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Einstmals zu Rom ein König saß,
Der hieß Narcissus, wie ich las,
Und lebte in Glück und Überfluß;
Nur eines schaffte ihm Verdruß,
was ihn in seinem Glücke quälte
Und ihm zu seiner Freude fehlte,
Daß er nicht konnte Erben han.
Drum hieß er jeden Untertan
Mit Fleiße beten auf zu Gott,
Daß er ihn löse von der Not
Und er von all den Sorgen,
Worin er lag verborgen,
Gar balde würde entbunden.
Darnach in kurzen Stunden
Elisabeth, sein Weib, gebar
Zwei Söhne ihm, die waren gar
Sehr schön und zart und säuberlich;
Man hieß sie beide Dieterich.
Da starb, wie ich berichtet bin,
Der König wie die Königin;
Die Kinder wurden Waisen gar;
Das Reich stand aber in Gefahr,
Daß alle Leute litten Not.
Der Papst erließ drum das Gebot:
wer als der erste täte frein
Der Söhne, sollte König sein.
Man hielt die Kinder lieb und wert,
Bis sie dann schwangen kühn das Schwert.
Nun hatte ein König in Afrika
Ein Mägdlein namens Crescentia,
war schön und tugendreich und gut.
Die Brüder trugen holden Mut
Nach ihr und warben beide um sie.
Den Vater wundert das spät und früh.
Und der Senat spricht hilfsbereit:
»Also soll schlichten man den Streit:
Hier einen Ring man stelle,
Und wen die Magd dann wähle
Dem lasse man das Reich!«
Das lobten alle zugleich.
Nun war der eine Dieterich
Ein Held so schön und säuberlich,
Daß man ihn da im Lande
Den schönen Dietrich nannte.
Der andre, schwarz und häßlich gar,
Wo den die Leute nahmen wahr,
Da nannten sie ihn sicherlich
Den ungeschlachten Dieterich.
Sie standen beide im Ringe dann,
Und jenen ungeschlachten Mann
Erwählte sich die schöne Magd,
Weil er am besten ihr behagt.
Dem ward nun Rom und Lateran
Gar gern und willig untertan.
Er die Normannen kühn bezwang,
Des sagten ihm die Römer Dank;
Dann wollte er heben sich aufs Meer
Mit einem gar gewaltigen Heer,
Um einen König zu bezwingen;
Dies wünschte er vor andern Dingen.
Bat seine Freunde nun um Rat,
Bei ihrer Treu, in welcher Stadt
Er seine schöne Fraue ließe,
Damit ihr Übles nicht zustieße,
Bis daß er wiederkomme.
Die sprachen drauf, es fromme,
Daß er sie brächte kurzerhand
Zurück denn in ihr Vaterland,
Dort wäre die Reine, die so gut,
Wohl in der allerbesten Hut.
Den König kam ein Ingrimm an,
Daß solches ihm riet Mann für Mann,
Er eilte fort zur selben Stund'
Und tat's der Königinne kund;
Hielt sie in seinen Armen,
Sprach: »Es muß mich erbarmen;
Daß ich dich zu dem Vater dein
Soll senden, schafft mir bittre Pein.
Auch bringt es mir gar große Not,
Ich fürchte, finde ich den Tod,
Dann stoßen sie vom Trone dich;
Ach, das beklage ich bitterlich.
Mein liebes Lieb, nun rat' mir du,
Auf daß ich deinen Willen tu!«
Da sprach die Frau, die gute,
wie ihr denn war zumute:
»Wenn Ihr mich wollt fortsenden,
Kann ich es nicht abwenden.
Soll aber ich Ratgeber sein,
So nehm ich's auf die Treue mein,
Daß lieber ich möchte sterben, ach,
Eh' ich erlitte solche Schmach,
Daß man mich schicket unverwandt
Zum Vater wieder in das Land.
Denn ich gewönne seinen Haß,
Er meint, verschuldet hätte ich das
Mit Unzucht und mit frevler Tat.
Drum, Herre, verschmähe Jener Rat
Und sende mich nicht übers Meer.
Bedenke dich besser als bisher!«
Er sprach: »Nun rate selber mir,
Was du denn willst, geschehe dir!«
Sie sprach: »Dein Bruder Dieterich,
Der ist ein Mann gar züchtiglich
Und ist an Mute sehr verwegen,
Der möge deiner Reiche pflegen,
Dem sollst du anempfehlen mich,
Dann fährst du ruhig sicherlich!«
Darnach, an einem Morgen denn, –
In manches Beisein ist's geschehn, –
Empfahl er seine Fraue gut
In seines Bruders treue Hut;
Der faßte sie bei ihrer Hand.
Es fuhr in Kummer aus dem Land
Der Kaiser mit den Seinen dann.
Doch böse gar der Teufel begann
Zu quälen jenen Dietrich nun,
So daß er wollte Sünde tun
Mit seinem eignen Leibe
An seines Bruders Weibe;
Als aber der besessene Mann
Es ihr zu sagen gar fing an,
Da litt das Weib viel Ungemach
Und weinend so sie zu ihm sprach:
»Herr, worauf richtest du den Sinn?
Du weißt doch wahrlich, daß ich bin,
Ach, deines Bruders Weib.
Hört dies ein andrer Leib,
So kommen wir in Schande und Not;
Uns wäre besser da der Tod!«
Es sprach der ungetreue Mann:
»Ich will mich rächen, wie ich kann,
Weil du mich kränktest sehr
Und nahmest mir die Ehr',
Den Bruder freiend, den verhaßten,
Obwohl wir zueinander paßten
Viel besser doch an Seele und Leib,
Das wurmte stets mich bitter, Weib.
Nimmst du von mir die Missetat,
Bist du es, die den Schaden hat!«
Die schöne Frau Crescentia
Dacht' sich in ihrem Herzen da
Gar eine List aus itzt,
Daß sie sich vor ihm schützt'.
Sie sprach drauf: »Herr, verlangest du,
Daß ich nach deinem Willen tu,
So heiße Steine hauen
Und einen Turm draus bauen;
Der werde stark und fest,
Das dünket mich das Best'.
Prüf' dies in deinen Sinnen:
Wir schützen uns darinnen
Wohl vor der Römer Zorn;
Denn merken sie's, sind wir verlor'n.
Die Red' ist schlicht und klar,
Sie steinigen uns fürwahr!«
Der Rede ward der Herre froh.
Ließ bauen den hohen Turm also
Aus Steinen und aus Blei,
Daß er darin' ganz frei
Vor jedem Angriff wäre.
Der Fraue sagte er die Märe,
Der Turm sei fertig denn gemacht.
Sie sprach: »Nun tu, was ich gedacht
Mir habe in meinem Herzen,
Dann nimmst du mir meine Schmerzen!«
Die Kluge sprach: »Nun tu,
Was ich dir rate, noch dazu:
Sorg' jetzt ganz unverdrossen,
Daß auch der Turm verschlossen
Kann werden fest und gut,
Daß wir in sichrer Hut!«
Auch das geschah gar schnelle sehr
Dann nach der edlen Fraun Begehr.
Auch hieß die Fraue weise
Hineintun manche Speise,
Damit sie nicht vor Hungersnot
Drin liegen sollten etwa tot.
Er sprach: »'s ist alles so vollbracht,
Wie du es, Fraue, dir ausgedacht!«
Sie sprach: »Nun tue noch etwas,
Zu unser beider Heil ist das:
Heiß' mir jetzt einen Kapelan
Zu Rom und in dem Lateran
Reliquien gewinnen viel,
weil ich es nicht entbehren will,
Daß wir dort im Gebet
All unsre Sünde stet
Bereuen vor dem Heiligtum.
Das bringet unserer Seele Ruhm,
Und Gott vergißt der Missetat;
Das soll uns helfen früh und spat!«
Da zauderte er denn nicht mehr
Und brachte auch Reliquien her.
In einer späten Abendstund'
Nahm dann die Frau Gewänder und
Die Schlüssel, die sie darin fand,
Der Herre führte sie an der Hand,
Er ging wohl einen frohen Gang,
Es deuchte der Weg ihn gar zu lang.
Und als sie beide traten
Hin vor die Kemenaten,
Sprach er: »Sollst hier mir stillen
Des wunden Herzens Willen!«
Nun sprach die Fraue: »Das soll sein,
Geh du als Erster jetzt hinein!«
So sprach das minnigliche Weib.
»Ich hab ja Seele, ach, und Leib
In allzu große Not gesetzt!«
Sein Fuß betrat die Kammer jetzt.
Die Fraue schloß darauf im Nu
Nach Herzenswunsch die Türe zu.
Da sprach der Ungetreue bang,
Ich glaube, ihn reute jetzt der Gang:
»O weh der schlimmen Treue, Weib,
Hast du mit Absicht meinen Leib
Versperret in dies Kämmerlein,
So ist ja arg die Liebe dein.
Erlaß mir, Schwieger, diese Not,
Daß ich der Welt gar werde tot.
Ich schwöre dir zwei Eide,
Daß ich dir nimmer Leide
Tue an deinem Leibe.
Ich will dich nicht zum Weibe!«
Darauf die Fraue zu ihm spricht:
»Ich brauche deine Eide nicht.
Da drin ist alles dein!
Hast Brot und guten Wein;
Das Bett ist schön gerüstet;
Hast, wessen dich gelüstet.
Die Heiligen sind bei dir.
Du bleibest mir fein hier;
Erwartest meinen Herren da!«
Weg ging darauf Crescentia.
Daß sie den Herrn hat eingesperrt,
Gar niemand drauf im Haus erfährt.
Als man die Morgenmesse sang,
Da ward das Volk betrübt und bang,
Weil man den Herren hat verloren.
Auch weinte die Fraue wohlgeboren.
Doch künde ich euch wahrlich an,
Sie weinte um ihren lieben Mann,
Auf daß ihn leite Gottes Hand
Gesund zurück bald in das Land.
Und als der Winter kommt heran.
Da eilt mit seinen Leuten dann
Der Kaiser heimwärts in sein Land.
Hat Boten schnell vorausgesandt
Und tat es seiner Frauen kund.
Aufstand sie zu derselben Stund'
Und eilte in den Hof hinaus,
Trat heimlich ein in jenes Haus,
Pocht' leise an die Türe hier.
Der Herre sprach: »Wer kommt zu mir?
Wen hör' ich vor der Türe stehn?«
»Wollt Ihr noch gern von hinnen gehn?«
Sprach da die Fraue, die gute:
»Wie ist Euch denn zumute!«
»Gar gern möcht' ich von hinnen gehn,
Könnt' es mit Eurer Huld geschehn,
Die Furcht drückt mir das Herze ab,
Daß ich mein Haupt verwirket hab'!
Laß strahlen deine Güte
Und streich aus dem Gemüte
Was ich erbeten! Tu's vergessen!
Ich habe ja allhie gesessen
Zwei ganze lange Jahre.
Nach deinem Wunsch verfahre
Jetzo an meinem Leibe.
Ich fürchte, daß mich der Herre vertreibe!«
Aufschloß sie da die Türe klein
Und sprach: »Ich will dir gnädig sein,
Wirb nun um Gottes hohe Huld,
Verschweigen will ich deine Schuld!«
Sie küßte ihn auf seinen Mund:
»Eh' du dein Leben jetzt zur Stund'
Verlörest durch die Rede mein,
Wollt' lieber ich erdulden Pein!«
So seine Haft ein Ende nahm.
Und heimlich in die Burg er kam
Des Morgens, da es tagte;
Sein Kämmerer aber sagte
Der Frauen an die Märe,
Daß er gekommen wäre.
Vor dem Gesind' empfing sie ihn
Und herzte ihn mit frohem Sinn. –
Auf ihren Wunsch ist er gegangen
Dann, um den Bruder zu empfangen.
Des Muts er nicht entbehrte,
Sein Sinn ihn Böses lehrte,
Er war ihr doch von Herzen gram;
Und wo er zu den Leuten kam.
Sagt er die Lügenmäre,
Daß er gefangen wäre
Zwei Jahre gewesen und verführt.
Untreue er im Herzen spürt',
Die nachher grausam kund sich tat
Und die die Frau beweinet hat.
Er sann darauf, wie er sie kränkte,
Als hurtig er von dannen sprengte.
Der Herr begann zu nahen,
Bald sie einander sahen.
Herr Dieterich, der schöne Mann,
Der Seinen zwölf nahm mit sich dann,
Verhieß des Guten ihnen viel,
Käm' er durch sie zu seinem Ziel.
Als da sein Wort zu Ende,
Erhoben sie die Hände
Und schwuren das in Treuen.
Er aber wollt' bedräuen
Und schaden seiner edlen Frau;
Was die getan, sagt' er genau,
Und bat sie alle insgemein,
Was er dann sagte ganz allein,
Das sollten sie bezeugen denn,
Als ob's vor ihnen sei geschehn.
Verdrießen tat die Mannen dies;
Was er sie jetzo wissen ließ,
Beklagten alle schlicht und grad',
Dieweil durch eine solche Tat
Die Fraue mußte zuschanden gehn;
Er möchte das zu tun verschmähn.
Es trat der Klügste vor ihn hin,
Sprach: »Herr, das Wort hat wenig Sinn,
Die Frau ist züchtig, schön und rein,
Solch eine Rede lasset sein!«
»Du tust, was mir dein Vater tat;
Das erste ist's, was ich erbat
Von dir ganz sicherlich.
Die andern, glaube ich,
Die tun nach meinem Willen schon;
Du bist doch deines Vaters Sohn?«
Der Knecht sprach zu dem Herren dann:
»Was denkt Ihr von mir, edler Mann,
Ich mein' es wahrlich nicht allein
Daß unsre Fraue ist gar rein;
Doch helf' ich Euch dazu,
Wie ungern ich's auch tu!«
Und wie auf einem weiten Feld
Der König ritt, der edle Held,
Und dorten seinen Bruder sah,
Fragt er ihn voller Eile da:
»Wie geht es meinem lieben Weib,
Die mir so lieb ist wie mein Leib?«
»Sie hat sich so benommen,
Daß ihr nur der mag frommen,
Der Tugend macht zunichte.
In Scham ich es berichte ...
Fragt darum diesen Knecht,
Der sagt's Euch schlecht und recht!« ...
»Sag', Bruder, ob der Schuld
Nicht frommt etwas Geduld?
Ob ich darf zu ihr streben
Und weiter mit ihr leben?
Geschah des Frevels allzuviel,
Ich nie nach Rom heimkommen will!«
»Ich sag' Euch, wie es darum steht:
Sie war so schamlos früh und spät,
Daß sie unaufgefordert gar
All denen ganz zu Willen war,
Die meinen Hof besuchten
Und nahten der Verruchten!«
In Tränen sprach der König da:
»Es reut mich, daß ich je sie sah!«
»Sollst, Bruder, dich nicht schänden;
Mußt dein Gemüt abwenden
Von dem verruchten Weib;
Auf, steinige ihren Leib,
Laß stürzen ihn zu dieser Stund'
Wohl auf des Meeres tiefen Grund
Und laß sie da vergehn;
Bosheit darf nicht bestehn!«
»Tu, was dir mag behagen,
Will ihrer ganz entsagen;
Laß sie mich nicht mehr schauen!«
Da hieß der Hund die Frauen
Zwei seiner Knechte fassen
Und gar nichts unterlassen,
Bis sie denn in der Tiefe schwebe
Und nicht den Abend mehr erlebe.
Nun war die Königin gegangen
Auf einen Plan in dem Verlangen,
Nach ihrem Herren auszusehn.
Die Henker kamen zu ihr denn;
Da fragte sie die zwei,
Wo nun der König sei;
Die blickten nieder auf das Gras.
Was ihnen war befohlen, das
Erzählten sie der Frauen.
Da konnt' man Jammer schauen
Von Reichen und von Armen!
Die Knechte mußt's erbarmen.
Sie ließen gerne sie am Leben
Und wollten schon verzichten eben
Auf ihres Herren Huld,
Dieweil sie ohne Schuld
Verlieren sollte ihren Leib,
Als solches sprach das edle Weib:
»Verhieß mein Herre mir den Tod,
Dann sollt ihr tun nach dem Gebot;
Darum, ihr Frau'n, nicht weinet;
Ich weiß wohl, was er meinet!«
Da zog sich ab die Holde
Die Seide und das Golde
Und nahm mit weißer Hand
Von ihrer Stirn das Band;
Und einer Dirne sie es bot
Und sprach: »Nun scheidet uns der Tod,
Trag du es nach dem Willen mein.
Was Gott behaget, das soll sein!«
Die Rede hat ein Ende.
Sie banden ihr die Hände
Dann hinten auf dem Rücken
Und führten sie zur Brücken.
Jedweder Kummer blicken ließ,
Als man sie in das Wasser stieß.
Sie schwamm dahin wohl auf den Sand;
Ein Fischer brachte sie ans Land. –
Doch Gottes Grimm, der fürchterliche,
Kam über die zwei Dieteriche:
Die wurden zu derselben Stund'
Aussätzig gar, so daß ihr Mund
Nicht sprach; die Ohren hörten nicht,
Auch fehlte ihnen das Gesicht.
Das war ein Gotteszeichen.
Essen und Trinken reichen,
Mußte man ihnen immerdar.
Es war ein großes Wunder gar. –
Ins Haus trug sie der Fischer hinein,
Und wärmte sie am Feuer fein.
Als sie zu Kräften wieder kam,
War sie von Schönheit wundersam.
Der Fischer fragte sie gar sehr,
Von wannen sie sei kommen her,
Er sie nach ihren Leuten fragte.
»Gott gönne dir,« also sie sagte,
»Des Heiles viel und Segen!
Laß uns das nicht erwägen.
Ich bin ein armes Weib
Und will nun meinen Leib,
Willst du mich hier ernähren,
In deinem Dienst verzehren!«
Er sprach, daß er das täte,
Worum die Frau ihn bäte.
Sie bat ihn stillzuschweigen,
Ihr Treue zu bezeigen.
Als nun der Fischer lobesam
Ganz leer darauf zu Hofe kam
Und brachte keine Fische,
Hieß man ihn vor dem Tische
Die Knechte niederlegen,
Den Stock auf ihm zu regen.
Da bat er: »Habet doch Geduld,
Ich bin gewißlich ohne Schuld,
Drum lasset Euren Zorn, den grimmen;
Sah eine Fraue im Wasser schwimmen,
Der half ich aus der Welle her.
Ich fürchtete, Herre, die Sünde sehr,
Wenn ich sie ließ ertrinken
Und auf den Grund dort sinken!«
Jetzt hieß man ihn nun dieses Weib,
So lieb ihm wäre Gut und Leib,
Zu Hofe bringen; man sprach gnädig,
Dann sei er seiner Strafe ledig.
Der Fischer tat nach dem Gebot
Des Vogts und brachte sie mit Not
Zu Hofe; die so hehr,
Die weinte drum gar sehr,
Da tröstet sie nun jedermann,
So gut er es nur immer kann.
Der Vogt hub an zu seinem Weibe:
»Ich schau an ihrem edlen Leibe,
An Augen und an Händen,
Wir müssen sie wohl senden
Zum Herzog hin gar bald;
Schön ist sie von Gestalt.
Die Herrin sie behüte
In ihrer großen Güte!«
Der Vogt es darauf wagte
Und es dem Vitztum sagte;
Der Vitztum aber gern
Erzählt' es seinem Herrn.
Gleich sprach der Herzog da:
»Schickt mir die Fraue!« Das geschah.
Empfangen hat die Herzogin
Crescentia mit mildem Sinn
Und, wie es mir das Büchlein sagt,
Behielt sie bei sich da als Magd.
Sie kleidete sie wohlgemut,
wie es den Frauen anstehn tut.
Der Herzog bald von Hofe kam;
Als es die Herzogin vernahm,
Ging sie mit ihren schönen Frauen,
Wie sie's gewohnt war, ihn zu schauen.
Der sagte üble Märe,
Die da geschehen wäre:
»Krank sind die Herrn, die beiden,
Nie sah ich größre Leiden.
Ertrunken ist die Königin,
Das ist der größte Ungewinn!«
Da weinte alles, was dort war;
Daß ihre Frau verdorben gar,
Betrübte innig ihr Gemüte,
Es kannten alle ihre Güte.
Zum Herzog seine Fraue sprach:
»Man brachte mir am frühen Tag
Ein Mädchen, die uns unbekannt,
Die man im Wasser schwimmend fand!«
Man führte sie vor sein Gesicht,
Doch konnt' er sie erkennen nicht,
Wiewohl er sie schon vordem sah;
Ob ihrer Trübsal das geschah,
Die ihr so reichlich widerfuhr.
Der Herzog hoch und heilig schwur,
Er wolle sie erfreuen,
Gestand denn zu der Scheuen
Viel Ehren mannigfaltig;
So wurde sie gewaltig.
Er bat sie auf die Bank zu sich
Und forschte angelegentlich,
Von wannen sie gekommen sei.
Die spricht und schaut ihn an dabei:
»Es ist fürwahr nicht so geschehn,
Wie Ihr es, Herre, glaubet denn!
Ach, ich und meine Holden
Nach Rom hin fahren wollten,
Das Schifflein, weh, zerschellte da
Um meine Sünden es geschah.
Entronnen ist die Folgschaft mein
Und ich, ich kam dann ganz allein
Geschwommen auf den Sand,
Wo mich der Fischer fand!«
Da hielt er sie in Ehren,
Und bat, sie möchte lehren
Sein vielgeliebtes Söhnlein nun.
Und was der Herzog wollte tun,
Er holt' erst ein Crescentias Rat.
Gar züchtig sie sich führen tat;
Ihr Herz hing Gott in Demut an.
Höchlichst zu wundern sich begann
Des Herzogs falscher Vitztum,
Daß diese Fraue solchen Ruhm
Am Hofe tat erwerben.
Ihn deucht, er müsse verderben,
Geschähe sein Wille nicht an ihr.
Er dachte bei sich: würde mir
Die Fraue gnädiglich und hold,
Sie gäbe Silber mir und Gold,
Weil sie den Schatz verwaltet;
Sie schließet und sie schaltet.
Auch fände ich wohl eine List
– Mein Herre mir so huldreich ist –
Daß, wenn sie mich verschmäht,
In Ungnad' sie gerät.
Ein Weib er wählen tat,
Die warb nun früh und spat,
Daß sie ihm seinen Willen
Gar heimlich möchte stillen:
Er gäbe ihr manches Gut und Geld.
Das Wort Crescentia sehr mißfällt:
»Ach, warum sprichst du so etwas?
Es ziemt dem Vitztum besser, daß
Er hält ein Edelweib im Arme
Als mich hier; daß es Gott erbarme!
Es wäre Sünde ja getan,
Wollte er mich als Kebse han;
Zum Eh'weib bin ich zu gering!
Ich wähne nicht, daß je empfing
Soviel des Leids ein armes Weib,
Wie ich mit meinem zarten Leib!«
»Drum will er doch erfreuen dich!
Willst du es tun, fürwahr, so sprich,
Dann bring ich ihn verhohlen
Zu dir und ganz verstohlen!«
»Ich sagte dir ja meinen Willen;
Die Bitte kann ich nicht erfüllen,
Ist ohne Recht und Fug.
Der Frauen gibt's genug,
Die mag er sich gewinnen.
Er lasse solch Beginnen
In Güte; werde nicht ein Spott
Den Menschen, und es lohnt ihm Gott!«
Das Weib tat dem die Rede kund:
»Ich will nicht mehr von dieser Stund'
Ab reden nur mit ihr ein Wort!
Sie schmähte mich in einem fort!«
Den Vitztum packte da ein Zorn,
Und einen Eid hat er geschwor'n,
Daß er sie mit gar falscher Kunst
Will bringen um des Herren Gunst.
Voll Ingrimm schritt er in den Saal,
wo Frauen waren überall;
Als er die Gute dorten sah,
Sprach er zu ihr im Zorne ja:
O wehe, du Unholde!
Du sitzest hier mit Golde
Gezieret und behangen,
Dir ist es wohlergangen.
Ich will es nun betreiben,
Daß du hier nicht sollst bleiben.
Weiß nicht, was mir geschah, fürwahr,
Daß ich mich ja so ganz und gar
Gen dich vergaß, daß ich
Zur Lust begehrte dich
In meinem Sinne, dem so zagen.
Man sollte dich mit Ruten schlagen!«
»Ich weiß nicht, was Ihr sprecht;
Ihr tut mir wenig recht,
Da ich doch meinen Dienst Euch bot,
Daß Ihr mich ließet ohne Not.
Ich bin kein böses Weib!«
Da wollte ihren Leib
Der Vitztum gar mit Füßen stoßen.
Die Mägde sprangen auf verdrossen
Und wehrten, daß es nicht geschah.
Als unbefriedigt der nun sah
All seine Rache, ging er fort
Und drohte ihr mit bösem Wort.
Da wand sie ihre Hände:
»O wehe, ich Elende!
Wie wenig bringt es mir Gewinn,
Daß ich vom Tod errettet bin:
Ich lebe, ach, in Schmach und Spott.
Erbarm' dich meiner, Herre Gott!«
Da rieten ihr die Mägdelein,
Daß sie ihr Weinen ließe sein.
Dem Herren sollte sie's klagen gehn
Der ließe ihr kein Unrecht geschehn:
»Er hütet deiner Ehren!«
Sie wollte sich nicht dran kehren:
»Ich mag dem Herrn, dem lieben,
Ja nicht den Mut betrüben
Mit allem meinem Ungemach.
Den Hohn, den mir der Vitztum sprach,
Und alles, was er mir getan,
Ich immer nur vergessen kann
Und lassen ohne Rache;
Er wollte gern, mich Schwache,
Beschlafen auch noch überdies!«
Der Vitztum sich drauf machen ließ
Den Schlüssel ihrer Kammer.
– Es bringt mir großen Jammer,
Daß er in seiner Schlechtigkeit
Ihr schuf so großes Herzeleid. –
Der Hund, der ungetreue Mann,
Schlich sacht in ihre Kammer dann.
Als er sie leise aufschloß,
Enstand ein arger Windstoß;
Er schnitt in diesem Winde
Schnell ab dem Herzogskinde,
Was er voll Arg zu tun begehrte,
Das Haupt mit seinem blanken Schwerte.
Da waren Sünd' und Schaden groß;
Der Fraue legt er's in den Schoß,
Wie wenn sie selbst die Tat getan.
Und alsobalde trat er dann
vor seines Herren Bette.
Ihn deuchte, daß er hätte
Gerächt, was ihm von ihr geschah.
Zum Herzog aber sprach er da:
Es sei bereits gar spät,
Der Hahn hätt' schon gekräht;
Er sollte balde aufstehn
Und in die Mette gehn.
»Es blinkt der Morgenstern!«
»Ich schliefe ja noch gern;
Zur Mette geh' ich mit dir hin,
Die Zeit weiß ja die Meisterin!
Sieh' zu nur, was sie macht,
Sie ist noch nicht erwacht.
Ich sehe wohl, es wird schon Tag!«
Der ging hin, wo Crescentia lag
Des Frevels gänzlich bar und bloß.
Trat gen die Tür mit hartem Stoß,
Daß sie in Stücke brach entzwei.
Laut gellte dann sein Weheschrei:
»Auf, auf denn, alle, die hier sind!
Es hält die Elende das Kind
Ermordet in den Armen.
Gott möge sich erbarmen.
Daß wir sie je gesehen, ach!«
Ein jeder trat in das Gemach.
Da lag die Frau, die gute
Besudelt in dem Blute.
Als sie des Blutes inne ward,
Da griff sie mit den Händen zart
Und suchte nach dem Kindelein;
Sie schrie darauf: »O Herrgott mein,
Ich weiß vor Weh nicht wo ich bin;
Verloren hab' ich meinen Sinn,
Wie hast du mein vergessen!
O, hätten mich gefressen
Die Fische auf dem Sande, daß
Mich keines Menschen Blick mehr maß!«
Der Vitztum lief zu ihr, der Hund,
Und schlug sie so hart auf den Mund,
Daß rotes Blut herniederfloß
Der süßen Fraue in den Schoß.
Sprach: »Lässest mir das Leben nun
Und sollst im Wellenschoße ruhn,
Dem man dich hat entrissen;
Daß man sich des beflissen,
Es hilft dir wahrlich wenig jetzt!«
Das Ingesinde trat entsetzt
Heran, um das zu schauen da.
Der Herr sprach zu Crescentia,
Die vor ihm stand in Schmerzen:
»Hast nun mit wildem Herzen
Die Treue mir gebrochen;
Was hast du nur gerochen?
Tät' ich auch nimmer dich belohnen,
Mußtest du doch das Kindlein schonen!«
»Bin ein gar elend Weib
Und hab' verwirkt den Leib;
Und fürchte mich nicht vor dem Tod;
Kam ohne Schuld in diese Not.
Was Ihr auch über mich verhängt,
Verhindre niemand ungekränkt.
Es denke mein der Herre Christ,
Der aller Witwen Schirmvogt ist!«
Es sprach darauf die Herzogin:
»Was höret Ihr noch auf sie hin?
Man soll sie stoßen jetzt zur Stund'
Wohl auf des Meeres tiefen Grund!«
Das aber tat dem Herren leid,
Er sprach dies Wort in Kläglichkeit:
»Und wenn wir sie auch hängen sähen,
Der Schaden bliebe doch bestehen.
Drum mag ich gehn; es dünket mich,
Das Beste ist es sicherlich!«
Es sprach der Vitztum drauf geschwind,
Der war ihr ja nicht gutgesinnt:
»Was soll denn sühnen diese Tat?
Sie angelegt dir wahrlich hat
Des bösen Zaubers Ketten;
Man soll sie nimmer retten!«
Der Herzog sprach: »Bei meinem Leib,
Es jammert mich ja mehr das Weib
Als dieses Kind, das, Gott erbarme,
Noch ruht in ihrem bösen Arme,
Der ihm den Tod gegeben hier.
Ich überlasse die Fraue dir.
So strafe sie denn fürchterlich,
Doch alle Schuld komm' über dich!«
Der Böse hob jetzt unverwandt
Die arge, mörderische Hand
Und schlug gar mit den Fäusten rauh
Die arme, unschuldsvolle Frau
Und packte sie am Haar
Und schleifte sie fürwahr
Fort aus der Kemenaten.
Die Leute alle baten,
Daß er sie leben ließe
Und nicht mit Füßen stieße.
Die Qual schien ihm nicht groß genug;
Er nochmals sie mit Fäusten schlug,
Daß sie nicht konnte sprechen.
Er sprach: »Ich will mich rächen
An dir, der gar Gemeinen,
Auf daß du weiter keinen
Bezauberst und betörst, bei Gott!
Ich bringe dir den bittren Tod!«
Es seufzte da Crescentia tief,
Mit Inbrunst sie zu Gott aufrief:
»Empfange, Herre, meinen Geist,
Der frei du jeder Schuld mich weißt!«
Doch als dies Wort ihr kaum entfloh'n.
Stieß er sie mit dem Hals voll Hohn
Wohl auf den tiefen Meeresgrund;
Des Mordes freute sich der Hund.
Doch strafte Gott das schlimme Recht
An jenem Herrn und seinem Knecht:
Drum überkam sie Leide,
Sie wurden alle beide
Aussätzig ganz an ihrem Leib;
Verdienten es um dieses Weib.
Es schwamm Crescentia aber dort
Dem Strom mit in den Fluten fort.
Bis sie dann an dem dritten Tag
Auf einer grünen Insel lag;
Sankt Peter sah sie zu sich gehn
Und oben auf dem Wasser stehn.
Er reckte aus nach ihr die Hand
Und wies sie nach dem festen Land
Mit trocknem Fuße durch die Flut;
Und ihre Fahrt, die wurde gut.
Darauf hieß sie der Greise denn
Zurück zur Herzogsfeste gehn.
Sprach: »Wer, was er gesündigt,
Dir öffentlich verkündigt,
Den mache heil du und gesund!«
Das Wort freut sie im Herzensgrund;
Und sie ging eilends ohne Zagen
Den Weg, den sie die Flut getragen
In zweien Tagen da zu Tal,
Nun rüstig jetzt zum andern Mal
Und kam zur None nach der Feste.
Sankt Peter führte sie aufs beste
Bis nach der Burg, nahm Abschied da.
Und als man dorten sie nun sah,
Garkeiner wieder sie erkannte.
Die Fraue sich nicht mit Namen nannte.
Man fragte, ob ihr wäre kund
Ein Arzt fürwahr, der ganz gesund
Hier ihren Herren machte.
Drauf kurz sie sich bedachte.
»Führt mich denn hin,« sprach da die Fraue,
»daß ich den Herren mir beschaue,
Wie man es bei den Siechen tut,
Ob ihn ein Arzt wohl heilet gut!«
Man zeigte ihr, wo der Herre lag,
Und sprach: »Es ist der dritte Tag,
Daß solches Leiden ihn kam an,
Es höret nichts der arme Mann,
Er sieht und ißt und trinket nicht;
Man weiß, bei Gottes Angesicht,
Kaum, ob er lebt zu dieser Frist,
Nur, daß noch Atem in ihm ist,
Der kommt aus seinem Mund!
Tröst' uns, mach' ihn gesund!«
Sie sprach: »Willst du gesunden,
So sag' zu dieser Stunden
All' deine bittren Sünden,
Dann wird dein Siechtum schwinden!«
Des Herze sich erquickte
Und froh er aufwärts blickte.
Er sagte darauf schnell
All seiner Sünden Fehl.
Als nun die Beichte war geschehn,
Hieß sie ihn gleich vom Pfühl aufstehn;
Doch sank sein Leib zu Boden fast.
»Das machet deiner Sünden Last,«
Sprach sie alsdann, »bedenke das;
Mich deucht, dich drücket noch etwas!«
Was taugt ein langes Reden denn?
Daß er es wahrlich ließ geschehn,
Daß man die Frau ins Wasser senkte,
Das reute ihn, ihn bitter kränkte.
Er weinte viel und heiße Tränen
Und beichtete es unter Stöhnen;
Da ward er denn zu dieser Stund
Geheilet und auch ganz gesund.
Er bat, sie möchte gnädig sein
Und treten bei dem Vitztum ein,
Der mit des Siechtums Bürde
Beschwert sei, wenn er würde
Gesund, gäb er ihr reichen Sold
An Steinen, Silber und an Gold.
Die sprach: »Dein Gut tut's mir nicht an,
Führ' mich stracks hin zum siechen Mann!«
Sie kam, berührte ihn mit der Hand,
Er kehrte ab sich von der Wand.
Sie sprach: »Sieh auf und künde
An alle deine Sünde
Und tu sie öffentlich hier kund,
Dann magst du werden wohl gesund!«
»Ich will dir gerne, doch allein,
All meinen Fehl gestehen ein!«
»Nein, wahrlich, das kann nicht geschehn.
Du mußt ihn offen eingestehn!«
Sie wandte sich zum Herzog hin:
»Wenn mich hier nicht betrügt mein Sinn,
So scheuet er die Beichte,
weil etwas er vielleichte
Getan hat wider deine Huld.
Ich will's, verzeihe ihm die Schuld!«
»Was sollte scheuen mich der Mann!
Ich weiß doch, daß ich nie gewann
Ein Kind, das mir so lieb wie er.
Er mag nun sagen Übles sehr.
Ich wollte schwören einen Eid».
Ich täte an ihm doch kein Leid.
Verzeihung würde ich ihm geben.
Verlor' ich auch durch ihn mein Leben!«
Als der den Mord nun eingestand.
Sah ihn sein Herr an zornentbrannt.
Crescentia ließ ihn dann aufstehn
Und aus der Remenate gehn;
Aufstand er ganz gesund.
»O weißt du gar, du Hund,«
Sprach zu ihm da der Herzog sein,
»Daß du mir allzu große Pein
Bereitet hast? In Treuen,
Du sollst es tief bereuen!«
Die Fraue aber spricht:
»Nein, Herre, tu es nicht!
Besänftige nun deinen Zorn,
Du hast die Rache abgeschwor'n!«
»Ich schenkte ihm an mir die Schuld,
was aber wider Gottes Huld
Er tat an jenem Weibe
Will ich an seinem Leibe
Jetzt schwer und blutig rächen;
Niemand soll widersprechen!«
Das unterstand sich niemand dann.
Er ließ den ungetreuen Mann
Nun werfen in die Flut geschwinde;
So mußte er büßen seine Sünde.
Der Herzog sprach zur Frauen,
Sie möchte doch anschauen
Den Kaiser und den Bruder sein.
»Dich hat fürwahr der Herrgott mein
Zum Trost uns hergesandt;
Sei denn darum gemahnt:
Mach' sie jetzt auch gesund und heil.
Dann wird dir große Ehre zuteil!«
Sie sprach: »Nun wisset ohne Spott,
Der Arzt ist unser Herre Gott,
Von dem ich diese Macht gewann:
Es sei ein Weib, es sei ein Mann,
Wenn ihren Fehl sie offen künden.
Verlieren Siechtum sie und Sünden!«
Begannen nun nach Rom zu ziehn.
In reichem Zuge zog man hin.
Auf diese frohe Botschaft denn
Wohl alle edlen Römer gehn
Hin vor die Stadt zum Schauen;
Schön nahm man auf die Frauen.
Nun ging die Fraue voll Güte
Mit traurigem Gemüte
Zu ihrem edlen Gatten da;
Sprach weinend dann, als sie ihn sah.
Doch still, nicht allzu laut gar dann:
»Wie dauert mich mein süßer Mann,
»Er hat's um mich verdienet wohl!«
Ihr Herze war des Leides voll
Da um den Kaiser, ihren Mann.
Sie sprach: »Was Übles du getan
Seit deiner Kindheit Tagen,
Sollst du mir offen sagen,
Dann nimmt von dir die Gotteskraft,
Die Seuche, die dir Qualen schafft!«
Als er getan, was sie ihn hieß,
Die Seuch' ihn doch noch nicht verließ,
Weil er vergaß die Königin.
»Denk weiter nach in deinem Sinn,«
Sprach da die liebe Fraue sein.
Da gab ihm Gottes Güte ein,
Daß ihrer er gedachte
Und es zu Worte brachte,
Wie er sie ließ ertränken.
»Ich kann nichts mehr erdenken,
Was wider Gott ich je getan!«
Es hieß die Frau ihn aufstehn dann
Genesen, wie er es nun war.
Daß er gesundet ganz und gar,
Des freute sich jedes Römerblut;
Und alle waren frohgemut.
Er sprach: »Laß dich erbarmen
Des Bruders mein, des armen,
Der an der gleichen Seuche liegt!«
Sie schnell sich zu ihm hinverfügt.
Voll Güte gar sie übersah
Das Leid, das ihr durch ihn geschah.
Sie hieß, er solle künden
Ganz offen seine Sünden,
Wenn er jetzt wolle werden
Gesund auf dieser Erden.
Da beichtete er mit lautem Wort.
Doch wollte gern den schnöden Mord
Verschweigen der Gemeine.
Bat sie, daß sie alleine
Sich neigete jetzt zu ihm hin.
»Nein, öffentlich, mit gutem Sinn,
Mußt sagen du, was du getan!«
Zu ihrem König sprach sie dann:
»Wer eines Reiches hüten soll,
Der tut gar manchmal Unrecht wohl,
Vor dem er sich nicht wehren kann;
Hat er nun eine Tat getan,
Die dich ergrimmt und deine Leute,
Mußt du sie ihm verzeihen heute!«
Der König ihm Vergebung schwur;
Da sagte der, wie er verfuhr,
Daß seine Schwieger ging verlor'n.
Die Römer überkam ein Zorn,
Sie wollten ihn verderben gar.
Gesund und heil ließ ihn fürwahr
Crescentia da mit sich gehen;
Zum Kaiser aber tat sie flehen,
Daß er ihm schenke seine Huld
Und ihm verzeihe alle Schuld.
Der Kaiser war unmäßig froh,
Sein Herze sprach zu ihm also:
»Fürwahr, sie ist Crescentia!«
Und zu der Fraue sprach er da:
»Wenn du mir einen Wunsch gewährst,
Tu gern ich, wessen du begehrst!«
Sie sprach, daß sie es willig täte;
Doch wenn auch sie um etwas bäte,
So müßte er's ihr zugestehn
Und es nicht unterlassen denn.
Er schwur es vor den Fürsten da.
Nun sprach die Fraue Crescentia:
»Tu, was dein Herz dir hat befohlen!«
Er ließ sich eine Schere holen;
Denn noch war sie ihm immer fremd;
Er schnitt ein Löchlein in ihr Hemd
Und als er drauf ihr Kreuzmal sah,
Eia, wie freute er sich da;
Daran er sie erkannte
Und sie bei Namen nannte.
Er fiel zu ihren Füßen nieder:
»Wohl mir, ich habe dich nun wieder.
Es hat dich Gott erhalten mir,
Wir bleiben eins jetzt für und für!«
Sie wurden alles Leides frei;
Crescentia aber wohnte bei
Dem Herrn nur einer Woche Frist,
Ein Hoftag dann berufen ist.
Da kamen viele Fürsten hin,
Auch eilte herzu die Kaiserin.
Der Kaiser saß da zu Gerichte
Vor ihrer aller Angesichte.
Crescentia vor den Kaiser trat
Und ihn nunmehr zu denken bat
An sein gar kaiserliches Wort,
Das mancher Fürst gehört hat dort.
Er sprach: »Nun sage deinen Willen,
Ich will ihn froh und gern erfüllen!«
Die Fraue begehrte, er solle sein Leben
Verändern und nach Buße streben,
Ein Kloster bauen, ein Gotteshaus;
Sie wollte wohnen in der Klaus'.
Darob erschrak der Kaiser sehr
Und konnte fast nicht reden mehr.
Doch mochte er ihr's nicht versagen,
Weil alles sich das zugetragen
Vor seinen Fürsten hatte; und
Gelobt' es ihr mit lautem Mund,
Er tat von sich die Krone;
Drum hat ihm Gott zum Lohne
Sein schönes Himmelreich gegeben
Und ewigliches Beiihmleben.
Crescentia wurde Klausnerin
Um ihres ewigen Heils Gewinn.
Nun saß der schöne Dieterich
Zu Rom als Herr gewaltiglich.
Hier hat die Märe ein Ende. –
Jetzt hebet auf die Hände
Und bittet Christ, bei seinem Tod:
»Erlöse uns von aller Not
Und teile mit uns deinen Hort,
Dein liebes Himmelreich einst dort!«