Hans von Hammerstein
Die blaue Blume
Hans von Hammerstein

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Peter,« sprach der Vater, »es ist nun an der Zeit, daß du dich auf eigene Beine stellst. Ich und die Mutter, wir werden alt und schwach und können nicht mehr so viel Futter erjagen, um deinen immerhungrigen Schnabel zu stopfen. Die andern alle sind gut untergebracht und schaffen was Rechtes. Du allein hast dein Lebtag nicht gut getan und bist lieber im Gras gelegen und hast nach den Wolken geguckt, statt ein ehrlich Handwerk zu erlernen. Das bißchen Schnörkelschreiben und lateinische Verse machen, was sie dir auf der Klosterschule beigebracht haben, ist ja gerade gut genug, um einen Pfaffen 8 auf seiner Pfründe zu ernähren. Ein Pfaff aber willst du nicht werden, weil du zu leichtsinnig und lotterhaft bist; nun mach dich auf und sieh zu, ob sie dir irgendwo in einer Stadt einen Schreiberposten geben um deiner guten Handschrift willen.« – – –

Schimpf mir nicht meinen Nesthocker«, fiel da die Mutter ein, »war er doch immer ein braves und sanftes Kind und hat uns nie was zu Leid getan. Seine Hände, die viel zu schlank und zu zart sind zum Schmieden, Hobeln und Schustern, werden mit ihrer zierlichen Schreibekunst gewiß mehr Ruhm und vielleicht mehr Reichtum erringen, als die derben Pfoten aller seiner Brüder. – Aber geh nur, Peter, die Zeit ist angenehm und recht zum 9 Wandern. Sieh dir nur in aller Muße die schöne weite Welt an, und so es dir irgendwo behagt und sie dir freundlich gesinnt erscheinen und deine Kunst und Kenntnisse zu schätzen wissen, da laß dich nieder. Mir ist nicht bange um dein Fortkommen. Ich seh' dich schon im Geiste als würdigen Stadtschreiber mit Talar und weißer Krause, geehrt und geachtet im Kreise wohlbehäbiger Ratsherren, oder gar als Sekretarius und geheimbden Konsiliar im Gefolge eines mächtigen Grafen oder Fürsten. Und dann werden wir zu dir kommen auf unsere alten Tag und es geruhiger und besser haben als neben den lärmenden Werkstätten deiner Brüder.« – Und Peter, da er sah, daß es dem Vater Ernst sei, und er selber bei dem prächtigen 10 Frühlingswetter rechte Lust zum Wandern hatte, ihm auch die Ehren und Würden, die ihm die Mutter ausgemalt, nicht zu verachten schienen, schickte sich an, sich für die Reise zu rüsten. Der Vater gab ihm einen leidlichen Reisepfennig und einen tüchtigen Knotenstock, die Mutter aber einen rechten Segen und herzhaften Kuß mit auf den Weg. Außerdem schenkte sie ihm noch einen warmen Rock, in dessen Zipfel sie einen blanken Dukaten eingenäht hatte, und steckte ihm Apfel und Kuchen in den Ranzen, soviel davon hineinwollte. Bei der Türe aber sagte sie ihm noch ins Ohr: »Vertrau nur recht auf Gott, mein Peterle, und auf deine eigenen gesunden fünf Sinne. Halt dir deinen Kopf allzeit klar und dein Herz rein und laß dir den Glauben an das 11 Schöne und Gute, das es auf der Welt gibt, von niemand rauben. Und weißt du noch die Geschichte von der blauen Blume, die ich dir so oft erzählen mußte, als du noch klein warst? – Glaub's nur, die blaue Blume blüht irgendwo im Walde, und wer sie findet, der versteht die Sprache der Tiere und der Blumen, und dem können selbst die Steine was erzählen. Und er wird viel Wissenschaft erfahren von Gottes schöner Natur, und alle die Geister in Erde, Luft und Wasser werden ihm wohlgewogen sein. Und nun geh mit Gott. Und so es dir drauß' einmal zu kalt und dornig wird, kehr nur immer um und komme wieder zu mir!« Damit küßte sie ihn nochmals. Peter aber wischte sich die Augen und machte sich dann mutig auf den Weg. – – – 12

 


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