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Albrecht Dürer mußte die Zeit, die er sonst der Freundschaft widmete, jetzt dem Dienste des Kaisers widmen, auf dessen Schlosse er täglich war. Eines Tages kam zu mir der junge Hans Dürer und bestellte einen Gruß von seinem Bruder, der mich bitten ließ, DonnerstagsPfinztag. im Rathause nachmittags mich einzustellen, wenn ich die Gemälde daselbst und zugleich den Kaiser sehen wollte, weil Ihre Majestät um diese Zeit sich dorthin zu begeben gedächte. Ich nahm die Einladung gern an, weil ich begierig war, die dortigen Ölgemälde, vornehmlich aber das Wandgemälde des großen Saals zu betrachten, von dem ich schon in Frankfurt viel Rühmens gehört hatte, obgleich es noch nicht einmal vollendet war. Albrecht Dürer hatte hier nämlich den Triumphzug Maximilians, des hochherzigen Herrschers, gemalt. Diesen Mann, die Blume der Ritterschaft, den Stern des Jahrhunderts, so in der Nähe zu sehen, hatte auch keinen geringen Reiz für mich.
Als der Tag erschien und ich aus meinem Fenster schon einige Ratsherren die Treppe des Rathauses langsam hinaufsteigen sah, kleidete ich mich auf das sauberste an und gedachte hinüber zu gehen. Nichts ist mir verdrießlicher als das Putzen, und so kam es, daß ich etwas ernst gestimmt aus der Haustüre trat. Schon standen viele Menschen umher in bunten Gruppen, die alle den Kaiser zu sehen begierig waren, wenn seine Kutsche vor dem Rathause halten würde. Ich wand mich mühsam durch die Masse der Zuschauer hindurch, als ein freudiger Gruß mich freudig überraschte. Es war der schöne Jüngling Hans Schäufelin und an seinem Arm die schöne Afra Tucherin. Der Jungfrau stand es sehr wohl, als sie mich wie einen alten Bekannten begrüßte, sobald der Bräutigam ihr meinen Namen genannt hatte. Ratet einmal, geehrter Herr Heller, fragte er mit verklärtem Blick, wohin uns unser Weg führt? Zu Glück und Segen, so wünsche ich innigst, war meine Antwort. Jawohl, fuhr er fort, dort in die Priesterwohnung, um unsre Verlobung zu bestellen. Recht so! rief ich von ganzem Herzen. So ist es Eurer Kunst gelungen? Gelungen! wiederholte er, was ich schon in des Mädchens Auge hätte lesen können. Der Kaiser hat mich so beglückt, wie er die ganze Welt beglücken möchte. Aber in die Freude mischt sich Trauer, sagte Afra, denn in Regensburg starb vor kurzem meine Muhme, die gute Katharina. Davon hatte ich schon bei Peter Vischer gehört und zugleich, daß sie es mit der Tucherschen Familie gut gemeint. Und daher blieb ich der Klagenden das Beileid schuldig. Der immer größere Zudrang von Neugierigen trennte uns voneinander, und ich flüsterte nicht ohne Neid vor mich hin: Guter Kaiser, wenn du mich auch so glücklich machen wolltest!
Ich stand vor dem Rathause, doch würde es mir nicht gestattet gewesen sein, die Treppe hinanzusteigen, wenn ich nicht einen der Gerichtsdiener durch einen großmütigen Händedruck für mich gewonnen hätte. An der Türe wartete schon auf mich der wackere Dürer, was mir um so lieber war, da ich von den Herren des Rats nur wenige kannte. Er war unter den Versammelten heute die Hauptperson, da der Kaiser mit ihm wegen der Ausführung des Triumphzuges Rücksprache zu nehmen beabsichtigte. Dürer führte mich ins Versammlungszimmer, in dessen Mitte ein langer, grün behängter Tisch stand mit einer Menge ungeheurer Tintenfässer, zu deren jedem Klingelzüge von der Decke herabhingen. Es hatte den Anschein, als sollte man sich ihrer pinselähnlichen Quasten hier zum Schreiben bedienen. Dürer nannte mich zuerst dem Herrn Bürgermeister Martin Tucher. Es war ein alter, wohlbeleibter Mann, der sich in dem schweren Staatskleide langsam, aber mit vielem Anstand bewegte. Herr Paul Volkamer war mir nicht fremd, denn ich hatte ihn am Sebaldusfeste kennen gelernt, und Herrn Sebald Schreyer, Kirchenmeister von St. Sebald, erkannte ich sogleich nach dem Bilde in Kraffts Abendmahl wieder. Ein stiller, würdiger Mann war dieser Schreyer.
Die Magistratsherren waren in einem lebhaften Gespräch begriffen, das die vielfachen Gnadenbezeigungen des Kaisers zum Gegenstande hatte, deren sich wieder das gute Nürnberg zu erfreuen gehabt. Da der Bürgermeister erfuhr, daß ich ein Freund Dürers und der Kunst wäre, so ließ er von einem Ratsdiener ein großes Buch herbeibringen, das von einem geschickten Mönch in roten Samt gebunden war mit reicher Goldstickerei, die auf dem Deckel das Habsburgische Wappen darstellte. Es war Pfinzings Heldengedicht Teuerdank und war dasselbe Buch, das als Geschenk dem Kaiser überreicht war. Der Bürgermeister hatte sich dasselbe zu verschaffen gewußt, um es seinen Kollegen vorzuzeigen, die es bereits bewundert und nun von neuem bewundern mußten. Alle Künste hatten sich hier wetteifernd die Hände geboten, um dem Fürsten eine fürstliche Gabe darzubringen. Das wohlgefällige Wesen des Bürgermeisters war ihm nicht zu verargen, mit dem er die Holzschnitte zeigte, die sein künftiger Eidam verfertigt hatte, und mit dem er die Freude und Teilnahme schilderte, die der Kaiser beim Anblick des Buches geäußert. Maximilian hatte sich sogleich nach dem tüchtigen Formschneider erkundigt, und da er erfahren, daß der Jüngling Schäufelin der Unterstützung bedürftig wäre, bei ihm ein großes Gemälde bestellt und den Preis voraus auszahlen lassen. Eine Aufmunterung, wie sie wenig jungen Künstlern zuteil wird. Während ich durch das eifrige Blättern in dem Prachtwerke mir das Wohlwollen des alten Herrn in hohem Grade erwarb, trat Herr Imhoff ins Zimmer. In gleichem Maße, wie Tucher die Teilnahme der Anwesenden auf seinen Schwiegersohn, suchte er dieselbe auf seinen Schwiegervater hinzulenken. Pirckheimers lateinisches Gedicht auf Maximilian, das im Namen des Magistrats gedichtet war, pries er laut und bewunderte, wie es der Kaiser gepriesen und bewundert hatte. Als er mich erblickte, so zog er einen Abdruck des Gedichtes aus der Tasche und beschenkte mich damit.
Der hohe Gast ließ noch immer auf sich warten, und Dürer machte mir den Vorschlag, einstweilen mit ihm die Gemälde des kleinen Saales in Augenschein zu nehmen. Ich war sogleich bereit und meinte, Gelegenheit zu finden, ihm vertrauen zu können, was mir mit der Rosenthalerin begegnet wäre. Allein Herr Sebald Schreyer begleitete uns. Der kleine Saal befand sich im obern Stockwerk. Auf vielen Tafeln sah ich hier lebensgroße Bildnisse von edlen Männern, die, wie mir dieses Herr Schreyer erklärte, sich um die Stadt durch Stiftungen ein hohes Verdienst erworben hatten, wie Hans Rieter, ein Ahne der Pirckheimerschen Familie, wie Conrad Groß, der Erbauer des Spitals zum heil. Geist. Mehr sprachen mich die Dürerschen Gemälde an. Die herrliche Vorstellung von Adam und Eva hatte bereits hier eine Stelle eingenommen, durch welches Geschenk sich der Meister ein Andenken beim Rat und bei der Stadt gestiftet hatte. Doch vielleicht das Preiswürdigste, das jemals Dürers Erfindungsgabe schuf, waren die vier Apostel auf zwei langen schmalen Tafeln, die zusammen gehörten, und die ursprünglich zu Türflügeln eines großen Altarblattes bestimmt waren. Sie erschienen ihm selbst, da er sie vollendet vor sich sah, von so hoher Vollendung, daß er zweifelte, ihre Schönheit im Mittelbilde zu übertreffen oder nur erreichen zu können. Als selbständige Kunstwerke verkaufte er sie für einen geringen Preis an den Magistrat, damit sie seiner Vaterstadt blieben. Auf jeder Tafel erblickt man zwei Verkündiger des Christentums in Lebensgröße. In ihnen stellte Dürer die vier Temperamente dar. Wie die Dichtkunst mit der Schwermut verschwistert ist, so stellte er hier, in der zarten Jünglingsgestalt des Johannes, des Dichters unter den Evangelisten, die Melancholie dar. Wie bedächtig neben ihm der greise Petrus mit den Schlüsseln sich zum Buche herniederbeugt, das Johannes hält! Er drückt das Phlegma aus. Seht dort den kräftigen Greis, wie er furchtbar seitwärts blickt! Paulus' Auge flößt mehr Schrecken ein, als sein Schwert. Markus dagegen hinter ihm öffnet lächelnd den Mund, so daß blendend weiße Zähne vorschimmern. Dieses ist der Sanguinikus, jenes der Cholerikus. Des Eindrucks, den die vier Apostel auf Veit Stoß gemacht hatten, ward ich mir immer klarer bewußt. Wir verließen darauf den Saal und kehrten zu dem Ratszimmer zurück. Hier hatte sich die Zahl der Anwesenden vergrößert. Mit dem Bürgermeister, der gar böse aussah, war eben ein Mann im Streit, dessen Lebendigkeit und wunderliche Geberden mir nicht wenig auffielen. Obgleich er einen kahlen Kopf hatte, so schien er noch den Jüngling zu spielen, und so spitz, wie seine Nase war, zog er seinen Mund, der immer lachte. Es war Herr Lazarus Spengler, der Stadtschreiber. Ob er auch, dem Bürgermeister ein Lächeln abzugewinnen, es sich sauer werden ließ, so sah dieser ihn immer saurer an, wie der schmiegsame Bogen sich umsonst bestreben würde, dem Brummbaß muntre Töne zu entlocken. Hier sind die Würfel! rief der Ratsschreiber und ließ sie aus einer Hand in die andere fallen, wozu die köstliche Zeit mit Nichtstun verbringen? Freund Imhoff rasch zur Tat, noch ehe der Kaiser kommt! Aber, entgegnete der Bürgermeister mit steifer Amtsmiene: Bedenkt doch Euern Stand, diesen Ort, den Zweck unsres Hierseins! Könnt Ihr denn noch immer nicht, sagte Spengler, der frommen Gesinnungen Herr werden, die Euer Vater seliger aus dem gelobten Lande brachte? Schön! da ist ja Dürer und in dem Kasten hier liegt sein ganzes Malerzeug. Auf und zeichnet uns ein – –! Hier nannte er vor der ganzen Versammlung das Spiel, dessen Namen ich nicht einmal zu schreiben wage. Zu einer Tafel, um das Spiel mit den vier und zwanzig entgegen gekehrten Zungen darauf zu zeichnen, war bald Rat geschafft, indem er von der Wand ein Bild herunterriß. Das Bild stellte eine Kreuzigung vor und war vom alten Meister Jacob Walch wohl gut, aber etwas altväterisch gemalt. Er kehrte das Bild um und reichte Dürern ein Stück Kreide. Seht dies ehrwürdige Gemälde, hub Herr Tucher wieder an, dessen Ärger aufs Höchste stieg, seht unsern Herrn Christus am Kreuze! Das paßt sich ja prächtig mit dem Würfelspiel, rief jener. Wißt Ihr nicht, daß um des Gekreuzigten Kleider gewürfelt wurde? So würfelt, Herr Spengler, um Eure Seele!
Kaum hatte der Bürgermeister erbost diese Worte hervorgebracht, so meldete der Ratsdiener die Ankunft des Kaisers. Das trieb die bunten Gruppen wie ein Wetterschlag auseinander. Das Bild ward wieder aufgehängt und der ganze Rat verließ das Zimmer und stellte sich zu beiden Seiten der Treppe, um den hohen Gast feierlichst zu empfangen.
Es dauerte nicht lange, so erschien der Kaiser Maximilian glorreichen Ansehens mit Vornehmen und Gefolge. Er trug ein einfaches Federbarett, einen Purpurmantel, an dem nicht Gold, nicht Edelsteine schimmerten, denn seine Gestalt verbreitete genug der Würde und sein Antlitz genug des Glanzes. Ritterlichkeit und Kunstliebe enthoben ihn oft niederbeugenden Regierungsgeschäften. Freigebigkeit war der Ausdruck seiner Milde, und in seinen Zügen las man noch jene Worte, wodurch er sich gegen den Vater wegen der ihm vorgehaltenen Verschwendung rechtfertigte: Warum soll ich Reichtümer häufen, da der König seinen Feind mit Waffen, und nicht mit Geld bekriegen muß. Ihm zunächst stand mit eiserner Rüstung angetan, denn diese nannte er seine bequemste Tracht, der Freiherr Johannes von Schwarzenberg von hochahnlichem Geschlechte, dessen ungewöhnliche Größe mir schon vordem aufgefallen war. Seiner Größe entsprach seine Kraft. Manches edle Roß erlag unter ihm, sobald er sich auf seinen Rücken schwang. In Tournieren war er stets der Sieger und er hob seinen Gegner aus dem Sattel, wie er im Trinken das Heben verstand und den größten Humpen in einem Zuge leerte. Doch war er auch ein Held in der Tugend und in der Wissenschaft. Er wußte um die Rechtsgelehrsamkeit und war mit den lateinischen Schriftstellern bekannt. Diese übersetzte er und jene bereicherte er durch Gesetzvorschläge. Zwei andere Schriftsteller standen gleichfalls neben dem Kaiser. Dies war der Propst und Dichter Pfinzing und der Ratsherr und Dichter Pirckheimer. Der erstere war ein dürres Männchen von schüchternem Wesen mit einem schwarzen Käppchen auf dem Scheitel. Ihm bekam das Studieren nicht so gut, als dem Ratsherrn, dessen Kopf sich in das Unterkinn, wie in ein Polster, eindrückte. Es war erhebend, wie so gar leutselig sich der Kaiser gegen alle benahm. Das schien den Edelleuten, die hinter ihm waren, nicht recht zu sein und sie taten um so vornehmer, gleichsam als wenn ihnen obläge, das eigentliche Verhältnis wieder herzustellen, das Maxens herablassendes Wesen verletzte.
Der Kaiser wünschte sich in den großen Saal zu verfügen, und sofort nahm Dürer, gegen den er sich sonderlich gnädig bezeigte, Zeichengerät und Visierungsbogen, die er mitgebracht, und ihm ward die Ehre, Se. Majestät zu führen. Über der kleinen Türe, durch die wir gingen, las ich die Worte:
Eines Mannes Red' ist halbe Rede,
Vernehmt drum der Parteien jede!
denn der große Saal war der eigentliche Gerichtssaal. Der war gewaltig, wie ich keinen gesehen, und die Leute, die unten so enge zusammen standen, die verloren sich hier, daß man es nicht glauben kann. Der Saal war 80 F. hoch und 30 F. breit und hatte ein hohes rundes Gewölbe. Der Saal, wie mehrere Teile des Rathauses, waren vom berühmten Hans Behaim angelegt, der noch lebte und von dem auch der Herrenkeller herrührte. Das Rathaus, das männiglich heutiges Tages für einen schönen Bau geachtet wird, nannte er Flickwerk, weil nicht alles nach einem Plan gebaut war. Drei hohe Kirchenfenster erhellten den großen Saal vollständig und die waren mit den schönsten Glasgemälden, Wappen und andern Vorstellungen vom geschickten Meister Hirschvogel geschmückt. Wie strahlten die Farben und verbreiteten einen Glanz, als wenn es Mittagszeit wäre! Aber das Vornehmste im Saal waren Dürers Wandgemälde Obgleich eines noch nicht ganz fertig war, so war dennoch das Gerüst abgenommen, damit man sich daran ergötzen könnte. Herr Pirckheimer hatte die Ideen dazu dem Maler angegeben, und das Werk machte beiden Ehre.
An der nördlichen Wand sah man den berühmten Triumphwagen des Kaisers Maximilian. Im Reichsornat saß er mit Zepter und Palme auf einem ganz goldenen Wagen, vor dem paarweis zwölf mutige Rosse angespannt waren. An den vier Rädern las man die lateinischen Beischriften mit goldenen Buchstaben: Herrlichkeit, Ehre, Würde und Ruhm. Neben jedem Paar der Rosse gingen zwei jugendliche Weiber einher, an deren Kränzen man Eigenschaften las wie: Erfahrung, Geschicklichkeit, Hochherzigkeit, Kühnheit. An dem Thronhimmel prangten die Worte: Was im Himmel die Sonne, ist auf Erden Cäsar. Hinter dem Kaiser kniet in flatterndem Gewande die Siegesgöttin, die einen Lorbeerkranz dem Sieger aufs Haupt setzt. Auf ihren Flügel steht: Gallien, Ungarn, Helvetien, Böhmen, Deutschland, Lombardei. Jungfrauen, alles Tugenden, schritten neben dem Wagen und Jungfrauen umtanzten den Kaiser mit Kränzen, selbst zu einem Kranz verschlungen. Sie stellten dar die Sanftmut, Milde, Freigebigkeit, Billigkeit, Beständigkeit, Gerechtigkeit u. s. w. Vor dem Kaiser sitzt als Wagenlenker die Vernunft, die die Rosse an den Leitseilen Adel und Macht regiert.
Wie so gar natürlich ist in der Ecke nicht das Musikkorps gemalt, wo man Alte und Junge mit aufgedunsenen Backen sieht in die Posaunen und Klarinetten stoßen! Wie da der Bursche, der die Pfeife bläst, auf dem Balkon sitzt und mit den Beinen schlenkert! Dahinter der Paukenschläger, der aufmerksam horcht, wann an ihn die Reihe kommt.
Nicht minder schön ist die Darstellung auf der andern Wand, wo man zur Warnung ein Gericht abgebildet sah, wie, Gott sei's geklagt! deren so viel im Leben gehalten werden. Der deutsche Apelles darf sich wahrlich nicht vor dem berühmten Apelles schämen, von dem die Erfindung sich eigentlich herschreibt. Da sitzt auf seinem Stuhl der Richter, dessen hohe Weisheit in den Midasohren sitzt, und in dieselben flüstern nur allzu tätig der Verdacht und die Unwissenheit. Vergeblich liest man davor die Worte: Niemand fälle ein Urteil, bevor er nicht alles nach dem Richtscheit erwogen. Der unschuldig Angeklagte kniet vor dem Thron und hebt flehend die Hände empor, indem die Verleumdung ihn an den Haaren zum Richter hinzerrt. Seht dahinter die Teufelsgesichter des Betruges, des Neides und der Bosheit, die den Unglücklichen verfolgen. Im Fluge hinter ihnen eilen zu seinem Verderb herbei die Übereilung, das Versehen und die Strafe. Zu spät ist es, daß die Reue im Trauergewande sich zur WahrheitDie lateinischen Beischriften der Wandgemälde sind: Magnificentia, Honor, Dignitas, Gloria, Experientia, Solertia, Magnanimitas, Andacia. Quod in coelis sol hoch in terra Caesar est.Victoria: Venetis, Germanis, Bohemis, Elvetiis, Ungaris, Gallis, Ratio. Nobilitas, Potentia. – Suspicio, Ignorantia. Nemo unquam sentantiam ferat, priusquam cuncta ad amussim perpenderit. Insons. Calumnia, Insidiae, Fraus, Festinatio, Error, Poena, Poenitentia. Veritas. hinwendet, denn über der Szene verbergen die Blumengewinde nicht Beil und Schwert, die fürchterlich hernieder dräuen.
Ich konnte mich nicht satt sehen an all dem Herrlichen und der Kaiser Maximilian beachtete gleichfalls alles mit prüfendem Blick. Viel Rühmliches sagte er Dürern über die Ausführung der Entwürfe, die ihm früher vorgelegt waren. Am Triumphwagen war eine Gruppe, wie er sich gegen den Meister äußerte, nicht nach seinem Sinn. Und dieser breitete sogleich einen Bogen aus und zeichnete mit unglaublicher Schnelligkeit zwei Figuren, indem er ihn fragte, ob er sie so verändert wünschte. Der Kaiser verneinte es, und er griff da selbst nach der Reißkohle, aber wie er einen Strich machen wollte, so zerbrach sie, und es wollte ihm nicht gelingen. Da wunderte sich Max und fragte, wie es zuginge, daß er mit der nämlichen Reißkohle habe zeichnen können. Das ist mein Reich, erwiderte Dürer lächelnd, aliud est sceptrum, aliud est plectrum, d. i. ein andres ist die Leute, eine andres die Laute regieren. Dürer aber hatte genugsam seinen Willen erraten und stellte jetzt zwei Figuren in Umrissen dar, die jenem ganz genügten. Gern wüßte ich, hub der Kaiser an, wie sich diese Gruppe im großen Gemälde ausnähme. Kaum hatte es der Maler gehört, so ließ er eine Leiter bringen, damit er mit der Kohle dieselben lebensgroß an der Wand andeutete. Dürer setzte die Leiter sich zum Zeichnen zurecht. Da winkte Max einem nahe stehenden Edelmann, daß er die Leiter halten möchte. Dieser mochte aber glauben, daß, wenn er einen Bürgersmann bediente, ihm etwas an den Händen kleben bliebe, und sah daher hinweg, als wenn er des Kaisers Meinung nicht verstanden. Der aber merkte es wohl, zürnte darob und sprach, wie ich es selbst gehört habe: Aus jedem Bauern kann ich einen Edelmann machen, aber aus keinem Edelmann einen solchen Maler.
Dieses war Ursache, daß der Kaiser, damit Meister Dürer nicht mehr eine solche Demütigung erführe, ihm von Wien aus einen Adelsbrief zusandte und ihn zum kaiserlichen Hofmaler ernannte. Dürer, mit Anspielung teils auf seinen Namen, der oft Thürer geschrieben wird, teils auf seine Kunst, hatte sich zum Siegel folgendes Sinnbild gewählt, eine Staffelei, auf der ein Wappenschild mit einem Tor und offenen Türen. Jetzt erhielt Dürer ein Wappen mit drei silbernen Schildern im blauen Felde.