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Das Gemach, dessen Tür zur Terrasse führt, von der aus man den Hof des Huitlipochtlitempels und diesen selbst überblickt. Rechts noch der römisch-katholische Altaraufbau. Cortez, begleitet von Alvarado, tritt schnell ein.
Cortez
Kurz und gut, es ist mißlungen.
Und wir haben unsern stärksten,
unsern einzigen Halt nicht mehr.
Pedro de Alvarado
Doch es ist ganz still geworden,
nicht ein brauner Kämpfer zeigt sich
augenblicklich ums Quartier.
Jeronimo de Aguilar kommt.
Cortez
Nun, Jeronimo, was sagst du,
der die Wilden kennt wie keiner?
Jeronimo de Aguilar
General, in dieser Nacht
müssen wir die Stadt verlassen
oder aber diese Welt!
Cortez
Knapp und deutlich! – Deine Gründe?
Jeronimo de Aguilar
Unsre letzte Hoffnung trog.
Daß sie trog, wer wollt' es leugnen,
denn der Kaiser ist verwundet.
Wenn die Pfeile und die Schleudern
seines eignen Volks sogar
ihn zum Ziele sich genommen,
welcher Esel wollte glauben,
daß sie uns nun ganz urplötzlich
seinetwegen schonen sollten.
Cortez
Was, nach deiner Meinung, hat
diese Stille zu bedeuten?
Jeronimo de Aguilar
's ist die Stille vor dem Sturm!
Und vor einem Sturm, General,
dessengleichen hierzulande
wir gewiß noch nicht erlebten. –
Als der König im Ornate
an dem Rand des flachen Daches,
zwischen den Soldaten stehend,
allem Volke sichtbar ward,
glaubt' ich einen Augenblick,
daß uns des Monarchen heil'ge
Gegenwart doch retten würde.
Dann geschah das Fürchterliche!
Cortez
Wenn er doch geschwiegen hätte.
Als er sprach erst, kam die Wendung.
Jeronimo de Aguilar
Nicht sein Schweigen, seine Worte,
wahr ist's, wurden sein Verhängnis!
Und auch unsres, wie ich fürchte.
Dabei sind wir's selbst gewesen,
die durch Bitten wie durch Drohen
endlich ihn dazu veranlaßt.
Cortez
Ja und nein, Jeronimo.
Keine Hoffnung, daß er spreche,
macht' ich mir trotz allen Drängens.
Fast erschrak ich, als so plötzlich
die Verstockung seines Herzens
sich in lauten Worten löste.
Und dies war auch keineswegs
unsrer starken Mittel Wirkung.
Seines Volkes Anblick war es
und das Schweigen der Erwartung,
das auf aller Mienen lag,
was den Kaiser wider Willen
zu bewegter Rede hinriß.
Jeronimo de Aguilar
Aber plötzlich flogen Pfeile,
flogen Speere, flogen Steine,
und mit blutiger Schläfe stürzte
schwer getroffen Montezuma
nieder, um nun, wie ich glaube,
niemals wieder aufzustehn.
Pedro de Alvarado
zu Jeronimo de Aguilar
Aber als der Kaiser fiel,
kam da nicht ein blinder Schrecken
über alle unsre Feinde?
Warfen sie nicht ihre Waffen
schreiend weg und rannten spornstreichs
auseinander, so daß jetzt
rings kein Kämpfer mehr zu sehn ist?
Ich bin guten Muts und denke,
daß wir diese braunen Hunde
nun, wenn nicht auf immer, so
doch gewiß auf lange los sind.
Jeronimo de Aguilar
Wir sind sie auf lange los,
mit Verlaub, Don Alvarado,
weil sie uns auf lange los sind;
bleibt das Lang' und Kurze doch:
unser Schiff ist losgerissen,
und kein Anker fasset fürder
hier in diesem aufgewühlten,
haltlos lockren Wandergrund.
Cortez
Ja, so ist es! Ist es wirklich.
Es hilft nichts, sich zu verhehlen,
daß wir ein geschlagnes Heer sind.
Wär' Narvaez nicht gekommen,
hättet ihr euch klug verhalten,
als ich leider, leider fern war,
hättet nicht die dunklen Wirte,
nicht durch dieses ganz unzeitige
höchst unrühmliche Massaker
im verschloßnen Hof des Tempels
zur Verzweiflung aufgepeitscht –
nun, dann brauchten wir jetzt nicht
unsre schwer erkämpfte Beute
hier im Stich zu lassen, brauchten
nicht mit Spott und Schande abziehn.
»Hätt' ich nicht« und »wenn« und »aber«
sind indes ein schlechter Haber.
Ruft die Leute denn zusammen
und erwartet mich im Hof,
wo ich die genauen Ordres
für den Abzug geben will.
Bernal Diaz kommt eilig herein.
Bernal Diaz
Wir vermissen sechs Kam'raden,
und man glaubt, sie sind gefangen.
Einer der Vermißten ist
leider Christoval de Guzman.
Man hört den dumpfen Laut der Tempelpauke.
Cortez
Nun, des Tempels Pauke sagt uns,
welches Schicksal ihnen blüht.
Doch wo nichts mehr hilft, was hilft es,
sich durch Bilder des Entsetzens,
sich durch Gram und Mitleid lähmen.
Wir bedürfen unsrer letzten,
ungehemmten Lebenskräfte,
um das wenige noch zu retten,
was vielleicht zu retten ist.
Laßt mich jetzt allein, Kam'raden,
daß ich mich besonnen fasse,
um mit Klarheit zu durchdenken
meine nahe, schwere Pflicht!
Pedro de Alvarado, Jeronimo de Aguilar und Bernal Diaz treten ab. Cortez erhebt sich, blickt finster und starr vor sich hin, seine Lippen beginnen zu beben; endlich sinkt er, den Blick auf das Kruzifix geheftet, zu stillem, inbrünstigem Gebet auf den Altarstufen in die Knie. Dazu klingt gedämpft das Rollen der Tempeltrommeln.
Jetzt wird, schwer verwundet, Montezuma hereingetragen. Ein Wundarzt und Marina sind bei ihm. Unweit der geschlossenen Terrassentür wird die Tragbahre mit dem Sterbenden niedergesetzt. Es geht alles gedämpft und leise vor sich, so daß Cortez, versunken im Gebet, nicht abgelenkt wird. Der Wundarzt verbindet den Leidenden, von Marina unterstützt. Gomara und Pater Olmedo erscheinen etwas später.
Gomara
Wird er sterben?
Der Wundarzt
Ja, Hochwürden.
Diese Wunde schließt kein Wundarzt.
Und ich wüßte wenige Menschen,
denen ich den Frieden so
wahrhaft wünsche, so wie diesem.
Gomara
Doch der Friede wird ihm schwerlich,
wenn er stirbt in seinen Sünden!
Und er ist noch unbekehrt.
Wie meint Ihr, hat man noch Aussicht,
zum Bewußtsein ihn zu bringen?
oder seid Ihr ohne Hoffnung?
Der Wundarzt
Kaum, daß hier noch Hoffnung ist!
Gomara
Welche Mittel hat die Kunst,
einen Sterbenden wie diesen,
wär' es auch nur für Minuten,
in das Sein zurückzurufen?
Der Wundarzt
Unsre Kunst kennt solche Mittel.
Doch ein rechter Arzt wird zögern,
eines Todeskampfes Qualen
ohne Ursach' zu verlängern.
Gomara
Wo indessen sich die Frage
auftut, ob ein Mensch in Sünden
zur Verdammnis soll verflucht sein
und im Schlaf zur Hölle eingehn
oder wachend durch das goldne
Tor zu ewigen Seligkeiten,
soll man dann ihn schlummern lassen
oder ein Erwecker sein?
Der Wundarzt
Fragt Ihr so, nun ja, dann freilich …
Gomara
Offen sprech' ich's aus, ich fühle
stark bedrückt mich im Gewissen,
ja, mich peinigt der Gedanke,
daß uns grade dieser Seele
Rettung nicht gelingen sollte.
Pater Olmedo
Ähnlich ist auch mir zumute.
Wird nicht Gott am Jüngsten Tage
diese Seele von uns fordern?
Grade diese, die so einsam,
die so fremd war auf der Erde.
So viel Liebe, so viel Freundschaft,
als er uns entgegenbrachte,
so viel Leiden und Enttäuschung,
wie wir zu bereiten leider
vom Geschick berufen waren:
soll dies alles ganz umsonst sein?
Soll dem namenlosen Unglück
dieser armen Kreatur
nicht der Lohn der Gnade werden?
Dann war unsere Mission
diesmal nicht von Gott gesegnet,
und wir hätten uns zu fragen,
die wir furchtbar hier gescheitert,
ob wir nicht vom wahren Wege
unsres Heilands abgeirrt?
Cortez
steht plötzlich sehr bleich und mit verzerrter Miene an der Bahre des Sterbenden
Wenn es möglich, Mann, so weckt ihn!
Tut es! Sonst ist Eure Kunst
ohne Wert. Habt Ihr verstanden?
Handelt! Wofür seid Ihr Arzt?
Jedes Röcheln macht mich schaudern,
daß er, ohne in die Gnade
Jesu Christi einzutreten,
in die Nacht verlöschen könnte.
Ihr habt recht, hochwürdige Väter,
und ich bin ganz eurer Ansicht:
grade ihn gilt es zu reißen
in die ewige Seligkeit.
Der Wundarzt
laut in des Königs Ohr
Herr, wacht auf, kommt zur Besinnung!
Wichtiges habt Ihr zu erfahren.
Wichtiges habt Ihr zu verfügen!
Die Minuten Eures Daseins,
die Ihr noch zu leben habt,
fordern Eure ganze Mannheit.
Marina
Seht, er schlägt die Augen auf!
Montezuma
fiebernd, stoßweise, hastig
Eilt euch! Auf dem flachen Dache
steht der Kaiser Montezuma,
der da ist ein Sohn der Sonne
und des weinenden Gestirnes
schmerzensreicher Abgesandter!
Eilet, eilt euch, denn der wahre
Sonnenheiland spricht zum Volke!
Und er bringt ihm die Erlösung
von den Übeln, von den Teufeln,
von den Schrecken dieser Welt.
Pater Olmedo
Welche Stunde, welche Rätsel!
Mich erschüttern seine Worte
mit Gewalt; wie ist doch dieses
Irrwahns Nacht so nah dem Lichte!
Gomara
hält das Kruzifix über das Antlitz des Fiebernden
Hörst du, du bist nah dem Lichte!
Hörst du, Kaiser Montezuma!
Hörst du? Hörst du? Nimm es an,
nimm das Heil, das dir geboten!
Nimm es an in letzter Stunde,
und du wirst in dieser Stunde
noch im Paradiese sein!
Montezuma
wie vorher
Wohin schwimmt die Welt? Wo seid ihr,
Cacamatzin, Guatemotzin?
Ah, wie lodert Qualpopoca!
Flammen, Flammen überall!
Wohin schwimmen meine Gärten?
Die Lusthäuser, die Paläste?
Warum fliehen meine Freunde,
wenn ich sie ergreifen will?
Cortez
Freund und Freunde sind dir nahe,
wach nun auf und blicke um dich!
Montezuma
Du hast recht, ich täusche mich.
Und der Kaiser Montezuma
schwebt auf einer goldnen Barke
über blaue Weltgewässer.
Hinter ihm in goldnen Barken
seine sieben Königinnen,
seine Söhne, seine Töchter,
seine Fürsten, seine Krieger,
seine Jäger, seine Priester
und sein ganzes Gottesvolk.
O wie schön ist dieser König,
o wie groß ist dieser Kaiser,
o wie herrlich, o wie göttlich,
wie glückselig und doch wieder
wie unendlich schmerzensreich!
Cortez
faßt seine Schläfen
Ich kann dies nicht länger hören,
denn sonst macht er mich zum Weibe.
Laßt ihn sterben, weckt ihn nicht mehr!
Pater Olmedo
Gott muß unser Flehen hören.
Und wir flehn ihn um ein Wunder.
Tu ein Wunder, Herr, und triff,
wie einst Paulus, diesen Armen
mit dem Strahle der Erleuchtung.
Der Wundarzt
zu Montezuma
Kennt Ihr uns? Er ist erwacht.
Cortez
Kennst du mich? Ich bin Malinche.
Nicht verlassen will ich deine
Grenzen, ohne mich mit dir
hier durch Handschlag zu versöhnen.
Montezuma
Sind die Brigantinen fertig,
deine mächtigen Flügelschiffe?
Sag, Malinche!
Cortez
Alle gingen
wiederum in Flammen auf.
Montezuma
Wie, in Flammen? Was, Malinche? –
Wer denn seid ihr alle hier?
Cortez
Deine Freunde!
Montezuma
Ich versteh' nicht.
Cortez
Deine Freunde, deine Schuldner,
die du mit Gefahr des Lebens
eben noch erretten wolltest.
Montezuma
mit einem unendlichen Seufzer
Oh, welch ein Gebirg von Trübsal
wälzt sich jetzt auf meine Brust!
Nach einem Augenblick Ruhe versucht er sich heftig aufzurichten. Schäumend.
Raubgesindel! Fort! Vertilgt das
Ungeziefer von der Erde!
Legt Giftbrocken! Grabet Gruben!
Stellet Fallen! Leget Schlingen!
Überschleicht sie, wenn sie schlafen,
mordet, mordet ohne Gnade
dies Gezücht, das unsrer Mutter
Erde Antlitz mit dem Unrat
seiner Greul so frech entehrt!
Fort die Binden, laßt mich, laßt mich!
Er reißt sich alle Verbände ab.
Frederik
Erst eben, Torarin, als du mich anriefst.
Torarin
Wer sich darauf versteht: Ihr seht's, Herr Pfarrer,
auf was die Möwen warteten und was
die Vögel mit sich nahmen durch die Nachtluft.
Arnesohn
Nun ist sein Schiff ein großer Sarg im Eis. –
Komm, Torarin, wir müssen ihn erklettern.
Frederik hat eine Strickleiter heruntergelassen. Er leuchtet mit einer Laterne, während Arnesohn und Torarin das Deck erklettern. Oben angelangt, verschwinden alle drei. – Sir Douglas und Sir Donald kommen in der vornehm-prächtigen Tracht schottischer Feldobristen langsamen Schrittes übers Eis.
Sir Douglas
Ich sag' Euch, dort, nach Osten, liegt die Wacke.
Sir Donald
Ihr täuscht Euch, Sir, Ihr täuscht Euch sicherlich.
Ich sah das schwarze Loch im Eis sich auftun,
kaum dreißig Schritt nach rechts – so hin – gen West.
Sir Douglas
Der Irrtum liegt bei Euch: unmöglich, Sir!
Sir Donald
Ihr hörtet nicht das Seegevögel schnattern?
Sir Douglas
Sir Donald, artet nicht Lord Archie nach:
wir sind nicht alte Weiber bei der Kunkel.
Laßt Wacke Wacke sein! Ein Enterich,
der drin ein bißchen plantscht, ein Möwenschrei
von oben her, ein Krach im Eis von unten
kann eine Memme, keinen Kriegsmann ängstigen.
Sir Donald
Gut, gut, Sir Douglas. Ihr habt recht, ich bin,
seit ich den Marder sah im Taubenschlag …
bin in der Tat seitdem ein wenig schreckhaft.