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Eine Halle im Tempel des Kriegsgottes Huitlipochtli. Im Hintergrund der große Opferblock, Altäre, Götterbilder. Auf Polstern, die auf dem Steinboden liegen, sitzen im Kreise: der Oberpriester, der erste und zweite Opferpriester, Qualpopoca, Guatemotzin und Cacamatzin, ein Gelehrter und einige andere Männer von Stand. Nacht. Fackelbeleuchtung.
Der Oberpriester
Auf Bewegen vieler Freunde
hab' ich mich herbeigelassen,
mit dem Erben unsres Thrones,
mit dem Bruder unsres Kaisers,
mit des Reiches ersten Fürsten
unsres Vaterlandes Wohl
hier im stillen zu erwägen.
Und so sprecht, Fürst Qualpopoca!
Qualpopoca
Heiliger Vater, wenn ich Euch
bat, in unserm Rat zu sitzen,
ist's, weil ich mit meinem Rate
ganz und gar gescheitert bin:
darum sitz' ich hier viel weniger,
Rat zu geben als zu nehmen.
Dringend bitt' ich euch, des Volkes
Weiseste, belehret mich.
Tat ich unrecht, wenn ich mich
den Fremdlingen widersetzte,
die jetzt unsres Königs Gäste,
Räte, Freunde, Brüder sind?
Tat ich unrecht, daß ich ihrer
einen an den Block geliefert?
Tu' ich unrecht, wenn ich sie
meide, hasse und verachte
bis zum letzten Atemzug?
Der Oberpriester
nach längerem Stillschweigen
Gerne wollt' ich Euer Handeln,
das so edlen Ursprungs ist,
durch ein glattes Nein bestätigen.
Doch die Zeit stellt tiefre Fragen,
und wir suchen noch die Antwort.
Cacamatzin
Alles scheint sich mir zu einer
einzigen Frage zu verdichten:
Wer und was sind diese Fremden?
Sind es Götter oder nicht? –
Doch ihr schweigt. Ihr zweifelt wirklich?
Der Oberpriester
Ja, wir zweifeln, es ist wahr!
Qualpopoca
Heiliger Vater, also hat
deine Meinung sich gewandelt?!
Deine Priesterschaft zu Nautla,
wo wir jüngst das Opfer brachten,
handelte auf deinen Wink.
Der Oberpriester
Du irrst, Fürst: zu fern liegt Nautla.
Ich erfuhr das schon Vollbrachte.
Aber wie ich frei bekenne:
an die Ankunft echter, wahrer
Sonnenkinder glaubt' ich nicht.
Qualpopoca
Und jetzt, nun du sie gesehen,
glaubst du?
Der Oberpriester
Nicht doch, Fürst, ich zweifle!
zweifle, wie ich schon gesagt.
Damit sag' ich viel, nicht wenig!
Denn die Priesterschaft im heiligen
Sonnentempel zu Cholula,
wie Ihr wißt, sie zweifelt nicht.
Er winkt, und der erste Opferpriester beginnt zu reden.
Der erste Oberpriester
Es ist nur ein Gott: im Himmel
und auf Erden einer nur.
Quetzalcoatl zu Cholula
ist ein Teil von Huitlipochtli,
ist ein Teil des Allerschaffers,
dessen Diener wir hier sind.
Deshalb ruht auch unser Wissen
breiter, tiefer in der Gottheit,
als der Priester von Cholula
Wissen in der Gottheit wurzelt.
Aber trotzdem: Gott ist Gott.
Und der Teil gleicht hier dem Ganzen.
Und so sind wir auch der Priester
Quetzalcoatls Feinde nicht.
Nur: ihr Meinen bleibt zu prüfen.
Qualpopoca
Prüft es denn, und das sehr gründlich.
Denn der Irrtum, den sie mästen,
kostet unsrem Vaterlande
weniger nicht als Untergang.
Der erste Opferpriester
Oh, wir wissen's, wie ein junger
Sonnenpriester in der Hauptstadt
unsres Kaisers Ohr besitzt!
Zeigte er doch auch dem Kaiser,
in dem Tempel seiner Gottheit,
einst das Haupt des Tonatiuh.
Qualpopoca
's ist kein Tonatiuh! Es war
nichts als ein verwester Leichnam:
Sonnensöhne töt' ich nicht.
Der erste Opferpriester
Alles dies soll sich erweisen.
Und die Strafe muß ihn treffen,
wenn der junge Priester gegen
heil'ge Wahrheit sich versündigt.
Denn er hat des Tempels Tor
jetzt sogar den Götzenbildern
jener Fremden weit geöffnet.
Der Oberpriester
Ob es Götzen sind, ist fraglich:
also übt Besonnenheit!
Er winkt. Der zweite Opferpriester beginnt zu reden.
Der zweite Opferpriester
Es ist wahr, daß Wunderzeichen
auf das Kommen dieser Riesen
mannigfaltig hingedeutet.
Rutensterne, glutgeschweifte,
ängstigten das ganze Land.
Und die Schrift, die wir im Tempel
Huitlipochtlis aufbewahren –
sei's in Knoten, sei's in Bildern –,
widerspricht der schauerlichen
Landung dieser Weißen nicht.
Ja, sogar, genau betrachtet,
sind die Überlieferungen
unsres Tempels ihnen günst'ger
noch als die der Cholulaner,
wie sich's euch jetzt zeigen wird.
Er winkt, und der erste Gelehrte ergreift das Wort.
Der erste Gelehrte
Unsre Väter, die Urväter
unsres gottentsproßnen Stammes,
wohnten einst im Lande Atzlan:
dort, inmitten von Gewässern,
blüht der Berg Cul-hua-can.
Goldne Milch und goldner Honig
floß durch seine grünen Täler.
Schwere Frucht bot jeder Wipfel:
zwischen Früchten, zwischen Blättern,
tönete das Göttervöglein,
das da heißt: Ti-hui-tochan.
Guatemotzin
Wie so süß sind unsres Stammes
heiligste Erinnerungen!
Der erste Gelehrte
Ja, du sagst es: süß und groß!
Der Toltek, der glanzgeborne,
trägt ein ungeheures Schicksal.
Manche glauben, was wir wissen,
sei das meiste, wenn nicht alles,
und doch ist's das ganz Geringe.
Stehn wir an des Wissens Grenze,
blicken wir mit Götteraugen
wie von einer schmalen Insel
in des Urmeers Nacht hinein.
Das ist mehr als alles Wissen.
Denn dann heben sich Gesichte,
Bilder, furchtbar und erhaben,
aus dem eignen Selbst empor.
Und der alte Berg der Rede
scheint sich lautlos aufzuschließen
und aus seinem Feuerabgrund
heiliges Leuchten auszuspein.
Der Oberpriester
Wahr, Hochweiser, doch wir wollen
uns ins Tiefste nicht verlieren.
Was geschah mit den Altvordern?
Warum leben wir nicht heut noch
friedlich im gelobten Land?
Der erste Gelehrte
Weiter also: Friedlich lebten
die unschuldigen Kinder Atzlans
unter unsres Gottes Schutz.
Reich an Fischen war das Wasser,
reich an Gänsen, Wasserhühnern,
und der ungepflügte Acker
schenkte reichlich Mais und Pfeffer,
Bohnen, Wicken, Baum und Kraut. –
Eines Tages aber hörte
Huitzi-ton, der junge Priester,
der vertraut war mit der Vögel
Rede, wie ein Ti-hui-tochan
immer schluchzte: »Laßt uns gehen!«
Immer sang der kleine Vogel
angstvoll sein »tihui! tihui!«
Und der auserwählte Heilige
sah, daß des Allmächtigen Liebe
sich der kleinen Vogelkehle
nur bediente, um im winzigen
Laut des Zwitscherns die erhabnen
Donnerworte zu verbergen:
»Flüchtet euch vor meinem Zorne!« –
Grausam ist der Zorn des Höchsten!
Doch im Lieben ist er treu!
Und er liebt uns, die Tolteken!
Der Oberpriester
Wie sehr, das berichte nun,
und warum, gib uns zu wissen!
Der erste Gelehrte
Unsre schmerzensreiche Mutter,
die wir nennen Cihua-coatl,
die, von Gottes Lenden schwanger,
uns hienieden eingeboren,
ward von Gott dem Herrn geliebt.
Und so floß auch seine Liebe,
Strömen gleich voll süßen Weines,
ihren Töchtern, ihren Söhnen
köstlich durch das Paradies.
Doch nun kam die bittre Stunde,
unsrer süßen Schlangenmutter
zärtlich mütterliche Sünde,
kam das große Mißgeschick;
denn sie sprach zu ihren Söhnen:
»Jeder unter euch soll Gott sein!
Kommt und eßt von eures Vaters
heiligen Äpfeln, trinkt sein Blut.
Und die Schlangen, die das große
Wissen ihm ins Innere flüstern,
Kinder, kommt und höret sie!«
Da kam Gott und sprach: »Was tust du?«
Und sie sprach: »Mein Herr und Gott,
als du mich, dein Weib, erkanntest,
was denn zeugtest du als Götter?
Herrn, die deinesgleichen sind?«
Da ergrimmte Gott ...
Allein,
dies im voraus. – Nun zurück
erst zum Vöglein Ti-hui-tochan.
Zwischen sich und seinen Zorn
setzte Gott das Lied des Vögleins.
Huitzi-ton, der junge Priester,
er verkannte nicht die Stimme
seines Vaters. Er enthüllte
sich Tek-patzin, seinem Bruder.
Und sie zimmerten gemeinsam
jenes Schiff, das man im Tempel
noch im Abbild aufbewahrt.
Und sie stiegen in die Arche:
Männer, Weiber, Greise, Kinder,
nahmen mit sich Brot und Früchte,
Sämereien, alle Arten
von lebendigem Getier! –
Stiegen ein, um von dem köstlich
süßumfloßnen Berg des Segens
in die Wasser abzustoßen.
Und nun kam die große Flut,
kam die große Weltvernichtung.
Guatemotzin
Wie geschah sie?
Der erste Gelehrte
Meere stiegen
brausend über alle Inseln.
Aus den Meeren stieg der Gott,
schrecklich heulend, feuerschleudernd.
Furchtbar glühend war sein hoher
Altar, von Verderben triefend,
über Flut und Sturm erhöht.
Donner war des Gottes Rede,
Brüllen war des Gottes Flüstern,
Dröhnen war des Gottes Atem.
Und er stand in einer Wolke
Glutqualms, als ein Born des Grauens,
und die Blitze seines Zornes,
die Glutschlangen seiner Wut
krachend schleudernd in die Erdnacht.
Der Oberpriester
So ergrimmte Gott und fraß
mit dem Feuer des Verderbens
außer jener kleinen Schar,
die im Schiffsrumpf sich verborgen,
alle seine Gotteskinder
und die Kinder Cihua-coatls.
Und die heilige Schmerzensmutter
steht verbannt als Mondgestirn
einsam nachts am Himmelsraum.
Dies ist euch bekannt, ihr Fürsten.
Was geschah nun mit dem Schifflein
Huitzi-tons, des jungen Priesters?
Der erste Gelehrte
Als die Donnerworte schwiegen,
als die Wasser sich verliefen,
lag das Schifflein hier in unsren
Seen von Tenochtitlan.
Rings umwallt von weißen Gipfeln,
über die das Meer es hertrug,
fand es sich in diesem Hochtal,
schwimmend noch und unversehrt.
Und zum Zeichen unsrer Herkunft
bleibt des Bergsees Wasser salzig
und zeigt Ebbe noch und Flut.
Doch inmitten seines Spiegels,
als der gottgewollten Stätte,
rammte Huitzi-ton das neue
Atzlan der Verbannung ein:
als die Stätte neuer Hoffnung,
als die Stätte der Versöhnung,
als die Stätte reuevollen,
demutsreinen Gottesdienstes.
Und wir bauten Riesenmale,
uns an Glut und Flut zu mahnen:
heilige Feuerpyramiden,
drin wir Huitlipochtlis Zorn
durch den schwersten Dienst verehren
und der milden Gottesmutter
wehmutsvolle Liebe weihn.
Der Oberpriester
Manche tadeln, daß wir strenge
die Erinnerung bewahren
an die Strafe, die uns zukommt,
daß wir, jener Stunde wartend,
wo der Vater den verlornen
Sohn zur Heimat führen wird,
seine Schrecken uns erneuern
durch den heiligen Dienst des Opfers.
Doch zur höhren Ehre Gottes:
was bedeutet Menschenblut?
Wenn wir aus der Brust des Opfers
zuckend heiß das Herz ausbrechen
und das Gottesblut hervorschießt –
wie am Tage des Gerichtes
roter Geifer, Feuerdonner,
Rauch und Wolken roten Regens
aus der Brust des Herrn hervorschoß –:
nun, so ist's nur ein geringes,
sehr bescheidenes Verdienst,
daß wir durch ein menschlich Leiden
Gottes Zorn und Gottes Leiden
ehrfurchtsvoll verbildlichen.
Den trifft Fluch, der dieses höchste
Heiligtum des Gottesaltars
in Gedanken nur beleidigt.
Liegt in ihm doch die Gewähr,
daß uns Gott nach langer Buße,
die er gnädig von uns annimmt,
die Verzeihung will gewähren.
Jetzt, o Schriftgelehrter, künde
auch noch, wie dies einst geschehn soll.
Der erste Gelehrte
Dies betrifft, Prinz Guatemotzin,
Euer königliches Haus,
Euren kaiserlichen Vater. –
Auf der Erde Nabel thronend,
Träger aller heiligen Zeichen
alter, gottverliehner Macht,
stammt er ab von Huitzi-ton.
So ist er ein Auserwählter,
und ihr seid die Auserwählten.
Unsre Hoffnung ruht auf euch.
Und es heißt: Gott wird zum Zeichen
der Versöhnung mit der teuren,
schmerzensreichen Himmelsmutter
und mit seinem eignen Samen
neue Söhne ihr erwecken.
Und die Blitzgezeugten werden
aus den neugewölbten, duft'gen
Höhlen Atzlans neu hervorgehn.
Und sie werden übers weite
Urmeer in gewalt'gen Schiffen
sicher reisen, her zu uns,
um die Brüder heimzuführen
auf den Berg des Paradieses.
Cacamatzin
Seltsam! Wunderbar und seltsam!
Überzeugend fast: 's ist wahr.
Der Oberpriester
Überzeugend fast, du sagst es,
daß die weißen Riesenmänner
wirklich die verheißnen frohen
Kündiger des ew'gen Friedens,
Kinder Gottes, Götter sind.
Hört nun, was wir, heimlich forschend,
alles über sie ergründet.
Erster Oberpriester
Quetzalcoatls Priesterschaft,
des sanft-seligen Liebesgottes,
hat mit Hymnen sie empfangen –
sie, die rauh und furchtbar sind:
danach gleichen sie viel eher
Kindern eines zornigen Gottes
wie des unsren. Und fast scheint es,
nicht das Meer warf sie ans Land,
sondern eines Feuerberges
Höhlung hat sie ausgespien.
Kommen sie doch feuerdonnernd
und wahrhaft dem Blitz gebietend,
wie noch nie ein Menschensohn.
Sie verbrennen ihre Feinde.
Und wie unsre Schriften sagen,
töten sie mit krummen Sicheln.
Qualpopoca
Schurken sind es, Mörder, wilde
Tiere, und das Menschenantlitz,
das sie tragen, ist Betrug.
Erster Opferpriester
Doch da sind nun wunderliche
Dinge, die uns stutzig machen.
Erstlich sagen sie es selber,
daß sie den Erlöser bringen,
den, der Gott mit uns versöhnte.
Die drei heiligen Kreuzeszeichen
unsrer Tempel ehren sie,
tragen sie, wie unser Kaiser
um den Hals den heiligen Zierat.
Wie bei uns, so brennt auf ihrem
Altar auch das ewige Feuer.
Und wie wir es hier genießen,
so genießen ihre Priester
Gottes Fleisch und Gottes Blut.
Ja noch mehr: des sündenlosen
Leidensträgers heiliges Bildnis –
unser aller tiefstbewahrtes,
dunkelstes Mysterium –
führen sie im Bilde mit sich:
den gequälten Tonatiuh.
Denn ererbte Sünde ist es,
nicht erworbne, die wir büßen.
Und sie bringen auch im Bilde
unsre heilige Schlangenmutter,
die ihr Kindlein auf dem Arm trägt
und das Mondbild unterm Fuß.
Unsere Erlöser werden
Fabeltiere mit sich führen,
sagt die Überlieferung,
Nun, auch diese bringen sie.
Qualpopoca
Wenn der große Huitlipochtli
solcherlei Erlöser sendet,
ist mir seine Hölle lieber
als sein neues Himmelreich.
Cacamatzin
Danach wäre eure Meinung,
daß man schweige und sich beuge?
Soll man also dieser Riesen
stets willfähriges Hündlein sein?
Der Oberpriester
Fürsten, Freunde, nun zum Schlusse:
Dies Ereignis, fast ans Wunder
grenzend, legt uns mehr als jedes
Überlegung, Umsicht auf,
daß die Einsicht sich vollende.
Sind sie Gottes, muß sich's zeigen.
Hier an Huitlipochtlis Altar
gilt nur Wahrheit. Hier entlarvt sich
das Verbrechen, der Betrug.
Was ist das?
In einem Seitengange ist das Geräusch einer schweren Tür hörbar geworden. Gleich darauf der Schall vieler vorsichtiger Tritte. Starker Lichtschein nähert sich aus dem Gange. Endlich erscheint Pedro de Alvarado, eine Fackel hoch in der Linken, in der Rechten das bloße Schwert. Etwa zwanzig spanische Ritter folgen ihm, diesen einige Soldaten mit Musketen. Die Versammelten springen auf.
Erster Opferpriester
Wer ließ euch ein?
Pedro de Alvarado
Ein Toltek, der seine Seele
retten wollte. Mit Verlaub.
Erster Opferpriester
Pedro de Alvarado
Belehrung!
Ist es wahr, ihr habt hier Götzen
aus Gemüsemus geknetet,
das gewalkt mit Menschenblut?
Erster Opferpriester
Wie könnt ihr euch unterfangen,
hier in ihrem höchsten Tempel
unsre Gottheit zu beleidigen?
Pedro de Alvarado
Ich weiß nichts von einer Gottheit
hier in dieser Mordspelunke:
nur von einem fraßbegierigen
Popanz, dem man Menschen schlachtet.
Er will gegen einen Seitenaltar vordringen. Guatemotzin stellt sich ihm entgegen.
Guatemotzin
Halt! nur über meine Leiche!
Pedro de Alvarado
Nicht ein Berg von solchen Leichen,
Bürschchen, wie du eine bist,
sollte mich daran verhindern,
Götzenunflat auszufegen,
das dem wahren Gott ein Greul ist.
Qualpopoca
Du häufst Leichen deinem Gotte,
und du willst das Menschenopfer
uns verwehren, Tonatiuh?
Pedro de Alvarado
Bei Sankt Jakob, ja, ich will es!
Und ein jeder wackre Spanier
will es ebenso wie ich. –
Doch wer bist du? Ei, dich kenn' ich.
Brav, daß wir uns treffen! Sieh!
Wenn ich künftig je dich suche,
such' ich dich bei deinem Mordblock.
Dies ist jener Mann, Kam'raden,
dem man nachsagt, daß er einen
unsrer Brüder opfern ließ.
Pater Olmedo
Nichts erwiesen, Alvarado.
Folget endlich meinem Rate:
dringen wir nicht weiter vor!
Die Spanier
Tod dem Schurken!
Pater Olmedo
Nichts, ihr Spanier,
von Gewalttat. Die Dämonen
dieses fürchterlichen Hauses
dürfen euch nicht übermannen.
Bleibet Christen, bleibet klar!
Pedro de Alvarado
Gut denn, Pater, mag er heute
seiner Strafe noch entgehen.
Unsre Rache trifft ihn dennoch!
Doch ein halbgetanes Werk,
schlimmer als zehn ungetane,
bringt Verlust nur statt Gewinst.
Baals Pfaffen, wo ist euer
großer Baal? Molochspfaffen!
wo ist euer glühnder Moloch,
den ihr stopft mit Menschenfleisch?
Pater Olmedo
Rückwärts, rückwärts, Alvarado!
Pedro de Alvarado
Nein, im Namen des dreieinigen
Gottes, Pater, vorwärts, vorwärts!
Seid ihr Menschen? Wilde Bestien
sind barmherzig gegen euch.
Der Oberpriester
der still beobachtet hat
Guatemotzin
hat sich wiederum Pedro de Alvarado in den Weg gestellt, um eines der bedrohten Götterbilder zu decken
Bist du gleich ein Sonnensohn,
siehst du hier in mir den andern.
Ich bin Guatemotzin, bin
von dem Sonnenstamm des Kaisers!
Ja, ich bin's! Erkennst du mich?
Pedro de Alvarado
Nein! Doch halt. Bist du der wirklich?
Richtig! Nun erinnr' ich mich.
Tritt beiseit, ich will dich schonen –
eure Götter aber nicht.
Alvarado ist mit seinen Spaniern gegen einen Altar gestürmt, auf dem ein köstliches goldenes Gefäß steht. Außer dem Oberpriester, der hochaufgerichtet am Hauptaltar Stellung genommen hat, drängen sich alle Tolteken zum Schutze vor das Gefäß.
Guatemotzin
Brenne dich der Blitz zu Asche,
wenn du dieses dreimal heilige,
heiligste Gefäß des Tempels
mit dem Blut und Herzen Gottes
mit unreinen Händen anrührst!
Pater Olmedo
Rückwärts, rückwärts, Alvarado!
Zügelt Euern heiligen Eifer,
denn der Satan hat sogar
schon durch ihn verstrickt in Sünde.
Pedro de Alvarado
Sag uns, Bernal Diaz, was
sie in diesen ekelhaften
Schandgefäßen aufbewahren!
Welchen Unrat, welches Unflat
sie zum Abgott hier erhoben.
Menschenherzen! Menschenblut!
Zu den Spaniern gewendet
Daß ihr's wißt: hier ist ein Schlachthaus.
Christoval de Guzman zählte
hundertachtzigtausend Schädel
von erschlagnen Menschenbrüdern,
hinter dieser Molochshöhle
hoch zu Bergen aufgeschichtet.
Qualpopoca
Tempelräuber! Tempelschänder!
Gotteslästrer! Gottesleugner!
Kommt ihr nicht mit Mordmaschinen?
Schwingt ihr selbst nicht mörderische
scharfe Sicheln in den Händen?
Mäht ihr Menschen nicht wie Gras?
Ihr wollt Huitlipochtli meistern?
Ihn, den Uranfänglich-Ewigen,
Allumspannenden, Allmächtigen?
Was ihr seid, ich will's euch sagen:
einer weißen Höllenwölfin
Wurf, nichts weiter, die von einem
schmutzigen, hundertfach verfluchten
Abgrundsgeist die Frucht empfing.
Deshalb raubt ihr unsre Schätze,
überfallt ihr unsre Weiber,
reißt die Tempeldienerinnen
Quetzalcoatls auf eu'r Schandbett.
Deshalb häuft ihr Edelsteine,
Gold, Gewänder, die ihr stählet,
euer Wort ist Lug, eu'r Lächeln
Falschheit, Gift blickt euer Auge.
Wen ihr streichelt, den betrügt ihr.
Das Verbrechen nennt ihr Gott.
Pedro de Alvarado
Laßt das alte Waschweib schwatzen!
Nieder mit den Götzen, sag' ich.
Das Gefäß und das dahinter befindliche Kultbild wird vom Altar gestoßen.
Weiter!
Pedro de Alvarado voran, wollen sich die Spanier auf den Hauptaltar stürzen. Sie stutzen, als sie den Oberpriester sehen.
Zaudert ihr, Hidalgos,
der gebenedeiten Mutter
unsres Heilands eine Stätte
der Verehrung zu bereiten?
Vitzliputzli sei verflucht,
und gelobt seist du, Maria!
Er und die Spanier stürmen gegen den Hauptaltar vor. Der Oberpriester aber hält ihnen mit beiden Händen hochgehalten ein Kreuz entgegen. Im nahen Scheine aller Fackeln sieht man zugleich das plastische Kultbild der Cihua-coatl, der mexikanischen Schmerzensmutter. Sie tritt auf eine Schlange und hält ein Kindchen auf dem Arm, so Marien, der Mutter Gottes, überraschend ähnelnd. Die Spanier weichen zurück, bekreuzigen sich und sinken in die Knie.
Rufe
aus den Reihen der Spanier
Wunder! Wunder!
Pater Olmedo
ebenfalls kniend
Wahrlich ist es
ein Mirakel, ist ein Wunder!
In der neuentdeckten Welt,
in dem finstren Heidentempel
harret unsrer Jesu Kreuz
und die Jungfrau mit dem Kinde.