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Aus einem Brief vom 14. Juni 1844

... es wird heißen: »Da könnte jeder kommen und alles über den Haufen werfen wollen; neue Systeme bringt jeder Tag; Herkules-Arbeit wäre es, wenn man sich in die Sachen alle näher einlassen wollte; wenn etwas daran ist, so führe der Verfasser es aus, schreibe ein Buch darüber; dann wollen wir sehen: dieses wird dann wohl einen Rezensenten finden.« Der Rat ist sehr gut, nur vor der Hand für mich nicht ausführbar; das Feld ist zu groß; überall muß ich mich erst mühsam einarbeiten, und in zehn Jahren käme ich nicht zustande, ein Werk, das auf die gegebene Theorie gestützt, die Mechanik, Optik, Elektrizitäts- und Wärmelehre im Zusammenhang umarbeiten würde, zu liefern; ars longa vita brevis je weiter ich komme, um so weniger sehe ich ein Ende. Käme die Sache einmal in andere und namentlich in mehrere Hände, so bin ich fest überzeugt, würde die Wissenschaft bald Nutzen daraus ziehen; so aber gleiche ich einem, der, ich darf sagen mit keiner geringen Mühe, eine Mine edlen Metalls entdeckt hat, nun aber vergeblich Baukundige einladen wird, die Mühe sich zu nehmen, auf dem Weg, den er zeigen will, hinabzusteigen und das herauszuschaffen, was dem einzelnen zu schwer wird.

Die Theorie habe ich keineswegs am Schreibtisch ausgeheckt. Nachdem ich mich auf meiner Reise nach Ostindien eifrig und anhaltend mit der Physiologie des Blutes beschäftigt, gab mir die Beobachtung der veränderten somatischen Verhältnisse unserer Schiffsmannschaft in den Tropen, der Akklimatisationsprozeß, wieder vielfachen Stoff zum Nachdenken; die Krankheitsformen, und besonders auch die Beschaffenheit des Blutes lenkten meine Gedanken anhaltend in erster Linie auf die Erzeugung der animalischen Wärme durch den Respirationsprozeß; will man nun über physiologische Punkte klar werden, so ist Kenntnis physikalischer Vorgänge unerläßlich, wenn man es nicht vorzieht, von metaphysischer Seite her die Sache zu bearbeiten, was mich unendlich disgoutiert; ich hielt mich also an die Physik und hing dem Gegenstand mit solcher Vorliebe nach, daß ich, worüber mich mancher auslachen mag, wenig nach dem fernen Weltteil fragte, sondern mich am liebsten an Bord aufhielt, wo ich unausgesetzt arbeiten konnte und wo ich mich in manchen Stunden gleichsam inspiriert fühlte, wie ich nie zuvor oder später mir etwas ähnliches erinnern kann.

Einige Gedankenblitze, die mich, es war auf der Reede von Surabaya, durchfuhren, wurden sofort emsig verfolgt und führten wieder auf neue Gegenstände. Jene Zeiten sind vorbei; aber die ruhigste Prüfung dessen, was damals in mir auftauchte, hat mich gelehrt, daß es Wahrheit ist, die nicht nur subjektiv gefühlt, sondern auch objektiv bewiesen werden kann. Ob dieses aber durch einen der Physik nur so wenig kundigen Mann geschehen könne, dies muß ich natürlich dahingestellt sein lassen. Kommen wird der Tag, das ist ganz gewiß, daß diese Wahrheiten zum Gemeingut der Wissenschaft werden; durch wen dies aber bewirkt wird, und wann es geschieht, wer vermag das zu sagen?

Julius Robert Mayer


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