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Zwischen zehn und elf Uhr erschien eine neue Persönlichkeit auf dem Schauplatz, ein großer, wohlgebauter Mann von etwa fünfunddreißig Jahren. Durchdringender Verstand sprach aus seinen ruhigen Zügen, und sein ganzes Wesen trug den Stempel selbstgewisser Kraft; nach seiner höchst anständigen, soliden Kleidung zu urteilen, hätte man ihn für einen wohlhabenden Geschäftsmann aus den höhern Ständen halten können.
Die Umstehenden beachteten sein Erscheinen nicht sonderlich; dagegen begrüßten ihn die diensttuenden Polizeibeamten mit sichtlicher Befriedigung. Das hatte guten Grund – denn wenn irgend jemand die scheinbar verborgensten Geheimnisse zu durchschauen verstand, so war es dieser Mann, der so anspruchslos auftrat – New-Yorks größter Geheimpolizist, Inspektor Byrnes.
Durch ein kurzes Zwiegespräch mit dem wachthabenden Polizisten verschaffte sich der Inspektor erst Kenntnis dessen, was bisher ermittelt war. Dann erkundigte er sich, ob in der Bank alles so geblieben sei, wie man es bei der ersten Entdeckung gefunden, und als dies bejaht worden, machte er sich sofort an die Untersuchung. Hierbei durfte ihm niemand helfen, er verließ sich nur auf sich selbst und trachtete ganz allein das Problem zu bemeistern.
Wie bereits erwähnt, gingen zwei Türen des Gebäudes auf die Bleeckerstraße, und neun Fenster von Spiegelglas gestatteten von außen einen freien Blick sowohl in das Bankbureau als in die Geschäftszimmer der Direktoren. Der Polizeichef wandte seine Aufmerksamkeit zuvörderst den Türen zu; an beiden fand er die Schlösser unversehrt und keine Spur eines Versuchs, sie aufzubrechen. Man hatte sie also mit den richtigen Schlüsseln geöffnet oder Nachschlüssel nach deren Muster angefertigt. Welche von beiden Annahmen die wahrscheinlichere sei, mußte sich aus der weiteren Forschung ergeben. Der Inspektor öffnete nun die Tür zum Bankgebäude und betrat den steinernen Mosaikfußboden des Hauptbureaus.
Hier war durchaus nichts Ungewöhnliches zu erblicken. Mit dem Rücken gegen die Fenster, stand der Polizeichef der langen übermannshohen Scheidewand gegenüber, durch die das eigentliche Bureau, in welchem die Angestellten arbeiten, von dem für die Kunden bestimmten Außenraum oder Vorzimmer getrennt wurde. Diese Scheidewand bestand aus poliertem Holzgetäfel, mit eingerahmten Glasscheiben darüber. Von den Zimmern der Direktoren an der Ostseite lief diese Wand in gleicher Linie mit der Bleeckerstraße, bog dann mehrere Meter vor der Front rechtwinklig um die Ecke und zog sich an der Broadwayseite entlang bis zu der nördlichen Hauptmauer. Inmitten dieser letzteren Seite führte eine Tür in das erwähnte Bureau der Angestellten.
In diesen Außenräumen war, wie gesagt, nichts Auffälliges zu bemerken. In der Ecke unweit der Tür lehnte ein Besen neben einem Häufchen zusammengekehrten Staubes, und auf dem Fenstersims lagen Staubtuch und Flederwisch, ein Umstand, der dem Inspektor nicht entging, so geringfügig er sein mochte.
Hierauf wandte sich der Polizeichef rechts nach den Zimmern des Präsidenten und der Direktoren, wo er alles genau in dem Zustand fand, wie es die Herren bei Schluß der Bank am Sonnabend abend verlassen. Nachdem er sich hievon überzeugt hatte, kehrte er wieder in die Außenräume zurück.
Wie die Einbrecher an den Fenstern vorübergekommen waren, ohne von der Straße aus gesehen zu werden, ließ sich nur mutmaßen. Sie mochten abgewartet haben, bis der Schutzmann auf seiner Runde an der Bank vorbei war; etwaige andere Vorübergehende – so früh am Sonntagmorgen gewiß nur wenige – hatte vielleicht das Spiegelglas der Fenster geblendet und die Eindringlinge so ihren Blicken entzogen.
Nun stieß der Inspektor die Tür zur Comptoirstube auf und trat ein. Gerade ihm gegenüber war das feuerfeste Gewölbe, und hier stieß er auf die ersten Spuren des verübten Verbrechens. Die mächtigen Türen des Gewölbes, die sonst außerhalb der Geschäftsstunden stets verschlossen waren, standen weit offen, so daß man das Innere überblicken konnte. Er trat näher und unterzog das kunstvolle Kombinationsschloß einer genauen Prüfung – keine Schramme war daran. Es mußte von jemand geöffnet worden sein, der mit seiner Konstruktion und der Stellung der geheimen Ziffern vollständig vertraut war.
Wie verhielt sich die Sache aber in dem Gewölbe selber? Rings in dem kleinen Raum, der nur drei Schritte lang und drei Schritte breit war, standen eiserne Geldschränke, geschützt durch schwere Türen, Riegel und Kombinationsschlösser. Auf dem Boden lagen Papiere umhergestreut, und leere Geldkasten, neben den verschiedensten Diebswerkzeugen. Aus letzteren hätte sich eine vollständige Ausrüstung nach den neuesten verbesserten Systemen zusammenstellen lassen; drei starke Brecheisen fanden sich vor, zehn kleine Bohrer, ein sechzehn Pfund schwerer Schmiedehammer, Feilen, Ketten, Haken, Stangen und andere Hilfsapparate, vor welchen die stärksten Schlösser und Eisenbänder nicht standgehalten hätten.
Daß diese Werkzeuge sämtlich aufs geschickteste gehandhabt worden waren, ließ sich nur zu leicht erkennen. Im Innern des Gewölbes war alles zertrümmert, die kleineren Geldschränke erbrochen, die Tür des größeren im Hintergrund ganz aus den Angeln gehoben; dieselbe lag in der Ecke auf einem Haufen Rechnungsbücher. In dem Scharnier des Schrankes rechter Hand steckten noch die Brecheisen, welche die Diebe hineingetrieben hatten; entweder waren sie bei der Arbeit gestört worden, oder hatten sie schon genügende Beute gemacht. Wieviel sie sich angeeignet, ließ sich noch nicht übersehen, aber daß es bedeutende Summen sein mußten, darüber war kein Zweifel.
Wie ein Kritiker, der die Richtung und Schreibweise der zeitgenössischen Schriftsteller kennt, schon auf der ersten Seite eines Werkes anzugeben vermag, wer aller Wahrscheinlichkeit nach der Verfasser ist, oder wie ein erfahrener Kunsthändler mit ziemlicher Sicherheit auf den Namen des Malers schließt, wenn ihm ein neues Gemälde vorgelegt wird, – so kann auch ein gewiegter Polizeibeamter aus der Art, wie ein Schrank erbrochen worden, aus den Spuren, die daran zurückgeblieben sind, sich Schlüsse bilden, die zur Entdeckung der Täter führen können: die Zahl der Einbrecher erster Klasse ist jederzeit eine beschränkte, und die Polizei ist mit ihnen und ihren Methoden mehr oder weniger bekannt. Wird daher ein ganz besonders schlauer Diebstahl ausgeführt, so ist anzunehmen, daß einer oder der andere jener ausgesuchten Verbrecher die Hand dabei im Spiel gehabt hat. Dann fragt es sich zunächst, welche von diesen Leuten zur Zeit des Einbruchs in Freiheit und nahe genug an dem Ort der Tat waren, um sich daran zu beteiligen. Sodann muß man die Vorgeschichte der Verdächtigen in Erwägung ziehen und wissen, wer ihre Genossen sind, um alle erforderlichen Beweise beibringen zu können. So schränkt sich das Gebiet der Untersuchung allmählich ein, die Verdachtsgründe werden immer dringender, bis die Sachlage schließlich gestattet, zu einer Verhaftung zu schreiten; aber dann muß die Schuld des Gefangenen noch vor den Geschworenen bewiesen werden, was bekanntlich oft der schwierigste Teil der ganzen Angelegenheit ist.
Im vorliegenden Falle wurde die Nachforschung dadurch erschwert, daß sich gerade die findigsten Spitzbuben in großer Anzahl auf freiem Fuß befanden; somit eröffnete sich für den Verdacht ein weites Feld, und das einzige, was sich gleich von vornherein mit Gewißheit behaupten ließ, war, daß man es mit Einbrechern der gefährlichsten Sorte zu tun habe. Daneben befanden sich jedoch Anzeichen, welche die Vermutung nahe legten, es handle sich hier nicht allein um ein Meisterstück des Diebshandwerks.
Wenn man der Aussage Werkles Glauben schenkte, daß er, von Todesfurcht überwältigt, die Schlüssel ausgeliefert und das Geheimnis des Kombinationsschlosses verraten habe, so erklärte dies zwar, wie die Bande unbehindert in das Gewölbe gelangt war – aber, wie hatten sie es möglich gemacht, so genau die Zeit zu berechnen, die erforderlich war, um die Schränke zu erbrechen, wie wußten sie, welche Schränke sie zuerst in Angriff nehmen sollten? Woher kannten sie alle inneren Einrichtungen des Bankinstituts mit solcher Genauigkeit? – Zu derartiger Kenntnis gelangte kein Uneingeweihter, mochte er noch so schlau und verschlagen sein. Wie hatten sie sich dieselbe verschafft? – Der Inspektor wiegte nachdenklich sein Haupt. Es sah täuschend so aus, als hätten die Diebe dabei Gehilfen gehabt, die nicht zu ihrer Gilde gehörten. Woher aber konnte diese Hilfe kommen, wenn nicht von innen, aus der Bank selbst?
Das war eine ernste Frage, die sich nicht obenhin oder vorschnell beantworten ließ. Gab man erst einmal diese Möglichkeit zu, so war kein Mitglied der Bank, vom Präsidenten bis zum Laufburschen vor Argwohn geschützt; die Hindernisse, die sich bei der Lösung des Rätsels in den Weg stellten, verzehnfachten sich; keine Aussage, kein Bericht war mehr glaubwürdig, denn gerade derjenige, auf dessen Zeugnis man sich am festesten verließ, konnte der Schuldige sein, dem am meisten daran gelegen war, die Entdeckung zu vereiteln.
Doch nicht nur die Beamten und Angestellten der Bank, auch sämtliche Deponenten gerieten in Verdacht. Wer in Geschäftsverbindung mit der Bank stand, besonders Leute aus den höheren Ständen, konnte sich mancherlei Kenntnisse über die inneren Verhältnisse und die geschäftlichen Gewohnheiten des Instituts verschaffen. Stand nun ein solch schlauer Kundschafter zu einem der Gehilfen oder vielleicht zu einem Direktor selbst in vertraulichem Verhältnis, so war ihn zu entlarven, wenn auch nicht unmöglich, doch ein langwieriges und äußerst beschwerliches Werk.
Die Untersuchung des Gewölbes nahm den Inspektor über eine Stunde in Anspruch. Als er es verließ, hatte er sich über den ganzen Tatbestand genau unterrichtet. Das war immerhin etwas. Zunächst galt es nun, die Zeugen zu verhören, und ihre Aussagen mit der Ansicht zu vergleichen, die er sich selbst gebildet hatte.
Inzwischen waren jedoch die Bankdirektoren eingetroffen, und die vorläufige Unterredung mit ihnen duldete keinen Aufschub. Der Inspektor fand sie im Zimmer des Präsidenten versammelt, und nach der ersten Begrüßung teilte er ihnen mit, wie die Sachen standen, und fragte sodann, ob sie irgend einen Angestellten der Bank der Teilnahme an dem Verbrechen für fähig hielten.
Nach einigem Nachdenken erwiderten die Direktoren, daß kein Verdacht gegen irgend jemand vorläge. Ihre sämtlichen Angestellten und Beamten seien seit Jahren im Geschäft und hätten sich stets als zuverlässig erwiesen.
Auf eine Anspielung des Inspektors, ob man nicht dem einen oder andern Angestellten zu viel anvertraut, entgegnete einer der Direktoren:
Soweit sich das auf Louis Werkle bezieht, kann ich nur sagen, daß wir alle von seiner Rechtschaffenheit überzeugt sind. Es ist wahr, wir haben ihm großes Vertrauen gezeigt; er hat täglich das Kombinationsschloß des Gewölbes geöffnet, um die Bücher herauszuholen und auf die Pulte der Bankgehilfen zu legen, aber zu den Geldschränken im Innern hatte er keinen Zugang. Man ist ja bei Geldsachen stets genötigt, irgend jemand ins Vertrauen zu ziehen, und es gibt keine Bank im ganzen Lande, die nicht zugrunde gerichtet werden könnte, wenn die Kassierer oder andere Beamte sich zu Unredlichkeiten verführen ließen. Die Leitung unseres Instituts ist stets mit großer Vorsicht gehandhabt worden; über alle Wertpapiere werden die sorgfältigsten Listen geführt. Unglücksfälle, wie der vorliegende, lassen sich nun einmal nicht zum voraus verhüten. Gerade was als besondere Schutzvorrichtung dienen soll, kann die größte Gefahr mit sich bringen. Dagegen ist nichts zu machen.
Das ist zwar richtig, meine Herren, entgegnete der Inspektor, ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß für einen Bankier das Mißtrauen förmlich geboten ist. Er darf sich nicht damit begnügen, seine Kommis zu kennen, er muß auch wissen, was sie für Freunde und Genossen haben. Der Nutzen, den das bringt, wiegt alle Mühen tausendfältig auf. Auch darf er in der Wachsamkeit nicht nachlassen; der Mann, welcher zwanzig Jahre im Geschäft ist, muß nicht weniger scharf beobachtet werden, als der erst letzte Woche eingetretene Gehilfe. Die Versuchung zeigt sich oft ebenso mächtig am Ende der Laufbahn, als zu Anfang derselben.
So sind Sie ganz ernstlich der Meinung, daß ein Mitglied der Bank beteiligt ist?
Wir müssen das wenigstens in Erwägung ziehen. Ist Ihnen in dem Benehmen keines Beamten oder Kommis' etwas Auffälliges vorgekommen? Hat irgend einer der Deponenten oder ihrer Freunde ein besonderes Interesse für den Geschäftsbetrieb oder die Konstruktion des Gewölbes an den Tag gelegt? Hat man nie zuvor bemerkt, daß an dem Verschluß des Gewölbes herumhantiert worden wäre?
Als Antwort auf die letzte dieser Fragen ergab sich eine wichtige und überraschende Tatsache. Man erinnerte sich, daß vor etwa einem halben Jahr der Kassierer eines Morgens außerstande war, das Kombinationsschloß zu öffnen. Da er über die Richtigkeit der Zuhaltungen keinen Zweifel hatte, mußte das Schloß selbst in Unordnung geraten sein. Ein gewöhnlicher Schlosser, welchen man holen ließ, arbeitete vergeblich daran herum, und erst als man sich an einen Sachverständigen wandte, gelang es diesem nach vieler Mühe, die Tür zu öffnen. Dabei machte er eine seltsame Entdeckung, welcher jedoch damals keine allzugroße Wichtigkeit beigelegt wurde. Er fand nämlich, daß unter die Kombinationsplatte ein kleines Loch gebohrt worden war, durch welches man zu den Zuhaltungen des Schlosses gelangen konnte. Außen war die Oeffnung mit Kitt von gleicher Farbe wie die Tür verstrichen, so daß sie nur sichtbar wurde, wenn die Innenseite des Schlosses zu Gesicht kam.
Die Sache ging den Direktoren damals natürlich im Kopfe herum, man kam jedoch zu keinem Resultat. Der Sachverständige, der sich nicht weiter auf Mutmaßungen einließ, mochte der Meinung sein, man habe das Loch bei Gelegenheit eines früheren Versuchs, den Mechanismus in Ordnung zu bringen, gebohrt. Die Direktoren ihrerseits verkannten die Tragweite der Entdeckung, weil der Sachverständige dem Umstand nur so geringe Wichtigkeit beizumessen schien. Erst viel später erinnerte man sich, daß ein stattlicher Herr von etwa vierzig Jahren, mit einem Amethystring am Finger, gerade als der Mechaniker sich mit dem Schloß zu schaffen machte, auf der Bank erschienen war, um einen Hundertdollarschein einzuwechseln, und lange als ein neugieriger Beobachter dem Vorgange zuschaute.
Durch dieses kleine Loch, meinte der Inspektor zuversichtlich, ist all Ihr verlorenes Geld entwendet worden! Einbrecher haben es gebohrt, und um dies tun zu können, mußten sie in der Bank einen Helfershelfer haben. Damals nahmen sie zwar nichts mit, aber das tut nichts zur Sache. Vielleicht wurden sie bei der Arbeit gestört oder wollten sich überhaupt nur vorläufig an Ort und Stelle umsehen. Jedenfalls ist dadurch erwiesen, daß der Diebstahl seit längerer Zeit geplant worden, was die Schwierigkeiten einer Entdeckung bedeutend erhöht. Hätte man schon damals jeden, der mit den Türen der Bank oder des Gewölbes zu tun hat, polizeilich überwacht, so wüßten wir wahrscheinlich jetzt, woran wir sind.
Die polizeiliche Beobachtung kann ja wenigstens sofort beginnen, bemerkte einer der Direktoren.
Das wohl, aber die Sachlage ist eine ganz andere, lautete die Antwort. Vorher war das Geld da und die Diebe in der Nähe. Jetzt ist das Geld fort, die Diebe natürlich auch, und der schuldige Angestellte, wer er auch sein mag, wird sich wohl hüten, den geringsten Verdacht gegen sich zu erwecken. Und selbst, wenn sich von bestimmten Personen mit moralischer Gewißheit behaupten ließe, daß sie das Verbrechen begangen haben, so wären wir deshalb noch lange nicht imstande, ihre Schuld vor den Geschworenen zu beweisen.
Und warum nicht? fragte der Direktor.
Weil Spitzbuben der Art mit ebenso großer Schlauheit jede Spur zu verwischen wissen, die zu ihrer Entdeckung führen könnte, als sie die Geschicklichkeit besitzen, die Tat selbst zu verüben. Für einen Belastungszeugen, den wir auftreiben könnten, stehen ihnen zwanzig Leute zur Verfügung, um ein Alibi zu beweisen. – Indessen, wir wollen unser Möglichstes tun!
Wir verlassen uns ganz auf Ihre Umsicht und Tatkraft, versetzte der Direktor. Die gestohlenen Wertpapiere, die in unseren Listen stehen, werden sich wohl am leichtesten auffinden lassen.
Gewiß, wenn die Diebe den Versuch machen, sie zu verkaufen, woran ich jedoch zweifle. Wir haben es aller Wahrscheinlichkeit nach mit alten Füchsen zu tun, die ihr Geschäft verstehen. Gewöhnlich werden bei solcher Gelegenheit Verhandlungen eröffnet, um einen Vergleich zustande zu bringen. Man wird Ihnen den Vorschlag machen, die Obligationen gegen einen bestimmten Prozentsatz ihres Nennwertes zurückzuerstatten. Deshalb möchte ich Sie gleich von vornherein um eine Erklärung bitten, ob Sie geneigt sind, dergleichen Anträge zu berücksichtigen.
Die Direktoren berieten eine Weile untereinander.
Wir stimmen alle gegen jede Art von Vergleich, wandte sich dann der Direktor, der zuletzt gesprochen hatte, an den Inspektor. Lassen Sie die Diebe mit allen Ihnen zu Gebote stehenden Mitteln verfolgen, damit sie womöglich zur gerechten Strafe gezogen werden. Auch danken wir Ihnen sehr für Ihre scharfsinnigen Aufschlüsse.
Der Polizeichef verneigte sich. Ich werde sogleich die geeigneten Maßregeln treffen, sagte er, sich erhebend. Inzwischen ist mein Rat, daß Sie ein genaues Verzeichnis der gestohlenen Werte anfertigen und drucken lassen, und dasselbe in Form eines Zirkulars allen Bankhäusern und Polizeibureaus des Landes zuschicken. Können Sie denn schon annähernd schätzen, wie hoch sich Ihre Verluste belaufen?
Die Bankbeamten sind mit dem Vergleich aus den Büchern beschäftigt und werden die Arbeit nahezu beendet haben, lautete die Antwort – die gestohlenen Summen müssen beträchtlich sein, es dürfte sich wohl fast um eine Million handeln.
In diesem Augenblick klopfte es an die Tür und der Kassierer trat ein. Er trug ein Blatt Papier in der Hand, sein Gesicht war ernst und bleich.
Was bringen Sie, Osborne? fragte der Direktor.
Eine Uebersicht der Verluste, erwiderte der Mann mit leiser Stimme.
Nun, wie hoch belaufen sie sich – bis auf eine Million?
Mit bebenden Lippen und zitternder Stimme las der Kassierer seinen Bericht: »Staatspapiere und Schuldverschreibungen: zwei Millionen achthunderttausend Dollars. Bares Geld: vierzigtausend Dollars. Totalsumme: zwei Millionen achthundertvierzigtausend Dollars«.
Entsetzt blickten die Direktoren einander an. Die Existenz der Bank war in Frage gestellt.