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Gesessen hat in Griechenland
Ein König, Philippus genannt,
Der war ein sehr verwegener Mann;
Und die Geschichte zeigt uns an,
Daß er gewaltig war,
Milde und edel gar
All seine Lebenszeit;
An Leib und Mut und Herzlichkeit
war er vollkommen allerwegen,
Und andern Herrschern überlegen
An Reichtum und an Macht,
Wie uns die Märe sagt.
Der König hatte nun ein Weib,
Die war so schön, daß nie ein Leib,
Ein schönrer, ward am Weib gesehen;
Das mußten alle die gestehen,
Die jemals sie nur sahen,
Die Fernen wie die Nahen.
Sie war, so sprach man seinerzeit,
Die Blume lauterer Weiblichkeit,
Der Tugend klarster Edelstein
Und wie ein Spiegelglas so rein;
Ohn' Makel, ohn' der Fehler Bürde
War sie voll reinster Frauenwürde.
Dem König und der Fraue sein
Hat Gott beschert ein Kindelein,
Das zwang darnach wohl alles Land;
Und Alexander war genannt
Das hoch- und wohlgeborne Kind.
Und die nun jetzt am Leben sind,
Beherrschen keinen größern Staat,
wie Alexander es dann tat
Hernach zu seinen Tagen.
Das Kind ward, hörte ich sagen,
Gar schön und aller Tugend voll,
Es hatte, was man sehen soll,
An hoher Könige Sprossen.
Zum Lernen ward dann unverdrossen
Das Kind in eine Schule getan;
Der König aber ihm gewann
Da einen Lehrer, der war weise
Und ganz und gar vor Alter greise,
War Aristoteles genannt.
Der König sprach: »Seid denn ermahnt
Zur Ehre, Meister, und zur Tugend
Und machet mir in seiner Jugend
Das Kindlein weise, belehret es!«
»Ich tu' es,« sprach Aristoteles.
Der war so reich an Wissen,
Daß alle Welt beflissen
An seiner Weisheit Lehren
Sich heut und immerdar tut kehren.
Er sprach: »In großen Ehren
Will ich das Kind belehren
Und will ihm unterbreiten
All die Begebenheiten,
Die man auf Erden wissen soll!«
Der König sprach darauf:
»Nun wohl,
Drum will ich reich Euch machen
An Gut und edlen Sachen!«
Vor dem Palast des Königs lag
Ein Garten und ein grüner Hag,
Davor ein schön erbautes Haus.
»Dies Haus soll«, rief der König aus,
»Sein Eures und des Kindes
Und auch des Ingesindes,
Das Ihr da bei Euch haben mögt!«
Nicht länger ward nun überlegt.
Der Meister nahm das junge Kind,
Lehrt es das Alphabet geschwind
A, B, C, D und E, F, G,
Das tat ihm anfangs gar so weh
Wie noch manch andrem Jungen,
Der also wird bezwungen
Durch einer Schule Lehrerschaft.
Es lernte das Kind mit aller Kraft
Der Künste durch den Meister viel.
Und da das Lernen ihm ein Spiel,
Es gar gelehrig war und klug,
Geschah's, daß nirgendwo mit Fug
Man einen weisren Knaben fand. –
Doch leider etwas dann entstand,
Die Weisheit mindernd und die Sinne:
Das war die strenge Minne.
Die Königin hatte eine Magd,
Die war so schön, wie man gesagt,
An Leib und an Gestalt,
Daß keiner, er wäre noch so alt
Nicht gerne sie hätte angeschaut.
Wem Weiberschönheit war vertraut,
Der sagte, daß sie sei
Gar schön und Makels frei.
Die war aus hohem Haus;
Der Welten Augenschmaus,
Die süße Freudenschau
War der Königinnen Frau.
Phyllis war sie genannt.
Alexander war entbrannt
Zu ihr in heißer Minne;
Verirrt in seinem Sinne
ward da der junge Herr,
Und dachte daran sehr,
wie ihm der Sorgen Bürde
Ein Teil verringert würde.
Sein Lernen ward gestöret gar,
Wenn er der Jungfrauen nahm wahr;
Und wenn das nicht geschah,
Man großes Leiden sah
An diesem Jüngeling.
Wen nun die Minne fing,
Der merke, was ihm ist geschehn:
Der junge Märtyrer wollte vergehn
Und wußte nicht, wie er sollte verfahren;
Die Minne bezwang in tausend Jahren
Nimmer, nie so sehr
Eines Mannes Herze mehr,
Als seines sich bezwungen fand.
Da war nun, wo er saß und stand,
Phyllis, die voller Güte,
Die reine, in seinem Gemüte.
Dies alsolange währte,
Daß ihm sein Herz beschwerte
Das Fräulein alsosehr,
Bis daß er mehr und mehr
Gar heimlich kam geschlichen
Zu der sehr Minniglichen,
So daß sie einen Mut gewannen
Und füreinander zu brennen begannen.
Er war bezwungen, noch mehr war sie's;
Und alsolange währte dies,
Bis daß die Jungfrau zart
Wohl an ihm inne ward,
Wie sehr er war entbrannt;
Drauf sie ihm zugestand,
Da er sie fleißig bat,
Sie wolle kommen früh und spat
In einen Baumgarten,
Dort wolle sie seiner warten.
So kamen sie überein;
Und zwischen den geliebten Zwei'n
Herrscht Freundschaft da und Treue,
Und Freude, hohe und neue,
Ward ihrer Minne und ihrem Behagen.
So oft hat sich das zugetragen,
Wie die Gelegenheit sich bot. –
Da merkte denn zu ihrer Not
Der Meister an dem Jungen,
Daß er war ganz durchdrungen
von der Jungfrauen Minne;
Das ward er darnach inne,
Erfuhr die Wahrheit bald.
Darum er sehr viel schalt
Mit Schlägen und mit Worten
Den Jungen allerorten.
Und hütete sein bei Nacht und Tag,
So er am besten es vermag.
Doch half dies alles nicht ein Haar,
Denn, wenn es konnte sein, fürwahr,
Ob früh, ob spat, so trieb es ihn
Zu seiner Allerliebsten hin;
Dann hatte er mit ihr gut Gemach.
Ihr Arm die Kette bald zerbrach,
Mit welcher sie gebunden
Waren zu allen Stunden
Von der gestrengen Minne.
Ihr Herz und ihre Sinne,
Die schwebeten in Freuden gar
Noch höher als der stolze Aar.
Dies kränkte denn des Meisters Sinn,
Er ging darauf zum König hin
Und sagte ihm die Märe,
Daß nun sein Jungherr wäre
Vernarret in das schöne Kind.
Es schalt der König da geschwind
Und strafte sehr die junge Magd.
Die sprach: »Herr König, was er sagt,
Sei alles abgestritten;
Die Fraue kennet meine Sitten,
Die sind so gut und stät dazu,
Daß ich ungern ein Unrecht tu'!«
Und schwur so manchen Eid,
Daß die Königinne bereit
Bestreiten tat auch ihre Schuld.
So kam sie wieder in Huld.
Der wohlgestalten Phyllis
Darnach war ungewiß
Die Minne und die Freundschaft;
Da ward ihr stolzer Leib der Kraft
Beraubet und der Freuden bar,
Weil ihrer beider man nahm wahr
In gar verfluchter Hut,
So daß die Reine, die so gut,
Nicht konnte an ihm stillen
Ihres siechen Herzens willen.
Traurig war Alexander,
Sein Herzeleid erkannt' er,
Weil ihm die Liebste war genommen.
Da ist er in die Schule kommen
Gar zornig brummend wie ein Bär.
Er wand sich hin, er wand sich her,
Er war in seinem Sinne
Verblendet durch die Minne.
Der Seele sehnender Schmerz
Traf auch der Liebsten Herz.
Die Reine und die Schöne sah
Man übermäßig zornig da;
Sie war ja mit demselben Schaden
Durch ihn, wie er durch sie beladen.
Die sehr gewaltige Minne
Beherrschte auch ihre Sinne;
Die war gar stürmisch gekommen
Und hatte ihr mit Gewalt genommen
Der besten Mäßigung einen Teil.
Gelassenheit war ihr nicht feil,
Noch teilte nach gewohnter Sitt'
Der Welten Milde sich ihr mit.
Was sie an Freuden spürte,
Und was davor sie rührte,
Das mangelte ihr alles nun.
So stand es um ihr Sein und Tun.
Nun überlegte in ihrem Gemüte
Die Süße, Reine voller Güte,
Wie sie den Liebsten könnte sprechen,
Und all ihr Herzeleide rächen
An jenem Meister, der so weise
Und gar vor Alter grau und greise.
Hört, was sich zugetragen hat:
Phyllis, die reine Sonne, trat
In ihre Kemenate weit
Und nahm ein seiden Schleppenkleid,
Zog es an ihren süßen Leib;
Das zarte minnigliche Weib
Hat auch noch einen Pelz daran.
Der stand ihr gar sehr prächtig an,
Er gab ihr einen blanken Schein
Und war aus Hermelin sehr fein.
Sie war gar schön, das glaubt,
Sie setzte auf ihr Haupt
Den Reif von lichtem Gold,
Der schmal war, wie gewollt,
Gemacht mit klugen Sinnen,
Mit Edelsteinen darinnen.
Und zwischen dem Gestein
Sehr strahlend, jedoch klein,
Die besten, die im Land sich finden,
Smaragden und auch Hyazinthen,
Saphire und Chalzedone,
Die waren zweifelsohne
Sehr schön darein gesetzt.
Des Goldschmieds Kunst war hochgeschätzt
Und nimmer fügte besser ein
Er in das Gold den Edelstein.
Die Schöne so gezieret saß;
Nahm dann ein helles Spiegelglas,
Beschaute nun genau alsbald
Den Putz und Aussehn und Gestalt,
Ob etwas ihr nicht möchte stehn
Und müßte besser noch aussehn.
Sie trug ein köstliches Gewand,
Wie uns die Märe macht bekannt.
Sie trat hinaus in jenen Hag,
Der vor dem Königsschlosse lag.
Barfuß ging sie in ihn hinein,
Weiß wie die Schloßen war ihr Bein
Und grader noch als eine Kerze
Und blank und ohne alle Schwärze;
Das wurde naß nun von dem Tau.
Da ging die minnigliche Frau
Zum rieselnden Borne, der nahe dabei,
Sehr froh und aller Sorgen frei.
Ihre Tritte waren und ihr Gang
Gemessen, nicht zu kurz, zu lang,
Und doch in rechten Maßen.
Sie schritt dahin gelassen,
Aufrecht und öffentlich;
Sie einem Sperber glich;
War glatter als ein Papagei.
Ließ ihre Augen schweifen frei
Wie Falken auf dem Ast,
Zu strenge nicht, zu milde fast:
So weideten sie leise
In gar sehr süßer Weise.
Das minnigliche Bild fürwahr
Gebärdete sich seltsam gar;
Sie schaute hin und her,
Hob auf ihr Schleppkleid sehr
Und fast bis über ihre Knie.
Und Blumen pflückend wandelt' sie,
Tat sie dann in ihr Schleppelein.
Phyllis, der frohe Sonnenschein,
Begann sich also aufzuführen,
Weil sie gedachte aufzuspüren
Und zu betrügen jenen Mann,
Der ihr den Liebsten abgewann.
Drum lief sie, die so lieb und traut,
Im Spiele gleich der Windesbraut
Dorthin, wo jener Brunnen ist. –
Was je vermag die Weiberlist,
Das kann doch wahrlich niemand sagen.
Die Weiber so auf Fährten jagen,
Daß sich vor ihrer Verschlagenheit
Niemand kann retten weit und breit.
Es ist kein Mann so weise
Noch durch das Alter greise,
Ist er zu Weibern hingegangen,
wird auf dem Zweige er gefangen
Und auf der Minne Leimrut',
Wie man den Vogel fangen tut.
Der nach der Freiheit, die ihm ward
Auf dem geleimten Zweige harrt.
Und merket er dann um den Trug
Und auf zum Berg tun will den Flug,
So klebt er wahrlich mitten dran;
Und regt er sich zuweilen dann,
Bewegt er nur den Zweig ganz sacht,
Welch' Anstrengung er immer macht.
So wird der Mann beraubt der Kraft,
Das Weib bringt ihn in ihre Haft,
Gefangen in dem Strick
Durch einen süßen Blick.
wie schlau und weise auch der Mann,
Von Weiberlisten niemand kann
All sein Gemüt entbinden,
wenn er sich lasset finden
In schöner Fraun Gesellschaft.
So stark ist Minnekraft!
Wer aber frei davon will sein,
Lass' selten sich mit Weibern ein
Und fliehe weit von ihnen gar,
Nicht anders hilft er sich fürwahr!
Nun höre ich auf mit solchem Wort
Und fahre mit der Märe fort,
Damit sie ungewiß nicht bleibe:
Phyllis mit wohlgestaltem Leibe
Ging spielend durch den Blumenflor
Und war noch stolzer denn zuvor.
Sie schlich nun hier, sie schlich nun da;
Der alte Meister aber sah
Dies alles durch ein Fenster klar
Und nahm da ihr Gebaren wahr;
Das deuchte ihn gar wunderlich.
Hei, dachte er, wie minniglich,
Wie lieblich und wie schön,
Wie wohlig anzusehn
Ist dieses zarte, süße Weib;
Wer mit ihr einte seinen Leib,
Gar selig wäre dieser Mann!
Es kam ihn eine Kälte an
Und eine Hitze gleich darauf.
Die Minne warf ihn da zu Hauf,
Machte ihn zu einem Kinde
Unter der blühenden Linde.
Da kam die Süße, Feine,
Die alles Makels Reine
Hin vor des Meisters Fensterlein
Und warf ihm Blumen da hinein,
Mehr wahrlich als ein Händchen voll;
Sprach »Meister,« drauf, »ich wünsche Euch wohl
Viel Glück und viel der Ehren
Und möchte Euch sicher mehren
Die Freude und die Kurzeweile;
Und darum wollte ich eine Meile
Von hinnen gehen, wär' ich auch krank!«
Der Meister sprach: »Habt schönen Dank!
Euch wurde all die Fülle,
Liebliche, süße Hülle,
Die man auf Erden haben soll.
Jungfräulein, tue wohl
Und wolle dich erbarmen
Über mich gar Armen,
Und wolle kommen her zu mir,
Denn hier ist niemand außer dir!«
Da ging die Süße, Feine,
Die alles Makels Reine
Zum alten Meister hin;
Und darnach stand ihr Sinn,
wie sie ihn könnte kränken, –
Nur daran tat sie denken, –
Und saß an seiner Seite nieder.
Er sprach: »Es sind mir alle Glieder
Gelähmet und auch der Verstand.
Ich habe gesehen manches Land,
Doch nie ein Kind so schön wie dich.
Laß deine Huld beglücken mich!
Ich gebe Gold dir als Gewinn,
Führ' dich an meine Lade hin,
Nimm dir von dem, was drinnen ist!«
Sie sprach: »Die Rede mich verdrießt,
Was, Meister, sinnet Ihr mir zu?«
»Ich wollte, es ließest schlafen du
Mich eine süße Nacht bei dir!«
Sie sprach darauf nun: »Wehe mir,
Wie dürfte ich, Meister, solches tun?
Denn meines Magdtums will ich nun
Und nimmer so verlustig gehn!«
Daran begann sie wohl zu sehn,
Daß ihn war Minne überkommen.
Da hat die Schöne wahrgenommen,
Daß an der Wand ein Sattel lag.
»In Treuen,« sprach sie nun, »ich mag
Euch das umsonst nicht zugestehn,
Um diesetwillen müßt Ihr denn
Den Sattel auf den Rücken nehmen,
Dazu sollt Ihr Euch jetzt bequemen,
Und leget dann zu dieser Stund
Hier diesen Zaum in Euren Mund,
Der ist mein seiden Gürtelein.
Tut's, soll ich Euch zu willen sein;
Nicht länger mag ich bitten.
Ihr sollt von mir beritten
In den Baumgarten gehn,
Da kann Euch niemand sehn
weder Weib noch Mann!«
Der Alte sprach:
»Ich kann
Dich nicht gut reiten lassen!«
Sie:
»Will Euch solchermaßen
Besteigen wie ein schönes Pferd;
Dann seid Ihr mir auch wert
Und ich will tun, was lieb Euch ist!«
Nun seht die wunderliche List
Von einem jungen Weibe,
wie man es immer treibe:
Ein schönes, minnigliches Kind,
Dem Mut und Kraft verliehen sind,
Sich die Gewalt verpflichtet,
Der Wunder viel verrichtet,
Sie kann sehr wohl gesunden,
Mut und das Herze zu verwunden
Mit ihren süßen Worten.
Fraun sind an allen Orten
Mit Falschheit wohl versehen,
Vor der muß ganz vergehen
Des Mannes Kunst, wie klug sie ist:
Wunder wirket Weiberlist.
Ihr Schmeicheln, ihr Beglücken,
Ihr Trachten und ihr Blicken,
Ihr Sprechen und ihr Singen,
Ihr Tanzen und ihr Springen,
Ihr Weinen und ihr Lachen,
Die können alle machen
Und schürzen so das Band,
Daß sie mit ihrer Hand
Den Mann so leitet, wie sie will:
Weiberkunst ist ohne Ziel.
Man weiß es ganz genau:
Umgarnet hat die Frau
Adam und Samson,
David und Salomon
Und die besten alle.
Doch, schirme mich, Sankte Galle,
Die Weiber sind nicht alle so,
Sie machen manches Herze froh,
Das sonst in Sorgen wäre begraben:
Daß viele keine Keuschheit haben,
Noch ehrbar sind mit stetem Mut,
Das tut nichts denen, die in Hut
Und frei sind jeder Missetat.
Tausend Weibertugenden hat
Ein Weib: wenn keine wäre
Sehr schlecht und ohne Ehre,
wie sollte man erkennen gar,
Daß eine ist des Makels bar?
Beginnen will ich wieder jetzt
Die Märe, die hintangesetzt:
Die sehr gewaltige Minne,
Die Räuberin der Sinne
Bezwang den Mann, den greisen,
Den hoher Künste weisen.
Er sprach: »Mein schönes Kindelein,
will dir ganz untertänig sein
Und tun, was du nur willst,
Auf daß du meinen Wunsch erfüllst!«
Der alte Gauch legt sich am Ende
Hin auf die Knie und auf die Hände,
Und sie, die schön und minnereich,
Die legte fröhlich da sogleich
Den Sattel auf den Rücken sein;
Und nahm ihr seiden Gürtelein,
Legt' ihn als Zaum in seinen Mund
Und schwang als Peitsche dann zur Stund'
Von Rosen einen Blütenzweig.
Die Schöne, die so minnereich,
Greift heiter nach dem Zaume dann
Und setzt sich auf den Heldenmann.
Sie reitet schön auf ihrem Thron;
Und mit gar süßem, sanftem Ton
Singt sie nun zarte Minnelieder.
Der Alte rührte seine Glieder
Und kroch auf allen vieren da;
Des ward sie froh, als sie es sah.
Er kroch dann in den Garten
Und trug auf sich den zarten
Und süßen, minniglichen Leib.
Das aber sah des Königs Weib
Und andre ihrer Frauen;
von hoher Zinne schauen
Sie da das Wunder an,
Daß Phyllis dort den Mann
Sehr herrlich reitet so.
Des wird die Herrin froh
Und wundert sich gar viel.
Als sie geritten bis zum Ziel,
Da saß sie fröhlich ab.
Sprach: »Alter Gauch, nun hab'
Die Schande, trag' sie für und für
Dieweil du meine Ehre mir
Und meinen Liebsten nähmest gar.
Du, der du bald nun hundert Jahr,
Bist wieder sieben worden alt;
Daß dich der Teufel hole bald!«
Phyllis ihr Schleppenkleid dann faßt,
Eilt heiter drauf in den Palast. –
Dies große Wunder allzumal
verkündet ward in Hof und Saal
Dem König und dem Ingesind.
Phyllis, das reine, süße Kind,
Hat all ihr Leid gerochen.
Darnach in wenig Wochen
Nahm denn der Meister kurzerhand
All seine Bücher, sein Gewand,
Sein Gold, sein Silber, seine Hab'
Und schickte sie drauf nächtens ab
Heimlich in einem Schiffelein.
Er mochte dort nicht länger sein
Des Spottes wegen und der Schand',
Die ihm fürwahr daraus erstand
Und ihm zuteil ward dort im Saal,
Er fuhr das Wasser hin zu Tal,
Das da durch jene Gegend floß,
Weil auch die Schande ihn verdroß,
Daß man ihn haben mochte satt.
Er kam gefahren in eine Stadt
Auf einer Insel Galicia.
Dort blieb er nun und machte da
Ein Buch, schrieb auf gar manches Blatt,
Welch wunderliche Listen hat
Das schöne, ungetreue Weib
Mit ihrem zarten, süßen Leib.