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Es folgten ihm Hektor Behaim, Wolfgang von Nisika, Fritz von Thüngen und Philipp von Rüdickheim. Die übrigen hielt der Saal.
Im Hof Knechte. Der eine mit einer qualmenden Fackel. Der rotgelbe Schein schweifend über Mauern und Giebel. 136 Grell die harten Gesichter und Gestalten der Knechte aus dem Dunkel gehoben. Auf dem Pflaster tiefschwarze, schwankende Baumschatten. Oben der Wind zerschnitten über die Firste schreiend.
»Wo sind sie?« fragte Kunz.
»In der Kammer beim Stall,« erwiderte der mit der Fackel und ging voraus.
Sie schritten ihm nach. Der Torgang. Die niedergelassene Schlagbrücke. Der äußere Hof. Der Wind warf die Flamme nieder, fegte Rauch und abgerissene Feuerlappen von ihr weg. Vor dem Stalleingang blieb der Fackelträger stehen, ließ sie voraustreten und leuchtete ihnen, die Hand vorhaltend, durch die offene Tür nach. Der Stall. Beizender Dunst. Rosse mit großen Glanzaugen im Dunkel sich umwendend. Nebenan eine tiefgewölbte Kammer. Ein Tisch mit einem trüben Lämpchen, eine Bank, Strohlager auf der Erde. Lenhart, des Rosenbergers Knecht, und Kilian, der Stallbursch, am Tisch lehnend. Vom Stroh erhoben sich zwei Gestalten aus dem Halbdunkel. Ein kleiner, abgehärmter Mann und ein stämmiger Bursche. Offenbar Handwerker.
Sie sahen übel aus. Die Gesichter fahl, von Müdheit verzerrt. Das Schuhwerk zerrissen und voll Kot, die Hosen bis zum Kittel hinauf mit Straße bespritzt. Sie hatten angehängt neben den Pferden herlaufen müssen.
Stummes Betrachten. Der Jüngere blickte neugierig auf die Edelleute, der Ältere hielt sich mit gequält ergebenem Ausdruck an der Mauer.
»Wie heißest du?« fragte ihn Fritz von Thüngen.
»Der Stefan Geyger,« sagte Kunz von Rosenberg, auf den Älteren weisend, »der Sigmund Heckel, beide Messerer aus Nürnberg.«
Der Thüngen: »Wo habt ihr hin wollen?«
»Gen Neuenburg auf den Markt,« sagte der Heckel.
»Hatten bambergisch Geleit,« setzte der Geyger hinzu.
Rosenberg hart: »Das bambergisch Geleit war zu End, wo ich euch fing. Nun müßt ihr euch schatzen.«
Stefan Geyger, weinerlich die Hände hebend: »Bin ein 137 armer Gesell, hab Weib und sieben Kinder, verdien keine sechzehn Groschen die Woch.«
Sigmund Heckel: »Mein Wetschka habt Ihr genommen. Waren vier Gulden und etliche Groschen drin. Wann Ihr mich umdreht, es fallt kein Pfennig mehr heraus.«
Rosenberg: »Wann ich dich in Stock spann, will ich sehn, was aus dir herausgeht.«
An der Tür, wo die Junker gedrängt standen, gab es Bewegung. Mangold von Eberstein trat gebückt herein.
»Ihr seid nürnbergisch?« fragte er.
Der Geyger: »Ja, Herr, bei Gottes Blut, gebt uns frei, wollen Euch dienen, so wir's können. Haben nichts, gar nichts.«
Mangold: »Das will ich Euch glauben. Begehr nit Schatzung noch Geld von Euch. Allein Ihr sollt Euern Herren von Nürnberg schreiben, damit die Odheimerin zu einem Vertrag kommen möcht, und sollen ihr das Ihre folgen.«
Der Geyger: »O Herr, wie vermögen wir das. Das steht nit in unserer Macht.«
Der Heckel warf ihm schnell einen scharfen Blick zu, der sagte: »Du Tölpel!«
Mangold: »Habt ihr zu Nacht gessen?«
Beide: »Nein, Herr.«
Heckel: »Hungert uns gar sehr.«
Mangold musterte sie noch einmal von oben bis unten, winkte seinem Schwager, zu folgen, und bückte sich wieder unter die Tür.
Draußen vor dem Stall blieb er stehen. »Die sind nichts wert,« sagt er zu Kunz, der ihm nachkam. »Auch hab ich noch keine offene Feindschaft mit denen von Nürnberg. Die können morgen laufen.«
Kunz ärgerlich: »Da hab ich sie mit so viel Plag hergeschleift, und du läßt sie aus. Gönn sie mir. Ich brauch Geld, gibst mir so keins.«
Mangold, nachdem er eine Weile in die Wolken geblickt, wo eben in blauem Spalt der Mond hervorschwamm: »Meinthalben. Aber schindt sie nit. Klaus!« rief er dem Knecht zu, der mit der Fackel abseits stand, »schaff den Nürnbergern 138 dann zu essen. Wo ist der andere, der Stallbursch vom Herrn Tucher?«
»In der Kammer beim Vogt,« versetzte der Knecht.
Mangold: »Gut. Daß die nit zusammkommen!«
Damit ging er dem Schloß zu.
Kunz wandte sich wieder in den Stall. Die Junker kamen ihm entgegen.
»Da ist nit viel zu holen,« sagte Fritz von Thüngen.
Kunz: »Du kennst die Nürnberger schlecht. Wetten! Sechshundert Gulden bringen sie auf.«
Der Thüngen: »Zweihundert vielleicht.«
Hektor Behaim: »Fünfhundert mit, dreihundert ohne Stock. Wer den geringen Vogel auslaßt, ist des großen nit wert.«
Kunz zum Behaim: »Er hat sie mir gelassen. Komm, wir schatzen sie.«
Der Nisika: »Dann guten Handel! Wir gehn wieder zum Wein.«
Kunz und Hektor kehrten in die Kammer zurück. Die Gefangenen hatten sich auf die Bank gesetzt. Ihre Mienen waren heller. Sie dachten, dem Schlimmsten entronnen zu sein.
Kunz fuhr sie hart an: »Tausend Gulden seid ihr wert, nichts minder. So lang werdt ihr da liegen, bis ihr's zugebt.«
Der Geyger fiel auf die Knie.
»Herr, Herr, tausend Gulden hab ich mein Lebtag nit gesehn. Zweihundert Gulden hat mein Weib mir zubracht, stecken in Werkstatt und War, hundertfünfzig hab ich müssen borgen, so schlechte Zeiten, habt Erbarmen, lieber Herr!«
Der Heckel, leicht lachend: »Wann ich je fünfhundert Gulden spar, die will ich Euch bringen, Herr Junker. Fürcht nit, eh dann wir uns beim Teufel treffen.«
Der Behaim: »Geht zum Juden. Jeder Nürnberger hat Juden, die ihm borgen, in Frankfurt, in Würzburg, in Leipzig.«
Kunz, dem Heckel zornig vor's Schienbein tretend: »Ich spann dich in Stock, daß dir die Achseln vorm Herzen stehn, du Boswicht! Da wird dir bald ein guter Jud einfallen. Heda, Kilian! Wo ist der Stock?« 139
»Im Gewölb bei der Reiterstuben,« antwortete Kilian aus dem Stall. »Aber der Herr will nit, daß die Nürnberger heut ins Haus hinüberkommen.«
Kunz: »Dann auf morgen. Beschlaft's und denkt's euch aus. Stock oder Schatzung.«
Der Geyger aufstehend: »Hundert Gulden will ich geben, Herr, und wann ich mein Leben lang dran abarbeit und meine Kinder betteln schick. Hundert Gulden, aber mehr kann ich nit, kein Pfennig.«
Der Rosenberg: »Sechshundert Gulden alle beide. Wie, das kocht aus miteinander. Keinen Groschen minder. Hampas, leg ihnen Schellen an zur Nacht.
Die Junker kehrten ihnen den Rücken und gingen.
Sie schritten zurück durchs Tor in den inneren Hof. Der Mond flog durch die Wolken. Die Linde reckte wirre Schattenfinger und zog sie wieder ein. Ein Katzenpaar fuhr mit Gepfauch und Gepfetz am Stalldach herunter und klagte wie kleine Kinder.
An der Treppe in der Mauerstufe lehnte eine schlanke Gestalt, etwas Blinkendes im Arm. Ein harfender Ton. Kunz trat hinzu, sah dem Burschen ins Gesicht.
»Ei! Der Junker Miltitz.«
Der Angeredete lachte.
Oben im zweiten Stock schien es hell durch die Ausschnitte eines Fensterladens.
»Nun hättst du gern Katzenkrallen, daß du den Pfeiler da außen hinaufklettern und durch die Löcher lugen könntest. Sähst ein feins Jungfräulein im Hemd oder so.«
»Das tät dem Herrn von Rosenberg auch gut,« schmunzelte der Miltitz.
»Weiß der Teufel!« seufzte Kunz. »Bursch, gibt's da kei Steiglein hinauf?«
»Ein Leiterlein wüßt ich wohl, das langen tät vom Dach der Backstub. Schmeißt's der Wind um, dann liegt Ihr unten, braucht kein Bader mehr.«
»Und einwendig vom Gang aus? Ist das Türlein gar verriegelt?« 140
»Sie schlafen zusamm in einer Stub, die Mutter und die Kleine.«
»So dumm hat das nur der Mangold richten können. Die wollt ich auf meinem Schloß haben!«
Hektor Behaim: »Komm, Kunz. Laß den jungen Kater singen. Tröst ihn der Mond, der hat ein Herz für die Knaben. Wir, wann die Maidlein verriegelt sein, halten uns zum Faß.«
»Und zu den Würfeln. Der Teufel soll mich schänden, wann ich heut kein Glück hab. Schon die dritte Nacht ohne Frauenzimmer. Gute Nachtwach, Miltitz! Mach die Katzen nit irr!«
»Viel Durst und Glück, ihr Herren!«
Ihre Schatten rückten lang und geknickt über den Hof hin. Der schwarze Türmund im Treppenturm fraß sie auf.