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In der nächsten Schwurgerichtsperiode, deren Sitzungen Anfang Oktober im Justizgebäude abgehalten wurden, sollte der Prozeß Beck abgeurtheilt werden.
Trotz seines eifrigsten Bemühens war es Rudolph nicht gelungen, irgendwie neue Gesichtspunkte, die seinen Klienten zu entlasten vermocht hätten, ausfindig zu machen. Vor wie nach stand die Ueberzeugung bei ihm unerschütterlich fest, daß der Trödler Schimmel wenigstens Mitwisser des geschehenen Verbrechens sein und einen Meineid geschworen haben mußte; aber die sowohl von dem Polizeikommissär Grösser, wie auch von dessen Untergebenen fortgesetzt angestellten Beobachtungen hatten noch nicht das geringste Resultat ergeben.
Hedwig Beck benahm sich andauernd gefaßter und ruhiger, als Rudolph es anzunehmen gewagt hatte. Die Schicksalsschläge, welche das junge Mädchen in der letzten Zeit betroffen, hatten die ohnehin selbstständig veranlagte Natur Hedwig's völlig herangereift. Selten nur vergönnte sie ihrem Bräutigam einen kurzen Besuch, bei dem alsdann immer ihre Wirthin zugegen war. Sie schien die bittenden Blicke des jungen Rechtsanwaltes nicht wahrzunehmen, mit gemessener Freundlichkeit bewillkommnete und verabschiedete sie ihn, mit fast unbewegten Gesichtszügen hörte sie seinen Bericht an, und ihre Stimme klang fast theilnahmslos, wenn sie über die Aussichten ihres Vaters in der bevorstehenden Schwurgerichtsverhandlung sprach. Erst wenn Rudolph gegangen war, überließ sich das junge Mädchen ihrem herben Schmerze, dann barg sie ihr brennendes Angesicht in den Händen und sandte stammelnde Gebete zum Himmel, sie zu erlösen von der übermächtigen Last, unter der ihr Herz zusammenzubrechen drohte. –
Im Hause des Fabrikanten Wichern herrschte ebenfalls eine unerquickliche Stimmung, die ihre Wirkung selbst auf das sonst so glückliche Brautpaar erstreckte.
Hugo v. Engler schien in der letzten Zeit nicht mehr so ruhig und heiter zu sein, wie seine Braut es bisher an ihm gewohnt gewesen war. Es hatte ihn eine seltsame nervöse Unruhe überkommen, er erschien häufig offenbar verstimmt und mit niedergeschlagenen Mienen bei seiner Braut, und seine üble Laune verstärkte sich noch, wenn Rudolph ihm wahrheitsgemäß berichten mußte, daß der Erbschaftsprozeß von seiner endlichen Erledigung weit entfernt und es gar nicht abzusehen sei, wer in diesem verwickelten Rechtsstreite schließlich siegen würde.
Vor allen Dingen aber war es das äußerst gespannte Verhältniß zwischen Vater und Sohn, welches die Stimmung in dem Hause des Fabrikanten niederdrückte.
Die Befürchtungen des alten Herrn waren in vollem Umfange eingetroffen. Das Verbrechen in der Kochstraße, noch mehr aber die darauffolgende Verhaftung des früher so hochangesehenen Fabrikanten hatten geradezu Sensation in der Stadt erregt. Man sprach in allen Kreisen von nichts Anderem, und an jedem Wirthshaustische konnte man über die bevorstehende Schwurgerichtsverhandlung und deren muthmaßlichen Ausgang eifrig verhandeln hören.
Auch Andreas Wichern hatte seinen Freunden und Bekannten auf die Dauer nicht ausweichen können. Unter dem Deckmantel freundnachbarlicher Gesinnung und herzlicher Antheilnahme hatte man den ehrenstrengen und auf sein Ansehen peinlich-stolzen Mann empfindlich zu verwunden gewußt. Es war deshalb wiederholt zu erregten Scenen zwischen Vater und Sohn gekommen.
Kein Wunder war es, daß unter solchen Umständen die Stirn des jungen Rechtsanwaltes sich immer mehr verdüsterte, denn wohin er auch schauen mochte, nirgends wollte sich ihm ein hoffnungsreicher Lichtblick offenbaren. Ein tückisches Geschick schien sich wider ihn verschworen zu haben. Er selbst mußte nothgedrungen die Sache Beck's vor seinem eigenen Gewissen als verloren betrachten; mit der Verurtheilung des unglücklichen Mannes fiel aber auch die letzte Hoffnung für Rudolph selbst, denn dieser kannte den Sinn seiner Braut zu genau, um sich nicht eingestehen zu müssen, daß Hedwig bei ihren Ansichten verharren und durch kein Flehen und Bitten von denselben sich abbringen lassen würde.
Gesetzt aber den höchst unwahrscheinlichen Fall, daß es ihm gelingen würde, Beck's Freisprechung zu erzielen und damit dessen Tochter mit dem Gedanken an eine baldige Verbindung wieder zu befreunden, so stand doch immer ihrem zukünftigen Glücke die Willensmeinung seines eigenen Vaters hindernd gegenüber. Rudolph war ein guter Sohn und beurtheilte die strengen Charaktereigenschaften seines Vaters milde; er wußte ja nur zu gut, daß unter dessen rauher Außenseite ein treu liebendes, wohlmeinendes Herz für ihn schlug.
Der Gedanke, daß sein Sohn, der Träger seines makelreinen, hochangesehenen Namens, das Werk seines ganzen Lebens durch eine Heirath mit der Tochter eines Raubmörders beflecken und vernichten könnte, hatte etwas Entsetzliches für den alten Mann. Tag und Nacht ließen ihn die quälendsten Vorstellungen nicht zur Ruhe kommen. Mit nervöser Hast griff er jeden Morgen nach der Zeitung, zitternd vor Erregung durchflog er dieselbe, um zu sehen, ob nicht wieder etwas Neues über die Aufsehen erregende Angelegenheit darin stände.
Als dann eines Morgens in dem Blatte die Veröffentlichungen für die nächste Schwurgerichtssession erschienen, und er den Namen seines früheren Freundes zwischen berufsmäßigen Verbrechern, die ebenfalls ihrer Aburtheilung entgegenharrten, gedruckt sah, da überkam ihn ein verheerender Zorn, der ihm fast die ruhige Ueberlegung raubte.
An diesem Tage hatte Rudolph einen harten Stand. Entmuthigt und niedergeschlagen war er am Nachmittage aus der Stadt nach Hause gekommen, nachdem er vorher vergeblich versucht hatte, mit Hedwig zu sprechen. Die Wirthin hatte ihn mit der Versicherung abgewiesen, daß das junge Mädchen nicht zu Hause, sondern einige nöthige Einkäufe zu besorgen gegangen sei.
Der alte Herr empfing seinen Sohn zitternd vor Erregung. An ein freundliches Wort zum Gruße dachten Beide schon längst reicht mehr.
Rudolph begnügte sich mit einem kurzen Gruße, dann wollte er an seinem Vater vorüber nach seinem Zimmer gehen.
Aber der alte Herr vertrat ihm den Weg. »Also in zehn Tagen ist die Schwurgerichtsverhandlung,« begann er, und seine bebende Stimme verrieth die Gereiztheit, die sein ganzes Wesen beherrschte. »Du, mein Sohn und Erbe, willst es wirklich zum Aeußersten kommen lassen, willst das in Ehren grau gewordene Haar Deines Vaters schänden, indem Du die aussichtslose Vertheidigung eines solchen Schurken übernimmst?«
Ein schmerzliches Zucken erschien um die Mundwinkel Rudolph's. »Vater,« bat er in eindringlichem Tone, »ich bin wirklich nicht in der Stimmung, Dir jetzt Rede zu stehen. Uebrigens muß ich Dir auf's Neue versichern, daß Deine Meinung eine irrthümliche ist. Ganz abgesehen von meinem Privatverhältnisse zu Beck und dessen Tochter, ist es meine Pflicht als Rechtsanwalt, dem nach meiner Ueberzeugung unschuldigen Manne beizuspringen. Ich würde mich einer großen Pflichtverletzung schuldig machen, wenn ich mich jetzt, dicht vor der Entscheidung zurückziehen wollte, ganz abgesehen davon, daß schon mein Herz mir dies verbietet.«
Der alte Herr zuckte die Achseln, dann wendete er sich und ging heftig erregt im Zimmer auf und nieder. Plötzlich blieb er dicht vor seinem Sohne stehen.
»Rudolph!« rief er mit immer wachsender Erbitterung. »Ich habe lange Nachsicht gehabt, weil ich weiß, daß Dein Herz mit betheiligt ist, aber ich kann mir nicht denken, daß Dir die Wahl schwer werden kann. Hier sind Dein in Ehren graugewordener Vater, Deine Schwester, Dein eigenes Lebensglück, die Aussicht auf eine ehrenvolle Zukunft – und dies Alles willst Du opfern um eines Mädchens willen, das einen Raubmörder zum Vater hat, wegen eines Mädchens, das von Dir selbst nichts mehr wissen will, weil sie klüger ist als Du, weil sie einsieht, daß auf einer solchen Verbindung kein Segen ruhen kann? Geh, geh, ich muß an Deinen gesunden Verstandeskräften zu zweifeln beginnen. Das nenne ich nicht mehr Liebe, das nenne ich verbohrte Hartnäckigkeit!«
»Vater, ich bedaure Deine Worte, und Du selbst wirst sie noch bedauern,« entgegnete Rudolph mit fester Stimme. »Ganz abgesehen von meiner Liebe zu Hedwig, steht mein Vertrauen auf die Unschuld ihres Vaters unerschütterlich fest in meinem Herzen, und so sicher wie ich aller Welt in's Gesicht behaupten würde, sie lüge, falls man Dich eines Verbrechens zeihen würde, so stolz stehe ich für Deinen ehemaligen Freund ein und sage selbst dem eigenen Vater, der an die Schuld des Unglücklichen glaubt: Du irrst Dich, jener Mann ist unschuldig, und der Tag wird kommen, an dem Du Deine jetzige Ungerechtigkeit bereust!«
Hoch aufgerichtet, mit stolzer Entschlossenheit in den geistvollen Zügen stand der junge Rechtsanwalt da. Aber dieser Anblick vermehrte nur noch die Gereiztheit des alten Herrn.
Ein finsterer Entschluß zuckte plötzlich in seinen Augen auf. »Gut denn, gut,« stieß er hervor. »Geh Du Deinen Weg, mir aber mußt Du gestatten, daß ich den meinigen wandle und damit Gott befohlen.«
Mit diesen Worten wendete er sich um und verließ, ohne seinem Sohne noch einen Blick zu gönnen, das Gemach.
Schon eine Viertelstunde später trat er aus dem Hause und eilte durch die herabdunkelnde Nacht raschen Schrittes der inneren Stadt zu.
Hedwig Beck erstaunte nicht wenig, als etwa um die achte Abendstunde ihr die Wirthin meldete, daß ein Herr sie in dringlicher Angelegenheit zu sprechen wünsche. Ihr Befremden wuchs noch und verwandelte sich in offenbares Erschrecken, als sie in dem bei ihr Eintretenden Rudolph's Vater erkannte. Eine jähe Blutwelle stieg ihr bis unter die Schläfe und sie schaute verwirrt vor sich nieder.
Der alte Herr maß sie mit einem langen, forschenden Blicke, dann musterte er die einfache Einrichtung des Zimmers, sowie das schlichte Kleid des verwirrt vor ihm stehenden jungen Mädchens. Fast war es, als ob auf seinen strengen Zügen eine mildere Herzensregung sich kundgeben wollte, als aber sein Blick auf den Goldreifen fiel, der den Ringfinger der linken Hand Hedwig's schmückte, und von dem er wußte, daß er das Symbol des abgelegten Treuschwures seines eigenen Sohnes war, verhärteten sich seine Züge sofort wieder.
»Sie sehen mich in einer peinlichen Angelegenheit bei Ihnen erscheinen, Fräulein Beck,« begann er, die Einladung des jungen Mädchens, Platz zu nehmen, überhörend. »Ich will gleich vorausschicken, daß ich nicht im Auftrage meines Sohnes komme, ja, daß dieser nicht einmal weiß, daß ich zu Ihnen gegangen bin. Ich schicke ferner voraus, daß ich Sie nicht kränken und verletzen will, Sie scheinen mir im Gegentheil ein tüchtiges, braves Mädchen zu sein, das ich wegen des Unglückes, das Ihr Vater über Sie gebracht hat, aufrichtig bedauere.«
»Aber ich bitte Sie, Herr Wichern, ich verstehe wirklich nicht –« unterbrach ihn Hedwig.
»Lassen Sie mich nur ausreden,« fuhr Wichern fort. »Mein Sohn betrachtet sich vor wie nach als Ihren Verlobten, obwohl er weiß, daß ich aus zwingenden, Ihnen jedenfalls bekannten Gründen meine erst ertheilte väterliche Erlaubniß zurückziehen mußte.«
Das junge Mädchen wurde plötzlich todtenbleich im Gesicht. Ihre bis dahin erschreckt dareinschauenden Augen nahmen einen stolzen, selbstbewußten Blick an und sie richtete sich höher auf.
»Noch verstehe ich Sie immer nicht recht, Herr Wichern,« sagte sie in leise erzitterndem Tone. »Sie wissen vermuthlich, daß ich Rudolph – Ihrem Sohne,« verbesserte sie sich gleich darauf, »bereits in der Sterbestunde meiner seligen Mutter sein Wort zurückgegeben habe.«
»Jawohl, das weiß ich. Mein Sohn hat es mir selbst gesagt, aber er sagte mir auch, daß Sie auf sein Drängen und Bitten sich doch entschlossen haben, ihm eine – wie soll ich sagen – ihm eine gewisse Wartefrist zu stellen. Soviel ich weiß, knüpfte sich Ihre endliche Einwilligung an die Wiederherstellung der Ehre Ihres Vaters.«
Hedwig nickte mit dem Kopfe. »Rudolph bat mich,« versetzte sie, »ich leugne nicht, daß ich ihn lieber habe wie mein eigenes Leben … auch von ihm weiß ich, daß er Alles für mich freudig hingeben würde, darum folgte ich seinen Bitten und willigte ein, obgleich ich kein gedeihliches Ende voraussehe.«
In den bis dahin gefurchten Gesichtszügen des alten Herrn leuchtete es jäh auf. »Das nenne ich ein Wort zur rechten Zeit. Freilich kann ein solches Verhältniß zu keinem gedeihlichen Ende führen. Lassen Sie mich offen reden, ich sehe, ich habe mich nicht getäuscht, Sie sind einem vernünftigen Worte zugänglich. Gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, den ich in Ihrem Interesse herbeisehnen möchte, Ihr Vater wird freigesprochen, was folgt daraus? Man hat ihn mangelnder Beweise halber freigesprochen, der Verdacht bleibt aber als ein schmachvoller Fleck auf seiner Ehre Zeit seines Lebens haften – den wäscht keine Freisprechung mehr ab. Sie aber sind seine Tochter!«
»Herr Wichern –« stammelte das junge Mädchen, tödtlich erblassend.
»Lassen Sie mich ausreden. Ich will Sie nicht kränken, ich spreche nur offen zu Ihnen. Sie sehen einen alten, verzweifelten Vater vor sich, der alle Gründe der Vernunft vergebens an seinem Sohne verschwendet hat und nun keinen anderen Ausweg mehr sieht, als mit dem Mädchen, um dessen willen sein Sohn Vater, Ehre und Zukunft daran setzen will, sich auseinanderzusetzen.«
»Sie hätten sich diesen Gang ersparen können,« versetzte Hedwig mit tonloser Stimme, während sie den alten Herrn mit einem langen, stolzen Blicke maß. »Ich sagte Ihnen vorhin schon, daß ich mich nicht mehr als die Braut Ihres Herrn Sohnes betrachte. Es wäre nicht nöthig gewesen, mir die heutige Demüthigung zu bereiten – ich trage ohnehin schon schwer genug an meinem unverschuldeten Geschick«
Andreas Wichern's Stirn röthete sich; die Worte des jungen Mädchens gingen ihm mehr zu Herzen, als er sich selbst einzugestehen wagte. »Verstehen Sie mich nicht falsch, liebes Fräulein; ich bedauere herzlich Ihr Mißgeschick, aber versetzen Sie sich in meine Lage. Ich bin in Ehren grau geworden, ich habe es zu etwas gebracht, man nennt meinen Namen mit Achtung, jeder Bürgersmann zieht respektvoll den Hut vor mir, und nun soll mit einem Male mein Sohn sich in blinder, unseliger Leidenschaft –«
»Kein Wort weiter, Herr Wichern, ich bitte Sie,« rief Hedwig, sich stolz in die Höhe richtend. »Alles das, was Sie mir sagen könnten, habe ich Ihrem Herrn Sohne bereits selbst gesagt; es ist nicht meine Schuld, daß er bei mir auszuharren beschlossen hat. Ich sage Ihnen nochmals, ich bin seine Braut nicht mehr!«
»Aber Sie tragen noch seinen Ring, das Unterpfand seines Treuschwures,« unterbrach sie Wichern zornig, dem die Erkenntniß über die unvortheilhafte Rolle, welche er in den Augen des jungen Mädchens spielen mußte, plötzlich gekommen war.
Mit einem müden, glanzlosen Blicke sah Hedwig zu dem blinkenden Goldreifen an ihrem Finger herab, dann schien ein plötzlicher Schauer sie zu überkommen. Mit schnellem Entschlusse streifte sie den Ring von der Hand und legte ihn vor sich auf den Tisch nieder.
»Ich sage Ihnen nochmals, Herr Wichern, Sie hätten mir diese Demüthigung ersparen können,« versetzte sie. »Um Ihres Sohnes willen, nicht meinetwegen, duldete ich scheinbar die Fortsetzung unserer Beziehungen. Gott allein weiß es, wie schwer ich gerungen habe die letzten Wochen über. Bitte, bringen Sie diesen Ring Ihrem Sohne, sagen Sie ihm, daß meine letzte Bitte an ihn ist, auch mich vergessen zu wollen. Sagen Sie ihm, daß ich nach Ihren heutigen Worten unter keinen Umständen, es sei denn, daß Sie selbst mich bäten, sein Weib werden könne, sagen Sie ihm auch noch, daß dieser Entschluß ein unabänderlicher ist, so wahr ich selbst dereinst selig zu werden hoffe.«
Die schlichte Seelengröße, die aus den Worten des jungen Mädchens sprach, verwirrte und beschämte Wichern wider seinen eigenen Willen. »Sie müssen doch selbst einsehen, daß ich nicht gut anders handeln konnte,« versetzte er verlegen, »aber wenn Sie wüßten, zu welcher Stätte des Unfriedens mein Haus geworden ist.«
»Ich bedauere Ihr Auftreten, aber es ist keine Entschuldigung nöthig,« entgegnete Hedwig, ihn kurz unterbrechend. »Unsere Wege scheiden sich für immer. Sagen Sie Ihrem Sohne, daß ich ihm herzlich für Alles danke, was er an meinem Vater und mir gethan hat und was er Gutes für meinen Vater noch thun wird. Sagen Sie ihm aber auch, daß ich es als bittere, unverdiente Kränkung betrachten würde, wenn er nochmals versuchen sollte, sich mir zu nähern.«
Von Neuem deutete sie auf den Ring und ihre Haltung war dabei so unnahbar stolz und zugleich entschieden, daß der alte Herr gänzlich verwirrt den Reifen wirklich an sich nahm und, nur noch einen flüchtigen Gruß vor sich hinmurmelnd, aus dem Zimmer ging. Es überkam ihn immer stärker das Bewußtsein, daß er, der an Ehren reiche und auf sein Ansehen so stolze Mann, sowohl in den Augen des jungen Mädchens, als auch in den Augen seines eigenen Sohnes eine unwürdige Rolle gespielt hatte.
Was sollte er Rudolph sagen?