneunzigste Nacht.

Als Hasan seiner Mutter Erzählung vernommen hatte, stieß er einen lauten Schrei aus und sank in Ohnmacht, aus der er erst am Abend wieder zu sich kam. Dann schlug er 27 sich vors Gesicht und wälzte sich wie eine Schlange am Boden, während seine Mutter ihm weinend bis Mitternacht zu Häupten saß. Als er dann wieder zu sich kam, stand er auf und wanderte fünf Tage lang weinend und jammernd und wehklagend im Hause umher, ohne Speise oder Trank zu sich zu nehmen, bis seine Mutter an ihn herantrat und ihn bat und beschwor das Weinen ruhen zu lassen, ohne daß er sich an ihre Worte kehrte oder auf ihre Tröstungen hörte. Weinend und stöhnend und Verse sprechend verbrachte er die Nacht, bis sich seine Augen ermüdet schlossen, und er im Traum seine Gattin bekümmert weinen sah. Da erwachte er mit einem Schrei und sprach die beiden Verse:

»Dein Bildnis weilt bei mir und weicht für keine Stunde von mir,
Denn in meinem Herzen gab ich ihm den Ehrenplatz,
Wäre nicht die Hoffnung auf Wiederkehr, ich lebte keine Stunde mehr
Und käme nicht dein Bild im Traum zu mir, ich legte mich nicht zur Ruhe.«

Am nächsten Morgen weinte und jammerte er noch mehr und verharrte einen vollen Monat lang weinend, Thränen vergießenden Auges, bekümmerten Herzens, schlaflos in der Nacht und wenig Speise zu sich nehmend. Nach dieser Zeit fiel es ihm ein zu seinen Schwestern zu reisen, daß sie ihm beiständen, wieder zu seiner Gattin zu gelangen, weshalb er die Dromedare herbeitrommelte und fünfzig derselben mit den Seltenheiten des Irâk belud. Alsdann brachte er sein Gut mit Ausnahme weniger Sachen, die er zu Hause ließ, sicher unter und ritt, sich aufsetzend und seiner Mutter die Sorge fürs Haus anempfehlend, zu seinen Schwestern fort, um vielleicht bei ihnen Hilfe zu seiner Wiedervereinigung mit seiner Gattin zu finden. Als er bei dem Schloß auf dem Wolkenberg angelangt und bei ihnen eingetreten war, übergab er ihnen die Geschenke, während sie ihn, erfreut über dieselben, zu seiner wohlbehaltenen Ankunft beglückwünschten und ihn fragten: »Bruder, warum bist du so schnell wiedergekommen, wo du erst vor zwei Monaten bei uns warst?« Da weinte er und sprach die Verse: 28

Ich sehe meine Seele in Kümmernis über den Verlust der Geliebten,
Weder Freude am Leben noch an seinen Wonnen empfindend.
Mein Leid ist eine Krankheit, deren Kur unbekannt ist,
Und kann ein anderer Krankheiten heilen als ihr Arzt?«

Dann stieß er einen lauten Schrei aus und sank ohnmächtig zu Boden, während sich die Mädchen rings um ihn setzten und über ihn weinten, bis er aus seiner Ohnmacht wieder zu sich kam, worauf er die beiden Verse sprach:

Vielleicht, ach, wendet das Schicksal die Zügel nun
Und bringt die Geliebte mir wieder im Neid der Zeit;
Mein Schicksal kann mir Glück bringen und meine Wünsche erfüllen,
Und nach all dem Leid kann auch wieder Freude kommen.«

Hierauf fragten sie ihn, was ihm fehle, und nun erzählte er ihnen, wie es ihm während seiner Abwesenheit ergangen wäre, und daß seine Gattin mit seinen Kindern fortgeflogen sei. Da bekümmerten sie sich über ihn und fragten ihn, was sie beim Fortfliegen gesprochen hätte, worauf er sprach: »Meine Schwestern, sie sagte zu meiner Mutter: Sprich zu deinem Sohn, wenn er heimkehrt, und die Nächte der Trennung ihm lange währen, und er sich sehnt nach Wiedersehen und Vereinigung, und die Stürme der Liebe und Sehnsucht ihn schütteln, er solle zu mir kommen zu den Inseln Wâk.« Als sie seine Worte vernahmen, gaben sie einander Zeichen und überlegten, während Hasan sie anschaute. Dann senkten sie ihr Haupt nieder, und als sie es wieder erhoben, riefen sie: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« Alsdann sprachen sie zu ihm: »Strecke deine Hand zum Himmel aus und, so du ihn erreichst, gelangst du auch zu deiner Gattin.«

Siebenhundertundneunundneunzigste Nacht.

Als Hasan ihre Worte vernahm, vergoß er Thränen in Regenströmen, daß sie seine Wangen netzten, und klagte sein Leid in Versen, so daß die Mädchen mit ihm weinten und von Mitgefühl und Eifer für ihn erfaßt wurden. Dann trösteten sie ihn, ihn zur Geduld ermahnend, und beteten für seine 29 Vereinigung mit seiner Gattin, während seine Schwester an ihn herantrat und zu ihm sprach: »O mein Bruder, sei guten Mutes und kühlen Auges und fasse dich, damit du deinen Wunsch erreichst; denn wer sich in Geduld ergiebt und abwartet, erreicht seinen Wunsch. Geduld ist der Schlüssel zum Trost, und der Dichter sagt:

»Laßt laufen das Schicksal in seinen Zügeln
Und leg' dich leichten Herzens zur Ruhe;
Zwischen eines Auges Zuschlag und Aufschlag
Vermag Gott das Schlimme zum Guten zu wenden.«

Alsdann sagte sie zu ihm: »Stärke dein Herz und nimm deine Kraft zusammen, denn wer zehn Jahre leben soll, stirbt nicht mit neun Jahren. Weinen, Gram und Trauer machen krank und siech; bleib' daher bei uns, bis du dich erholt hast, während ich dir inzwischen ein Mittel ausfindig mache, wie du wieder zu deiner Gattin und deinen Kindern gelangst, so es Gott will, der Erhabene.« Da weinte er bitterlich und sprach die Verse:

Wenn ich auch von meines Leibes Krankheit genese,
So genese ich doch nicht von der Krankheit meines Herzens.
Für die Krankheit der Liebe giebt's kein anderes Heilmittel
Als die Vereinigung des Liebenden mit der Geliebten.«

Hierauf setzte er sich zu seiner Schwester, die mit ihm plauderte, ihn tröstete und ihn fragte, weshalb seine Frau fortgeflogen wäre. Als er es ihr mitgeteilt hatte, sagte sie zu ihm: »Bei Gott, mein Bruder, ich wollte dir den Rat geben das Federkleid zu verbrennen, doch ließ es mich Satan vergessen.« Alsdann plauderte sie weiter mit ihm und sprach ihm Trost zu, während er, als ihm die Zeit lange währte, und seine Unruhe sich vermehrte, die Verse sprach:

»Eine Geliebte, mir so vertraut, hat mein Herz eingenommen,
Denn Gottes Beschluß kann nicht verhindert werden.
Alle Schönheit der Araber vereint sie in sich;
Eine Gazelle, die in meinem Herzen weidet.
Hübsch ist sie und zählt zweimal sieben Jahre,
Als wäre sie der Mond von fünf und fünf und vier Tagen.« 30

Als nun seine Schwester sah, wie er von Liebesleid verstört und gedemütigt wurde, und wie die Sehnsucht ihn quälte, begab sie sich weinenden Auges und bekümmerten Herzens zu ihren Schwestern und warf sich weinend auf ihre Füße, dieselben mit Küssen bedeckend; dann bat sie sie ihrem Bruder zu helfen, daß er seinen Wunsch erreichte und wieder mit seinen Kindern und seiner Gattin vereint würde, und beschwor sie ein Mittel ausfindig zu machen, wie er nach den Inseln Wâk gelangen könne, bis ihre Schwestern mit ihr weinten und zu ihr sagten: »Sei guten Mutes, wir wollen uns Mühe geben, ihn, so Gott will, mit seinen Angehörigen wieder zu vereinigen.«

Hierauf verblieb Hasan ein volles Jahr bei ihnen, ohne daß seine Augen sich der Thränen enthalten konnten. Nun hatten aber die Mädchen einen Oheim, einen leiblichen Bruder ihres Vaters, Namens Abd el-Kaddûs, welcher der ältesten der Schwestern in großer Liebe zugethan war und sie in jedem Jahr einmal zu besuchen und ihre Wünsche zu erfüllen pflegte. Die Mädchen hatten ihm von Hasans Erlebnissen mit dem Magier und besonders, wie er den Magier getötet hatte, erzählt, und ihr Oheim hatte sich hierüber gefreut und hatte der Ältesten einen Beutel mit Räucherwerk gegeben und zu ihr gesprochen: »Meine Nichte, wenn dir etwas Sorgen macht oder wenn dich etwas verdrießt oder wenn du in irgend eine Not kommst, so wirf dieses Räucherwerk ins Feuer unter Nennung meines Namens; ich werde dann schnell bei dir sein und dein Anliegen erfüllen.« Dies hatte er am ersten Tage des Jahres gesprochen; und, da das Jahr vergangen war, sprach sie zu einer ihrer Schwestern: »Das Jahr ist völlig verstrichen, und mein Oheim ist nicht gekommen; steh' auf und hol' mir das Holz zum Feueranmachen und die Schachtel mit dem Räucherwerk.« Da erhob sich das Mädchen erfreut und holte die Schachtel mit dem Räucherwerk, aus der sie eine kleine Quantität nahm und ihrer Schwester reichte, die sie ins Feuer warf und 31 dabei den Namen ihres Oheims aussprach. Und ehe noch das Räucherwerk verbrannt war, da erhob sich fern im Wadi eine Staubwolke, unter der nach einer Weile ein auf einem Elefanten reitender Scheich sichtbar wurde, während der Elefant unter ihm trompetete. Als er die Mädchen erblickte, winkte er ihnen mit Händen und Füßen zu, bis er zu ihnen gelangte, worauf er vom Elefanten stieg und, bei ihnen eintretend, sie umarmte, während sie ihm die Hände küßten und ihm den Salâm boten. Hierauf setzte er sich und nun plauderten die Mädchen mit ihm und fragten ihn nach der Ursache seines Ausbleibens, worauf er zu ihnen sagte: »Ich saß soeben mit meiner Gattin, eurer Tante, da, als ich das Räucherwerk roch, weshalb ich mich auf diesem Elefanten sofort aufmachte; was begehrst du, meine Nichte?« Sie versetzte: »Oheim, wir sehnten uns nach dir, denn das Jahr war verstrichen, und sonst ist es nicht deine Gewohnheit von uns auszubleiben.« Er erwiderte: »Ich war beschäftigt, doch war ich entschlossen morgen zu euch zu kommen.« Da dankten sie ihm und wünschten ihm Gottes Segen, worauf sie wieder weiter mit ihm plauderten.

Achthundertste Nacht.

Hierbei sprach nun die Älteste zu ihm: »Mein Oheim, wir hatten dir von Hasan von Basra erzählt, den der Magier hergebracht hatte, der dann von ihm getötet wurde; ebenso hatten wir dir erzählt, wie er die Tochter des Großkönigs nach großen Drangsalen und Schrecknissen eingefangen und geheiratet hatte, und wie er mit ihr in sein Land gezogen war.« Er versetzte: »Jawohl; wie ist es ihm denn hernach ergangen?« Da sagte sie: »Sie hat ihn verraten, nachdem sie ihm zwei Kinder geschenkt hatte, und ist mit ihnen während seiner Abwesenheit in ihre Heimat zurückgekehrt. Vorher aber sprach sie zu seiner Mutter: »Wenn dein Sohn heimkehrt, und die Nächte der Trennung ihm lange währen, und er nach Vereinigung und Wiedersehen verlangt, 32 und die Stürme der Liebe und Sehnsucht ihn schütteln, so soll er zu mir kommen nach den Inseln Wâk.« Da schüttelte er sein Haupt und biß sich die Finger, worauf er sein Haupt zu Boden senkte und mit seinem Finger auf die Erde schrieb. Alsdann wendete er sich nach rechts und links und schüttelte sein Haupt, während Hasan ihm aus einem Versteck zusah. Nun sprachen die Mädchen zu ihrem Oheim: »Gieb uns Antwort, denn unsere Herzen sind schon gebrochen.« Er schüttelte jedoch sein Haupt und sprach zu ihnen: »Meine Töchter, dieser Mann hat sich vergeblich abgemüht und sich in große Schrecknisse und schwere Gefahren gestürzt, denn zu den Inseln Wâk kann er nicht gelangen.« Da riefen die Mädchen Hasan, worauf er aus seinem Versteck hervorkam und, auf den Scheich Abd el-Kaddûs zuschreitend, ihm die Hand küßte und ihn begrüßte. Der Scheich, der sich über ihn freute, ließ ihn an seine Seite niedersitzen, worauf die Mädchen zu ihrem Oheim sprachen: »Oheim, erkläre unserm Bruder die Wahrheit deiner Worte.« Da sagte er zu ihm: »O mein Sohn, erspar' dir diese schweren Folterqualen, denn du kannst doch nicht zu den Inseln Wâk gelangen, stünden dir auch die fliegenden Dschinn und die Wandelsterne zu Gebote. Zwischen dir und den Inseln Wâk befinden sich sieben Wadis, sieben Meere und sieben große Berge; wie wolltest du da zu jenem Ort gelangen, und wer sollte dich dorthin bringen? Um Gott, mein Sohn, kehre bald heim und plage dein Herz nicht ab.«

Als Hasan die Worte des Scheichs Abd el-Kaddûs vernahm, weinte er, bis er in Ohnmacht sank, während die Mädchen rings um ihn saßen und mit ihm weinten. Die jüngste der Schwestern aber zerriß ihre Kleider und schlug sich vors Gesicht, bis sie ebenfalls in Ohnmacht sank. Als der Scheich Abd el-Kaddûs sie in so großer Sorge, Trauer und solch leidenschaftlichem Schmerz sah, hatte er Mitleid mit ihnen und rief, von Mitgefühl für sie ergriffen: »Schweigt!« Alsdann sprach er zu Hasan: »Sei wohlgemut und freue dich 33 der Erreichung deines Wunsches, so Gott will, der Erhabene. Steh' auf, mein Sohn, nimm deine Kraft zusammen und folge mir.« Da erhob sich Hasan und, von den Schwestern sich verabschiedend, folgte er ihm voll Freuden über die Erreichung seines Wunsches. Alsdann rief der Scheich den Elefanten und setzte sich auf ihn, indem er Hasan hinter sich nahm, worauf er drei Tage und Nächte lang wie der blendende Blitz einherzog, bis er zu einem großen blauen Berg kam, dessen Felsen aus blauem Gestein bestanden, und in dem sich eine Höhle mit einem Thor aus chinesischem Eisen befand. Hier nahm der Scheich Hasan bei der Hand und ließ ihn absteigen, worauf er selber abstieg und den Elefanten entließ. Dann trat er an das Thor der Höhle und pochte, worauf sich das Thor aufthat und ein schwarzer Sklave, unbehaart wie ein Ifrît, herauskam, der in seiner Rechten ein Schwert und in der Linken einen Schild aus Stahl hielt. Als er den Scheich Abd el-Kaddûs erblickte, warf er Schwert und Schild aus der Hand und trat auf ihn zu, ihm die Hand küssend. Dann faßte der Scheich Hasan bei der Hand und führte ihn in die Höhle, während der Sklave hinter ihnen das Thor wieder verschloß. Hasan fand, daß es eine große und sehr geräumige Höhle war, mit einer gewölbten Vorhalle, in der sie einen Weg von einer Meile schritten, worauf sie zu einer weiten Fläche gelangten; von hier schritten sie zu einer Ecke des Berges mit zwei großen, aus Messing gegossenen Thoren, von denen der Scheich Abd el-Kaddûs eines öffnete. Dann sagte er zu Hasan: »Bleib hier am Thor sitzen und nimm dich in acht es zu öffnen und hineinzugehen, bis ich eingetreten und schnell wieder zu dir zurückgekehrt bin.« Hierauf schloß er die Thür hinter sich und blieb eine volle astronomische Stunde fort, worauf er mit einem aufgezäumten Hengst wiederkehrte, der beim Laufen flog und im Fliegen nicht von seinem Staub eingeholt wurde. Indem nun der Scheich Hasan diesen Hengst vorführte, sprach er zu ihm: »Sitz' auf.« Hierauf öffnete er 34 das andere Thor, hinter dem eine weite Steppe sichtbar wurde. Nachdem Hasan den Hengst bestiegen hatte, zogen beide durch das Thor in die Steppe, worauf der Scheich zu Hasan sagte: »Mein Sohn, nimm dieses Schreiben und reite auf dem Hengst bis zu dem Ort, wohin er dich führt. Siehst du, daß er an dem Thor einer Höhle gleich dieser hier Halt macht, so steig' von seinem Rücken ab, wirf seinen Zügel über den Sattelknopf und laß ihn los. Er wird in die Höhle gehen, du aber darfst nicht mit ihm in die Höhle eintreten, sondern mußt fünf Tage lang am Thor der Höhle stehen bleiben, ohne dich aufzuregen. Am sechsten Tage wird dann ein schwarzer Scheich in schwarzen Kleidern mit einem langen bis auf seinen Nabel niederhängenden weißen Bart zu dir herauskommen; sobald du ihn siehst, küsse ihm die Hände, fasse seinen Saum an, lege ihn auf dein Haupt und weine vor ihm, bis er sich deiner erbarmt und dich nach deinem Begehr fragt. Spricht er aber zu dir: »Was ist dein Begehr?« so überreiche ihm dieses Schreiben, das er ohne ein Wort dir abnehmen wird, worauf er wieder in die Höhle eintreten und dich allein lassen wird. Du mußt dann wieder fünf Tage lang, ohne unruhig zu werden, draußen stehen bleiben, bis er am sechsten Tage zu dir herauskommt. Kommt er allein zu dir heraus, so wisse, daß dein Wunsch erfüllt werden wird; kommt jedoch noch einer seiner Burschen mit ihm zu dir heraus, so wisse, daß dieser dich töten will. Der Frieden sei auf dir, mein Sohn, doch wisse, daß jeder, der sich in Gefahren begiebt, sich selber umbringt.

Achthundertunderste Nacht.

Fürchtest du daher für dein Leben, so stürz' es nicht in Gefahren, fürchtest du dich jedoch nicht, dann los auf dein Ziel, denn ich hab' dir alles auseinandergesetzt. Willst du jedoch zu deinen Freunden zurückkehren, so steht der Elefant zu deiner Verfügung und trägt dich zu meinen Nichten, die dich in dein Land zurückschaffen und deiner Heimat 35 wiedergeben werden; und Gott wird dir ein besseres Mädchen, als dieses, an das du dein Herz gehängt hast, schenken.« Hasan erwiderte dem Scheich: »Wie sollte mir wohl noch das Leben Freude machen, ohne daß ich meinen Wunsch erreichte? Bei Gott, ich will nimmer heimkehren, ehe ich nicht die Geliebte wiedergewonnen habe, und müßte es mein Tod sein!«

Der Scheich Abd el-Kaddûs, der hieraus ersah, daß er weder von seinem Vorhaben ablassen noch sich von Worten irgendwie beeinflussen lassen, sondern sein Leben aufs Spiel setzen würde, sagte nun zu ihm: »Wisse, mein Sohn, die Inseln Wâk sind sieben an der Zahl mit einem gewaltigen Heer. Dieses ganze Heer aber besteht aus Jungfrauen, und die Bewohner der inneren Inseln sind Satane, Mâride, Zauberer und verschiedene Stämme der Dschinn; keiner, der ihr Land betritt, kehrt wieder zurück, oder wenigstens gelangte niemand zu ihnen, der wieder zurückgekehrt wäre. Um Gott, kehre deshalb in Bälde zu deinen Angehörigen heim, denn wisse, das Mädchen, das du suchst, ist die Tochter des Königs aller dieser Inseln, und wie wolltest du zu ihr gelangen? Höre auf mich, mein Sohn, und vielleicht giebt dir Gott für sie eine Bessere zum Ersatz.« Da versetzte Hasan: »Bei Gott, mein Herr, würde ich auch in meiner Liebe zu ihr in Stücke geschnitten, meine Liebe zu ihr sollte trotzdem immer mehr wachsen. Ich muß mein Weib und meine Kinder wiedersehen und die Inseln Wâk betreten, und so Gott will, der Erhabene, kehre ich nur mit ihr und meinen Kindern wieder heim.« Der Scheich Abd el-Kaddûs erwiderte hierauf: »Mußt du also unbedingt die Fahrt unternehmen?« Hasan versetzte: »Jawohl; nur bitte ich dich für mich um Hilfe und Beistand zu beten, damit mich Gott in Bälde mit Weib und Kindern vereint.« Hierauf weinte er in seiner großen Sehnsucht bitterlich, bis er in Ohnmacht sank. Als er wieder zu sich kam, sagte der Scheich Abd el-Kaddûs zu ihm: »Mein Sohn, du hast noch eine Mutter; laß sie nicht deinen Verlust zu kosten bekommen.« Hasan entgegnete ihm 36 jedoch: »Bei Gott, mein Herr, ich kehre nur mit meiner Gattin wieder zurück, oder der Tod erreicht mich zuvor.« Alsdann weinte und jammerte er und sprach die Verse:

»Bei der Liebe, nicht soll die Trennung meinen Bund mit euch aufheben,
Denn ich bin nicht der Bundbrüchigen einer.
Wollte ich all meine Sehnsucht den Leuten schildern,
Sie würden sagen; »Wahnsinn hat ihn befallen.«
Weh und Trauer und Jammer und Herzleid,
Wer all dies erleidet, wie sollte es dem wohl anders ergehen?«

Als er seine Verse beendet hatte, wußte der Scheich, daß er von seinem Entschluß nicht abstehen würde, und sollte es selbst sein Leben kosten. Er überreichte ihm deshalb das Schreiben und betete für ihn, worauf er ihm noch einmal ans Herz legte, wie er sich zu verhalten hätte, und zu ihm sagte: »Ich habe dich in diesem Schreiben an Abur-Ruweisch, den Sohn der Bilkîs, der Tochter des Muîn, empfohlen, der mein Scheich und mein Lehrer ist, und vor dem sich alle Menschen und Dschinn fürchten und demütigen. Und nun zieh' hin in Gottes, des Erhabenen, Segen.« Da machte sich Hasan auf und ließ dem Hengst die Zügel hängen, worauf er mit ihm schneller als der Blitz davonflog und ihn zehn Tage ununterbrochen trug, bis Hasan vor sich einen großen Gegenstand erblickte, der schwärzer als die Nacht aussah und den Horizont vom Osten bis zum Westen verrammelte. Als Hasan ihm nahe kam, wieherte der Hengst unter ihm, worauf eine Menge Pferde, zahllos wie Regentropfen, herbeikam, die sich alle am Hengst zu reiben begannen, so daß Hasan von Furcht und Grausen erfaßt wurde. Doch trug der Hengst ihn, umringt von den Pferden, weiter, bis er zu der Höhle kam, die ihm der Scheich Abd el-Kaddûs beschrieben hatte, an deren Eingang er anhielt. Infolgedessen stieg Hasan ab und legte den Zaum über den Sattel, worauf der Hengst in die Höhle schritt, während Hasan gemäß dem Befehl des Scheichs Abd el-Kaddûs an dem Eingang der Höhle 37 stehenblieb, in Gedanken versunken über den Ausgang seiner Sache, und niedergeschlagen, aufgeregt und ohne zu wissen, was mit ihm geschehen würde.

Achthundertundzweite Nacht.

Fünf Tage und Nächte lang stand er so an dem Eingang der Höhle, ohne zu schlafen, bekümmert, niedergeschlagen, in traurigen Gedanken über die Trennung von seinen Angehörigen, seiner Heimat, seinen Gefährten und Freunden, weinenden Auges und kummervollen Herzens, bis er seiner Mutter gedachte, seines ungewissen Schicksals und der Trennung von Weib und Kindern und all seiner bisherigen Leiden, wobei er wieder Verse zu sprechen anhob, als mit einem Male der Scheich Abur-Ruweisch zu ihm herauskam, ein Schwarzer in schwarzem Gewand. Hasan, der ihm beim ersten Blick nach der Beschreibung des Scheichs Abd el-Kaddûs erkannte, warf sich auf ihn und rieb seine Wangen an seinen Füßen, worauf er einen derselben packte und ihn auf sein Haupt setzte, indem er dabei vor ihm weinte. Der Scheich Abur-Ruweisch fragte ihn: »Was ist dein Begehr, mein Sohn?« Da streckte er ihm seine Hand mit dem Schreiben entgegen und überreichte es ihm, worauf der Scheich Abur-Ruweisch es nahm und, ohne ihm eine Antwort zu geben, in die Höhle zurückging, während sich Hasan nach der Vorschrift des Scheichs Abd el-Kaddûs auf seinen Platz am Eingang der Höhle weinend niedersetzte und dort wieder fünf Tage lang saß, von wachsender Unruhe und Furcht gequält und ohne Schlaf zu finden. Er weinte die ganze Nacht über bis zum Anbruch der Morgenröte des sechsten Tages, als mit einem Male der Scheich Abur-Ruweisch in einem weißen Gewande zu ihm herauskam und ihn mit der Hand durch ein Zeichen aufforderte einzutreten. Da erhob sich Hasan erfreut, indem er nun sicher an die Erfüllung seines Begehrs glaubte, während der Scheich ihn bei der Hand faßte und mit ihm ohne Rast etwa einen halben Tag 38 lang in die Höhle hineinwanderte, bis sie zu einem Thorbogen mit einem Thor aus Stahl gelangten. Der Scheich öffnete das Thor und trat nun mit Hasan in eine gewölbte Vorhalle aus mit Goldfarbe bemalten Onyxsteinen, die sie durchschritten, bis sie zu einem großen und geräumigen, mit Marmor getäfelten Saal gelangten, in dessen Mitte sich ein Garten mit allerlei Blumen und Früchten und Bäumen befand, auf deren Zweigen die Vögel trillerten und Gott, den allgewaltigen König, lobpreisten. Der Saal hatte vier einander gegenüberliegende Līwâne, von denen jeder einen Platz zum Sitzen hatte, mit einem Springbrunnen in der Mitte, an deren Ecken goldene Löwen standen. An jedem dieser Plätze stand ein Thron, auf dem ein Scheich saß, der sehr viele Bücher vor sich liegen hatte. Außerdem standen goldene Räuchergefäße vor ihnen mit Feuer und Räucherwerk, und vor jedem der Scheiche saßen Schüler, die ihnen die Bücher vorlasen. Als nun die beiden eintraten, erhoben sich die Scheiche vor ihnen und erwiesen ihnen ihre Hochachtung, worauf der Scheich Abur-Ruweisch ihnen ein Zeichen gab die Anwesenden zu entlassen. Nachdem sie dies gethan hatten, erhoben sich die vier Scheiche und setzten sich vor den Scheich Abur-Ruweisch, indem sie ihn nach Hasan fragten. Infolgedessen gab er Hasan ein Zeichen und sagte zu ihm: »Erzähle ihnen deine Geschichte und alle deine Erlebnisse von Anfang bis zu Ende.« Da weinte Hasan bitterlich und erzählte ihnen seine Geschichte, worauf alle Scheiche laut riefen: »Ist er's, den der Magier durch die Geier in der Kamelshaut auf den Wolkenberg tragen ließ?« Als Hasan es bejahte, wendeten sie sich zu Abur-Ruweisch und sprachen zu ihm: »O unser Scheich, siehe, der Magier Bahrâm bewerkstelligte es durch seine List, daß er auf den Wolkenberg gelangte, wie aber kam er wieder herunter, und was für Wunderdinge erschaute er dort oben?« Da sagte der Scheich Abur-Ruweisch zu Hasan: »Hasan, erzähl' ihnen, wie du herunterkamst, und was du für 39 Wunderdinge erschautest.« Hierauf erzählte ihnen Hasan alle seine Abenteuer von Anfang bis zu Ende, und besonders wie er sich des Magiers bemächtigt und ihn getötet hatte, wie seine Gattin ihn verraten hatte, und mit seinen Kindern fortgeflogen war, und alle die Schrecknisse und Drangsale, die er zu erdulden gehabt hatte. Verwundert über seine Erlebnisse, wendeten sich die Anwesenden zum Scheich Abur-Ruweisch und sprachen zu ihm: »O Scheich der Scheiche, bei Gott, dieser Jüngling ist unglücklich, aber vielleicht verhilfst du ihm wieder zu Weib und Kindern.«

Achthundertunddritte Nacht.

Der Scheich Abur-Ruweisch erwiderte ihnen: »Meine Brüder, dies ist ein sehr gefährlich Ding, und außer diesem Jüngling sah ich noch keinen Lebensüberdrüssigen. Ihr wißt, daß man schwer zu den Inseln Wâk gelangen kann, und daß keiner dorthin gelangt, der nicht sein Leben aufs Spiel setzt. Ferner kennt ihr auch die Stärke ihrer Streiter und Garden, und überdies habe ich geschworen, weder ihren Boden zu betreten noch mich gegen sie in irgend einer Sache zu vergehen; wie sollte also dieser da zur Tochter des Großkönigs gelangen und wer hätte die Macht ihn dorthin zu bringen oder ihm hierzu behilflich zu sein?«

Da versetzten sie: »O Scheich der Scheiche, dieser Mann ist von Sehnsucht verzehrt und hat sein Leben in Gefahr gestürzt; außerdem hat er dir einen Brief von deinem Bruder, dem Scheich Abd el-Kaddrûs, gebracht, weshalb es dir geziemt ihm zu helfen.« Da erhob sich Hasan und sprach zum Scheich Abur-Ruweisch, indem er ihm den Fuß küßte und weinend seinen Saum auf sein Haupt legte: »Ich bitte dich um Gottes willen, vereinige mich wieder mit meinen Kindern und meinem Weib, und sollte ich hierbei auch meine Seele und mein Leben lassen.« Nun hoben alle Anwesenden an mit ihm zu weinen und sagten zum Scheich Abur-Ruweisch: »Erbeute dir den Lohn des Himmels, indem du diesem 40 Unglücklichen beistehst und ihm um deines Bruders, des Scheichs Abd el-Kaddûs willen, einen Liebesdienst erweist.« Da versetzte der Scheich Abur-Ruweisch: »Dieser unglückliche Jüngling weiß nicht, was er unternehmen will, jedoch wollen wir ihm nach Kräften helfen.« Als Hasan seine Worte vernahm, küßte er ihm und allen Anwesenden der Reihe nach erfreut die Hände, indem er sie dabei um ihren Beistand bat. Und nun nahm der Scheich Abur-Ruweisch Tinte und ein Blatt Papier und schrieb einen Brief, den er siegelte und Hasan zugleich mit einem Lederbeutel voll Räucherwerk, Holzstäben zum Feueranmachen und andern Dingen übergab, indem er dabei zu ihm sprach: »Gieb acht auf diesen Beutel und, so du in Not gerätst, so verbrenne ein wenig von dem Räucherwerk unter Nennung meines Namens, worauf ich augenblicklich erscheinen und dich aus der Gefahr retten werde.« Hierauf befahl er einem der anwesenden Scheiche ihm sofort einen der fliegenden Ifrîte zu holen. Als derselbe erschien, fragte ihn der Scheich: »Wie ist dein Name?« Er erwiderte: Dein Sklave heißt Dahnasch, der Sohn des Faktasch.« Nun sagte Abur-Ruweisch zu ihm: »Tritt nahe an mich heran.« Da trat er an ihn heran, worauf der Scheich Abur-Ruweisch seinen Mund an sein Ohr legte und ihm etwas zuflüsterte. Als der Ifrît daraufhin den Kopf schüttelte, sprach der Scheich zu Hasan: »Mein Sohn, steh auf und setz' dich auf die Schulter dieses Ifrîten, genannt Dahnasch der Flieger; wenn er jedoch mit dir zum Himmel entschwebt, und du der Engel Lobpreisungen in der Höhe hörst, so stimme nicht ein in dieselben, sonst ist es dein und sein Untergang.« Hasan versetzte: »Ich werde nicht den geringsten Laut von mir geben.« Hierauf fuhr der Scheich fort: »Hasan, wenn er mit dir fortgeflogen ist, so wird er dich am andern Tage auf einem Land, das so weiß und rein wie Kampfer ist, absetzen. Von hier hast du zehn Tage allein zu wandern, bis du zu einem Stadtthor gelangst. Tritt durch dasselbe ein, erkundige dich nach dem König der Stadt, und, so du vor 41 ihn geführt wirst, begrüß' ihn, küss' ihm die Hand und übergieb ihm diesen Brief. Was er dir dann raten wird, das überlege wohl.« Hasan erwiderte: »Ich höre und gehorche,« und stieg auf den Nacken des Ifrîts, worauf die Scheiche, sich erhebend, für ihn beteten und ihn dem Ifrît anempfahlen; alsdann erhob sich der Ifrît mit ihm zu den Wolken des Himmels und flog mit ihm einen Tag und eine Nacht, bis er die Lobpreisungen der Engel im Himmel hörte. Am andern Morgen setzte er ihn dann auf einem Lande, weiß wie Kampfer, ab und verließ ihn. Als nun Hasan merkte, daß er sich auf dem Boden befand und allein war, wanderte er Nacht und Tag zehn Tage lang, bis er zu dem Stadtthor gelangte, worauf er durch dasselbe eintrat und sich nach dem König erkundigte. Da wiesen sie ihn zu ihm und sagten ihm, daß sein Name Hassûn, der König des Kampferlandes, wäre, und daß er so viel Mannen und Reisige hätte, daß die ganze Erde in der Länge und Breite von ihnen hätte bedeckt werden können. Hasan bat ihn um Audienz und trat nach erteilter Erlaubnis ein; und als er sah, daß er ein mächtiger König war, küßte er die Erde vor ihm, worauf der König ihn nach seinem Begehr fragte. Da küßte Hasan den Brief und überreichte ihn dem König, der ihn nahm und las; dann schüttelte er sein Haupt eine Weile und sagte zu einem seiner Höflinge: »Nimm diesen Jüngling und bring' ihn im Haus für die Gäste unter.«

Der Höfling that es, worauf Hasan dort drei Tage allein bei Speise und Trank zubrachte, einzig von einem Eunuchen bedient, der ihm Gesellschaft leistete und mit ihm plauderte, wobei Hasan ihm auf seine Frage, wie er in dieses Land käme, seine ganze Geschichte und seine mißliche Lage mitteilte. Am vierten Tage nahm ihn der Bursche wieder und führte ihn vor den König, der nun zu ihm sprach: »Hasan, du bist hierher gekommen, um zu den Inseln Wâk zu gelangen, wie es uns der Scheich der Scheiche mitgeteilt hat. Mein Sohn, ich werde dich in diesen Tagen dorthin schicken, wiewohl 42 unterwegs viele Gefahren und durstige Wüsten voll von Schrecknissen zu bestehen sind; so du jedoch standhaft aushältst, wird dir nur Gutes widerfahren; denn unbedingt will ich Mittel und Wege ausfindig machen, daß du zum Ziele gelangst, so Gott will, der Erhabene. Und wisse, mein Sohn, dort befindet sich ein mit Rossen, Wehr und Waffen ausgerüstetes Heer, das in die Inseln Wâk einzudringen versucht, es jedoch nicht vermag; aber, mein Sohn, dem Scheich der Scheiche Abur-Ruweisch, dem Sohn der Bilkîs, der Tochter des Muîn, zuliebe kann ich dich nicht ohne Erfüllung deines Wunsches zurücksenden. Binnen kurzem werden Schiffe von den Inseln Wâk zu uns kommen, mit deren erstem ich dich dorthin schicken will. Ich will Matrosen heuern, dich zu behüten und zu den Inseln hinzubringen, und, so dich einer fragt, wer du bist, und was du willst, so sag' ihm, du seist der Schwiegersohn des Königs Hassûn, des Herrn des weißen Landes. Wenn das Schiff an den Inseln Wâk anlegt, und der Kapitän dich aussteigen heißt, so wirst du, wenn du ans Land gestiegen bist, rings herum eine Menge Bänke stehen sehen, unter deren eine du dich zu setzen hast, ohne dich weiter zu rühren. Wenn es dann Nacht wird, wirst du bei den Schiffsgütern ein Heer von Frauen sehen, die sich alle auf die Bänke setzen werden. Strecke deine Hand nach der Frau, die sich auf deine Bank setzt, aus, packe sie und flehe sie um ihren Schutz an; thut sie es, so ist dein Wunsch erfüllt, und du gelangst zu deiner Gattin und deinen Kindern, nimmt sie dich jedoch nicht in ihren Schutz, so trauere über dich, verzweifle am Leben und sei des Untergangs gewiß. Denn wisse, mein Sohn, du setzest dein Leben aufs Spiel, und mehr als dies kann ich nicht für dich thun. Und der Frieden sei auf dir!

Achthundertundvierte Nacht.

Wäre dir aber nicht die Hilfe des Herrn des Himmels zu teil geworden, du wärest nicht bis hierher gekommen.« 43

Als Hasan des Königs Hassûn Worte vernommen hatte, weinte er, bis er in Ohnmacht sank, worauf er die beiden Verse sprach:

»Eine festversiegelte Zeit ward mir zu teil,
Und wenn ihre Tage enden, so sterb' ich.
Und wenn Löwen wider mich in ihren Dickichten kämpften,
Ich würde sie niederringen, so lange meine Zeit noch währt.«

Dann küßte er die Erde vor dem König und sprach zu ihm: »Großmächtiger König, und wieviel Tage währt es noch, bis die Schiffe kommen?« Der König versetzte: »Einen Monat, und zwei Monate dauert es, bis sie hier ihre Fracht verkauft haben und in ihr Land heimkehren; hoffe daher nicht eher als nach dreiDer Text bietet sechs. vollen Monaten abzureisen.« Hierauf befahl der König Hasan, sich wieder ins Fremdenhaus zu begeben und ihm alles an Speise und Trank Erforderliche zu bringen, sowie Kleidung, wie sie Königen ansteht. Nachdem er dort einen Monat verbracht hatte, kamen die Schiffe an, worauf die Kaufleute und der König, der Hasan mit sich nahm, zu ihnen hinausgingen. Unter den Schiffen aber gewahrte er eines mit einer Menge Menschen, zahllos wie Kies, deren Anzahl allein ihr Schöpfer wußte; dieses Schiff lag weit ab im Meer, während kleine Böte seine Fracht nach dem Strand schafften. Als nun die Leute alle ihre Waren an den Strand geschafft und verkauft und eingekauft hatten, und nur noch drei Tage bis zur Abfahrt übrigblieben, ließ der König Hasan vor sich kommen, rüstete ihn mit allem Erforderlichen aus und machte ihm große Geschenke; alsdann ließ er den Kapitän des großen Schiffes rufen und sprach zu ihm: »Nimm diesen Jüngling mit aufs Schiff, ohne daß jemand etwas davon weiß, bring' ihn nach den Inseln Wâk und laß ihn dort ohne ihn zurückzubringen.« Der Kapitän erwiderte: »Ich höre und gehorche.« Hierauf gab der König Hasan Ermahnungen, indem er zu ihm sprach: »Sag' keinem 44 auf dem Schiff, wer du bist, und was du willst, sonst ist es um dich geschehen.« Hasan versetzte: »Ich höre und gehorche,« und verabschiedete sich von ihm, nachdem er ihm langes Leben und Sieg über alle seine Neider und Feinde gewünscht hatte, worauf der König ihm dankte und ihm einen heilen und guten Ausgang seiner Sache wünschte. Dann übergab er ihn dem Kapitän, der ihn in eine Kiste packte, worauf er mit ihm in einem Boot zum Schiff fuhr, während die Mannschaft mit dem Einladen der Güter beschäftigt war. Hernach segelten die Schiffe ab und setzten ihre Fahrt zehn Tage lang fort, bis sie am elften Tage ans Land gelangten, wo der Kapitän Hasan aus dem Schiff an den Strand schaffte. Hasan gewahrte hier eine Unmenge Bänke, deren Anzahl allein Gott kannte, und schritt, bis er zu einer Bank gelangte, wie sie ihresgleichen nicht hatte, unter der er sich verbarg.

Als nun die Nacht anbrach, kam eine große Menge Frauen wie ein Heuschreckenschwarm herangeschritten, mit gezückten Schwertern in der Hand und ganz von Panzern umstarrt. Beim Anblick der Güter machten sie sich mit ihnen eine Weile zu schaffen, worauf sie sich setzten, um auszuruhen. Als sich nun eine derselben auch auf die Bank setzte, unter der sich Hasan versteckt hatte, faßte Hasan das Ende ihres Saumes, legte ihn auf sein Haupt und warf sich weinend über ihre Füße, dieselben mit Küssen bedeckend. Da sagte sie zu ihm: »Du da, steh auf, ehe dich jemand gewahrt und tötet.« Infolgedessen kam Hasan unter der Bank hervor und, sich aufrichtend, küßte er ihr die Hand und sprach zu ihr: »Meine Herrin, ich begebe mich unter deinen Schutz.« Dann hob er von neuem an: »Erbarme dich eines Menschen, der getrennt ist von seinen Angehörigen, der hergeeilt ist, sich mit ihnen wieder zu vereinigen, und Leben und Seele aufs Spiel gesetzt hat! Erbarme dich mein und sei des Lohnes hierfür im Paradiese gewiß. Nimmst du mich jedoch nicht an, so bitte ich dich bei Gott, dem Großen. dem Verhüller, 45 mich zu verhüllen.« Die Kaufleute aber sahen zu, wie er mit ihr sprach. Wie sie nun seine Worte vernommen hatte und sah, wie er sich vor ihr demütigte, hatte sie Mitleid mit ihm, und ihr Herz erbarmte sich sein, da sie sah, daß er nur um einer großen Sache willen sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte und hierher gekommen war. Und so sprach sie zu ihm: »Mein Sohn, sei guten Mutes und kühlen Auges; beruhige dein Herz und Gemüt und verbirg dich wieder wie zuvor unter der Bank, bis Gott in der folgenden Nacht thun wird, was er will.« Alsdann verabschiedete sie sich von ihm, und Hasan kroch wieder unter die Bank, worauf die Truppen die Nacht über bis zum Morgen bei brennenden Kerzen, deren Wachs mit Aloe, Nedd und rohem Ambra vermischt war, verbrachten. Bei Tagesanbruch kamen die Schiffe wieder an den Strand, und die Kaufleute beschäftigten sich von neuem mit dem Ausschiffen der Waren und Güter bis zur Nacht, während Hasan weinenden Auges und bekümmerten Herzens in seinem Versteck unter der Bank saß, ohne zu wissen, was ihm im Verborgenen verhängt war. Während er aber so dasaß, kam mit einem Male die Kaufmannsfrau an, in deren Schutz er sich begeben hatte, und brachte ihm einen Panzer, ein Schwert, einen vergoldeten Gurt und eine Lanze, worauf sie aus Furcht vor den Truppen wieder fortging. Als Hasan dies sah, erkannte er, daß sie ihm die Rüstung gebracht hatte, damit er sie anlegte; er erhob sich daher, zog den Panzer an, schnallte den Gurt um seinen Leib und hängte das Schwert über die Schulter, daß es unter der Achselgrube hing, worauf er sich auf die Bank setzte, während seine Zunge Gottes, des Erhabenen, Namen aussprach und ihn um seinen Schutz anflehte.

Achthundertundfünfte Nacht.

Mit einem Male kamen die Fackeln, Laternen und Kerzen an, und das Frauenheer erschien, worauf sich Hasan erhob und unter sie mischte, so daß er wie eine von ihnen war. 46 Als dann bei Anbruch der Morgenröte das Heer wieder abzog, folgte ihnen Hasan zu ihrem Lager, wo eine jede in ihr Zelt ging. Hasan trat nun ebenfalls in das Zelt einer derselben, und siehe, da war es das Zelt seiner Freundin, die er um Schutz angefleht hatte. Als diese in das Zelt eingetreten war, warf sie ihre Waffen fort und legte den Panzer und Schleier ab, worauf Hasan ebenfalls seinen Panzer ablegte und nach seiner Gefährtin blickte; doch schaute er nun, daß sie blaue Augen und eine große Nase hatte und eins der Unheile war; das häßlichste Geschöpf mit Pockennarben im Gesicht, ohne Augenbrauen, mit abgebrochenen Zähnen, eingefallenen Wangen, grauem Haar und von Speichel triefendem Mund, so daß sie dem Wort des Dichters entsprach, das da lautet:

In ihres Gesichtes Winkeln lauern neun Verderben,
Von denen ein jedes, wenn es sich zeigt, Dschehannam ist.
Abstoßend und häßlich ist ihr Gesicht,
Wie eine Saufratze, die sich zum Sprechen verzieht.«

So glich sie in ihrer Kahlheit einer gefleckten Schlange. Als nun aber die Alte Hasan anschaute, verwunderte sie sich und fragte: »Wie ist der da in dieses Land gekommen, welches Schiff brachte ihn her, und wie kam es, daß er unversehrt blieb?« Alsdann begann sie ihn verwundert auszufragen, worauf er sich vor ihr niederwarf und weinend sein Gesicht an ihren Füßen rieb, bis er in Ohnmacht sank. Als er dann wieder zu sich kam, sprach er die Verse:

Wann werden die Tage uns wieder eine Begegnung gewähren
Und uns nach der Trennung wieder zusammenführen?
Wann werde ich beglückt mit dem Gegenstand meines Wohlgefallens?
Und wann nimmt der Tadel ein Ende und bleibt allein die Liebe übrig?
Wenn der Nil so reichlich strömte wie meine Thränen,
So würde er auf der Welt jedes Land unter Wasser setzen.
Überfluten würde er den Hidschâs und Ägypten,
Überfluten Syrien und auch den Irâk.
Dies, o mein Liebling, kommt her von deiner Abkehr,
Sei darum gütig zu mir und versprich mir eine Begegnung.« 47

Als er seine Verse gesprochen hatte, nahm er den Saum der Alten, legte ihn auf sein Haupt und flehte sie weinend um Schutz an, worauf sie, beim Anblick seiner Glut und Qual und Schmerzen und Kümmernis, ihr Herz ihm zuneigte und ihm Schutz gewährte, indem sie zu ihm sprach: »Fürchte dich nicht.« Hierauf fragte sie, wer er wäre, und was er wolle, worauf er ihr alle seine Abenteuer von Anfang bis zu Ende erzählte. Verwundert über seine Geschichte, sagte die Alte zu ihm: »Beruhige dein Herz und Gemüt, du hast nichts mehr zu befürchten, denn du hast deinen Wunsch gewonnen und dein Begehr, so Gott will, der Erhabene, erreicht.« Hasan freute sich mächtig über ihre Worte, während die Alte nun die Hauptleute des Heeres vor sich kommen ließ. Es traf sich aber, daß dies gerade der letzte Tag des Monats war. Als nun die Hauptleute vor ihr erschienen waren, sprach sie zu ihnen: »Gehet hinaus und verkündet unter dem ganzen Heer, morgen in der Frühe aufzubrechen, ohne daß irgend einer zurückbleibt, denn wer dahinten bleibt, hat sein Leben verwirkt.« Sie erwiderten: »Wir hören und gehorchen,« und verkündeten den Befehl der Alten unter dem ganzen Heer, worauf sie wieder zu ihr zurückkehrten und ihr Bericht hiervon abstatteten, woraus Hasan ersah, daß sie die Oberbefehlshaberin und Ratgeberin des Heeres war. Der Name der Alten aber war Schawâhī, mit dem Ehrennamen Umm ed-Dawâhī.Die Mutter der Unglücksfälle, die Unheilsmutter. Der Name kam bereits in Band III vor: Schawâhī, genannt Zât ed-Dawâhī, die Unheilsherrin. Während Hasan nun den ganzen Tag über seine Rüstung nicht ablegte, erteilte die Alte Befehle und Verbote, bis die Morgenröte anbrach, worauf das Heer sein Lager verließ, ohne daß die Alte mit ihm auszog. Als aber das Heer fort und der Platz frei geworden war, sagte Schawâhī zu Hasan: »Tritt näher, mein Sohn.« Da trat er nahe an sie heran und, als er nun vor ihr stand, fragte sie ihn: »Weshalb hast du dein Leben aufs 48 Spiel gesetzt und bist in dieses Land eingedrungen? Und wie fand deine Seele am Untergang Gefallen? Gieb mir über alles der Wahrheit gemäß Auskunft, verbirg mir nichts und sei ohne Furcht, denn siehe, wir haben einen Bund gemacht, du stehst unter meinem Schutz, und ich verspüre Mitleid und Erbarmen mit dir und deiner Lage. Erzählst du mir alles der Wahrheit gemäß, so bin ich dir zur Erlangung deines Wunsches behilflich, und sollte es sich dabei um den Untergang von Seelen und Leibern handeln. Wo du zu mir gekommen bist, soll dir nichts Schlimmes widerfahren, und ich will keinen von den Bewohnern der Inseln Wâk dir mit irgend einem Übel zu nahe treten lassen.« Da erzählte er ihr seine Geschichte von Anfang bis zu Ende und teilte ihr mit, wie seine Gattin herbeigeflogen wäre, wie er sie sich aus den Zehn eingefangen und mit ihr gelebt hätte, bis sie ihm zwei Knaben geschenkt hätte; wie sie dann den Weg zum Federkleid gefunden hätte und mit den Knaben fortgeflogen wäre. So verbarg er ihr nichts von seinen Erlebnissen von Anbeginn an bis auf jenen Tag; als aber die Alte seine Erzählung vernommen hatte, schüttelte sie ihr Haupt und sprach: »Preis sei Gott, der dich wohlbehalten hierher geführt hat und dich in meine Hand hat fallen lassen! Wärest du auf jemand anders gestoßen, so wäre es dein Tod gewesen, ohne deinen Wunsch zu erreichen; jedoch hat dich die Lauterkeit deiner Absicht und deiner Liebe und das Übermaß deiner Sehnsucht nach deiner Gattin und deinen Kindern zur Erreichung deines Zieles geführt; liebtest du sie nicht und littest du nicht heiße Schmerzen in deiner Liebe, so hättest du dein Leben nicht in solche Gefahren gestürzt, und Lob sei Gott, daß du wohlbehalten geblieben bist! Es geziemt deshalb auch uns dir beizustehen und dir zur baldigen Erreichung deines Wunsches, so Gott will, der Erhabene, behilflich zu sein. Jedoch, mein Sohn, deine Gattin lebt auf der siebenten der Inseln Wâk und der Weg dorthin erfordert eine Reise bei Tag und Nacht sieben Monate 49 lang. Von hier gelangen wir zunächst zu einem Lande, genannt das Land der Vögel, in dem keiner den andern wegen des Gekreisches der Vögel und des Klappens ihrer Schwingen verstehen kann.

Achthundertundsechste Nacht.

Elf Tage lang haben wir Tag und Nacht durch jenes Land zu reisen, bis wir zu einem andern Land gelangen, das Land der wilden Tiere geheißen, wo wir wegen des lauten Gebrülls der Löwen, der Hyänen und anderen Raubtiere, und wegen des Geheuls der Wölfe nichts hören. Durch dieses Land haben wir zwanzig Tage lang zu reisen, worauf wir zum Land der Dschinn gelangen, wo wegen des Geschreis der Dschânn, wegen der Flammen, Funken und Rauchwolken, die aus ihrem Munde flammen, fliegen und aufsteigen, und wegen ihres Stöhnens und der Frechheit, mit der sie uns den Weg versperren, unsere Ohren betäubt und unsere Augen geblendet werden, so daß wir weder etwas hören noch sehen; auch darf keiner sich umwenden, sonst ist es sein Tod, und der Reiter beugt dort sein Haupt auf den Sattelknopf und hebt es für drei Tage nicht auf. Hernach stoßen wir auf einen hohen Berg und einen strömenden Fluß, die beide an die Inseln Wâk stoßen. Wisse aber, mein Sohn, dieses ganze Heer besteht aus lauter Jungfrauen, und unsere Regentin ist eine Frau von den sieben Inseln Wâk, die eine Ausdehnung einer vollen Jahresreise für einen schnellen Reiter haben. Am Ufer jenes Flusses steht ein anderer Berg, der Berg Wâk geheißen, der seinen Namen von einem Baum führt, dessen Zweige Menschenköpfen gleichen. Wenn die Sonne aufgeht und auf sie scheint, dann rufen alle jene Köpfe laut: »Wâk! Wâk! Subhân el-Melik el-Challâk! Wâk! Wâk! Preis dem König, dem Schöpfer!« woraus wir erkennen, daß die Sonne aufgegangen ist. Ebenso rufen sie bei Sonnenuntergang die gleichen Worte, für uns ein Zeichen, daß die Sonne untergegangen ist. Kein sterblicher Mann 50 kann bei uns wohnen oder zu uns gelangen und unsern Boden betreten; und von jenem Lande liegt zwischen uns und der Königin, die über jenes Land herrscht, noch eine Monatsreise. Alle Bewohner jenes Landes sind ihr unterthan, und ihrer Hand unterstehen gleichfalls die Stämme der Dschânn, der Mâride und Satane und Zauberer in solcher Menge, daß nur ihr Schöpfer ihre Zahl kennt. Wenn du dich nun fürchtest, so schicke ich dich mit jemand zum Strand, der dich zu einem bringt, welcher dich zu Schiff in dein Land zurückführt. Wenn es dein Herz jedoch gutheißt bei uns zu bleiben, so will ich es dir nicht wehren, und du sollst von mir wie mein Augapfel gehütet werden, daß du, so Gott will, der Erhabene, deinen Wunsch erreichst.«

Hasan erwiderte: »Meine Herrin, ich verlasse dich nimmermehr, ehe ich nicht mit meiner Gattin wieder vereint bin oder mein Leben gelassen habe.« Sie versetzte: »Das ist ein leichtes Ding; sei nur guten Mutes, du sollst schon zu deinem Wunsch, so Gott will, der Erhabene, gelangen; ich muß der Königin von dir berichten, daß sie dir selber beisteht, dein Ziel zu erreichen.« Da erflehte Hasan Segen für sie und küßte ihr das Haupt und die Hände, indem er ihr für ihre gute That und für das Übermaß ihrer Freundlichkeit dankte.

Alsdann ließ die Alte die Trommel zum Abmarsch schlagen, worauf das Heer aufbrach. Hasan, der ins Meer der Kümmernis versunken war und Verse sprach, folgte der Alten, die ihn tröstete und zur Geduld ermahnte; doch kam er nicht zu sich und kehrte sich nicht an ihre Ermahnungen. Sie marschierten nun ohne Aufenthalt, bis sie zur ersten der sieben Inseln, der Vogelinsel, gelangten. Als sie aber ihr Land betraten, glaubte Hasan bei dem lauten Gekreisch der Vögel, die Welt wäre umgestülpt. Der Kopf schmerzte ihn, sein Verstand war betäubt, sein Blick geblendet, und seine Ohren waren wie verstopft. In großer Furcht und seines Todes gewiß, sprach er bei sich: »Wenn dies das Vogelland ist, wie wird es dann erst im Land der wilden Tiere sein?« 51 Als ihn aber die Alte, genannt Schawâhī, in diesem Zustand erblickte, lachte sie ihn aus und sagte zu ihm: »Mein Sohn, wenn es mit dir auf der ersten Insel schon so steht, wie wird es dann erst mit dir stehen, wenn du zu den andern Inseln gelangst?« Da betete er zu Gott und demütigte sich vor ihm, indem er ihn um Hilfe gegen die Heimsuchung, die er über ihn verhängt hatte, und um Erreichung seines Wunsches bat. Hierauf zogen sie weiter, bis sie das Land der Vögel durchmessen hatten und zum Land der Dschânn gelangten, bei dessen Anblick sich Hasan fürchtete und bereute, es mit den andern betreten zu haben. Indessen flehte er Gott, den Erhabenen, um Hilfe an und zog mit ihnen weiter, bis sie auch das Land der Dschânn hinter sich hatten und zum Fluß gelangten, wo sie sich am Fuß eines großen und hohen Berges lagerten, nachdem sie ihre Zelte am Stromufer aufgeschlagen hatten. Die Alte stellte für Hasan eine Bank aus rotem Gold und Marmor, besetzt mit Perlen und Edelsteinen, an das Flußufer, auf die er sich setzte, worauf die Alte die Truppen vor ihm paradieren ließ. Alsdann ruhten sie in ihren Zelten, die rings um ihn aufgeschlagen waren, aus, worauf sie aßen und tranken und sorglos schliefen, da sie nunmehr in ihr Land gelangt waren. Hasan hatte aber vors Gesicht einen Lithâm gebunden, so daß man nichts von ihm als seine Augen sah; und siehe, mit einem Male trat eine Schar Mädchen nahe an den Fluß heran und zog sich ihre Sachen aus, worauf sie in den Fluß stiegen und sich badeten, während Hasan zuschaute, wie sie miteinander ausgelassen spielten, ohne daß sie wußten, daß er ihnen zuschaute, da sie glaubten, er wäre eine der Königstöchter. Und so badeten sie nackend vor ihm mit Gesichtern gleich Monden und Haaren gleich der Nacht, da es Königstöchter waren. Hierauf stellte die Alte Hasan einen Thron hin und ließ ihn darauf Platz nehmen, während die Mädchen nunmehr, nachdem sie rein geworden waren, nackend aus dem Fluß stiegen gleich dem Mond in der 52 Vollmondsnacht; und so versammelte sich das ganze Heer vor Hasan, da die Alte unter dem ganzen Heer hatte ankünden lassen, sich nackend vor ihrem Zelt zu versammeln und sich in dem Fluß zu baden, damit Hasan seine Gattin, falls sie sich unter ihnen befand, erkennen könnte. Bei jeder Schar aber, die vorüberzog, antwortete Hasan ihr auf ihre Frage: »Sie ist nicht unter diesen, meine Herrin.«

Achthundertundsiebente Nacht.

Zuletzt von allen kam ein Mädchen, das von dreißig hochbusigen Sklavinnen bedient war, die alle ihre Sachen auszogen und mit ihr in den Fluß stiegen. Dann fing das Mädchen an sie herrisch ins Wasser zu werfen und unterzutauchen und trieb es mit ihnen in dieser Weise eine geschlagene Stunde lang, worauf sie wieder aus dem Fluß stiegen und sich setzten; und die Sklavinnen brachten ihr seidene Handtücher mit Goldstickerei, mit denen sie sich abtrocknete. Alsdann brachten sie ihr Kleider, Gewänder und Schmucksachen, das Werk der Dschinn, in die sie sich kleidete, worauf sie sich erhob und mit ihren Mädchen stolz und gefällig zwischen die Truppen schritt. Als Hasan sie erblickte, flog ihm das Herz, und er sprach: »Von allen Menschen ist dieses Mädchen dem Vogel, den ich im Teich des Schlosses meiner Schwestern sah, am ähnlichsten, und gleich ihr benahm sie sich so herrisch gegen ihr Gefolge.« Als ihn nun aber die Alte wieder fragte: »Hasan, ist dieses deine Gattin?« erwiderte er: »Nein, bei deinem Leben, meine Herrin, dies ist nicht meine Gattin, und mein Lebenlang sah ich sie nie zuvor; unter allen Mädchen, die ich auf dieser Insel sah, schaute ich keines meiner Gattin gleich an Wuchs und Ebenmaß und an Schönheit und Anmut.« Da sagte die Alte: »Beschreib' sie mir und gieb mir alle ihre Eigenschaften an, damit ich sie im Gedächtnis habe. Ich kenne alle Mädchen auf den Inseln Wâk, da ich über das Mädchenheer Befehl habe und sie regiere; beschreibst du sie mir also, so werde ich 53 sie erkennen und Mittel und Wege ausfindig machen, wie du sie bekommen kannst.« Hasan versetzte: »Meine Gattin hat ein hübsches Gesicht und eine herrliche Gestalt; oval sind ihre Wangen und ihre Brüste hoch; ihre Augen sind schwarz, ihre Schenkel feist, ihre Zähne weiß, ihre Rede süß; fein ist ihr Wesen, und sie gleicht einem schwanken Reis; wunderbar sind ihre Reize, rosig die Lippen, die Augen schwarz wie Antimon, auf ihrer rechten Wange ist ein Mal und auf ihrem Leib unter ihrem Nabel ein Zeichen; ihr Antlitz leuchtet wie der Mond, ihre Taille ist schlank, ihr Gesäß schwer, und ihres Mundes Seim heilt den Kranken, als wäre er Wasser vom Kauthar oder Salsabil.«Zwei schon früher genannte Ströme im Paradiese. Die Alte versetzte: »Beschreib' sie mir noch ausführlicher, und Gott lasse dich noch mehr von ihr bezaubert werden!« Da fuhr Hasan fort: »Meine Gattin hat ein holdseliges Gesicht, ihr Hals ist lang, ihr Auge antimonschwarz, ihre Wangen leuchten rot wie Anemonen, ihr Mund ist wie ein Karneolsiegel, ihre Zähne schimmern wie der Blitz, und ihre Lippen lassen Becher und Eimer entbehren. So ist sie die verkörperte Lieblichkeit.«

Nachdem Hasan die Beschreibung seiner Frau beendet hatte, senkte die Alte ihr Haupt für eine Weile nieder, worauf sie es wieder zu Hasan aufhob und sagte: »Preis sei dem großen Gott! Ich bin durch dich heimgesucht, o Hasan; hätte ich dich doch nie kennen gelernt! Die Frau, die du mir als deine Gattin beschriebst, erkenne ich sehr wohl nach ihrer Schilderung; sie ist die älteste Tochter des Großkönigs und herrscht über die gesamten Inseln Wâk. Öffne daher deine Augen und erwäg' deinen Fall. Wenn du schläfst, so erwache, denn du kannst nimmer zu ihr gelangen; und gelangtest du auch zu ihr, so könntest du sie doch nicht in deinen Besitz bekommen, da zwischen dir und ihr eine Kluft liegt wie zwischen Himmel und Erde. Kehre deshalb in Bälde um, mein Sohn, und stürze nicht dich und mich mit 54 dir ins Verderben. Mir scheint's, du hast an ihr keinen Teil; kehre deshalb heim, woher du kamst, damit wir nicht beide das Leben verlieren.« Als Hasan ihre Worte vernahm, in denen sich ihre Furcht für ihn und ihr eigenes Leben verriet, weinte er bitterlich, bis er in Ohnmacht sank, worauf die Alte ihm so lange Wasser ins Gesicht sprengte, bis er wieder zu sich kam. Dann aber hob er in seinem schweren Kummer und Gram, den die Worte der Alten in ihm erregt hatten, von neuem am zu weinen, bis seine Sachen von den Thränen durchnäßt waren, und sagte zur Alten: »Meine Herrin, wie sollte ich wohl umkehren, nun ich bis hierher gekommen bin; ich glaubte nicht, daß du unfähig wärest, mir zur Erreichung meines Wunsches behilflich zu sein, zumal wo du Befehlshaberin des Mädchenheeres und Gebieterin über dieselben bist.« Die Alte versetzte: »Um Gott, mein Sohn, suche dir eins von diesen Mädchen aus, und ich will es dir als Ersatz für deine Gattin geben, damit du nicht in die Hand von Königen fällst und mir jegliches Mittel zu deiner Befreiung fehlt. Um Gott, höre auf mich, erwähle dir eins dieser Mädchen an Stelle jenes und kehre schleunigst mit heiler Haut in dein Land zurück, damit ich nicht deine Ängste hinunterzuwürgen habe. Bei Gott, du hast dich in große Not und schwere Gefahr gestürzt, aus der dich niemand befreien kann.« Da ließ Hasan sein Haupt sinken und weinte bitterlich, bis er in Ohnmacht sank.

Achthundertundachte Nacht.

Die Alte sprengte ihm nun wieder so lange Wasser ins Gesicht, bis er aus seiner Ohnmacht zu sich kam, worauf sie zu ihm sagte: »O mein Herr, kehre in dein Land zurück, denn wenn ich mit dir zur Stadt ziehe, ist dein und mein Leben verloren, da mich die Königin, sobald sie dies erfährt, dafür tadeln wird, daß ich dich in ihr Land und zu ihren Inseln gebracht habe, zu denen noch kein Sterblicher gelangt ist, und mich dafür töten wird, daß ich dir die Jungfrauen 55 im Strom gezeigt habe, die noch kein Mann und Ehegemahl berührt hat.« Hasan schwor ihr, daß er sie nicht mit irgend einem Blick voll übler Gedanken angeschaut hätte; doch die Alte sprach von neuem: »Mein Sohn, kehre in dein Land zurück, und ich schenke dir soviel an Geld, an Schätzen und seltenen Kostbarkeiten, daß du alle Frauen der Welt entbehren kannst; höre auf mein Wort, kehre schleunigst um und setz' nicht dein Leben aufs Spiel; ich rate dir gut.« Als Hasan ihre Worte vernahm, weinte er und sagte, indem er seine Wangen an ihren Füßen rieb: »Meine Herrin, meine Gebieterin und mein Augentrost, wie sollte ich heimkehren, nachdem ich bis hierher gekommen bin, ohne das Antlitz der Ersehnten zu schauen? Und wo ich nahe dem Haus der Geliebten bin und in Bälde mit ihr zusammenzutreffen hoffe, so ich an der Vereinigung mit ihr Anteil habe?« Da endlich erbarmte sich die Alte seiner, so daß sie ihn tröstete und zu ihm sprach: »Sei guten Mutes und kühlen Auges und verscheuche die Sorgen aus deinen Gedanken, denn, bei Gott, ich will mit dir mein Leben wagen, damit du entweder dein Ziel erreichst oder der Tod mich trifft.« Bei diesen Worten der Alten ward Hasans Herz wieder guter Dinge, und mit froher Brust saß er bei der Alten und plauderte mit ihr bis zum Abend. Als sich dann bei Anbruch der Nacht die Mädchen trennten, indem die einen von ihnen ihr Schloß in der Stadt aufsuchten, während die anderen in den Zelten übernachteten, nahm die Alte Hasan und begab sich mit ihm in die Stadt, wo sie ihn in einem besondern Raum unterbrachte, damit ihn keiner sähe und es der Königin mitteilte, auf daß sie nicht ihn und den, der ihn hergebracht hätte, tötete. Alsdann bediente sie ihn selber und suchte ihn durch die Macht des Großkönigs, des Vaters seiner Gemahlin, zu schrecken. während er vor ihr weinte und zu ihr sprach: »Meine Herrin, ich erwähle mir, überdrüssig der Welt, den Tod, wenn ich nicht mit meiner Gattin und meinen Kindern wieder vereinigt werde; ich habe mein Leben gewagt und will entweder 56 mein Ziel erreichen oder sterben.« Da begann die Alte über Mittel und Wege nachzudenken, wie sie diesen Unglücklichen mit seiner Gattin wieder vereinigen könnte, der sein Leben ins Verderben gestürzt hatte und weder durch Furcht noch sonst etwas von seinem Vorhaben abzubringen war; denn in der That hatte er sein Leben in die Schanze geschlagen, und das Sprichwort sagt: »Der Verliebte hört nicht auf den Rat dessen, der frei von Liebe ist.«

Nun aber hieß die Königin der Insel, auf der sie sich befanden, Nûr el-Hudā,Das Licht der rechten Leitung. welche sechs jungfräuliche Schwestern hatte, die bei ihrem Vater, dem Großkönig, dem Beherrscher der Inseln und Lande Wâk, lebten; und der Thron des Königs stand in der größten Stadt jenes Landes, während seine älteste Tochter, die Königin Nûr el-Hudā, über die Stadt, in welcher sich Hasan befand, und die ihr zugehörigen Lande herrschte.

Als nun die Alte Hasans brennendes Verlangen nach der Vereinigung mit Weib und Kindern sah, erhob sie sich und begab sich zum Schloß der Königin Nûr el-Hudā, wo sie, bei ihr eintretend, die Erde vor ihr küßte; sie hatte nämlich Ansprüche auf ihre Huld, da sie alle Prinzessinnen erzogen und über sie Autorität hatte und ihnen und dem König lieb und wert war. Als sie nun bei der Königin Nûr el-Hudā eintrat, erhob sich diese vor ihr, umarmte sie und ließ sie an ihrer Seite Platz nehmen, worauf sie sich nach ihrer Reise erkundigte. Die Alte erwiderte ihr: »Bei Gott, meine Herrin, es war eine gesegnete Reise, und ich habe dir auch ein Geschenk mitgebracht, das ich sogleich vor dich bringen will.« Alsdann fuhr sie fort: »O meine Tochter, o Königin der Zeit und des Jahrhunderts, ich habe etwas Wunderbares mitgebracht, das ich dir gern zeigen möchte, damit du mir beistehst, ihm zu seinem Wunsche zu verhelfen.« Nun fragte die Königin: »Und was ist's?« worauf die Alte ihr Hasans 57 Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählte, wobei sie wie ein Rohr im Sturm erzitterte, bis sie vor der Tochter des Königs niederfiel und zu ihr sprach: »O meine Herrin, am Meeresstrand flehte mich ein Mensch um Schutz an, der sich unter meiner Bank versteckt hatte; und so nahm ich ihn in Schutz und brachte ihn unter dem Mädchenheer in Waffen gekleidet mit, damit ihn niemand erkannte. Ich versuchte es wohl, ihn durch deinen Zorn zu schrecken, indem ich ihm deine Macht und Stärke schilderte; so oft ich ihn jedoch einzuschüchtern suchte, weinte er, recitierte Verse und sagte: »Ich muß mein Weib und meine Kinder wiederschauen, und müßte ich mein Leben lassen; ohne sie kehre ich nicht wieder in meine Heimat zurück.« Indem er sein Leben aufs Spiel setzte, kam er zu den Inseln Wâk, und niemals sah ich in meinem ganzen Leben einen Menschen mit festerem Herzen und kühnerem Mut als ihn, nur daß ihn die Liebe ganz und gar unterjocht hat.«

Achthundertundneunte Nacht.

Als die Königin ihre Worte vernommen und Hasans Geschichte begriffen hatte, ergrimmte sie gewaltig und ließ ihr Haupt eine Weile niederhängen; dann aber erhob sie es wieder und sprach zur Alten, sie anschauend: »Du Unglücksalte, bist du so gemein geworden, daß du dir Mannspersonen aufpackst und sie zu den Inseln Wâk bringst und zu mir hereinführst, ohne dich vor meinem Zorn zu fürchten? Bei dem Haupt des Königs, hättest du nicht das Anrecht der Erziehung auf mich, so ließe ich dich und ihn noch in dieser Stunde des schimpflichsten Todes sterben, daß sich die Reisenden an dir ein Exempel nehmen, du Verruchte, auf daß kein andrer sich einer gleichen Schandthat erkühnt, wie sie bisher noch keiner wagte. Geh' jedoch hinaus und bring' ihn mir unverzüglich her, damit ich ihn schaue.« Da ging die Alte verstört hinaus, ohne zu wissen, wohin sie gehen sollte, indem sie bei sich sprach: »All dieses Unglück hat Gott 58 von der Königin Hasans wegen über mich gebracht.« Als sie dann bei Hasan eintrat, sprach sie zu ihm: »Steh' auf und entsprich dem Befehl der Königin, o du, dessen Ende genaht ist!« Da erhob sich Hasan und folgte ihr, während seine Zunge unaufhörlich Gottes, des Erhabenen, Namen anrief, und er sprach: »O Gott, sei gnädig zu mir in deinem Ratschluß und befreie mich aus der Heimsuchung, die du über mich gebracht hast.« Unterwegs schärfte ihm die Alte die Worte ein, die er zur Königin Nûr el-Hudā sprechen sollte, und als er nun vor ihr stand und sah, daß sie einen Lithâm vors Gesicht geschlagen hatte, küßte er die Erde vor ihr und sprach, nachdem er sie mit dem Salâm begrüßt hatte, die beiden Verse:

»Gott lasse dauern deinen Ruhm in Freuden
Und begnade dich reich und überreich mit seinen Gaben.
Deinen Ruhm und deine Größe vermehre unser Herr,
Und der Allmächtige stehe dir bei wider deine Feinde.«

Als er seine Verse beendet hatte, gab die Königin der Alten ein Zeichen ihn vor ihr auszufragen, damit sie seine Antwort höre, worauf die Alte zu ihm sprach: »Siehe, die Königin erwidert dir den Salâm und fragt dich, wie du heißest, aus welchem Lande du kommst, wie dasselbe heißt, und wie der Namen deiner Gattin und Kinder lautet, um derentwillen du hierher gekommen bist.« Da versetzte er festen Herzens und unterstützt vom Schicksal: »O Königin der Zeit und des Jahrhunderts und unvergleichlich in deinen Tagen, was mich anlangt, so heiße ich Hasan, der Tiefbetrübte, und mein Heimatsland ist Basra; den Namen meiner Gattin kenne ich nicht, und von meinen Knaben heißt der eine Nâsir und der andere Mansûr.« Als nun die Königin seine Worte und seine Geschichte vernommen hatte, versetzte sie: »Und von welchem Ort hat sie ihre Kinder mit sich genommen?« Hasan entgegnete: »O Königin, aus dem Chalifenpalast in der Stadt Bagdad.« – »Und sprach sie nichts zu euch, als sie von euch fortflog?« Hasan versetzte: »Sie sagte zu meiner 59 Mutter: Wenn dein Sohn heimkehrt, und die Tage der Trennung ihm lange währen, und er nach Wiedersehen und Vereinigung verlangt, und die Stürme der Sehnsucht ihn schütteln, dann soll er sich aufmachen zu den Inseln Wâk.« Da schüttelte die Königin Nûr el-Hudā ihr Haupt und sprach zu ihm: »Hätte sie nicht Verlangen nach dir gespürt, sie würde diese Worte nicht zu deiner Mutter gesprochen haben und hätte dir auch nicht ihren Aufenthalt mitgeteilt und dich nach ihrem Lande eingeladen.« Hasan entgegnete: »O Herrin der Könige und Herrscherin über König und Bettlersmann, ich habe dir, was geschehen ist, mitgeteilt, ohne dir irgend etwas zu verheimlichen; ich nehme meine Zuflucht zu Gott und zu dir, daß du mir kein Unrecht anthust; erbarme dich mein und verdiene dir Lohn und Entgelt an mir bei Gott, indem du mir zur Wiedervereinigung mit Weib und Kindern beistehst. Gieb mir wieder mein verlorenes Glück und den Augentrost, den ich an meinen Kindern hatte, und hilf mir, sie wiederzuschauen.« Alsdann weinte, jammerte und klagte er und sprach die Verse:

»Laut will ich dich preisen, während die Ringeltaube girrt,
Wenn ich auch meinen gerechten Wunsch nicht erreiche.
Nie ward ich von früheren Wonnen freudig durchbebt,
Ohne dich als ihre Wurzel und Ursache zu finden.«

Da ließ die Königin Nûr el-Hudā ihr Haupt zu Boden hängen und schüttelte es geraume Zeit. Dann erhob sie es wieder und sprach zu ihm: »Ich habe Mitleid mit dir, und du dauerst mich, so daß ich entschlossen bin, dir alle Mädchen, die sich in der Stadt und auf meiner Insel befinden, vorzuführen; erkennst du dein Weib, so gebe ich es dir wieder, erkennst du es jedoch nicht, so töte ich dich und kreuzige dich über der Thür der Alten.« Hasan versetzte: »Ich nehme es an, o Königin der Zeit.« Alsdann sprach er die Verse:

»Ihr habt meine Liebessehnsucht erweckt und sitzt still,
Mein wundes Lid habt ihr schlaflos gemacht und schlafet.
Ihr hattet einen Bund mit mir geschlossen, mich nicht hinzuhalten, 60
Doch, als ihr mich in Ketten gelegt hattet, verrietet ihr mich.
Ich liebte euch als Kind, da ich noch nicht wußte, was Liebe war,
Drum tötet mich nicht, denn ich führe Klage über Gewalt.
Fürchtet ihr euch nicht vor Gott einen Liebenden zu töten,
Der des Nachts zu den Sternen schaut, wenn alle schlummern?
Um Gott, mein Volk, wenn ich gestorben bin,
So schreib' auf meinen Grabstein: Hier ruht ein Sklave der Liebe.
Vielleicht entbietet ein Jüngling wie ich, der der Liebe Leid gekostet,
Wenn er mein Grab schaut, mir den Salâm.«

Nachdem er seine Verse gesprochen hatte, sagte er noch einmal: »Ich nehme die Bedingung, die du mir gestellt hast, an, und es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« Infolgedessen befahl die Königin Nûr el-Hudā allen Mädchen in der Stadt nach ihrem Schloß zu kommen und vor Hasan zu passieren, indem sie die alte Schawâhī selber in die Stadt schickte, alle Mädchen zu ihr ins Schloß zu bringen. Alsdann führte sie die Mädchen immer zu hundert an Hasan vorüber, jedoch fand er seine Gattin nicht unter ihnen. Als ihn nun die Königin fragte, ob er sie unter den Mädchen gesehen hätte, versetzte er: »Bei deinem Leben, o Königin, sie ist nicht unter ihnen.« Da wuchs der Zorn der Königin, und sie befahl der Alten: »Hol' alle, die sich im Palast befinden, hierher. Aber auch unter diesen schaute Hasan nicht seine Gemahlin, so daß er zur Königin sagte: »Bei deines Hauptes Leben, o Königin, sie ist nicht unter ihnen.« Da ergrimmte die Königin und schrie ihrer Umgebung zu: »Ergreift ihn, schleift ihn mit dem Gesicht auf der Erde hinaus und schlagt ihm den Kopf ab, daß sich keiner nach ihm vermißt in unser Land zu kommen, den Boden unserer Inseln zu betreten und Einblick in unsere Zustände zu gewinnen.« Sie vollzogen den Befehl der Königin und bedeckten seine Augen mit seines Gewandes Saum, worauf sie sich ihm zu Häupten mit gezückten Schwertern hinstellten, und auf den Befehl der Königin warteten. Da aber trat Schawâhī an die Königin heran, küßte die Erde vor ihr und sprach zu ihr, indem sie 61 den Saum ihres Gewandes ergriff und auf ihr Haupt legte: »O Königin, bei dem Anrecht der Erziehung, das ich auf dich habe, übereile dich nicht mit ihm, zumal wo du weißt, daß er ein unglücklicher Fremdling ist, der sein Leben aufs Spiel gesetzt und Dinge, wie kein anderer zuvor, ertragen hat, und den Gott, der Mächtige und Herrliche, bisher errettet hat, da sein Leben lange währen sollte. Er vernahm von deiner Gerechtigkeit und kam deshalb in dein Land und Gehege. Tötest du ihn, so wird sich die Kunde davon durch die Reisenden verbreiten, und sie werden sagen, daß du den Fremden gram bist und sie umbringst. In jedem Fall ist er doch in deiner Gewalt und deines Schwertes Opfer, wenn sein Weib nicht in deinem Lande gefunden wird; und, so du wünschest, daß er vor dir erscheint, kann ich ihn dir zu jeder Zeit wieder herbeischaffen. Außerdem nahm ich ihn nur im Glauben an deine Großmut in Schutz um des Anrechts der Erziehung willen, das ich auf dich habe, und verbürgte mich ihm dafür, daß du ihm zur Erreichung seines Wunsches behilflich sein würdest, da ich deine Gerechtigkeit und dein mitleidsvolles Herz kenne. Andernfalls hätte ich ihn nicht in dein Land gebracht, denn ich sprach bei mir: »Siehe, die Königin wird an ihm und seinen Versen und hübschen und beredten Worten, die einer Perlenschnur gleichen, Gefallen finden;« und nun, da er unser Land betreten und unser Brot gegessen hat, ist es unsere Pflicht ihn mit Auszeichnung zu behandeln,  –

Achthundertundzehnte Nacht.

zumal, wo ich ihm versprach, ihn vor dich zu führen, und wo du weißt, daß die Trennung schwer zu ertragen und gleich dem Tod ist, besonders, wenn es sich um die Trennung von den Kindern handelt. Von allen Frauen bist du nun nur noch allein übriggeblieben, zeig' ihm daher dein Gesicht.«

Da lächelte die Königin und sagte: »Woher sollte er wohl 62 mein Gatte sein und Kinder von mir haben, daß ich ihn mein Gesicht schauen lassen sollte?« Alsdann befahl sie ihn vor sie zu führen und entschleierte ihm, als sie ihn herbeigeholt und vor sie gestellt hatten, ihr Gesicht. Als aber Hasan ihr Antlitz sah, stieß er einen lauten Schrei aus und sank ohnmächtig zu Boden, worauf die Alte ihn so lange pflegte, bis er wieder zu sich kam und nun folgende Verse sprach:

»O Zephyr, der du wehtest vom Land Irâk
Auf die Gefilde der Inseln Wâk,
Bring' der Geliebten von mir die Kunde,
Daß ich sterb' an der Liebe bittern Geschmack.
O mein Liebling, sei gütig und huldreich zu mir,
Denn mein Herz schmilzt von der Trennung Qual.«

Als er seine Verse beendet hatte, erhob er sich und schaute die Königin von neuem an, worauf er einen so lauten Schrei ausstieß, daß der Palast beinahe über alle, die sich darin befanden, eingestürzt wäre; dann sank er von neuem in Ohnmacht, und die Alte bemühte sich wieder um ihn, bis er zu sich kam, worauf sie ihn fragte, was ihm fehle. Da sagte er: »Diese Königin ist entweder meine Gattin oder ihr doch von allen Menschen am ähnlichsten.«

Achthundertundelfte Nacht.

Als die Königin Hasans Worte vernahm, sagte sie zur Alten: »Wehe dir, Amme, dieser Fremdling ist entweder besessen oder verstört, da er mir ins Gesicht stiert.« Die Alte versetzte: »O Königin, nimm es ihm nicht übel, er ist zu entschuldigen; sagt doch das Sprichwort: »Für die Liebe giebt's keine Arznei, und ein Verliebter und Verrückter sind einerlei.« Hierauf weinte Hasan bitterlich und sprach die beiden Verse:

Ich schaue ihre Spuren und schmelze hin in Sehnsucht,
Auf ihre Heimstätten vergieße ich meine Thränen.
Ich bete zu ihm, der mich durch die Trennung von ihnen geprüft hat,
Daß er mir gnädig einen Tag der Heimkehr gewährt.« 63

Alsdann sprach er zur Königin: »Bei Gott, du bist nicht meine Gattin, doch gleichst du ihr von allen Menschen am meisten.« Da lachte die Königin Nûr el-Hudā, daß sie auf den Rücken fiel und sich auf ihre Seite legte. Dann sagte sie zu ihm: »O mein Liebling, nimm dir Zeit, prüfe mich genau und gieb mir auf meine Fragen Antwort, doch thu' Verrücktheit, Verstörtheit und Befangenheit von dir ab, denn der Trost ist nahe.« Hasan entgegnete: »O Königin der Könige und Asyl von Reich und Arm, als ich dich anschaute, kam ich von Sinnen, da du nicht meine Gattin bist, wiewohl ihr am ähnlichsten von allem Volk; nun aber frag' mich, wonach du willst.« Da fragte sie: »Worin gleicht mir denn deine Gattin?« Hasan versetzte: »O meine Herrin, in all deiner Schönheit und Holdseligkeit gleicht sie dir, in deiner Anmut und koketten Grazie, in dem Ebenmaß deiner Gestalt, in deiner Rede Süße, der Röte deiner Wangen und deiner Brüste Prangen und allen andern Reizen.« Da wendete sich die Königin zu Schawâhī Umm ed-Dawâhī und sagte zu ihr: »Führ' ihn nach dem Ort zurück, in dem er zuvor bei dir war, und bediene ihn selber, bis ich seinen Fall untersucht habe. Ist er wirklich ein hochherziger Mann, der Freundschaft und Liebe wohl hütet, so ist es unsere Pflicht ihm zur Erreichung seines Wunsches behilflich zu sein, zumal, wo er nach so vielen Drangsalen auf seiner Fahrt und den Schrecknissen und Gefahren, die er so standhaft ertragen hat, in unser Land gekommen ist und von unserm Brot gegessen hat. Hast du ihn jedoch in dein Haus gebracht, so betraue deine Diener mit seiner Pflege und kehre wieder schnell zu mir zurück, und, so Gott will, der Erhabene, nimmt alles den besten Ausgang.« Hierauf führte die Alte Hasan wieder in ihr Haus und befahl ihren Sklavinnen, Sklaven und Dienern ihn zu bedienen und alles, dessen er bedurfte, aufs reichlichste zu beschaffen. Alsdann kehrte sie schnell zur Königin zurück, die ihr nun befahl die Waffen anzulegen und tausend tapfere Reitersleute zu sich zu nehmen. Als sie 64 sich gerüstet hatte und mit den tausend Mann vor der Königin wieder erschienen war, um ihr Rapport zu erstatten, befahl sie ihr sich zur Stadt ihres Vaters des Großkönigs aufzumachen, bei seiner Tochter, ihrer Schwester Manâr es-Sanā,Die Stätte des Glanzes. einzukehren und also zu ihr zu sprechen: »Siehe, deine Schwester ladet dich zu einem Besuch ein.« Wenn sie dir dann ihre Kinder giebt und sich zum Besuch aufmacht, so komm' schnell mit ihnen hierher und laß sie in aller Gemächlichkeit folgen; nimm jedoch einen andern Weg als sie, reise Tag und Nacht und sei auf der Hut, daß niemand das Geringste hiervon merkt. Ich aber schwöre bei allen Eiden, wenn sich meine Schwester als seine Gattin erweist, und wenn ihre Kinder die seinigen sind, so will ich ihm nicht wehren, sie samt ihren Kindern mit sich zu nehmen, und in sein Land heimzuziehen.«

Achthundertundzwölfte Nacht.

Die Alte vertraute ihren Worten, da sie nicht wußte, was sie in ihrem Innern plante. Die Verruchte hatte sich nämlich vorgenommen ihn zu töten, wenn seine Schwester nicht sein Weib wäre und ihre Kinder ihm nicht glichen. Alsdann sagte sie zur Alten: »Wenn meine Vermutung wahr ist, so ist meine Schwester Manâr es-Sanā sein Weib, doch Gott ist allwissend. So, wie er sie schilderte, sieht sie aus, und alles, was er von ihrer ausnehmenden Holdseligkeit und bewundernswerten Schönheit erwähnte, ist nur meinen Schwestern und ganz besonders der jüngsten zu eigen.«

Die Alte küßte ihr nun die Hand und kehrte zu Hasan zurück, dem sie die Worte der Königin mitteilte. Da flog sein Verstand vor Freude und, auf die Alte zueilend, küßte er ihr das Haupt, worauf sie zu ihm sagte: »Mein Sohn, küß' nicht mein Haupt, küß' mich lieber auf den Mund und laß diesen Kuß das Konfekt für deine Rettung sein. Sei 65 guten Mutes und kühlen Auges, atme aus fröhlicher Brust auf und ekle dich nicht mich auf den Mund zu küssen, da ich die Ursache deiner Vereinigung mit deiner Gattin bin.« Hierauf verabschiedete sie sich von ihm und ging fort, während Hasan die beiden Verse sprach:

Vier Zeugen hab' ich für meine Liebe zu dir,
Wo doch für alle Sachen zwei Zeugen genügen:
Meines Herzens Pochen, das Zittern meiner Glieder,
Mein Leibes Magerkeit und meiner Zunge Lähmung.«

Als nun die Alte sich gewappnet und die tausend Reisige in Wehr und Waffen zu sich genommen hatte, machte sie sich zu der Insel, auf welcher die Schwester der Königin wohnte, auf den Weg, die von der Residenz der Königin Nûr el-Hudā einen Weg von drei Tagesreisen entfernt lag. Bei Manâr es-Sanā angelangt, begrüßte sie sie und überbrachte ihr den Salâm ihrer Schwester Nûr el-Hudā, worauf sie ihr mitteilte, daß ihre Schwester nach ihr und ihren Kindern Sehnsucht trüge und ihr dafür Vorwürfe machte, daß sie sie noch nicht besucht hätte. Die Prinzessin Manâr es-Sanā erwiderte ihr darauf: »Ich bin meiner Schwester verpflichtet und habe mich in der That vergangen, daß ich sie noch nicht besuchte.« Alsdann ließ sie ihre Zelte vor die Stadt ins Freie schaffen und nahm passende Geschenke und seltene Kostbarkeiten für ihre Schwester zu sich. Nun traf es sich aber, daß ihr Vater der König aus dem Schloßfenster schaute und die Zelte aufgeschlagen sah, weshalb er nach der Ursache hiervon fragte. Als man ihm berichtete, daß die Prinzessin Manâr es-Sanā die Zelte am Wege aufgeschlagen hätte, um ihre Schwester Nûr el-Hudā zu besuchen, rüstete er ihr Truppen zum Geleit aus und holte aus seinen Magazinen Geld und Speise und Trank hervor, sowie Raritäten und Juwelen, wie es sich nicht beschreiben läßt. Der König aber hatte sieben Töchter, die alle bis auf die jüngste leibliche Schwestern von demselben Vater und derselben Mutter waren. Die älteste der Schwestern hieß Nûr el-Hudā, die zweite Nadschm 66 es-Sabāh,Morgenstern. die dritte Schems ed-DuhāVormittagssonne. die vierte Schádscharet ed-Durr, die fünfte Kût el-Kulûb, die sechste Scharaf el-BanâtMädchenruhm. Die andern Namen sind bereits häufiger erwähnt und bekannt. und die siebente und jüngste, Hasans Gattin, Manâr es-Sanā, die nur von Vatersseite her ihre Schwester war.

Die Alte trat nun zu Manâr es-Sanā heran und küßte die Erde vor ihr, worauf diese sie fragte: »Meine Mutter, hast du ein Anliegen an mich?« Die Alte versetzte: »Deine Schwester, die Königin Nûr el-Hudā, befiehlt dir deine beiden Knaben in die zwei Panzer zu kleiden, die du für sie anfertigtest, und sie mir anzuvertrauen, daß ich mit ihnen dir vorausziehe und ihr die frohe Botschaft von deiner Ankunft überbringe.« Als Manâr es-Sanā die Worte der Alten vernahm, ließ sie, die Farbe wechselnd, ihr Haupt für eine lange Weile niedersinken; dann schüttelte sie es und sprach, ihr Haupt zur Alten erhebend: »O meine Mutter, mein Inneres erbebt und mein Herz pocht bei deiner Erwähnung meiner Kinder, denn seit ihrer Geburt hat weder ein Mensch noch einer der Dschinn, sei es Mann oder Weib, ihr Gesicht geschaut, und eifersüchtig hüte ich sie selbst vor dem Zephyr, wenn er weht.« Da entgegnete die Alte: »O meine Herrin, was sind das für Worte? Fürchtest du, daß deine Schwester ihnen etwas zuleide thun könnte?

Achthundertunddreizehnte Nacht.

Gott schütze deinen Verstand! Du kannst der Königin hierin nicht ungehorsam sein, da sie dir zürnen würde. Allerdings, meine Herrin, bist du zu entschuldigen, wenn du um deine Kinder besorgt bist, da sie klein sind, und die Liebe geneigt ist, Schlimmes zu befürchten; jedoch kennst du, meine Tochter, meine Zärtlichkeit und Liebe zu dir und deinen Kindern, wo ich euch doch vor ihnen erzog. Ich will die 67 Kinder in meine Obhut nehmen, will meine Wange zu ihrem Polster machen und mein Herz öffnen und sie in dasselbe setzen, ohne daß ich einer Ermahnung hierzu bedürfte. Sei nur guten Mutes und kühlen Auges und schicke sie zu ihr, wo ich doch höchstens um einen oder zwei Tage vor dir eintreffe.« In dieser Weise ließ sie nicht ab in sie zu drängen, bis sie aus Furcht vor dem Zorn ihrer Schwester nachgab, ohne zu wissen, was für sie in der Zukunft verborgen war, und ihre Einwilligung dazu gab, daß die Alte die Kinder mit sich nahm. Zuvor aber rief sie die Kinder herbei und nahm sie ins Bad, worauf sie sie zurecht machte und sie der Alten übergab, nachdem sie ihnen die Panzer angezogen hatte. Alsdann zog die Alte mit ihnen auf einem andern Wege, als ihre Mutter reiste, so wie es die Königin Nûr el-Hudā sie geheißen hatte, im Fluge ab; und in ihrer Besorgnis für die Kinder ließ sie in ihrer Eile nicht nach, bis sie bei der Residenz der Königin angelangt war, worauf sie mit ihnen den Strom überschritt und sie in die Stadt vor ihre Tante, die Königin Nûr el-Hudā, führte. Als die Königin sie erblickte, freute sie sich über sie und umarmte sie und preßte sie an ihre Brust, worauf sie den einen Knaben auf ihren rechten und den andern auf ihren linken Schenkel setzte. Dann wendete sie sich zur Alten und befahl ihr: »Hole jetzt Hasan her, denn ich habe ihm meinen Schutz gewährt, mein Schwert hat ihn verschont, und er hat in meinem Hause Zuflucht gesucht und ist eingekehrt in mein Heim, nachdem er Schrecknisse und Fährlichkeiten zu ertragen hatte und allerlei Todesgefahren, eine immer schlimmer als die andere, überwand; und doch ist er auch jetzt noch nicht sicher vor der Gefahr, den Becher des Todes zu trinken und seinen Odem abgeschnitten zu sehen.«

Achthundertundvierzehnte Nacht.

Die Alte erwiderte ihr hierauf: »Wenn ich ihn vor dich führe, wirst du ihn dann mit seinen Kindern vereinen? 68 Oder, wenn es sich erweist, daß es nicht seine Kinder sind, wirst du ihm dann vergeben und ihn zurück in sein Land schicken?« Als die Königin ihre Worte vernahm, ergrimmte sie gewaltig und sagte: »Wehe dir, Unglücksalte, wie lange noch suchst du mich in dieses fremden Mannes Angelegenheit mit List zu fangen, der sich wider uns erkühnt und unsern Schleier aufgedeckt und Einblick in unsere Verhältnisse gewonnen hat? Glaubt er etwa in unser Land kommen zu können, unsere Gesichter zu schauen, unsere Ehre zu beschmutzen und dann unversehrt in sein Land heimkehren zu dürfen und unsere Verhältnisse in seinem Land und unter seinem Volk bloßzustellen, daß die Kunde von uns zu allen Königen der Erde gelangt, und die Kaufleute auf ihren Reisen die Mär von uns in allen Himmelsrichtungen verbreiten und erzählen: »Ein Mensch ist auf den Inseln Wâk gewesen, hat das Reich der Zauberer und Wahrsager durchzogen und das Land der Dschânn, der wilden Tiere und Vögel betreten und ist heil zurückgekehrt? Das soll nimmerdar geschehen, und ich schwöre bei dem Schöpfer und Erbauer des Himmels, bei Ihm, der die Erde ausgebreitet und geebnet und alle Geschöpfe erschaffen und gezählt hat, wenn es nicht seine Kinder sind, so töte ich ihn und schlage ihm mit eigener Hand den Kopf ab.« Hierauf schrie sie die Alte an, daß sie vor Furcht umfiel, und spornte den Kämmerling und zwanzig Mamluken wider sie an, denen sie befahl: »Geht mit dieser Alten fort und holt mir schnell den Knaben, den sie bei sich im Hause hat.« Da ging die Alte, gelb im Gesicht und mit zitternden Schultermuskeln, mit dem Kämmerling und den zwanzig Mamluken zu ihrem Hause und trat bei Hasan ein, der sich vor ihr erhob und sie begrüßte, indem er ihr die Hände küßte. Sie erwiderte ihm jedoch nicht den Gruß, sondern sprach zu ihm: »Steh auf und entsprich dem Befehl der Königin; sagte ich dir nicht, du solltest in dein Land heimkehren, und verbot ich dir nicht alles dies? Du aber wolltest nicht auf mich hören, trotzdem ich zu dir sagte, ich 69 wollte dir etwas geben, was kein einziger sich verschaffen könnte, wenn du schleunigst in dein Land heimkehrtest. Du aber hörtest nicht auf mich und befolgtest nicht mein Wort, sondern widersetztest dich und zogst meinen und deinen Untergang vor. Vorwärts denn und empfange, was du dir erwählt hast, denn der Tod ist nahe. Steh auf und entsprich dem Befehl dieser Dirne und ungerechten Tyrannin.« Da erhob sich Hasan gebrochenen Mutes und bekümmerten Herzens, indem er in seiner Furcht fortwährend rief: »O Helfer, hilf mir! O Gott, sei mir gnädig in der Prüfung, die du über mich verhängt hast, und beschütze mich, o barmherzigster Erbarmer!« An seinem Leben verzweifelnd, folgte er dem Kämmerling, den zwanzig Eunuchen und der Alten, die ihn zur Königin hereinführten, in deren Schoß er nun seine Knaben Nâsir und Mansûr sitzen sah, während sie mit ihnen traulich spielte. Beim ersten Blick erkannte er sie und stieß einen lauten Freudenschrei aus, worauf er ohnmächtig zu Boden sank.

Achthundertundfünfzehnte Nacht.

Als er dann wieder zu sich kam, erkannten sie ihn auch, und, ergriffen von instinktiver Liebe, befreiten sie sich aus dem Schoß der Königin und stürzten sich auf Hasan; und Gott, der Mächtige und Herrliche, ließ sie reden, daß sie riefen: »O unser Vater!« Da weinten die Alte und die Anwesenden aus Mitleid und Erbarmen und riefen: »Gelobt sei Gott, der sie wieder mit ihrem Vater vereint hat!« Hasan aber umarmte sie und weinte, bis er von neuem in Ohnmacht sank; als er dann wieder aus seiner Ohnmacht zu sich kam, sprach er die Verse:

So wahr ihr lebt, mein Herz kann die Trennung von euch nicht ertragen,
Und brächte auch die Vereinigung mit euch mir den Tod!
Euer Traumbild spricht zu mir: Morgen sehen wir uns wieder!
Doch werde ich morgen den Feinden zum Trotz noch leben? 70
So wahr ihr lebt, meine Herrin, seit dem Tag unserer Trennung,
Haben des Lebens Wonnen mich nimmer erfreut.
Wenn Gott meinen Tod beschließt um meiner Liebe willen zu euch,
So sterb' ich, euch liebend, als einer der größten Märtyrer.
Oft macht eine Gazelle meine Herzens Winkel zu ihrer Trift,
Doch ist ihre Gestalt, wie der Schlaf, meinen Blicken entronnen.
Wenn sie im Machtbereich des Rechts auch leugnet mein Blut zu vergießen,
So sind ihre rosigen Wangen doch Zeugen hierfür.«

Als nun die Königin Nûr el-Hudā erkannte, daß die Kleinen wirklich Hasans Kinder waren, und daß ihre Schwester Manâr el-Hudā das Weib dessen war, der da gekommen war sie zu suchen, ergrimmte sie über die Maßen –

Achthundertundsechzehnte Nacht.

und schrie Hasan ins Gesicht, daß er ohnmächtig zu Boden stürzte. Als er dann wieder zu sich kam, sprach er die Verse:

»Fern seid ihr, doch meinem Herzen am nächsten von allen Menschen,
Und abwesend, doch eure Wohnung ist tief innen in meiner Brust.
Bei Gott, mein Herz hat sich zu keinem andern geneigt,
Und, so grausam die Zeit auch ist, will ich doch standhaft sein.
Die Nächte kommen, während ich euch liebe, und enden,
Und in meinem Herzen tobt ein Vulkan und eine Hölle.
Ich war ein Jüngling, der nicht eine Stunde der Trennung ertragen konnte,
Wie steht's da um mich, wo Monde der Trennung verstrichen sind?
Ich bin eifersüchtig auf den Zephyr, der dich umfächelt,
Ja, eifersüchtig auf der holdseligen Mädchen zarteste Maid.«

Als Hasan seine Verse beendet hatte, sank er von neuem in Ohnmacht, bis er verspürte, daß man ihn auf dem Gesicht hinausschleifte. Da erhob er sich und schritt, über seine Säume stolpernd und kaum an sein Entkommen glaubend, fort. Die alte Schawâhī war hiervon schwer betroffen, jedoch wagte sie es nicht die Königin wegen ihres grimmen Zornes hierüber zur Rede zu stellen, während Hasan niedergeschlagen weiterschritt, ohne zu wissen, wohin er gehen und 71 sich wenden sollte. Die weite Welt ward ihm eng, und er fand keinen, der ein freundliches und trostreiches Wort zu ihm gesprochen hätte oder bei dem er hätte Rat und Zuflucht suchen können. So war er seines Todes gewiß, da er nicht heimkehren konnte und keinen wußte, mit dem er hätte reisen können; denn ihm selber war der Weg unbekannt, und er vermochte nicht durch das Wadi der Dschânn, das Land der wilden Tiere und die Inseln der Vögel zu ziehen. So weinte er, am Leben verzweifelnd, bis er in Ohnmacht sank. Als er dann wieder zu sich kam, gedachte er an sein Weib und seine Kinder und an ihr Eintreffen bei der Königin, ihrer Schwester, und was ihm von ihr widerfahren war; voll Reue darüber, in dieses Land gekommen zu sein und auf keines Worte gehört zu haben, wanderte er fürbaß, bis er zur Stadt hinaus zum Fluß kam, an dessen Ufer er nun entlang schritt, ohne zu wissen, welchen Weg er nehmen sollte.

Soviel von Hasan; was aber seine Gattin anlangt, so war sie gerade im Begriff am Tag der Abreise der Alten sich auf den Weg zu machen, als der Kämmerling ihres Vaters des Königs bei ihr eintrat, die Erde vor ihr küßte –

Achthundertundsiebzehnte Nacht.

und zu ihr sagte: »O Prinzessin, dein Vater der Großkönig entbietet dir den Salâm und bittet dich zu sich.« Da erhob sie sich und folgte dem Kämmerling zu ihrem Vater, um zu schauen, was er von ihr wollte. Als ihr Vater sie sah, ließ er sie auf dem Thron an seiner Seite Platz nehmen und sprach zu ihr: »Meine Tochter, ich träumte heute Nacht einen Traum, der mich um dich besorgt macht und mich befürchten läßt, daß dir auf dieser Reise langwährender Kummer entsteht.« Sie erwiderte: »Weshalb, mein Vater? Und wie war dein Traum?« Der König versetzte: »Mir träumte, ich stieß auf einen Hort, in dem ich viel Geld, Juwelen und eine Menge Hyazinthen sah; in dem 72 ganzen Schatz aber gefiel mir nichts von allen Juwelen so sehr als sieben runde Steine, welche die schönsten von allen waren. Aus diesen sieben erwählte ich mir den kleinsten, schönsten und funkelndsten aus und nahm ihn, da er mir gefiel, in die Hand, worauf ich mit ihm den Hort verließ. Als ich aber aus der Thür geschritten war und nun die Hand öffnete und erfreut den Edelstein um und um drehte, kam mit einem Male ein fremder Vogel, wie es seiner Art keinen in unserm Lande giebt, vom Himmel auf mich herniedergeschossen, und schnappte mir den Stein aus der Hand fort, worauf er wieder zu jenem Ort, von dem er hierhergeflogen war, zurückkehrte. Da erfaßte mich so großer Kummer und Gram, und Angst und Schrecken bedrückten mich so schwer, daß ich aus dem Traum erwachte, bekümmert und den Verlust des Edelsteins beklagend. Sobald ich aber erwachte, ließ ich die Traumdeuter und Ausleger holen und trug ihnen meinen Traum vor, worauf sie zu mir sprachen: »Dir wird von deinen sieben Töchtern die jüngste mit Gewalt wider deinen Willen entführt werden.« Du aber, meine Tochter, bist die Jüngste und mir von allen am liebsten und teuersten, und nun du zu deiner Schwester reisen willst, weiß ich nicht, was dir von ihr widerfahren kann; ziehe daher nicht fort, sondern kehre in dein Schloß zurück.« Als Manâr es-Sanā ihres Vaters Worte vernahm, pochte ihr Herz und, um ihre Kinder besorgt, ließ sie ihr Haupt für eine Weile zu Boden hängen; dann aber erhob sie es wieder zu ihrem Vater und sprach zu ihm: »O König, die Königin Nûr el-Hudā hat mir ein Gastmahl angerichtet und erwartet stündlich mein Kommen. Seit vier Jahren hat sie mich nicht mehr gesehen und möchte mir zürnen, wenn ich den Besuch unterlasse. Ich bleibe höchstens einen Monat bei ihr und kehre dann wieder zu dir zurück. Wer aber sollte wohl zu unserm Land gelangen und zu den Inseln Wâk kommen? Wem wäre es überhaupt möglich zu dem weißen Land und zum schwarzen Berg zu gelangen, und von 73 dort zur Kampferinsel und dem Krystallschloß zu kommen? Und wie sollte er das Wadi der Vögel, das Wadi der wilden Tiere und schließlich das Wadi der Dschânn durchmessen und unsere Inseln betreten? Ja, wenn ein Fremder wirklich hierher käme, er würde in den Meeren des Verderbens versinken. Sei daher in betreff meiner Reise guten Mutes und kühlen Auges, denn niemand ist imstande unser Land zu betreten.« In dieser Weise umschmeichelte sie ihn so lange, bis er ihr die Erlaubnis zur Reise gewährte; –

Achthundertundachtzehnte Nacht.

jedoch befahl er tausend Reitern sie bis zum Fluß zu geleiten und dort Halt zu machen, bis sie von der Stadt ihrer Schwester wieder zurückgekehrt wäre; außerdem schärfte er ihr ein, nur zwei Tage bei ihrer Schwester zu bleiben und dann schnell wieder heimzukehren. Sie antwortete: »Ich höre und gehorche,« worauf sie sich erhob und von ihrem Vater geleitet, der von ihr Abschied nahm, hinausging. Ihres Vaters Worte hatten jedoch Eindruck auf ihr Herz gemacht, so daß sie für ihre Kinder fürchtete; doch bildet Vorsicht keine Wehr gegen das hereinbrechende Schicksal. Sie reiste drei Tage und Nächte in großer Eile, bis sie zum Fluß gelangte, an dessen Ufer ihr Geleit die Zelte aufschlug, während sie mit einigen ihrer Pagen, Gefolgsleute und Wesire über den Fluß setzte. Als sie nun zur Stadt der Königin Nûr el-Hudā gelangte und sich zu ihr ins Schloß begab, sah sie ihre Kinder bei ihr weinen und hörte sie »Ach unser Vater!« schreien. Da strömten ihr die Thränen aus den Augen, und weinend preßte sie sie an die Brust und fragte sie: »Habt ihr euern Vater gesehen? Ach wäre die Stunde nie gewesen, in der ich mich von ihm trennte! Wüßte ich, daß er noch in der Welt Behausung lebte, ich würde euch zu ihm bringen.« Alsdann jammerte sie über sich, ihren Gatten und ihre weinenden Kinder und sprach die Verse: 74

»O ihr Lieben, trotz der Ferne und Grausamkeit
Sehne ich mich nach euch, wo immer ihr weilt, und liebe euch.
Mein Auge kehrt sich immer zu euern Heimstätten,
Und mein Herz beklagt die fernen Tage, die ich mit euch verbrachte.
Wie viele Nächte wohl verbrachten wir arglos zusammen,
Beglückt von Liebe, von Treue und Zärtlichkeit.«

Als aber ihre Schwester sah, daß sie ihre Kinder an sich preßte und sie dabei die Worte sprechen hörte: »Ich habe dies meinen Kindern und mir selber angethan und habe mein Haus verwüstet,« erwiderte sie ihr nicht den Salâm, sondern sagte zu ihr: »Du Dirne, woher hast du diese Kinder? Hast du dich ohne Wissen deines Vaters verheiratet oder hast du herumgehurt? Ist das letztere der Fall, so ist es geboten ein Exempel an dir zu statuieren; hast du dich aber ohne unser Wissen verheiratet, weshalb hast du dann deinen Gatten verlassen und deine Kinder in unser Land mitgenommen und von ihrem Vater getrennt?

Achthundertundneunzehnte Nacht.

Du hast deine Kinder vor uns verborgen; glaubst du, daß wir das nicht wissen? Gott, der Erhabene, der das Verborgene kennt, hat es uns mitgeteilt und aufgedeckt und hat deine Blöße enthüllt.« Hierauf befahl sie ihren Garden sie zu packen, worauf dieselben sie ergriffen; dann band sie ihr die Hände auf dem Rücken, legte sie in eiserne Fesseln und schlug sie so grausam, daß ihr Leib wund wurde, worauf sie sie an den Haaren aufhängte und ins Gefängnis warf. Alsdann schrieb sie an ihren Vater den Großkönig einen Brief, in dem sie ihm den Vorfall mitteilte und folgendes schrieb: »In unserm Land ist ein Mensch erschienen, und meine Schwester Manâr es-Sanā behauptet, sie sei rechtmäßig mit ihm vermählt und mit zwei Kindern von ihm niedergekommen; sie verbarg dieselben vor uns und dir und teilte nichts hiervon mit, bis dieser Mann zu uns gelangte, dessen Namen Hasan ist, und uns mitteilte, er sei mit ihr verheiratet, und sie habe lange Zeit mit ihm gelebt, bis sie 75 ihn mit ihren Kindern ohne sein Wissen verlassen und bei ihrem Fortgang zu seiner Mutter gesprochen habe: »Sag deinem Sohn, er soll, wenn ihn die Sehnsucht ergreift, zu mir zu den Inseln Wâk kommen.« Wir nahmen infolgedessen den Mann fest, und ich schickte die alte Schawâhī zu ihr, sie samt ihren Kindern zu mir zu holen, jedoch sollte sie mir die Kinder vor ihr herbringen. Als nun die Alte mit den Kindern bei mir eintraf, schickte ich nach jenem Mann, der ihr Gatte zu sein behauptete, und, sobald er bei mir eintrat und die Kinder erblickte, erkannte er sie, so daß ich dessen gewiß war, daß es seine eigenen Kinder waren und daß meine Schwester Manâr es-Sanā seine Frau war. Der Mann hatte die Wahrheit gesprochen und war nicht zu tadeln, vielmehr treffen Tadel und Schimpf allein meine Schwester. Da ich nun fürchtete, unsere Ehre könnte vor den Bewohnern der Inseln bloßgestellt werden, schlug ich diese Dirne und Verräterin bei ihrem Eintreffen aufs grausamste und hängte sie an ihren Haaren auf. Und so habe ich dir ihren Fall mitgeteilt, und dein ist der Befehl. Was du uns befiehlst, werden wir vollstrecken; du weißt, daß hierin sowohl Unehre und Schande für uns und dich liegt, und wenn die Inselbewohner hiervon Kunde bekommen, so werden wir unter ihnen zum Sprichwort werden. Es geziemt sich daher, daß du uns schleunigste Antwort zukommen lässest.« Alsdann gab sie den Brief einem Boten, der ihn dem König überbrachte. Als aber der Großkönig den Brief gelesen hatte, ergrimmte er gewaltig gegen seine Tochter Manâr es-Sanā und schrieb an seine Tochter Nûr el-Hudā einen Brief folgenden Inhalts: »Ich überlasse ihre Sache dir und gebe ihr Blut in deinen Befehl. Wenn die Sache sich so verhält, wie du es mir dargestellt hast, so richte sie hin, ohne meine Zustimmung einzuholen.«

Als dieser Brief ihres Vaters bei ihr eingetroffen war, und sie ihn gelesen hatte, schickte sie zu Manâr es-Sanā und ließ sie vor sich bringen. Blutüberströmt, mit ihrem Haar 76 gebunden, in schweren eisernen Fesseln und in härenen Kleidern stellten sie sie vor die Königin, vor der sie verächtlich und gedemütigt dastand. Als sie sich nun in dieser überaus demütigenden und verächtlichen Lage sah, gedachte sie an die früheren Ehren und sprach bitterlich weinend die beiden Verse:

»O mein Herr, die Feinde trachten nach meinem Verderben,
Und wähnen, ich könnte ihnen nicht mehr entrinnen;
Doch bete ich zu dir, daß du ihr Thun vernichtest,
Denn du, o mein Herr, bist des Fürchtenden und Betenden Hort.«

Hierauf weinte sie in einem fort, bis sie in Ohnmacht sank; als sie dann wieder zu sich kam, sprach sie diese beiden Verse:

Vertraut ist das Leid mit mir geworden und ich mit ihm,
Wiewohl ich zuvor es mied; denn der Edle ist ein vertrauter Freund,
Meine Kümmernisse sind nicht von einer Art,
Mit Gottes Lob suchen tausende mich heim.«

Alsdann sprach sie noch folgende beiden Verse:

»Oft hemmt ein Unglück des Mannes Arm,
Aus dem das Entkommen bei Gott steht;
Doch wenn die Maschen am engsten erscheinen,
Dann lösen sie sich, wo ich's nimmer glaubte.«

Achthundertundzwanzigste Nacht.

Als Manâr es-Sanā diese Verse gesprochen hatte, ließ ihre Schwester die Königin Nûr el-Hudā eine hölzerne Leiter holen und befahl ihren Eunuchen sie rücklings auf die Leiter zu legen und sie mit ausgestreckten Armen daran zu binden. Dann entblößte sie ihr Haupt und schlang ihr Haar um die Leiter, da jegliches Mitleid für sie aus ihrem Herzen entschwunden war. Wie nun Manâr es-Sanā sich in dieser demütigenden und erniedrigenden Lage sah, schrie sie und weinte, ohne daß ihr jemand zu Hilfe kam. Dann sprach sie zu ihr: »O meine Schwester, wie ist dein Herz hart gegen mich? Hast du denn nicht Erbarmen mit mir und diesen Kleinen?«

Bei diesen Worten aber verhärtete sich ihr Herz noch mehr, und, ihre Schwester schmähend, erwiderte sie: »Du 77 Buhlerin, du Dirne, Gott habe nicht Erbarmen mit dem, der sich deiner erbarmt! Wie sollte ich wohl Mitleid mit dir haben?« Manâr es-Sanā erwiderte, ausgespannt wie sie auf der Leiter lag: »Ich appelliere in der Sache, wegen welcher du mich unschuldig schmähst, von dir zum Herrn des Himmels; bei Gott, ich habe nicht gehurt, sondern bin rechtmäßig verheiratet gewesen, und mein Herr weiß, ob meine Worte wahr sind oder nicht. Mein Herz ist erzürnt auf dich wegen deiner Herzenshärtigkeit gegen mich; wie kannst du mir ohne weiteres Hurerei vorwerfen? Jedoch wird mich mein Herr von dir befreien, und, wäre es wahr, was du mir von Hurerei zum Vorwurf machst, so mag mich Gott sofort dafür strafen.« Bei diesen Worten dachte Nûr el-Hudā eine Weile nach, dann aber sagte sie zu ihr: »Wie kannst du solche Worte zu mir sprechen?« und schlug sie, bis sie ohnmächtig wurde, worauf man ihr Wasser ins Gesicht sprengte, bis sie wieder zu sich kam. Ihre Reize aber waren von den harten Schlägen, den festen Banden und von dem Übermaß der Demütigungen erblichen, und so sprach sie die beiden Verse:

»Hab' ich eine Sünde gethan und eine häßliche That,
So bereue ich das Vergangene und komme, um Vergebung bittend, zu euch.«

Als jedoch Nûr el-Hudā ihre Verse vernahm, ergrimmte sie noch heftiger wider sie und sprach zu ihr: »Du Dirne, willst du vor mir in Versen sprechen und dich wegen deiner ungeheuerlichen Verbrechen entschuldigen? Es war mein Wille, dich zu deinem Gatten zurückzuschicken, um deine Schamlosigkeit und deine freche Stirne zu schauen, wo du dich deiner Schamlosigkeit, Gemeinheit und deiner todeswürdigen Vergehen noch rühmst.« Alsdann befahl sie ihren Burschen ihr eine Palmenrute zu holen und peitschte sie, sich die Ärmel aufstreifend, vom Kopf bis zu den Füßen durch. Hierauf verlangte sie nach einer geflochtenen Geißel, mit der man einen Elefanten hätte in Galopp setzen können und bearbeitete 78 ihr damit Rücken, Bauch und alle Gliedmaßen, bis sie in Ohnmacht sank. Als die alte Schawâhī die Königin in dieser Weise wüten sah, lief sie weinend und ihr fluchend fort, worauf Nûr el-Hudā ihren Eunuchen zuschrie, sie zurückzubringen. Da eilten sie ihr um die Wette nach und führten sie, sie ergreifend, wieder vor die Königin, die sie auf die Erde zu werfen befahl und ihre Sklavinnen hieß, sie auf ihrem Gesicht hinauszuschleifen.

Soviel mit Bezug auf diese; inzwischen war nun Hasan das Flußufer in der Richtung nach der Steppe zu, niedergeschlagen, bekümmert und am Leben verzweifelnd, entlang geschritten. Von allem Unglück, das ihn betroffen hatte, war er so betäubt, daß er den Tag nicht von der Nacht unterscheiden konnte; immer weiter schreitend, gelangte er schließlich zu einem Baum, an dem er ein Blatt Papier hängen sah; da langte er es mit der Hand herunter und betrachtete es, und siehe, da standen folgende Verse darauf geschrieben:

»Dein Schicksal bestimmte ich, als dich noch deiner Mutter Schoß trug,
Und machte ihr Herz dir geneigt, daß sie dich zärtlich an die Brust nahm.
In allen Sorgen und Kümmernissen wollen wir dich zufrieden stellen,
Drum demütige dich vor uns und steh' auf, denn in deinen Sorgen fassen wir dich an deine Hand.«

Als er die Verse gelesen hatte, vertraute er auf seine Rettung aus der Not und auf seine Vereinigung mit Weib und Kindern. Hierauf wanderte er noch einige Schritte weiter, als er sich allein in einer gefahrvollen Wüste fand, ohne ein Wesen zu schauen, das ihm hätte Gesellschaft leisten können. Da flog ihm das Herz in seiner Einsamkeit und Furcht, seine Schultermuskeln zitterten ihm an dieser grausenerregenden Stätte, und weinend sprach er die Verse:

»O Zephyr vom Morgen, wenn du am Land meiner Lieben vorüberstreichst,
So bring' ihnen tausend Grüße von mir.
Sag' ihnen, daß ich schmachtender Liebe Geisel bin,
Und daß mein Sehnen alles Sehnen übertrifft.
Vielleicht weht ihre Neigung wie ein Zephyr zu mir her,
Und belebt eines zärtlich Liebenden faulend Gebein.« 79

Achthundertundeinundzwanzigste Nacht.

Alsdann wanderte er noch eine kurze Strecke am Flußufer weiter, als er mit einem Male zwei kleine Knaben von den Kindern der Zauberer und Wahrsager erblickte, vor denen eine eherne Rute mit eingegrabenen Talismanen und eine Lederkappe aus drei Keilen lag, die mit stählernen Namen und Siegeln bedeckt war. Beide lagen auf der Erde, während die beiden Buben miteinander stritten und sich prügelten, daß das Blut zwischen ihnen floß, wobei der eine rief: »Ich will die Rute haben,« während der andere schrie: »Nein, ich will sie haben.« Da trat Hasan zwischen sie und fragte sie, indem er sie voneinander trennte: »Warum streitet ihr miteinander?« Sie erwiderten hierauf: »Oheim, richte du zwischen uns, denn Gott, der Erhabene, hat dich zu uns geführt, unter uns die Sache zu entscheiden.« Nun sagte Hasan: »So erzählt mir eure Geschichte, und dann will ich unter euch Recht sprechen.« Da sprachen sie: »Wir beide sind leibliche Brüder, und unser Vater war ein großer Zauberer, der in einer Höhle in diesem Gebirge lebte. Bei seinem Tode hinterließ er uns die Kappe und die Rute, und nun wollen wir beide die Rute haben. So richte zwischen uns und befreie uns voneinander.« Als Hasan ihre Worte vernommen hatte, fragte er sie: »Wie unterscheidet sich denn die Rute von der Kappe, und welchen Wert haben sie? Nach ihrem Aussehen hat die Rute einen Wert von sechs und die Kappe von drei Hellern.« Da versetzten sie: »Du kennst ihren Wert nicht.« – »Und was ist er?« fragte Hasan. Sie erwiderten: »Jedes Stück hat eine wunderbare geheimnisvolle Kraft, so daß die Rute ebensoviel wert ist als die Einkünfte der Inseln Wâk mit ihren sämtlichen Provinzen, und ebenso verhält es sich mit der Kappe.« Da sagte Hasan zu einem der Buben: »Mein Sohn, um Gott, enthülle mir ihr Geheimnis.« Der Knabe erwiderte ihm: »Oheim, ihre geheimnisvolle Kraft ist groß; 80 einhundertfünfunddreißig Lebensjahre lang mühte sich unser Vater an ihrer Herstellung ab, bis er sie aufs beste hergestellt und mit den geheimen Kräften begabt hatte, so daß er sich ihrer zu außergewöhnlichen Sachen bediente. Indem er auf ihnen das Bild der kreisenden Sphäre eingrub, löste er mit ihrer Hilfe alle Talismane, doch holte ihn der Tod, der keinen verschont, ein, als er sie gerade fertig gestellt hatte. Was nun die Kappe anlangt, so besitzt sie die Kraft, daß sie jeden, der sie aufs Haupt setzt, vor den Augen aller Menschen verbirgt,Wir finden hier die Tarnkappe Siegfrieds wieder. so daß er, so lange er sie auf dem Haupte trägt, von niemand gesehen wird, während jeder, der die Rute besitzt, über sieben Dschinnenstämme gebietet, die alle der Rute dienen, und alle unter ihrem Befehl und Gebot stehen. Schlägt der Besitzer der Rute mit ihr auf den Boden, so huldigen ihm die Könige der Erde, und alle Dschinn stehen zu seinen Diensten.« Als Hasan dies vernahm, senkte er sein Haupt für eine Weile zu Boden und sprach bei sich: »Bei Gott, ich bin durch diese Rute und Kappe, so Gott will, der Erhabene, gerettet, denn ich verdiene sie mehr als jene beiden Knaben. Doch muß ich sofort eine List ersinnen, wie ich sie ihnen entwende, daß ich mich ihrer zu meiner Rettung und zur Befreiung meiner Gattin und Kinder von dieser tyrannischen Königin bedienen kann, daß wir von diesem unseligen Ort fortziehen, von dem es für keinen Menschen Befreiung oder Flucht giebt; und sicherlich hat Gott mich nur zu diesen Burschen hergeführt, um ihnen die Rute und Kappe wegzunehmen.« Alsdann hob er wieder seinen Kopf zu ihnen und sagte: »Wenn ihr wollt, daß ich den Streit entscheide, so will ich euch beide auf die Probe stellen, und wer den andern besiegt, der soll die Rute erhalten, während der Unterliegende die Kappe bekommt; denn allein durch eine Probe sehe ich, was jeder von euch verdient.« Beide erwiderten: »Oheim, wir vertrauen dir die Probe an und 81 überlassen uns ganz deinem Entscheid.« Hasan fragte sie darauf: »Wollt ihr also auf mich hören und meine Worte thun?« Sie versetzten: »Jawohl.« Da sagte Hasan zu ihnen: »Ich werde einen Stein nehmen und werfen, und wer von euch zuerst bei ihm ankommt und ihn aufhebt, der soll die Rute bekommen, während der andere, der später eintrifft, die Kappe bekommt.« Beide versetzten: »Wir sind dessen zufrieden und nehmen dein Wort an.« Da nahm Hasan einen Stein und warf ihn aus Leibeskräften, daß er den Blicken entschwand, worauf die beiden Knaben nach ihm um die Wette liefen; sobald sie aber fern von ihm waren, nahm Hasan die Rute und die Kappe, die er sich aufsetzte; dann verließ er seinen Platz, um die Wahrheit ihrer Worte in betreff des Geheimnisses ihres Vaters zu erproben. Inzwischen war nun der jüngere der beiden Knaben beim Stein angelangt und hatte ihn aufgehoben, worauf er zum Platz, an dem Hasan gestanden hatte, zurückkehrte, ohne jedoch eine Spur von ihm zu sehen. Da rief er seinem Bruder zu und fragte ihn: »Wo ist der Mann, der zwischen uns entscheiden sollte?« Der andere versetzte: »Ich sehe ihn nicht und weiß nicht, ob er hoch zum Himmel hinauf oder tief in die Erde hinabgefahren ist.« Dann suchten sie nach ihm, ohne ihn zu finden, während Hasan neben ihnen stand. Da schmähten sie einander und sagten: »Nun ist Kappe und Rute hin und sind weder mein noch dein; unser Vater hatte es uns just so vorher gesagt, doch vergaßen wir seine Worte.« Alsdann kehrten sie auf ihren Fersen um, während Hasan, angethan mit der Kappe und die Rute in der Hand haltend, in die Stadt zurückkehrte, ohne daß ihn irgend jemand bemerkt hätte, und sich zum Palast begab, wo er die Wohnung der Schawâhī Zât ed-Dawâhī aufsuchte. Ohne daß sie seiner gewahr wurde, trat er in der Kappe bei ihr ein und schritt zu einem Brett ihr zu Häupten, auf dem Glas und Porzellan stand, worauf er es mit der Hand so stark schüttelte, daß alles, was auf ihm stand, zu Boden fiel. Da schrie Schawâhī Zât 82 ed-Dawâhī und stellte, sich vors Gesicht schlagend, die Sachen wieder an ihren Platz, wobei sie bei sich sprach: »Bei Gott, ich glaube nichts anders als daß die Königin Nûr el-Hudā einen Satan zu mir geschickt hat, mir diesen Streich anzuthun; ich bete zu Gott, dem Erhabenen, daß er mich von ihr befreit und von ihrem Zorn errettet; denn, o Herr, wenn sie ihre Schwester, die ihrem Vater so teuer ist, auf so schändliche Weise geschlagen und aufgehängt hat, wie wird sie dann erst in ihrem Zorn mit einer Fremden, wie ich es bin, umspringen!«

Achthundertundzweiundzwanzigste Nacht.

Alsdann rief sie: »Ich beschwöre dich, Satan, bei dem Barmherzigen und Gnädigen, dem Hochherrlichen, Hochmögenden, dem Schöpfer der Menschen und Dschinn, und bei der Schrift auf dem Siegelring Salomos, des Sohnes Davids, – Frieden auf beide! – sprich und steh Antwort!« Da antwortete ihr Hasan und sprach zu ihr: »Ich bin kein Satan, ich bin Hasan, der leidverzehrte, der liebeverstörte.« Alsdann nahm er die Kappe vom Kopf und ward der Alten wieder sichtbar, die ihn nun erkannte und abseits führte, indem sie zu ihm sprach: »Was ist mit deinem Verstand vorgefallen, daß du wieder hierher kommst? Geh' fort und versteck dich, denn was würde dieses schamlose Weib mit dir anstellen, wenn du ihr in die Hand fielest, wo sie deine Gattin, die doch ihre Schwester, so grausam gepeinigt hat?« Hierauf erzählte sie ihm alles, was seine Gattin an Drangsalen, Züchtigungen und Folterqualen erlitten, und verschwieg ihm auch nicht die Züchtigung, die sie selber erduldet hatte, wobei sie hinzusetzte: »Die Königin bereut es, dich losgelassen zu haben, und hat jemand ausgeschickt, dich zurückzuholen, ihm einen Centner Gold und meinen Rang versprechend und gelobend, falls sie dich zurückbrächten, dich, dein Weib und deine Kinder zu ermorden.« Alsdann weinte sie und teilte Hasan mit, was die Königin ihr selber angethan hatte, so 83 daß Hasan ebenfalls zu weinen anhob und fragte: »Meine Herrin, wie soll ich aus diesem Land und vor dieser tyrannischen Königin entkommen, und auf welche Weise kann ich mein Weib und meine Kinder retten und mit ihnen in mein Land heimkehren?« Die Alte versetzte: »Wehe dir, rette dich selber!« Hasan erwiderte jedoch: »Ich muß mein Weib und meine Kinder mit Gewalt von ihr befreien.« Da sagte die Alte: »Wie wolltest du sie mit Gewalt von ihr befreien? Geh' fort, mein Sohn, und verbirg dich, bis Gott, der Erhabene, dir Befehl giebt.« Nun aber zeigte ihr Hasan die Messingrute und die Kappe, bei deren Anblick die Alte in mächtiger Freude zu Hasan sagte: »Preis Ihm, der das verfaulte Gebein lebendig macht! Bei Gott, mein Sohn, du und deine Gattin, ihr wart dem Tode verfallen; doch jetzt, mein Sohn, bist du mit deiner Gattin und deinen Kindern gerettet, denn ich kenne die Rute und kannte auch ihren Herrn, da er mein Scheich war, der mich in der Zauberei unterwies. Er war ein mächtiger Zauberer, der einhundertundfünfunddreißig Jahre an der Herstellung der Rute und Kappe arbeitete, und vom Tod, der keinen verschont, ereilt wurde, als er beide Sachen vollendet hatte. Ich hörte ihn auch zu seinen beiden Knaben sagen: »O meine Knaben, diese beiden Sachen werden nicht euer Teil, denn es wird ein fremder Mann kommen und sie euch mit Gewalt nehmen.« Da sprachen sie zu ihm: »O Vater, sag' uns, auf welche Weise er sie uns entwenden wird;« worauf er versetzte: »Das weiß ich nicht.« Auf welche Weise, mein Sohn, bist du in ihren Besitz gekommen?« Da erzählte er ihr, wie er die beiden Gegenstände den Knaben fortgenommen hatte, worauf die Alte erfreut zu ihm sagte: »O mein Sohn, wo du nunmehr in Stand gesetzt bist, dein Weib und deine Kinder zu befreien, höre auf meine Worte, die ich dir zu sagen habe. Nachdem diese schamlose Dirne sich erfrecht hat, mich zu einem Exempel für alle Welt zu machen, ist meines Bleibens bei ihr nicht mehr, und ich bin gewillt nach der 84 Zaubererhöhle zu ziehen, um dort bei den Zauberern bis zu meinem Tode zu weilen. Du aber, mein Sohn, setz' nun die Kappe auf, nimm die Rute in die Hand und begieb dich an den Ort, an dem sich dein Weib und deine Kinder befinden, schlag dort mit der Rute auf die Erde und sprich: »Ihr Diener dieser Rute, erscheint!« Dann wird einer des Stammes Häupter der Dschinn erscheinen, dem du nach Wunsch und Belieben deinen Befehl zu erteilen hast.« Hierauf nahm Hasan von ihr Abschied und begab sich, nachdem er die Kappe aufgesetzt und die Rute in die Hand genommen hatte, zum Gefängnis seiner Gattin. Er fand sie im schlimmsten Zustande fast leblos, mit den Haaren an der Leiter festgebunden und aufgehängt, weinenden Auges und bekümmerten Herzens, ohne einen Weg zur Befreiung zu wissen. Unter der Leiter aber spielten ihre Knaben, und sie schaute ihnen zu, weinend über sie und über die Folterqualen und die grausamen Schläge, die sie hatte erdulden müssen, und folgende Verse sprechend:

»Nichts ist übriggeblieben als ein fliegender Atem
Und ein Aug' mit irrendem Apfel;
Ein Herz, das von Sehnen erfüllt ist
Und schweigend Feuersqualen erleidet.
Selbst der Schadenfrohe erbarmt sich über das, was er schaut,
O weh über den, dessen sich der Schadenfrohe erbarmt.«

Als Hasan sie in diesem Zustand der Qualen, Demütigung und Schande erblickte, weinte er, bis er in Ohnmacht sank. Und wie er nun wieder zu sich kam und die Kinder über ihrer Mutter, die vor Schmerzen ohnmächtig geworden war, spielen sah, nahm er die Kappe vom Haupt, worauf die Kinder riefen: »Ach, unser Vater!« Da verhüllte er sein Haupt wieder, während sein Weib von dem Schrei ihrer Kinder erwachte, jedoch niemand weiter als ihre Kinder sah, die weinend riefen: »Ach, unser Vater!« Als sie ihren Ruf vernahm und sie weinen sah, brach ihr Herz, und mit zerrissener Seele rief sie: »Ach, wo seid ihr und wo ist euer 85 Vater?!« Alsdann gedachte sie der Zeiten, da sie mit ihm beisammen gelebt hatte, und all des Leids, das sie seit der Trennung von ihm erlitten hatte, und weinte bitterlich, daß ihr die Thränen über die Wangen strömten und die Erde näßten. Eine Thränenflut brach über ihre Wangen los, ohne daß sie eine Hand frei gehabt hätte, sie abzuwischen; die Fliegen sättigten sich an ihrer Haut, und sie fand Hilfe und Trost allein in Thränen und in Versen, die sie sprach.

Achthundertunddreiundzwanzigste Nacht.

Hierauf wendete sie sich nach rechts und links, um zu schauen, weshalb die Kinder so laut »o unser Vater!« gerufen hätten, ohne jemand zu sehen, so daß sie sich darüber verwunderte. Hasan aber hatte bei ihren Versen geweint, bis er in Ohnmacht sank, und die Thränen flossen ihm in Regenströmen über die Wangen. Dann nahm er die Kappe wieder ab, worauf die Kinder ihn von neuem sahen und, ihn erkennend, wieder riefen: »Ach, unser Vater!« Da weinte sie und rief: »Vor Gottes Schicksal giebt's kein Entrinnen!« Bei sich selber aber sprach sie: »Das ist doch wunderbar! Warum sie nur zu dieser Zeit von ihrem Vater reden und ihn rufen!« Alsdann weinte sie und sprach die Verse:

»Verschwunden ist aus dem Land die steigende Leuchte;
O mein Herz, ergieß dich in überströmenden Thränen!
Sie sind fortgezogen, und wie könnte ich's ohne sie aushalten?
Ich schwöre es, ich verlor mein Herz und die Geduld.
O ihr, die ihr fortgezogen seid und doch in meinem Herzen wohnet,
Werdet ihr, meine Herren, nach diesem noch wiederkehren?
Was schadet's, wenn sie wiederkehren, und ich mich ihrer erfreue,
Wenn sie auch Mitleid haben mit meinen strömenden Thränen und meiner Qual?
Am Scheidetage verhüllten sie mein verwundertes Auge mit Wolken,
Und das Feuer, das zwischen meinen Lippen lodert, ging nicht aus.
Ich verlangte nach ihrem Bleiben, doch war das Schicksal mir feind
Und enttäuschte mein Sehnen durch die Trennung von ihnen.
Um Gott, ihr Lieben, kehrt wieder zu uns zurück;
Denn genug der Thränen schon hab' ich geweint.« 86

Da konnte Hasan nicht mehr länger an sich halten und nahm die Kappe vom Haupt ab; als ihn nun aber seine Gattin erblickte, erkannte sie ihn und stieß einen so lauten Schrei aus, daß alle, die sich im Palast befanden, davon aufgeschreckt wurden. Dann fragte sie ihn: »Wie bist du hierher gekommen? Bist du vom Himmel hinab oder aus der Erde hinaufgestiegen?« Und die Augen schwammen ihr in Thränen, daß Hasan mit weinen mußte. Alsdann aber sagte sie: »O Mann, das ist jetzt nicht die Zeit zum Weinen oder Tadeln. Das Schicksal hat sich erfüllt, der Blick war geblendet, und der Kalam hat geschrieben, was Gott von Anbeginn an verhängt hatte. Um Gott, woher du auch gekommen seist, geh fort und verbirg dich, daß dich niemand schaut und es meiner Schwester mitteilt; sonst ermordet sie mich und dich.« Hasan erwiderte ihr: »O meine Herrin und Herrin aller Königinnen, ich habe mein Leben gewagt, um hierherzukommen und entweder den Tod zu erleiden oder dich aus deinen Qualen zu erlösen und mit dir und den Kindern deiner Schwester, dieser schamlosen Dirne, zum Trotz in mein Land zurückzukehren!« Als sie seine Worte vernahm, lächelte sie jedoch und lachte und schüttelte lange Zeit das Haupt, worauf sie zu ihm sagte: »Weitgefehlt, o mein Leben, weitgefehlt! Niemand als Gott, der Erhabene, allein kann mich aus meinem Elend erretten; rette dich selber und zieh fort, ohne dein Leben ins Verderben zu stürzen, denn sie hat ein mächtiges Heer, dem niemand in den Weg zu treten vermag. Und gesetzt auch, du nähmest mich und schrittest mit mir heraus, wie wolltest du zu deinem Lande gelangen und aus diesen Inseln und den Gefahren dieser Gegenden entkommen, deren Wunder und Märchendinge und Gefahren und Drangsale, aus denen selbst keiner der rebellischen Dschinn entkommen könnte, du auf deinem Wege hierher bereits geschaut hast? Mach dich daher schleunigst fort und vermehre nicht noch meinen Kummer und Gram; behaupte auch nicht, du könntest mich aus meinem Leid erlösen, denn wer sollte mich 87 durch alle diese Wadis, die dürstenden Lande und grausigen Gegenden zu deiner Heimat bringen?« Hasan entgegnete: »Bei deinem Leben, o mein Augenlicht, ich gehe nicht fort von hier und ziehe nicht von hinnen, es sei denn mir dir.« Da erwiderte sie: »O Mann, wie könntest du dies bewerkstelligen, und was für eine Art Wesen bist du denn? Du weißt nicht, was du sprichst. Selbst wenn einer über die Dschânn, die Ifrîten, die Zauberer und alle die Stämme und Truppen der Dschinn geböte, könnte er sich nicht aus diesen Gegenden retten. Bring dich daher selber in Sicherheit und verlaß mich; vielleicht läßt Gott noch an mir ein Wunder geschehen.« Hasan versetzte jedoch: »O Herrin der Schönen, ich bin allein hierhergekommen, um dich vermittelst dieser Rute und Kappe zu befreien.« Hierauf erzählte er sein Erlebnis mit den beiden Knaben, als mit einem Male die Königin, die ihr Gespräch gehört hatte, eintrat. Sobald Hasan sie erblickte, setzte er die Kappe auf, während sie zu ihrer Schwester sagte: »Du schamlose Dirne, mit wem hast du dich unterhalten?« Manâr es-Sanā erwiderte ihr: »Wer anders sollte hier sein, mit mir zu sprechen, als diese Kleinen?« Da nahm sie die Geißel und peitschte sie durch, bis sie ohnmächtig wurde, während Hasan dabei stand. Dann befahl sie ihren Sklavinnen sie an einen andern Ort zu schaffen, worauf sie sie losbanden und fortschleppten; Hasan folgte ihnen jedoch zu dem andern Raum, wo sie sie in ihrer Ohnmacht niederwarfen und warteten, bis sie wieder zu sich kam. Und als sie nun aus ihrer Ohnmacht erwachte, sprach sie die Verse:

Ich bereute unsere Trennung so bitterlich,
Daß mir die Thränen von den Lidern rannen;
Und ich gelobte, daß, wenn die Zeit uns wieder vereinte,
Ich nimmer das Wort der Trennung mit meiner Zunge erwähnen würde.
Zu den Neidern würd' ich dann sprechen: Sterbt vor Kummer,
Denn, bei Gott, nun hab' ich meine Wünsche erreicht.
Freude hat mich so übermächtig ergriffen, 88
Daß ich im Übermaß meiner Freude weinen muß.
O Auge, wie bist du so gewöhnt an das Weinen!
Du mußt weinen vor Freuden und aus Kummer.«

Als sie ihre Verse beendet hatte, verließen sie die Sklavinnen, worauf Hasan die Kappe wieder abnahm. Seine Gattin aber sagte nun zu ihm: »Schau, o Mann, alles dies hat mich nur betroffen, weil ich wider dich ungehorsam ward und ohne deine Erlaubnis, deinem Befehl zuwider, ausging. Und nun, um Gott, o Mann, vergieb mir meine Schuld und wisse, das Weib kennt des Mannes Wert nicht eher als bis es von ihm getrennt ist. Ich habe gefehlt und gesündigt, doch bitte ich den großen Gott um Vergebung für mein Verschulden und, so er uns wieder vereinigt, will ich hinfort nimmermehr gegen deinen Befehl aufsässig werden.«

Achthundertundvierundzwanzigste Nacht.

Hasan antwortete ihr mit schmerzlich erregtem Herzen: »Du bist schuldlos; ich allein habe gefehlt, indem ich fortzog und dich bei jemand zurückließ, der weder deinen Rang noch deinen Wert und deine Würde kannte. Wisse aber, du meines Herzens Geliebte, meiner Seele Frucht und mein Augenlicht, daß Gott – Preis Ihm! – mich in stand gesetzt hat, dich zu befreien. Willst du, daß ich dich zu deines Vaters Haus bringe, und du dort über dich ergehen lässest, was dir Gott beschieden hat, oder willst du lieber in Bälde mit mir nach meinem Land ziehen, nun der Trost jetzt zu dir gekommen ist?« Sie versetzte: »Wer könnte mich wohl anders befreien als allein der Herr des Himmels? Zieh heim in dein Land und laß dein Begehr fahren; du kennst nicht die Gefahren dieser Länder, die du bald schauen wirst, wenn du mir nicht gehorchst.«

Hierauf weinte sie und ihre Kinder so laut, daß die Sklavinnen sie hörten und zu ihr hereinkamen, ohne jedoch Hasan zu sehen; voll Mitleid mit ihr und den Kindern weinten sie ebenfalls und verfluchten die Königin 89 Nûr el-Hudā. Hasan aber wartete nun bis zur Nacht, als die Wächter, die mit ihrer Obhut betraut waren, ihr Lager aufgesucht hatten; alsdann erhob er sich, gürtete sich den Leib und, an seine Gattin herantretend, band er sie los und sprach zu ihr, indem er sie aufs Haupt und zwischen die Augen küßte und an seine Brust preßte: »Wie lange haben wir uns nach unserer Heimat und unserer Vereinigung daselbst gesehnt! Ist nun unsere Vereinigung ein Traum oder Wirklichkeit?« Hierauf lud er den ältern Knaben auf, während sie den jüngern nahm, und so schritten beide aus dem Schloß, und Gott ließ seinen schützenden Schleier lang auf sie herniederfallen, so daß sie bis zum Thor kamen, welches den Eingang zum Serâj der Königin verschloß. Als sie dasselbe geschlossen fanden, machten sie Halt und Hasan rief: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen, wir sind Gottes, und zu Ihm kehren wir wieder zurück!« Beide verzweifelten am Entkommen, und Hasan hob von neuem an, indem er die Hände zusammenschlug: »O Sorgenzerstreuer! Alles zog ich in Rechnung und bedachte seine Folgen, nur nicht dies; wenn nun der Morgen über uns hereinbricht, werden sie uns ergreifen. Was für einen Ausweg giebt's in dieser Lage?« Alsdann sprach er die beiden Verse:

»So lange die Tage gut waren, dachtest du gut von den Tagen
Und bangtest nicht vor dem Unheil des Schicksals.
Der stille Frieden deiner Nächte hat dich betrogen,
Wie in sternenheller Nacht oft plötzliches Dunkel entsteht.«

Hierauf hob er an zu weinen, und sein Weib weinte über seine Thränen und die Erniedrigung, die sie erlitten, sowie über die Schmerzen, die ihr die Zeit zugefügt hatte. Alsdann sprach Hasan die folgenden beiden Verse:

»Das Schicksal tritt mir entgegen als ob es mein Feind sei,
Und bringt mir jeden Tag neues Unheil.
Wenn ich mich nach Gutem sehne, bringt es mir gerade das Gegenteil,
Und wenn es einen Tag heiter ist, trübt es sich am andern.« 90

Alsdann sprach er noch folgende beiden Verse:

Mein Schicksal behandelt mich schlecht und weiß nicht,
Daß ich es in meinem Stolz verachte.
Des Nachts zeigt es mir seiner Feindschaft Übel,
Doch ich zeig' ihm des Nachts meine Geduld.«

Nun sagte sein Weib zu ihm: »Bei Gott, wir finden keinen andern Trost, als daß wir uns mit eigner Hand töten und so vor diesem schweren Elend Ruhe finden; sonst erleiden wir am Morgen schmerzliche Folterqualen.« Während sie aber noch miteinander redeten, sprach mit einem Male eine Stimme außerhalb des Thores: »Bei Gott, meine Herrin Manâr es-Sanā, ich öffne dir und deinem Gatten Hasan nicht eher, als bis ihr meine Bitte erfüllt.« Als sie diese Worte vernahmen, schwiegen sie und wollten schon wieder zurückkehren, als die Stimme von neuem anhob und sprach: »Warum schweigt ihr und gebt mir nicht Antwort?« Da erkannten sie die alte Schawâhī Zât ed-Dawâhī an der Stimme und sagten: »Wir wollen alles, was du uns heißest, thun, wenn du uns das Thor öffnest, denn dies ist nicht die Zeit viel Worte zu machen.« Sie versetzte jedoch: »Bei Gott, ich öffne euch nicht eher, als bis ihr mir schwört, daß ihr mich mit euch nehmen und nicht bei dieser Dirne zurücklassen wollt. Was euch widerfährt, widerfahre auch mir, rettet ihr euch, so bin ich auch gerettet, und kommt ihr um, so komme ich auch um. Diese Dirne hat mich mit Verachtung behandelt und foltert mich allstündlich um euretwillen; du aber, meine Tochter, kennst meinen Wert.« Da schwuren sie ihr voll Vertrauen einen Eid, der sie zufrieden stellte, worauf sie ihnen das Thor öffnete. Als sie nun aber aus dem Thor schritten, sahen sie sie auf einem griechischen Krug aus rotem Thon reiten, der um seinen Hals einen Strick von Palmenfasern hatte und unter ihr schneller wie ein Füllen vom Nedschd einherrollte. Indem sie nun an beide herangeritten kam, sprach sie zu ihnen: »Folgt mir unverzagt, denn ich kann vierzig Zauberformeln auswendig, mit deren kleinster 91 ich diese Stadt in ein wogendes, wellenbrandendes Meer umsetzen und jedes Mädchen in ihr in einen Fisch verzaubern kann. Alles dies könnte ich noch vor Anbruch des Morgens thun, wenn ich nicht ihren Vater den König fürchtete und Rücksicht auf ihre Schwestern nähme, die durch ihre vielen Garden, Dschinnenstämme und Diener übermächtig sind. Jedoch sollt ihr bald Wunderdinge von meiner Zauberkunst schauen, und so laßt uns nunmehr mit Gottes, des Erhabenen, Segen und Hilfe fortziehen.« Erfreut vernahmen Hasan und seine Gattin ihre Worte und waren ihrer Rettung gewiß.

Achthundertundfünfundzwanzigste Nacht.

Nachdem sie aus der Stadt herausgekommen waren, nahm Hasan die Rute in die Hand, schlug mit ihr auf die Erde und sprach festen Herzens: »Ihr Diener dieser Talismane, erscheint vor mir und gebt mir Auskunft über eure Brüder.« Und siehe, da spaltete sich auch schon die Erde, und heraus stiegen siebenNach dem Text sind es zehn, doch widerspricht dies dem folgenden. Ifrîte mit den Füßen im Innern der Erde und dem Haupt in den Wolken, die alle, nachdem sie die Erde dreimal vor ihm geküßt hatten, wie mit einer Stimme zu ihm sprachen: »Zu Diensten, unser Herr und Gebieter, was befiehlst du uns? Wir hören auf deinen Befehl und führen jeden deiner Wünsche aus. Sollen wir dir Meere austrocknen oder Berge versetzen?« Hasan freute sich über ihre Worte und die schnelle Antwort und, sein Herz erkühnend und stärkend, fragte er sie: »Wer seid ihr, wie ist euer Name, und zu welchem Stamm und welcher Sippe gehört ihr?« Da küßten sie zum zweitenmal die Erde vor ihm und antworteten wieder auf einmal: »Wir sind sieben Könige, von denen jeder über sieben Stämme der Dschinn, Satane und Mâride herrscht, der fliegenden sowohl wie der tauchenden und derer, die die Berge, Steppen, Wüsten und 92 Meere bewohnen. Befiehl uns, was du willst, denn wir sind deine Sklaven und Diener; jeder nämlich, der diese Rute besitzt, herrscht über unsern Nacken, und wir sind ihm unterthan.« Als Hasan, seine Gattin und die Alte ihre Worte vernahmen, freuten sie sich mächtig; Hasan aber sprach nun zu den Dschânn: »Ich wünsche, daß ihr mir eure Stämme und Truppen und Garden zeigt.« Sie erwiderten ihm jedoch: »O Herr, wenn wir dir unsere Stämme zeigen, so fürchten wir für dich und die andern, die bei dir sind, da ihrer eine große Heerschar ist, und mannigfach an Aussehen, Gestalt, Farbe, Gesicht und Körper; die einen von uns sind Köpfe ohne Leiber, die andern Leiber ohne Köpfe, andere wiederum sehen wie reißende Tiere und wie Löwen aus. Wenn du jedoch auf deinem Befehl bestehst, so wollen wir dir zuerst die Dschinn, die wie reißende Tiere aussehen, zeigen. Was aber, mein Herr, sollen wir jetzt für dich thun?« Hasan versetzte: »Ich wünsche, daß ihr mich, meine Gattin und diese rechtschaffene Frau sofort nach der Stadt Bagdad bringt.« Als sie jedoch seine Worte vernahmen, ließen sie die Köpfe hängen, so daß Hasan sie fragte: »Warum antwortet ihr mir denn nicht?« Da entgegneten alle auf einmal: »O unser Herr und Gebieter, wir haben mit dem Herrn Salomo, dem Sohn Davids, – Frieden auf beide! – einen Bund gemacht und mußten ihm schwören, keinen der Sterblichen auf unsern Rücken zu nehmen. Seit der Zeit haben wir keinen Menschen weder auf unsern Rücken noch unsere Schultern genommen, doch wollen wir dir unverzüglich einige der Dschinnenpferde satteln, die dich und die beiden Frauen in dein Land bringen sollen.« Nun fragte sie Hasan: »Und wie weit ist der Weg von hier bis nach Bagdad?« Sie versetzten: »Es ist ein Weg von sieben Jahren für einen schnellen Reiter.« Da fragte sie Hasan verwundert: »Wie kam ich denn in weniger als Jahresfrist hierher?« Sie entgegneten: »Gott machte dir die Herzen seiner frommen Diener geneigt. Ohne dies wärest du nie 93 nach diesen Gegenden und Landen gelangt und hättest sie nie mit eigenen Augen gesehen. Denn der Scheich Abd el-Kaddûs, der dich auf den Elefanten und das glückbringende Pferd setzte, legte mit dir in drei Tagen einen Weg von drei Jahren für einen schnellen Reiter zurück. Dann überantwortete er dich dem Scheich Abur-Ruweisch Dahnasch, der mit dir an einem Tag und in einer Nacht wiederum einen Weg von drei Jahren zurücklegte; alles dies aber war eine Folge von Gottes, des Hocherhabenen, Segen, da der Scheich Abur-Ruweisch aus der Nachkommenschaft Asafs, des Sohnes des Berechiā, ist und den höchsten Namen Gottes im Gedächtnis hat. Außerdem ist von Bagdad bis zu dem Schloß der sieben Mädchen eine Jahresreise, so daß alles zusammengerechnet sieben Jahre ausmacht.« Als Hasan ihre Worte vernahm, verwunderte er sich gewaltig und rief: »Preis sei Gott, der da leicht macht, was schwer ist, der das Zerbrochene wieder heil macht, der das Ferne nahe bringt, und der jeden hoffärtigen Rebellen erniedrigt! Er, der uns alles leicht gemacht und uns zu diesen Landen geführt hat, der mir diese Geschöpfe unterworfen und mich mit Weib und Kindern wieder vereint hat! Und ich weiß nicht, schlafe ich oder bin ich wach, bin ich nüchtern oder trunken?« Hierauf wendete er sich zu ihnen und fragte sie: »Wenn ihr mich auf eure Pferde setzet, in wieviel Tagen werden sie mich nach Bagdad bringen?« Sie versetzten: »Es wird nicht ganz ein Jahr währen, doch wirst du zuvor Fährlichkeiten, Drangsale und Schrecknisse auszustehen haben und wirst durstige Wadis, schaurige Wüsten und Steppen und Orte des Verderbens in Menge zu durchmessen haben, ohne sicher zu sein, ob du, o Herr, den Bewohnern dieser Inseln –

Achthundertundsechsundzwanzigste Nacht.

oder dem Unheil des Großkönigs und der Zauberer und Schwarzkünstler entkommen wirst. Vielleicht überwältigen sie uns und entreißen euch uns, und wir bekommen Trübsal 94 von ihnen zu kosten, und jeder der hiervon Kunde bekommt, wird sagen: »Ihr seid Missethäter; wie konntet ihr dem Großkönig gegenübertreten und Menschen samt seiner Tochter aus seinem Lande entführen?« Wärest du allein, so wäre es ein leichtes Ding für uns; jedoch ist der, der dich zu diesen Inseln geführt hat, auch imstande dich wieder in deine Heimat zu bringen und in kürzester Frist dich mit deiner Mutter zu vereinen. Fasse daher Mut, vertraue auf Gott, und fürchte dich nicht, denn wir stehen zu deinem Befehl dich in dein Land zu schaffen.« Hasan dankte ihnen hierfür und sagte: »Gott lohne es euch mit Gutem! Nun aber, bringt die Pferde eilig herbei.« Sie versetzten: »Wir hören und gehorchen,« und stampften auf die Erde, worauf sich der Boden spaltete und sie verschwanden. Nach einiger Zeit stiegen sie wieder mit drei gesattelten und gezäumten Pferden empor, und an dem Vorderkopf des Sattels hing ein Reisesack, der in seiner einen Tasche eine mit Wasser gefüllte Lederflasche und in der andern Wegzehrung enthielt. Hierauf führten sie die Pferde vor, und Hasan bestieg eines derselben, den einen Knaben vor sich nehmend, während seine Gattin das andere Pferd mit dem andern Knaben bestieg. Dann stieg die Alte von dem Topf und setzte sich auf das dritte Pferd, worauf sie aufbrachen und die ganze Nacht über ritten, bis sie nach Tagesanbruch vom Wege ablenkten und nach dem Gebirge zu ritten, während ihre Zungen unaufhörlich Gottes Namen aussprachen. Sie ritten den ganzen Tag über am Fuß des Gebirges, bis Hasan mit einem Male einen Berg ähnlich einer hohen zum Himmel aufsteigenden Rauchsäule vor sich gewahrte, worauf er ein Stück aus dem Koran recitierte und seine Zuflucht zu Gott vor dem gesteinigten Satan nahm. Je mehr sie sich aber dem schwarzen Gegenstand näherten, desto deutlicher wurde er, bis sie an ihn herankamen und nun sahen, daß es ein Ifrît war, mit einem Haupt gleich einer großen Kuppel, mit Hauern wie Enterhaken, Nasenlöchern wie Eimern, Ohren wie 95 Lederschilde, einem Mund wie einer Höhle, mit Zähnen wie Steinsäulen, mit Händen wie Heugabeln und Beinen wie Schiffsmaste; und es ragte sein Haupt in die Wolken, während seine Füße tief im Boden staken. Als Hasan den Ifrît anschaute, verneigte sich dieser vor ihm und sprach zu ihm, die Erde vor ihm küssend: »O Hasan, fürchte dich nicht vor mir; ich bin der Fürst der Bewohner dieses Landes, und dies ist die erste der Inseln Wâk. Ich bin Moslem und Anbeter des einigen Gottes und hörte von euch und euerm Kommen. Als ich von euch vernahm, sehnte ich mich aus dem Land der Zauberer in ein anderes unbewohntes Land, fern von den Dschinn und Menschen, zu ziehen, um dort ein einsames Leben zu führen und Gott zu dienen, bis mich mein Termin ereilt. Ich möchte deshalb euer Reisegefährte und Wegweiser sein, bis ihr diese Inseln verlassen habt, und werde nur des Nachts sichtbar sein; seid um meinetwillen guten Mutes, denn ich bin ein Moslem wie ihr.« Als Hasan seine Worte vernahm, freute er sich mächtig, und, fest auf seine Rettung vertrauend, wendete er sich zu ihm und sprach: »Gott lohne es dir mit Gutem! Sei mit Gottes Segen unser Weggenoß.« Hierauf zog der Ifrît vor ihnen her, während sie miteinander plauderten und scherzten. Fröhlichen Herzens und frei um die Brust erzählte Hasan seiner Gattin alle Erlebnisse und Leiden, die er ausgestanden hatte, und ununterbrochen ritten sie die Nacht hindurch bis zum Morgen, –

Achthundertundsiebenundzwanzigste Nacht.

während die Pferde mit ihnen wie der blendende Blitz davonstoben. Bei Tagesanbruch steckte dann jeder von ihnen seine Hand in den Mantelsack und holte etwas zum Essen und das Wasser zum Trinken hervor, worauf sie wieder eilig weiterzogen. In dieser Weise zogen sie, begleitet vom Ifrît, der sie von dem Wege abseits auf einem unbetretenen Pfad am Seestrand entlang führte, einen ganzen Monat lang, ohne Unterbrechung Wadis und Wüsten durchmessend, bis 96 am einunddreißigsten Tage vor ihnen eine Staubwolke aufstieg und die ganze Gegend verhüllte, so daß der Tag verfinstert wurde. Als Hasan dieses erblickte, ward er gelb, und nun erhob sich auch ein schrecklicher Lärm, worauf sich die Alte zu Hasan wendete und zu ihm sagte: »Mein Sohn, das ist das Heer der Inseln Wâk, das uns eingeholt hat, und sogleich werden sie uns festnehmen.« Hasan erwiderte: »Was ist zu thun, meine Mutter?« Sie versetzte: »Schlag mit der Rute auf die Erde.« Da that er es, und sofort stiegen die sieben Könige empor und begrüßten ihn, indem sie die Erde vor ihm küßten und zu ihm sprachen: »Fürchte dich nicht und sei unverzagt!« Da freute sich Hasan über ihre Worte und sagte: »Bravo, ihr Herren Dschinn und Ifrîten, dies ist die Zeit für euch.« Sie erwiderten: »Steig' du mit deiner Gattin, deinen Kindern und den andern, die bei dir sind, aufs Gebirge, und laßt uns die Sache mit ihnen ausmachen, denn wir wissen, daß ihr im Recht seid und sie Unrecht haben, und Gott wird uns wider sie beistehen.« Da stiegen Hasan und seine Frau mit ihren Kindern und die Alte von ihren Rossen ab und erklommen, die Pferde fortschickend, den Abhang des Gebirges.

Achthundertundachtundzwanzigste Nacht.

Bald darauf erschien die Königin Nûr el-Hudā mit ihren Truppen zur Linken und Rechten, und die Anführer ritten das Heer ab und ordneten es in Trupps; alsdann griffen die beiden Heere einander an und prallten aneinander; Flammen sprühten, die Tapfern drangen vor, die Feiglinge wichen zurück, und die Dschinn stießen funkensprühende Lohen aus ihrem Munde, bis das dichte Dunkel der Nacht hereinbrach, worauf sich die beiden Scharen voneinander trennten und, von den Rossen absteigend, bei den Feuern, die sie anzündeten, auf der Erde ruhten. Die sieben Könige aber stiegen hinauf zu Hasan und küßten die Erde vor ihm, während er ihnen entgegenging, ihnen dankte und von Gott Sieg 97 erflehte, worauf er sie fragte, wie es ihnen mit dem Heer der Königin Nûr el-Hudā ergangen wäre. Sie versetzten: »Sie werden uns nur drei Tage standhalten können, denn wir besiegten sie heute und nahmen von ihnen gegen zweitausend Mann gefangen, außer einer zahllosen Menge, die wir erschlugen. Sei darum guten Mutes und leicht um die Brust.« Hierauf verabschiedeten sie sich von ihm und stiegen wieder zu ihren Truppen hinunter sie zu bewachen, die Feuer die Nacht über in Brand haltend, bis der Morgen anbrach, und es hell ward und tagte. Alsdann schwangen sich die Reiter wieder auf die feurigen Rosse und schlugen einander mit den scharfen Schwerterklingen und stachen aufeinander mit den braunen Lanzen, den Tag und die Nacht über im Sattel bleibend und wie zwei Meere aufeinanderprallend; des Gefechtes Flamme loderte zwischen ihnen, und das Handgemenge und Gedränge hielt an, bis den Truppen von Wâk der Mut sank und der Stachel brach. Ihre Füße glitten aus im Blut, und wohin sie sich auch wandten, Niederlage war vor ihnen; und so kehrten sie den Rücken und suchten ihr Heil in der Flucht. Der größte Teil von ihnen wurde niedergemacht, die Königin Nûr el-Hudā aber mit den Großen ihres Reiches und den vornehmsten Offizieren gefangen genommen. Am nächsten Morgen erschienen die sieben Könige vor Hasan und stellten für ihn einen marmornen, mit Perlen und Juwelen besetzten Thron auf, auf den er sich setzte. Dann stellten sie an seine Seite ebenfalls für seine Gattin die Herrin Manâr es-Sanā einen Thron ans Elfenbein mit gleißendem Gold beschlagen auf und einen dritten für die alte Schawâhī Zât ed-Dawâhī, worauf sie die Gefangenen vor Hasan führten, unter denen sich auch die Königin Nûr el-Hudā mit auf dem Rücken gebundenen Händen und gefesselten Füßen befand. Als die Alte sie erblickte, sagte sie zu ihr: »Du Dirne, du Tyrannin, dein Lohn soll kein anderer sein, als daß man zwei Hündinnen hungern läßt und mit dir an die Schweife von zwei Pferden 98 bindet; dann soll man die Pferde zum Fluß treiben, daß dir die Haut zerreißt, und hernach soll dein Fleisch zerstückt und den Tieren zum Fraß gegeben werden. Du Dirne, wie konntest du deine Schwester so grausam behandeln, wo sie rechtmäßig nach Gottes und seines Gesandten Verordnung verheiratet war? denn im Islam giebt's keine Möncherei, die Ehe ist eine der Verordnungen der Propheten – Frieden über sie! – und die Weiber sind für die Männer geschaffen.« Alsdann befahl Hasan alle Gefangenen zu töten, und die Alte schrie: »Schlagt sie alle nieder und verschont keinen.« Als aber die Prinzessin Manâr es-Sanā ihre Schwester in Fesseln und Banden sah, weinte sie über sie und sagte zu ihr: »O meine Schwester, wer ist es, der uns in unserm eigenen Land gefesselt und bezwungen hat?« Nûr el-Hudā versetzte: »Das ist ein gewaltig Ding; fürwahr, dieser Mann, dessen Name Hasan ist, hat Herrschaft über uns gewonnen, und Gott gab ihm Gewalt über uns und unser ganzes Reich, und er besiegte uns und die Könige der Dschânn.« Manâr es-Sanā versetzte hierauf: »Gott hat ihm allein durch diese Kappe und Rute den Sieg über euch verliehen, daß er euch gefangen nahm.« Als Nûr el-Hudā dies vernahm und dessen gewiß war, daß er sie durch diese Mittel befreit hatte, demütigte sie sich vor ihrer Schwester, bis sich deren Herz ihr zuneigte, worauf sie zu ihrem Gatten sprach: »Was willst du mit meiner Schwester thun? Siehe, sie ist in deiner Hand, und sie hat nichts Böses gethan, daß du sie strafst.« Hasan erwiderte: »Das ist doch wohl des Bösen genug, daß sie dich folterte.« Manâr es-Sanā entgegnete: »Für all das Schlimme, das sie mir anthat, ist sie zu entschuldigen; du aber hast meines Vaters Herz verbrannt, indem du mich ihm raubtest, und wie wird es erst um ihn stehen, wenn er auch meine Schwester verliert?« Da sagte Hasan: »Du hast nach deinem Belieben zu entscheiden.« Infolgedessen befahl die Prinzessin Manâr es-Sanā, sämtlichen Gefangenen die Stricke zu lösen, worauf sie auf ihre Schwester zuging und sie 99 umarmte. Beide weinten wohl eine Stunde lang, worauf die Prinzessin Nûr el-Hudā zu ihrer Schwester sagte: »O meine Schwester, nimm mir nicht übel, was ich dir anthat,« und die Herrin Manâr es-Sanā erwiderte: »Meine Schwester, siehe, alles dies war über mich verhängt.« Alsdann setzten sich beide auf den Thron und plauderten miteinander eine Weile, worauf Manâr es-Sanā zwischen ihrer Schwester und der Alten in bester Weise Frieden stiftete, so daß beider Herzen wohlgemut waren. Hasan aber entließ die Truppen der Könige, welche der Rute dienten und dankte ihnen für die Hilfe, die sie ihm wider seine Feinde geleistet hatten. Dann erzählte die Herrin Manâr es-Sanā ihrer Schwester alles, was sie mit ihrem Gatten Hasan erlebt hatte, und alle die Abenteuer und Leiden, die er um ihretwillen erduldet hatte, und sagte zu ihr: »O meine Schwester, seitdem er diese Thaten verrichtet und solche Stärke bewiesen hat, und wo Gott, der Erhabene, ihn mit solcher Kühnheit begabt hat, daß er in unser Land eindrang, dich gefangen nahm, dein Heer schlug und deinen Vater, den Großkönig, der über die Könige der Dschinn gebietet, besiegte, geziemt es sich ihm gegenüber sich nicht zu vergehen.« Nûr el-Hudā antwortete ihr darauf: »Bei Gott, meine Schwester, du hast in allem was du mir von den Abenteuern dieses Mannes erzählt hast, die Wahrheit gesprochen; hat er alles dies wirklich um deinetwillen durchgemacht, meine Schwester?«

Achthundertundneunundzwanzigste Nacht.

Manâr es-Sanā erwiderte: »Jawohl;« worauf sie die Nacht bis zum Morgen miteinander plaudernd verbrachten. Als aber die Sonne aufging, nahmen sie voneinander Abschied und Manâr es-Sanā sagte der Alten, nachdem sie sie mit Nûr el-Hudā ausgesöhnt hatte, Lebewohl. Dann schlug Hasan die Erde mit der Rute, worauf ihre Diener vor ihm erschienen, ihn begrüßten und zu ihm sprachen: »Gelobt sei Gott, der dein Herz beruhigte! Gebiete uns, was du willst, 100 damit wir es schneller als ein Augenblick ausführen.« Hasan dankte ihnen für ihre Worte und sprach zu ihnen: »Gott lohne es euch mit Gutem!« Alsdann sagte er: »Sattelt uns zwei der edelsten Rosse.« Indem sie unverzüglich seinen Befehl vollzogen, führten sie ihm zwei gesattelte Prachtrosse vor, von denen Hasan das eine bestieg, den älteren der beiden Knaben vor sich setzend, während seine Gattin sich mit dem jüngern Knaben auf das zweite Pferd setzte. Dann stiegen auch Nûr el-Hudā und die Alte aufs Pferd, und alle machten sich nach ihrer Heimat auf, indem Hasan mit seiner Gattin sich nach rechts wandte, während die Königin Nûr el-Hudā und die Alte den Weg nach links einschlugen. Einen vollen Monat lang ritt Hasan mit Weib und Kindern ununterbrochen, bis sie sich einer Stadt näherten, um welche sie rings Bäume und Bäche gewahrten. Als sie bei den Bäumen anlangten, stiegen sie von ihren Pferden ab, um sich auszuruhen, und saßen miteinander plaudernd da, als mit einem Male ein großer Reitertrupp angetrabt kam. Sobald Hasan denselben gewahrte, erhob er sich und schritt ihm entgegen, und siehe, da war es der König Hassûn, der Herr des Kampferlandes und der Krystallburg. Hasan trat auf ihn zu, küßte die Erde vor ihm und begrüßte ihn; als ihn aber der König erblickte, stieg er ab, erwiderte ihm den Salâm und hieß ihn in mächtiger Freude willkommen, worauf sich beide auf einen Teppich unter die Bäume setzten. Alsdann sprach der König zu Hasan: »Erzähl' mir deine Erlebnisse von Anfang bis zu Ende.« Da erzählte ihm Hasan alles, worauf der König Hassûn verwundert zu ihm sagte: »Bisher ist außer dir noch niemand von den Inseln Wâk wieder zurückgekehrt, und deine Geschichte ist wunderbar; jedoch sei Gott für deine Rettung gelobt.« Hierauf erhob sich der König und befahl Hasan, indem er wieder zu Pferd stieg, ein Gleiches zu thun und ihm zu folgen. Hasan that es, und so ritten sie zusammen in die Stadt zum Königspalast, wo der König Hassûn abstieg, während Hasan, seine Gattin und 101 die Kinder im Haus für die Gäste einkehrten. Nachdem sie drei Tage lang bei ihm unter Speise und Trank und Spiel und Fröhlichkeit zugebracht hatten, bat Hasan den König Hassûn um Erlaubnis in sein Land heimkehren zu dürfen, und saß nach erhaltener Erlaubnis mit Weib und Kindern wieder auf, begleitet vom König Hassûn. Nachdem sie zehn Tage lang miteinander geritten waren, verabschiedete sich der König von Hasan und kehrte wieder heim, während Hasan mit Weib und Kindern einen vollen Monat weiter ritt, bis sie zu einer großen Höhle gelangten, deren Boden aus Messing bestand. Da sprach Hasan zu seiner Gattin: »Schau diese Höhle, siehst du sie?« Sie erwiderte: »Ja;« worauf er versetzte: »In derselben haust ein Scheich, Namens Abur-Ruweisch, der mir einen großen Dienst erwiesen hat, da er meine Bekanntschaft mit dem König Hassûn vermittelte.« Hierauf erzählte er ihr alles, was sich zwischen ihm und dem Scheich Abur-Ruweisch zugetragen hatte, als dieser mit einem Male aus dem Eingang der Höhle kam. Sobald Hasan ihn gewahrte, stieg er ab und küßte ihm die Hände, worauf der Scheich Abur-Ruweisch ihn begrüßte und, ihn erfreut willkommen heißend, in die Höhle führte, wo sich beide setzten, und Hasan ihm seine Erlebnisse auf den Inseln Wâk mitteilte. Der Scheich Abur-Ruweisch verwunderte sich höchlichst über seine Erzählung und fragte ihn: »Hasan, wie hast du deine Gattin und deine Kinder befreit?« Da erzählte er ihm die Geschichte von der Rute und der Kappe, worauf der Scheich verwundert zu ihm sagte: »O Hasan, o mein Sohn, ohne die Kappe und Rute hättest du Weib und Kinder nicht befreit.« Hasan versetzte: »So ist's, mein Herr.« Während sie aber noch miteinander sprachen, pochte jemand an die Thür, worauf der Scheich Abur-Ruweisch sich erhob und die Thür öffnete; und siehe, da war es der Scheich Abd el-Kaddûs, der auf seinem Elefanten saß. Da trat der Scheich Abur-Ruweisch an ihn heran, begrüßte ihn, umarmte ihn in mächtiger Freude und beglückwünschte ihn zu seiner 102 wohlbehaltenen Ankunft, worauf er zu Hasan sagte: »Erzähl' dem Scheich Abd el-Kaddûs alle seine Erlebnisse, Hasan.« Und so begann denn Hasan auch ihm seine gesamten Abenteuer von Anfang bis zu Ende zu berichten, bis er die Rute –

Achthundertunddreißigste Nacht.

und Kappe erwähnte. Da sagte der Scheich Abd el-Kaddûs zu ihm: »Mein Sohn, nun du deine Gattin und deine Kinder befreit hast, bedarfst du ihrer nicht mehr; wir aber haben es zuwege gebracht, daß du zu den Inseln Wâk gelangtest, und ich erwies dir einen Dienst wegen meiner Nichten. Sei deshalb so gütig und freundlich und gieb mir die Rute und dem Scheich Abur-Ruweisch die Kappe.« Als Hasan die Worte des Scheichs Abd el-Kaddûs vernahm, ließ er das Haupt zu Boden sinken, da er sich schämte zu sagen: »Ich gebe euch die Sachen nicht.« Dann sprach er bei sich: »Diese beiden Scheiche haben mir einen großen Gefallen erwiesen, und allein durch sie gelangte ich zu den Inseln Wâk; ohne sie wäre ich niemals in jene Gegenden gelangt und hätte weder mein Weib und meine Kinder befreit, noch die Rute und Kappe bekommen.« Und so hob er denn wieder das Haupt und sprach zu ihnen: »Jawohl, ich schenke euch beides; jedoch, meine Herren, fürchte ich, daß der Großkönig, der Vater meiner Gattin, mit seinen Truppen in unser Land kommen und wider mich streiten könnte, ohne daß ich imstande wäre sie zu vertreiben, wenn ich nicht die Rute und Kappe besitze.« Da erwiderte ihm der Scheich Abd el-Kaddûs: »Mein Sohn, fürchte dich nicht, wir wollen hier an diesem Platze fortwährend für dich ausspähen und dir beistehen und jeden, den der Vater deiner Gattin ausschickt, von dir abwehren. Fürchte dich daher nicht im geringsten, sei guten Mutes, kühlen Auges und froh um die Brust, es soll dir kein Leid geschehen.« Als Hasan die Worte des Scheichs vernahm, schämte er sich und gab dem Scheich Abur-Ruweisch die Kappe, indem er zum Scheich Abd el-Kaddûs sagte: 103 »Begleite mich in mein Land, ich will dir dann die Rute geben.« Da freuten sich beide Scheiche mächtig und rüsteten ihm ein Geschenk von Geldern und Schätzen her, wie es sich nicht beschreiben läßt. Nachdem er drei Tage bei ihnen geblieben war, verlangte er weiterzureisen, worauf sich der Scheich Abd el-Kaddûs zurechtmachte, um ihn zu begleiten. Als dann Hasan sein Reittier bestiegen und seine Gattin auf ihr Tier gesetzt hatte, pfiff der Scheich Abd el-Kaddûs, und sofort kam ein mächtiger Elefant fern aus der Steppe mit Vorder- und Hinterfüßen schwankend herangetrabt, den er festhielt und bestieg. Alsdann ritten sie alle zusammen fort, während der Scheich Abur-Ruweisch wieder in die Höhle ging; und sie durchmaßen das Land der Länge und Breite nach, stets vom Scheich Abd el-Kaddûs auf dem kürzesten und bequemsten Wege geführt, bis sie sich der Heimat näherten, so daß sich Hasan freute, dem Land seiner Mutter wieder nahe zu sein und mit Weib und Kindern heimzukehren.

Und nach all den schweren Schrecknissen lobte er Gott, den Erhabenen, hierfür, dankte ihm für seine Huld und Güte und sprach die Verse:

Vielleicht vereinigt uns Gott in kurzer Zeit,
Und wir ruhen eng umschlungen Arm in Arm.
Dann erzähl' ich euch meiner Erlebnisse größtes Wunder
Und künd' euch die Schmerzen, die ich durch die Trennung erlitt.
Mein Auge sättige ich mit euerm Anblick,
Denn mein Herz ist von Sehnsucht verzehrt.
Eine Geschichte habe ich für euch in meinem Herzen verborgen,
Um sie euch bei unserm Wiedersehn zu erzählen;
Und tadeln will ich euch für das Leid, das ihr mir zufügtet,
Doch soll der Tadel enden und ewig bleiben die Liebe.«

Als Hasan seine Verse beendet hatte, schaute er auf, und siehe, da gewahrten sie die grüne Kuppel, den Springbrunnen, das grüne Schloß und in der Ferne den Wolkenberg, worauf der Scheich Abd el-Kaddûs zu Hasan sagte: »Freue dich über die gute Nachricht, denn heute Nacht bist du Gast 104 bei meinen Nichten.« Da freuten sich Hasan und seine Gattin mächtig, und stiegen bei dem Kuppelbau ab und ruhten sich aus, worauf sie aßen und tranken. Alsdann saßen sie wieder auf und ritten zum Schloß, aus dem nun, sobald sie sich ihm näherten, die Nichten des Scheichs Abd el-Kaddûs zu ihrem Empfang herauskamen und sie und ihrem Oheim begrüßten. Ihr Oheim aber sprach zu ihnen, nachdem er ihnen den Salâm erwidert hatte: »Meine Nichten, hier hab' ich eures Bruders Hasan Anliegen erledigt und hab' ihm beigestanden sein Weib und seine Kinder zu befreien.« Da traten die Mädchen an ihn heran, umarmten ihn und hießen ihn erfreut willkommen, ihn zu seiner wohlbehaltenen Rückkehr und zur Wiedervereinigung mit seiner Frau und seinen Kindern beglückwünschend; und der Tag war ein Fest für sie. Hierauf trat die Jüngste, Hasans Schwester, an ihn heran und beide umarmten einander, bitterlich über die lange Vereinsamung weinend; dann klagte sie ihm all das Leid der Trennung und ihres Herzens Qual, die sie während der Trennung von ihm erduldet hatte, und sprach die beiden Verse:

Mein Auge schaute seit deiner Abwesenheit auf keinen,
Ohne nicht in ihm dein Bildnis zu sehen;
Und nie schloß es sich, ohne dich im Schlaf zu schauen,
Als wohntest du zwischen meinem Lid und Auge.«

Als sie ihre Verse beendet hatte, freute sie sich mächtig, und Hasan sprach zu ihr: »Meine Schwester, in dieser Sache danke ich dir allein vor allen deinen Schwestern, und Gott, der Erhabene, helfe dir und stehe dir bei!« Hierauf erzählte er ihr alle seine Reiseabenteuer von Anfang bis zu Ende und alles, was er von der Schwester seiner Gattin zu erdulden gehabt und wie er sein Weib und seine Kinder befreit hatte. Ebenso beschrieb er ihr auch alle die Wunderdinge und schrecklichen Gefahren, die er geschaut hatte, und wie ihn die Schwester seiner Gattin samt Weib und Kindern hatte abschlachten wollen, wenn ihm nicht allein Gott, der Erhabene, errettet hätte. Schließlich erzählte er ihr auch die 105 Geschichte von der Rute und Kappe, und daß er beides den Scheichen Abur-Ruweisch und Abd el-Kaddûs, die ihn darum gebeten hätten, nur um ihretwillen geschenkt hätte. Sie dankte ihm hierfür und wünschte ihm langes Leben, während er versetzte: »Bei Gott, ich werde nie all das Gute vergessen, daß du mir von Anfang an bis jetzt erwiesen hast!«

Achthundertundeinunddreißigste Nacht.

Hierauf wendete sich seine Schwester zu seiner Gattin Manâr es-Sanā und umarmte sie und herzte ihre Knaben; dann sagte sie zu ihr: »O Tochter des Großkönigs, verspürtest du kein Mitleid in deinem Herzen, daß du ihn von seinen Kindern trennen konntest und ihm um ihretwillen das Herz verbranntest? Wolltest du etwa, daß er hieran sterben sollte?« Manâr es-Sanā lachte und versetzte: »Gott – Preis Ihm, dem Erhabenen! – ordnete dies so an, und wer die Menschen betrügt, den betrügt Gott.«Dies geht auf Hasan, der dafür, daß er ihr das Federkleid stahl, seine Strafe haben mußte.

Hierauf ließen sie etwas Speise und Trank auftragen und aßen und tranken zusammen und waren fröhlich. Als aber Hasan zehn Tage lang bei ihnen schmausend und trinkend und in Freude und Fröhlichkeit verbracht hatte, rüstete er sich zur Abreise, worauf sich seine Schwester erhob und ihm ein Geschenk, bestehend aus Geld und seltenen Kostbarkeiten, wie es sich nicht beschreiben läßt, herrichtete. Alsdann preßte sie ihn zum Abschied an die Brust und umarmte ihn, während Hasan mit Bezug auf sie folgende Verse sprach:

»Fern, fern ist der Liebenden Trost,
Und Trennung ist nichts als ein schweres Leid.
Härte und Fernsein ist nichts als Kummer,
Und der Liebe Opfer ist nichts als ein Märtyrer.
Wie lang ist die Nacht für einen Liebenden,
Der von seinem Trautgesellen getrennt ist und einsam ward.
Seine Thränen strömen über seine Wangen,
Und er klagt; O ihr Thränen, nehmt ihr kein Ende?« 106

Alsdann gab Hasan dem Scheich Abd el-Kaddûs die Rute, der sich mächtig über dieselbe freute und ihm für das Geschenk dankte, worauf er sie an sich nahm und heimwärts ritt. Dann ritt auch Hasan mit Weib und Kindern aus dem Schloß der Mädchen fort, die ihm zum Abschied eine Strecke Weges das Geleit gaben, bis sie wieder heimkehrten. Hasan aber ritt nun durch wüstes Gelände zwei Monate und zehn Tage lang, bis er nach Bagdad, der Stätte des Friedens, gelangte und, durch das Privatthor, das auf die Wüste und Steppe ging, den Weg zu seinem Hause nahm und an die Thür pochte. Seine Mutter aber hatte infolge seiner langen Abwesenheit den Schlaf geflohen und sich ganz der Trauer und dem Weinen und Wehklagen überlassen, bis sie krank ward und weder aß, noch sich am Schlaf erquickte, sondern Tag und Nacht weinte und unablässig ihres Sohnes Namen ausrief, wiewohl sie an seiner Rückkehr verzweifelte. Und wie nun Hasan an der Thür stand, hörte er sie weinend die Verse sprechen:

»Um Gott, meine Herren,Wie so häufig, liegt hier der poetische Plural vor. heilet euern Kranken,
Dessen Leib verzehrt und dessen Herz gebrochen ist.
Wenn ihr ihm ein Wiedersehen gewährt, so ist's Großmut von euch,
Und überschüttet wird der Liebende von seiner Lieben Huld.
Nicht verzweifelt er am Wiedersehn, denn Gott ist allmächtig,
Und in rollendem Umschwung wird das Schwere leicht.«

Als sie ihre Verse beendet hatte, hörte sie plötzlich ihren Sohn Hasan an der Thür rufen: »O Mutter, die Tage haben uns gnädig wieder vereint!« Als sie seine Worte vernahm, erkannte sie ihn und, schwankend zwischen Glauben und Unglauben, erhob sie sich und öffnete die Thür, vor der sie nun ihren Sohn mit seinem Weib und seinen beiden Knaben stehen sah. Da stieß sie einen lauten Freudenschrei aus und stürzte ohnmächtig zu Boden, worauf Hasan sie so lange liebkoste, bis sie wieder zu sich kam und ihn weinend umarmte. Dann rief sie ihre Burschen und Sklaven und 107 befahl ihnen alle seine Sachen ins Haus zu schaffen. Als sie alle Lasten hereingeschafft hatten, trat Hasans Weib mit den Knaben ein, worauf sich seine Mutter vor ihr erhob, sie umarmte und zu ihr sagte, indem sie ihr Haupt und Füße küßte: »O Tochter des Großkönigs, sollte ich gegen dich gefehlt haben, so bitte ich hier den großen Gott um Verzeihung.« Hierauf wendete sie sich zu ihrem Sohn und fragte ihn: »Mein Sohn, weshalb bliebst du so lange aus?« Da erzählte er ihr alle seine Erlebnisse von Anfang bis zu Ende; als sie ihn aber die Drangsale, die er zu erleiden gehabt hatte, berichten hörte, stieß sie einen lauten Schrei aus und sank ohnmächtig zu Boden. Er redete ihr nun wieder so lange lieb und gut zu, bis sie zu sich kam, worauf sie sagte: »O mein Sohn, bei Gott, du thatest nicht recht daran, die Rute und Kappe fortzugeben; hättest du beide behalten und wohl behütet, du hättest die ganze Erde weit und breit beherrscht. Jedoch, gelobt sei Gott, mein Sohn, für deine, deines Weibes und deiner Kinder wohlbehaltene Heimkehr!« Hierauf verbrachten sie die angenehmste und beste Nacht; am andern Morgen aber wechselte Hasan seine Kleider und zog einen Anzug aus dem schönsten Stoff an; dann begab er sich auf den Bazar und kaufte Sklaven, Sklavinnen, Zeug, kostbare Schmucksachen, Anzüge, Teppiche, Decken und Polster und prächtiges Geschirr, wie man es nicht bei Königen antrifft; alsdann kaufte er Häuser, Gärten, Grundstücke und dergleichen und führte von nun an mit Weib und Kindern und mit seiner Mutter bei Speise und Trank und in Freuden das angenehmste und beste Leben, bis der Zerstörer der Freuden und der Trenner der Vereinigungen sie heimsuchte. Und Preis dem Herrn der sichtbaren und unsichtbaren Welt, dem Lebendigen, dem Ewigen, der nimmer stirbt! 108

 


 


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