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10. Kapitel.

An jenem Abend war nicht viel Verkehr auf dem unteren Broadway, und gegen halb zehn Uhr konnte man das Rasseln jedes einzelnen Wagens und selbst den Schritt eines Fußgängers deutlich vernehmen. Zwei volle Stunden hatte Grady schon dagesessen, ohne sich zu regen. Seine breiten, derben Hände lagen auf den Knieen, die wulstigen Lippen waren zusammengepreßt, und die Augen halb geschlossen. Doch schlief er nicht etwa, und wenn er träumte, waren es wache Träume, die nicht in vergangenen Zeiten weilten, sondern in einer schönen Zukunft. Starke, romantische Einbildungskraft hätte wohl niemand bei Grady vermutet, und doch ist diese nicht selten mit geschäftlicher Einsicht und Tatkraft gepaart; sie dient dazu, alle andern Eigenschaften zu erhöhen, hat aber auch ihr eigenes Gebiet und Stunden, in welchen sie ihren Günstling in ein Zauberland entrückt.

Jetzt fuhr es dem Träumer auf einmal wie ein elektrischer Schlag durch alle Glieder; er richtete sich auf und horchte mit angehaltenem Atem. An der Türe klopfte es leise. Ohne Zögern zog Grady den Riegel zurück und öffnete. Eine dicht verschleierte Frau, in weichen, dunklen Stoff gekleidet, schritt rasch über die Schwelle, an dem Ladentisch vorbei und in das dahintergelegene Wohnzimmer. Grady schob den Riegel wieder vor und folgte ihr.

Weder in dem Laden noch im Zimmer war Licht, nur von den Laternen auf dem Broadway fiel ein matter Schein durch das Fenster. Nachdem Grady die Tür des Wohnzimmers hinter sich geschlossen, zündete er ein Licht auf dem schmalen Kaminsims an, es flammte auf, verfinsterte sich wieder und beleuchtete dann mit gelbem Schein das Weib, welches noch in Schleier und Mantel gehüllt dastand.

Ich dachte schon, du kämest wieder spät! sagte Grady sich zu ihr wendend. Es ist doch alles in Ordnung?

Sie hatte indessen mit behenden Fingern ihre Umhüllungen gelöst, und sich mit einer raschen Wendung wie aus der Hülse geschält. Sie war im Gesellschaftsanzug, mit viereckigem Ausschnitt und kurzen, offenen Aermeln, die ihre weißen Arme nur bis zum Ellbogen bedeckten. Mit neckischem Lachen streifte sie die langen Handschuhe ab, warf sie auf den Tisch, und zu ihm tretend strich sie ihm mit den weichen Händen über das breite, braune Gesicht.

Du häßlicher, alter, abscheulicher Mensch, sagte sie mit gedämpfter Stimme, du süßes, kleines Ungetüm! Also du hast an mich gedacht und auf mich gewartet! So ist's recht, unterstehe dich an etwas anderes zu denken, du, gottloser, gräßlicher, alter Schatz! O, wie widerwärtig du bist! Was für schrecklich große Ohren du hast, was für böse, stechende Augen, was für einen breiten Mund! – Sag', hast du mich auch lieb? –

Ihr Spott und Hohn wandelte sich bei den letzten Worten in die zärtlichsten Töne. Grady strömte alles Blut ins Gesicht, er breitete die Arme aus und wollte sie an sich ziehen. Sie aber stieß ihn kräftig zurück und wandte ihr schönes Gesicht von ihm ab.

Was, nicht einen Kuß? murrte Grady begehrlich.

Laß mich los, rief sie so kalt und gebieterisch, daß der Mann unwillkürlich die Arme sinken ließ. Laß mich los, oder du siehst mich niemals wieder. Er trat einen Schritt zurück und preßte die Lippen aufeinander. Du vergissest, daß ich eine Dame bin, fuhr sie fort, und du dir keine Freiheiten mit mir herausnehmen darfst.

Du willst mich zur Verzweiflung treiben, stieß Grady in heiserem Ton hervor.

Die Bedingungen, unter denen ich dich besuche, kennst du. Sage nur, wenn sie dir nicht genehm sind, und ich komme nicht mehr! Sie hielt inne, als erwarte sie eine Antwort, er aber ließ nur ein dumpfes Grollen hören und schüttelte nachdrücklich den schweren Kopf. Jack, sagte sie, mit abermals verwandeltem Wesen, ich muß meinen Willen haben! Wenn du dich nicht bezwingen kannst, bleibe ich nicht in deiner Nähe. Unsere Sache ist eine ganz aparte: du weißt, ich liebe dich, aber die Zärtlichkeiten müssen von mir ausgehen, nicht von dir. Jede Gunst muß ich von selbst gewähren, und wenn du nicht warten kannst, ist es aus mit uns. Lässest du mir aber den Willen, so wird es am Ende dein Schaden nicht sein. Zwang dulde ich nicht, das ist gegen meine Natur. Nun, willst du dich fügen? –

Ich schneide mir für dich die Kehle ab, wenn du's verlangst, brummte er störrisch.

War das die vornehme Dame, deren zarter Fuß sonst verschmähte, die gemeine Erde zu berühren? – Sie legte ihm die weichen Arme um den Hals, beugte sich nieder und drückte einen Kuß auf seine Lippen. Das düstere Licht beschien die seltsame Gruppe, die feine, schlanke Gestalt, den groben, gemeinen Gesellen – ganz wie die Schöne und das Ungeheuer im Märchen – aber hier verwandelte die Liebkosung das Tier nicht in einen Prinzen. Das hätte ihr auch schwerlich gefallen – jetzt war er ja ihr Sklave, darüber bestand kein Zweifel.

Sie nahm auf dem kleinen, wurmstichigen Sofa Platz, das im Zimmer stand. Seine Sprungfedern waren längst zerbrochen, sein Bezug schmutzig und zerrissen, sie aber saß darauf mit befriedigter Miene, als wäre es mit Daunen gepolstert und mit Samt und Seide bezogen, und winkte Grady mit der Hand, sich ihr zu Füßen zu setzen. Wie ein ungelenker Bär kauerte er auf dem Boden nieder, während sie ihren Arm um seine Schulter legte und ihm mit der andern Hand über das kurze, dicke Haupthaar strich – man meinte Titania zu sehen, die den Eselskopf streichelt.

Was zieht mich zu dir hin? Sag' mir das! rief sie und blickte ihm, sich vorbeugend, voll ins Gesicht. Vielleicht, daß ich in dir alles verkörpert sehe, was ich am meisten hasse? Ich liebe einen großen, schönen, einen stolzen, jungen Mann – das alles bist du nicht. Einen Mann, der nach der neuesten Mode gekleidet geht – du läufst wie der Pöbel herum. Seine Wohnung muß ein Palast sein – du hausest in einem Rattenloch. Nur in der besten Gesellschaft darf er verkehren – du bist der Genosse von Mördern und Dieben; er muß auf der Höhe der Bildung stehen in Kunst und Literatur, und du bist so unwissend, daß du nicht einmal begreifst, wovon ich rede.

Das aber weiß ich, rief Grady, je wüster ich bin, desto besser gefalle ich dir, und du würdest mich nicht gegen alle Stutzer New-Yorks vertauschen.

Sie hielt sich den Kopf mit beiden Händen, lachte und schüttelte sich. – Was kümmerts mich! sagte sie, mir gefällt's nun einmal! – Ja, freilich bin ich lieber hier in diesem Loch bei dir, als wenn ich Kaiserin von Rußland im Winterpalais wäre. Das Tier in mir, die leidenschaftlichen Triebe, ließen mir keine Ruhe, bis ich dich gefunden. Ich wußte schon als Kind, daß ich im Grunde alle vornehme Bildung und feine Sitte hasse. Bei dir lerne ich mich selbst verstehen. Du bist der schlechteste Mensch in New-York – ich hoffe das wenigstens – und ich bin die feinste Dame in der Gesellschaft. – Aber wir passen zueinander, gehören uns an und sind nur glücklich, wenn wir beisammen sind. Habe ich nicht recht?

Hol' mich der Henker, ja! rief Grady in tiefem Gurgelton. Dieser Herzenserguß sollte nichts anderes heißen, als was Dichter und Romanschreiber in vielen Worten und Bildern wiederholen.

Willst du wissen, wie ich bin? fuhr sie fort. Hast du je eine Wasserlilie gesehen? Sie ist weiß und wohlriechend wie keine andere Blume – so bin ich auch. Und sie wächst in stehenden Gewässern, aus dem schmutzigsten Schlamme am Boden des Teiches. Aller Reiz und alle Schönheit der Lilie ist in Wahrheit nichts als ekler, schwarzer Schlamm – wie bei mir!

Und ich bin der alte, garstige Frosch, der auf dem Baumstumpf sitzt und dich anquakt, sagte Grady, in den Sinn des Gleichnisses eingehend. Das entzückte sie.

Nur eins, sagte sie, mußt du mir versprechen, du mußt nie anders werden, dich nie bekehren! Ich möchte dich lieber ohne Kopf sehen, Jack, als mit einem Hemdkragen. Du sollst immer zu der Hefe des Volks gehören, wie man sagt, zu den Niederen und Gemeinen – wie jetzt. Daß du klug bist, schadet nichts: ein schlechter Narr ist mir wenig lieber als ein guter! O, Jack, wieviel ich auch Zerstreuung und Aufregung gesucht habe, nichts hat mich bisher aufgerüttelt und erregt. Wenn du mich auch im Stiche lassest, bleibt mir nur noch Mord und Totschlag übrig.

Ho, ho! lachte er, warte nur noch, bis du ganz mein bist, dann leben wir herrlich und in Freuden!

Sie schauderte unwillkürlich vor ihm zurück, besann sich aber und legte den Arm wieder um seinen Hals. Das müssen wir abwarten, sagte sie. Glaubst du wirklich, daß dir die Geschichte eine halbe Million einbringen wird? –

Das heißt nur, wenn das Ding keinen Haken hat.

Versteht sich – dann hast du alles in allem eine Million. Aber wenn wir dann auch zusammen durchgehen, ich und du, und alle Zeitungen davon voll sind – was sollen wir machen? – Verändert darf nichts werden; ich muß die feine Dame bleiben, und du der grobe Gesell, denn im Gegensatz liegt der ganze Reiz.

Du Närrchen, schmeichelte John zärtlich, der Unterschied wird immer groß genug bleiben, so lange du dein zartes Lärvchen behältst.

Jack, Jack, flüsterte sie ihm plötzlich ins Ohr, du bist nicht halb solch ein Teufel wie ich! Und mit beiden Händen seinen Hals umfassend, drückte sie ihm mit aller Gewalt ihrer zarten Finger die Kehle zu. Grady keuchte und schnappte nach Luft, setzte ihr aber sonst keinen Widerstand entgegen. Nach einigen Sekunden ließ sie ihn wieder los und sah ihm lachend in das gerötete Gesicht.

Manchmal möchte ich dich erdrosseln, Jack, wäre ich nur sicher, dich wieder ins Leben zurückzubringen. Liebe und Mord sind einander gar nicht so unähnlich. Was meinst du?

Er war aufgesprungen und wollte sie von neuem umfangen und an sich drücken; Auge in Auge standen sie sich gegenüber, aber ihre Macht war die stärkere – sie bändigte ihn.

Komm, sagte sie, nicht unfreundlich, aber ohne den geringsten gefühlvollen Anflug, sich steif auf dem Sofa zurechtsetzend, laß uns vernünftig sein und von Geschäften reden. Du weißt noch gar nicht, daß ich am heutigen Abend auf einem Tee bei Freunden im Washington-Square bin, und um halb zwölf wieder zu Hause.

Grady kicherte wohlgefällig in sich hinein und nahm wieder Platz. Nun, was für Geschäfte wollen wir treiben? fragte er.

Du weißt recht gut, was ich will. Bis jetzt hast du mir's verborgen, damit kein Unglück geschieht, wie du sagst. Nun aber der Würfel gefallen, muß ich erfahren, wie die Sache verlaufen ist, und wer dabei war.

Na, es ist geglückt, das ist alles, entgegnete Grady nach einigem Zögern. Die Jungens sind mit der Beute davongekommen, und niemand hat sie gesehen.

Das ist nichts Neues, und überall zu lesen. Das weiß am Ende jeder, der Augen und Ohren hat. Aber du sollst mir sagen, wer die Jungens sind.

Grady schüttelte den Kopf: was sollen dir die Namen nützen? sagte er.

Hör' einmal, Jack, entgegnete sie mit großem Nachdruck, du weißt recht gut, daß ohne meine Hilfe aus der ganzen Sache nichts geworden wäre. Hätte ich die Leute drinnen nicht gekannt, euch nicht den Plan des inneren Gewölbes verschafft und alle Einrichtungen ausgekundschaftet, es wäre nichts zustande gekommen. Es war kein kleines Wagnis, und ich bin jetzt in eben solcher Gefahr wie alle andern Beteiligten. Deshalb habe ich das Recht, ihre Namen zu wissen, und wenn du mich nur im geringsten lieb hast, wirst du sie mir nennen.

So nimm doch Vernunft an, Liebchen, meinte Grady, du bist ja sonst nicht so töricht und neugierig wie andere Weiber. Die Jungens wissen nichts von dir, und so ist's nur recht und billig, daß du nichts von ihnen erfährst. Mit der Sache läßt sich nicht spaßen, weißt du; wenn man sie fängt, bekommen sie mindestens zwanzig Jahre. »Was ich nicht weiß, macht mir nicht heiß,« und ich kann es nicht ausplaudern. Zwar daß du schwatzen würdest, glaube ich nicht; ich wäre ein Narr, wenn ich's täte, denn von mir weißt du genug, um mich ins Zuchthaus zu bringen, sobald dich's gelüstet. Aber mit den Jungen ist's etwas anderes – ich kann sie nicht verraten, und du willst ihre Namen nur wissen, weil dich gerade die Lust danach anwandelt.

Während er sprach, hatte sie nachdenklich dagesessen, den Kopf in die Hand gestützt. Wenn er annahm, daß sie nur aus müßiger Neugier nach den Namen der Einbrecher fragte, so tat er ihr doch wohl unrecht. Sie war ehrgeizig; ihr Wunsch und Streben ging dahin, überall die Erste zu sein, mochte sie sich, von Reichtum und Bildung umgeben, in den höchsten Kreisen von New-York bewegen oder in den Pfuhl hinabsteigen. Auch über Leben und Freiheit von Schurken und Dieben unumschränkt zu gebieten, ihre Pläne zu leiten, ihre Unternehmungen, vor denen die Gesellschaft zitterte, zu teilen und zu beherrschen, schien ihr erwünscht und begehrenswert. Mochte es bei besserer Ueberlegung auch noch so wahnsinnig und unausführbar erscheinen – wonach sie schmachtete war ja gerade das Unmögliche, Niedagewesene.

Aber noch andere Gedanken mochten sie bewegen. Sie kannte besser als irgend jemand die Unbeständigkeit ihrer Natur, bei aller Hartnäckigkeit und Ausdauer ihrer Neigung zum Bösen. Jetzt noch trieb sie die Laune, diesen Caliban zu streicheln und auf seine Gedanken und Gefühle einzugehen; leicht konnte sie aber eines schönen Tages seiner überdrüssig werden und ihn sich auf immer aus dem Wege räumen wollen. Um hierzu im Notfall die Macht zu besitzen, mußte sie Kenntnis von allem haben, was ihm und seinen Genossen Verderben brachte, wenn es vor die Gerichte kam. So lange er sie in Unwissenheit hielt, war sie hilflos.

Schon oftmals hatte sie den Versuch gemacht, sich in die Zahl der Eingeweihten zu drängen; es war ihr stets mißlungen. Eine weniger willensstarke Frau wäre endlich in Zorn geraten, hätte sich mit Grady überworfen, und sich dadurch ihres ganzen Vorteils begeben; sie aber hielt sich noch nicht für überwunden. Gradys hartnäckige Weigerung, sich ihren Wünschen in dieser Beziehung zu fügen, war weit eher dazu angetan, sie an ihn zu fesseln, als ihm zu entfremden. Hätte er nachgegeben, so lag es sehr wohl im Bereich der Möglichkeit, daß sie von ihrer Verblendung zurückkam, daß ihr Interesse für ihn schwand. Wie die Sache stand, wollte sie den rechten Augenblick abwarten und dann Himmel und Erde in Bewegung setzen, um ihren Zweck zu erreichen.

Sie blickte empor und sah Grady lächelnd an.

Ich sehe wohl, sagte sie, du bist mir nicht so gut, wie ich dir! Lerne mich nur besser kennen, dann wirst du erfahren, daß man mir trauen darf. Bis dahin kann ich warten – reden wir nicht mehr davon. Vielleicht sagst du mir aber, ob das Geld geteilt worden ist, und du das deinige erhalten hast? –

Es waren nur vierzigtausend Dollars bar, versetzte Grady, den ihre scheinbare Nachgiebigkeit beglückte, die habe ich den Jungens überlassen, sie mögen sie teilen, wie sie wollen. Die Staatspapiere und Schuldverschreibungen sind meine Sache; können die erst unter die Leute gebracht werden, so stehen wir auf festem Grunde.

Hast du sie hier?

Grady schüttelte den Kopf. Das wäre ein unnützes Wagnis; sie sind in Sicherheit gebracht. Ich habe es mit den Jungens besprochen; vielleicht schicken wir sie nach London; hier kann man registrierte Papiere schwer loswerden. Am besten aber wird sein, sie bleiben eine Weile liegen, bis die Bankherren mürbe werden und sie zurückkaufen.

Kann ich dabei noch nützlich sein? fragte sie nach einer Weile.

Du könntest immerhin herumhören, was sie etwa vorhaben. Auf dich fällt doch kein Verdacht! –

Nein, Jack, sagte sie mit seltsamem Lächeln. Es würde mir schwerer werden, sie von meiner Schuld zu überzeugen – als für Jimmy Hope seine Unschuld zu beweisen, wenn er im Gewölbe betroffen würde, wie er gerade die Obligationen einsackt. Ich wollte, ich könnte dir einmal zeigen, wie ich im Salon den Besuch meiner Freunde empfange oder erwidere, und mich über die neuesten Moden und das Theater unterhalte, du würdest dein blaues Wunder sehen!

Kommt dir's nicht manchmal zum Halse heraus?

Jetzt nicht mehr. Es ist eine solch lustige Komödie, seit ich dich kenne, und du allein in der ganzen Welt weißt, was ich eigentlich bin.

Na, das Vergnügen paßt auch nur für eine Frau! – Hast du denn übrigens deine Rechnungen mitgebracht?

Ach, davon sprich nur nicht, entgegnete sie obenhin; das Geld, das du erwartest, ist noch nicht da, und ich will nicht, daß du noch größere Auslagen hast.

Was fällt dir ein! rief Grady rot vor Zorn. Du lebst auf meine Kosten, das versteht sich; alles Geld, was in deine Tasche fließt, kommt aus der meinigen, vergiß das nicht. Beim Henker, wenn ich höre, daß einer der Bluthunde sich an dich macht, zerreiße ich ihn bei lebendigem Leibe. Du magst spröde tun mit mir, wie du willst, aber mein bist du – und wehe dem, der zwischen uns tritt! Gib mir die Rechnungen, sonst nehme ich sie mit Gewalt.

Als sie ihn mit gerunzelter Stirn und funkelnden Augen vor sich sah, schauerte sie zusammen. Sie liebte solche Schauer, und seine leidenschaftliche Erregung machte auch sie innerlich erbeben. Die Hand in die Tasche steckend, zog sie ein Bündel Papiere heraus, die sie ihm übergab.

Nur dreizehnhundert Dollars, murmelte er, die Zettel durchblätternd, in sechs Wochen! Wie kann das sein? Du behältst doch nichts zurück?

Nein, Jack, gewiß nicht, das sind alle meine Schulden.

Wenn wir erst beisammen sind, sollst du mehr ausgeben, schmunzelte er, die feinsten Spitzen lege ich dir zu Füßen, und mit den teuersten Diamanten will ich dich schmücken. Hier, fuhr er fort, ein Paket Banknoten aus dem inneren Schubfach eines Geldschranks nehmend, hier sind zweitausend Dollars; bezahle deine Rechnungen und behalte den Rest. Wenn es irgend etwas auf Erden gibt, das du haben möchtest, sage es nur, John Grady verschafft es dir.

Empfand sie diese Schmach als einen Triumph, so mußte sie sich fast auf dem Gipfel menschlichen Glückes fühlen! Von dem eisernen Schrank fiel ein schwarzer Schatten auf ihr Gesicht, als sie es Grady zuwandte, um Abschied zu nehmen.


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