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Es ist Bestimmung, daß ich nach Nürnberg fuhr. Nicht Freunde allein, nicht Genuß, nicht Handelsvorteile sollte ich hier erringen, nein – mein höchstes Glück. Denn kann es ein Zufall sein, daß ich, sobald ich in die Stadt gekommen, die Rosenthalerin sah und ihr holdes Bild nicht vergaß, daß mir dasselbe auf Dürers Tafel, die er für mich malte, wieder erschien, daß es bei Pirckheimer unter seinen Zeichnungen mich abermals begrüßte. Ja, der Anblick ihres Engelantlitzes hat mich beglückt und wird mich immerdar beglücken. Sie ist arm und ich bin wohlhabend, ste ist jung und ich nicht alt, sie ist reich an Schönheit und ich voll von Liebe. Kein passenderes Paar gibt es unter der Sonne! Ein Fest ward bei meinem Einzuge in der Stadt gefeiert, ein Fest bezeichne meinen Abschied, und zwar ein Hochzeitsfest. Dürer, der die Aemilia Rosenthalerin kennt, kennt auch meine Rosenthalerin. Er ist mein Freund, er soll auch mein Freiwerber sein.
Unter solchen Gedanken ging ich nach der Zisselstraße, um dem lieben Meister die mir geliehenen Schriften heimzutragen, zugleich aber, um durch meinen Antrag seine Freundschaftstreue zu prüfen. Kaum ward die Türe seines Hauses geöffnet, so lief ich die Treppe hinauf, um ihn in seinem Erker zu überraschen. Vergebens klopfte ich an die Stubentüre. Da kam Hans Dürer und sagte mir, der Bruder wäre nicht zu sprechen, denn er malte eben nach dem Modell. Ich verstand nicht den Ausdruck, wohl aber, daß ich zu meinem größten Verdruß den Gang umsonst gemacht hatte. Ich wollte von dannen gehen und übergab dem freundlichen Hans die Schriften mit der Bitte, dem Bruder Gruß und Dank abzustatten. Wollt Ihr nicht warten, lieber Herr, fragte er, bis mein Bruder kommt, und Euch so lange ein wenig oben in der Werkstatt der Gesellen umsehen? Er wird gewiß bald zu Eurem Dienste stehen.
Das ließ ich mir wohl gefallen und ging mit ihm noch eine Treppe höher, wo er mich in einen Saal führte, der von hohen Fenstern erleuchtet wurde. Daneben war ein anderer von gleichem Ansehen. Viel gab es hier zu schauen. Rings umher waren hier bunte Muscheln und dort Korallengewächse, hier Büffelköpfe und dort Elendsgeweihe, hier Porzellangefäße und dort Elfenbeinarbeiten, hier Harnische und dort Standarten, hier Gipsfiguren und dort hölzerne Gliederpuppen, mit Lampen behängt. Sonst aber sahen die Gemächer wenig hübsch aus. Nichts war für Ordnung geschehen, geschweige denn für Zierlichkeit. Namentlich war der Fußboden von Kohlen- und Rötelstaub wie gebeizt. Alles schwieg, obgleich im ersten Saal allein sieben Menschen arbeiteten. An Staffeleien saßen die Gesellen, jeder vor einem Fenster, und in den Ecken waren kleine Jungen mit Farbenreiben beschäftigt. Das Frühstück, das ihnen gereicht wurde, unterbrach sie jetzt in der Arbeit, indem die Magd Susanna mit einer Zinnschüssel umher ging, auf der große Butterbrote lagen, und jeden bediente. Die Arbeiter waren, wie es schien, an häufigen Besuch gewöhnt und ließen sich durch mein Eintreten und Umherschauen nicht im geringsten stören.
Hans erklärte mir alles, was ich sah und erzählte, daß Albrecht die Muscheln aus Venedig, die Büffelköpfe aus Antwerpen mitgebracht, daß er die Rüstungen vom Kaiser Max und das Porzellan von vornehmen Reisenden aus Sachsen zum Geschenk erhalten hätte. Ich ließ mir von ihm die Gesellen nennen. Es waren Springinsklee, Burgmaier, Pentz, Binck, Herrauth und Schäufelin, den ich schon früher gesehen hatte.
Dreist trat ich zum Ältesten von ihnen, obgleich er ein mürrisches Ansehen halte. Dieses war Hans Burgmaier, von Augsburg gebürtig, ein gar trefflicher Maler und Formschneider. Er verneigte sich, da ich ihn grüßte, und zog den Vorhang vom obern Teile des Gemäldes hinweg, das auf seiner Staffelei stand. Es war ein herrliches Werk auf Leinewand gemalt und stellte Adam und Eva am Apfelbaume dar. Nie sah ich schönere nackte Figuren! rief ich aus. Wahrlich es freut mich, einen so talentvollen Maler kennen gelernt zu haben, als Ihr seid. Ihr meint wohl, erwiderte er lächelnd, daß ich die Figuren gemalt habe? Lieber Herr, wenn dem so wäre, so säße ich nicht hier und äße dies Brot, mit alter Butter bestrichen. Der Meister hat das Gemälde verfertigt und es mir gegeben, damit ich den Boden und allerlei Tiere hier und da malen soll. Könnte ich so etwas zustande bringen, dann lebte ich anders als jetzt und anders als Dürer selbst. Ich weiß, sagte ich darauf, das Gemälde soll im Rathaus aufgehängt werden. Doch vermisse ich Dürers Namenszug. Den bin ich eben zu malen begriffen. Ich sah zu dieser und jener Ecke vergeblich hin. Da zeigte mir Burgmaier, wie künstlich er es angestellt hatte. Nämlich der Auerochs, Dachs und Panther, die hintereinander standen, sollten das: Albertus Durerus bezeichnen. Ich lobte ihn wegen des hübschen Einfalls.
Von Burgmaier ging ich zu einem jungen Mann, der Crispin Herranth hieß und der nachmals als Hofmaler des Markgrafen Albrecht von Brandenburg in Königsberg lebte. Er verfertigte Visierungen, wonach Panelwerk oder Wälschtäfelwerk gemalt werden sollte.
Von ihm wandte ich mich zum schönen Hans Schäufelin, der mir noch immer als Ursulas Bräutigam im Purpurmantel vorschwebte. Schäufelin war die Liebenswürdigkeit selbst und wie ein alter Bekannter begrüßte er mich. Er saß an einem Tisch mit Georg Glockenton, dem Illuministen, und beide arbeiteten, ohne aufzusehen. Glockenton hatte Söhne und Töchter, die er alle zum Illuminieren und Vriesmalen anhielt, und von ihm wurden in Nürnberg und an vielen Orten schöne Missalien gezeigt. Schäufelin schnitt Formen»Formen«, d. h. Holzschnittformen oder Holzstöcke in Tafeln von Birnbaumholz. Vor ihm lag eine Handschrift von ungeheurer Dicke. Glockenton dagegen illuminierte auf großen gedruckten Bogen überaus künstliche Holzschnitte. Bald sah ich diesem, bald jenem aufmerksam zu, und da ich neugierig war, zu erfahren, was das für Bücher wären und was die Holzschnitte zu bedeuten hätten, so suchte ich mir durch ein freundliches Gespräch Schäufelins Vertrauen zu erwerben. Ein Holzstock war eben fertig und Hans Schäufelin schnitt nun an einer wenig bemerkbaren Stelle ein HS und daneben eine kleine Schaufel als Anspielung auf seinen Namen. Seid ihr aus Nürnberg? fragte ich. Nein, ans Nördlingen. Mein Vater lebt in Nürnberg, meine übrigen Verwandten aber sind in Nördlingen und dahin ziehe ich auch, sobald ich flügge geworden bin. Wirklich? unterbrach ich des Jünglings Rede scherzend, und doch heißt es in dem Liede:
Es ist ein alt gesprochen Wort,
Wo dein Herze wohnt, da liegt dein Hort.
Was sagt die schöne Afra Tucherin zu Eurem Entschluß? Hat Euch der Meister davon gesagt? fragte Schäufelin und verbesserte hie und da den Holzstock. Gottlob! rief er darauf, meine Arbeit ist fertig! Mag sie mir Gedeihen bringen! Meister Dürer hat mir nämlich versprochen, wenn ich die Holzschnitte zur Zufriedenheit fertigen würde, und wenn sie dem Kaiser gefielen, für mich bei ihm ein gutes Wort einzulegen. So kann ich vielleicht endlich mein Schätzchen heimführen. Künftigen Monat kommt der Kaiser her. Mag er gnädig sein! Es ist ein übel Ding um eine lange Brautschaft, um das Hoffen und Harren. Er seufzte, und ich seufzte leise mit. Er klagte mir darauf, daß der Bürgermeister Tucher ihm nicht eher seine geliebte Afra geben wollte, als bis er eine eigene Werkstatt aufgeschlagen hätte, und daß es sich ohne eine Unterstützung nicht tun ließe.
Und diese Holzschnitte, die rätselhafte Vorstellungen für mich haben, fragte ich aufs neue, sollen den Kaiser vermögen, Euer Glück zu gründen? Warum sie? Warum nicht lieber ein Ölgemälde, wie jenes, das ich in Nördlingen von Euch sah, mit der schönen Kreuzabnahme?
Nein, seht (ich kann plaudern, da der letzte Holzstock vollendet ist) diese Holzschnitte haben eine besondere Bedeutung für den Kaiser, da sie seine Taten darstellen, wie sie unser Propst Melchior Pfinzing besungen hat. Ja, von den Taten eines solchen Kaiserhauses läßt sich viel schreiben und dichten. Ein Poet hat Maximilians Vater als Weiskönig»Weiß Kunig.« gefeiert, ein anderer hat sein Geschlecht aus Noahs Kasten hergeleitet. Pfinzing aber hat es verstanden, so recht Maximilians Adel und Tugend zu erheben. Wenn ich abends von Tuchers Wohnung heimkam, sah ich stets in der Sebalds-Propstei die Lampe des Herrn Propst, der fleißig an seinem Heldengedichte schrieb. Lange war er Sekretär beim Kaiser und kennt auf das Genaueste alle Hochtaten und männliche Tugenden desselben. Der Teuerdank, so heißt das Gedicht, soll in prachtvoller Gestalt dem Kaiser überreicht werden, wenn er unsre Stadt besucht. Ihr seht davon hier schon einzelne Bogen gedruckt mit meinen Holzschnitten, die Freund Georg illuminiert. Da er so sprach, ward ihm von einem Lehrjungen, der an der Druckerpresse arbeitete, ein Probedruck des letztverfertigten Holzstockes gebracht. Er ist makellos, sagte Schäufelin mit prüfendem Blick. Siegprangend seht Ihr hier den Helden Teuerdank stehen, so wird der Kaiser genannt, dieweil er auf Abenteuer denkt. Unverzagt tritt er auf viele kreuzweis gelegte Schwerter, die alle zu seinem Verderben gewetzt waren. Darunter soll man die Worte lesen:
Der Tugend schadet Untreu nit,
Die Mannheit sie zu Boden tritt.
Aber les't hier in der Handschrift der Schluß des Gedichtes. Ich las, wie folgt:
Wehr gab und Waffen Gott dem Tier,
Den Löwen Mut, das Horn dem Stier.
Der Mensch erhielt Vernunft allein,
Der unvernünft'gen Tiere Dräun
Erschreckt ihn nicht, sie dienen ihm,
Durch Ruh besiegt er Ungestüm.
Ein Wunder, wie der teure Held,
Den Trug und Arglist frech umstellt,
Durch Mut und Gottesfurcht bezwang
Den Feind und sich erstritt den Dank –
Und doch ist er ein Mensch, nicht mehr.
Ich glaube, Gott beschützt ihn hehr,
Er will durch unsern kühnen Held
Viel wirken noch in dieser Welt,
Noch viel der Christenheit zu gut,
Drum lebt er in der Engel Hut,
Sonst wär' er längst gelegen tot
In Drangsal, Müh' und Kriegesnot.
Gott schirm' hinfort den Herren mein,
Denn wir bedürfen alle sein.
Laß tun uns, wie der teure Held,
Und Gott schenkt uns in dieser Welt
Gesundheit, Fried' und Einigkeit
Und dort die ew'ge Seligkeit.
Als ich gelesen und ihm meinen Beifall bezeigt hatte, langte er nach einem Stoß von Bogen (es war etwa die Hälfte des Gedichtes), die schon gedruckt und deren Holzschnitte sauber ausgemalt waren. Um das Werk zur bestimmten Zeit fertig zu stellen, ward der Fleiß des Druckers, des Formschneiders und des Illuministen zugleich, wie zu einem Wettstreite, aufgeboten. Dennoch war die Arbeit nirgend übereilt und nirgend war aus Mangel an Zeit der Schönheit des Buches Eintrag geschehen. Nie hatte ich etwas so Prachtvolles gesehen, schon der Druck allein war der Bewunderung wert. Der Titel war: »Die Gefährlichkeiten und Geschichte des löblichen streitbaren und hochberühmten Helden und Ritters Teuerdank.«»Die Geverlichkeiten und eins teils der geschichten des loblichen streitbaren und hochberühmten Helds und Ritters her Tewrdanncks.« In dem Gedicht war dargestellt, wie er nach allerlei Abenteuern, Gefahren und Kriegsnöten, die er durch seine Tugend überwunden, die ehrenreiche Prinzessin Maria erwirbt. Sein Begleiter auf der Fahrt des Ruhmes ist ein Herold, auf dessen Mantel Schäufelin ein Glücksrad gezeichnet hatte, weil Teuerdanks Schicksale das Rad des Glückes lenkte. Auf vielen Holzschnitten sah man einen Mann im roten Gewande mit einer Kindermütze. Er führt den Namen Fürwittig (Vorwitz), weil er den Helden zu allerlei Fährlichkeiten verlockt. Auf vielen Holzschnitten dagegen erblickt man, statt dieser Figur, einen geharnischen Mann mit boshafter Geberde, mit gelbem Kleide angetan, wie es die Falschheit trägt. Er heißt Neidhard und bezeichnet die Tücke der Feinde, die den edlen Teuerdank zu vernichten trachtet. Gar sinnreiche Erfindungen! Die Abenteuer, die der Held besteht, sind überaus mannigfaltig, hier wie er eine Gemse erlegt, dort wie er zwei Löwen mit einer Schaufel erschlägt, wie er eine überladene KanoneBüchse. anzündet, wie ihn ein Sturm auf dem Schiffe zu verderben droht, wie er vergiftet werden sollte, wie er mit vierzehn Mann etliche hundert Feinde besiegt.
Eben hatte Glockenton ein Blatt vollendet, der schweigsam neben uns bei seinen Muschelschalen saß und dessen Farben rein wie Glockentöne waren, sonderlich das rote und gelbe. Auf diesem Blatte sah man in einer Stube, an deren Wänden Harnische und Waffen hingen, den Helden Teuerdank im Jagdkleid, wie er einen Schalksnarren am Arm ergriff, der mit brennenden Lichten neben zwei Tonnen stand. Der lustige Rat sah gar lustig aus mit seiner langohrigen Gugel im buntgestreiften Rock, aber seine Mienen waren nicht lustig, da er furchtsam und erschrocken fast zu zittern schien. Anmutig war die Beschreibung zu lesen.
Wie der edle Teuerdank bald durch einen NarrenDer Narr hieß Konrad oder Kunz von der Rosen, der als ein witziger Mann von Maximilian geschätzt wurde und der sich von der gewöhnlichen Art der Spaßmacher sehr vorteilhaft unterschied. in einer Kammer durch Pulver ums Leben gekommen wäre
Zeuch nicht nach Brügge, zeug hinfort!
Vermeid' Herr Teuerdank den Ort!
Dein lauert Trug dort und Verrat.
Also der Narr den Herren bat,
Nein, Kunz, ich hab ein groß Vertraun,
Auf Freunde kann allda ich baun.
So sprach der Herr und drauf der Narr:
Nun, Herr, mich reizt nicht die Gefahr.
Kunz floh davon. Herr Tellerdank
Voll unerschrocknen Mutes drang
Zur Stadt mit kleinem Heere vor,
Und friedlich tat sich auf das Tor.
Doch war das Falltor eine Falle,
Er sah sich und die Seinen alle
Gefangen bald durch Trug und List.
Der Narr vernahm nach kurzer Frist,
Wie es gegangen seinem Herrn.
Befreien möcht' er ihn gar gern.
Schwimmgürtel ließ er da sich machen,
Die sollten ihn, gleich einem Nachen,
Wär' auch der Graben noch so tief,
An düst'rer Nacht, wenn alles schlief,
Entführen der Verräterstadt.
Des Nachts nahm Kunz darum ein Bad
Und wollt' hinüber still und sacht.
Das Wagstück wäre bald vollbracht.
Da kam der Schwäne wildes Heer,
Die schlugen mit den Flügeln sehr –
Ja, gut französisch waren sie,
Die ließen ihn bei aller Müh
Nicht vorwärts kommen und zurück
Floh er mit Tränen in dem Blick.
Der Narr, der hatte klugen Sinn,
Er ging zu einem Feldscheer hin,
Sah ab die Kunst; Scheermesser führen,
Das lernt' er, und geschickt barbieren.
Ihr müßt Herr Doktor mir gewähren
Und schnell mir eine Platte scheeren.
Zum Feldscheer so der Narre sprach
Und jener gab der Schalkheit nach.
Kunz ging mit kahlem Kopf sofort
Zum nächsten Kloster, borgte dort
Strick, Sandelschuhn und Kutte sich.
Und tat gar fromm und ehrbarlich.
Zur Festungsstadt er sich begab
Mit Rosenkranz und Pilgerstab.
Um Gottes Willen macht mir auf'
So rief er zu der Krieger Hauf,
Zu dem Gefangnen führt mich hin,
Des Helden Beichtiger ich bin,
Nach mir verlangt er herzlich krank,
Bald kehr ich um und sag euch Dank.
Man öffnet ihm, führt ihn hinein
Und läßt ihn bei dem Herrn allein.
Was – ruft der staunend hocherfreut:
Fuchs Reinecke im Münchenkleid!
Wo bleibt dein Haar du toller Schalk?
Alt ward der Fuchs, drum stäubt der Balg.
Still, still, spricht Kunz, setzt schnell Euch her.
Daß ich euch eine Platte scheer,
Mit diesem Stab im Mönchsgewand
Flieht ihr den Ort dann unerkannt.
Mein Kaiser flieht, sein Narre bleibt.
Da spricht der Herr: nicht Kurzweil treibt
Der Feind mit dir, gelingt der Plan.
Zeuch hin und sei mein Freund fortan.
Der Narre fleht, doch jener spricht:
Nein, guter Kunz, das tu' ich nicht.
Er fleht vergeblich und zurück
Muß er mit Tränen in dem Blick.
Entrissen der Gefangenschaft
Ward Teuerdank durch Heereskraft.
Des edlen Waidwerks trieb er viel
Jetzund mit Hund und Federspiel.
Hirsch, Eber, Wolf und Bär
Erlegt er mit geschickter Wehr.
Einstmalen, es war in Tirol,
Da tat er auf der Jagd sich wohl.
Der Narr ritt neben ihm zur Seit'
Und teilte Mühe, Lust und Leid.
Zu spät nur, in tief finstrer Nacht
Ward an die Rückkehr erst gedacht.
Sie irrten nun die Kreuz und Quer
Und fanden Weg und Steg nicht mehr
Fern ließ in tiefem Waldesgraun
Sich da ein helles Lichtlein schaun.
Sie folgten ihm und Mann und Roß
Fand Eingang in das alte Schloß.
Verfallen war's, als Burggeist schier
Haust einsamlich ein Ritter hier.
Gar kärglich war bestellt sein Tisch,
Da gab's nicht Wein, nicht Braten, Fisch.
Daß solche Kost dem Herren ward,
Das schien dem guten Narren hart,
Geschah es doch, so gab's der Schein,
Aus Armut nicht, aus Geiz allein.
Wohin man richtete den Nick,
Sah man die schönsten Waffenstück.
Herrn Teuerdank ging auf das Herz,
Betrachtend rings der Waffen Erz,
Denn wo Geschütze, Büchsen, Speer
Und Schwerter waren blank und schwer –
Vor Sehnsucht war' er da vergangen,
Durft' er nicht dreist nach ihnen langen.
Der Wirt führt ihn im Schloß umher
Und zeigt ihm noch der Waffen mehr.
Hier Jagdgeschosse aller Art,
Dort Pulvertonnen wohl verwahrt.
Herr Teuerdank ging ein zur Ruh
Und schloß erschöpft die Äugen zu.
Kunz ruhte nicht. Wie hätt' er gern
Beim kargen Mann für seinen Herrn
Eine bessre Mahlzeit zugerichtet.
So dacht' er, nahm ein brennend Licht,
Da alles schlief, und sucht umher,
Ob nirgend Wein und Braten war.
Da sieht er ein paar Tonnen stehn:
Ha, hier ist Wein, laßt einmal sehn!
Auf tat sich da mit Ungestüm
Die Tür und Teuerdank trat zu ihm.
Erweckt von seiner Tritte Schweifen,
Vermeint er einen Dieb zu greifen.
Kunz war's, er trieb gar argen Spaß.
Hinweg das Licht vom Pulverfaß!
Rief er und riß ihn fort sogleich.
Der Narre bebt erschrocken, bleich,
Er fiel aufs Knie und weinte schier:
Wie – Pulver in den Tonnen hier?
Das gab mir ein die List des Bösen,
Bald wär's um Euch geschehn gewesen,
Um Teuerdank, den wackern Held,
Laßt büßen mich vor aller Welt.
Vom hohen Turm werft mich herab,
Gebt mir des Galgens luftig Grab,
Die Glieder flechtet mir aufs Rad,
Und gebt mir da die Ruhestatt!
Doch Teuerdank voll Milde spricht:
Nein, guter Kunz, das tu ich nicht,
Ich weiß, was gutes du getan,
Zeuch hin und sei mein Freund fortan.
Mittlerweile war Albrecht Dürer hinaufgekommen, der sich bei mir gar höflich entschuldigte wegen meines langen Wartens. Meister Dürer ging darauf mit mir zu den Staffeleien der einzelnen Gesellen und machte an ihren Arbeiten hier diese, dort jene Ausstellung. Zu den Gemälden hatte er die Zeichnung gegeben und auch die Köpfe meist selber gemacht. Die jungen Maler verdroß sein Tadel nicht, vielmehr waren sie desselben froh, denn sie nahmen gute Lehren daraus. Dürer war aber auch nicht hart gegen Maler. Ward ihm die Arbeit eines Stümpers gezeigt, so schalt er nicht, sondern sagte: Nun, der Meister hat sein Bestes getan. Hier aber ist noch etwas zu verbessern. Alsdann nahm er den Pinsel, malte ein neues Bild und hatte seine Freude daran, den Leuten weiß zu machen, daß so ein Jacob Elsner oder ein anderer Maler der Art es gefertigt.
Mit rechtem Wohlgefallen sah ich all die schönen Gemälde. Hier Christus am Kreuz, wie Engel sein Blut in Kelchen auffingen, da die Dornenkrönung, hier die heilige Dreieinigkeit, dort die Anbetung der Könige aus dem Morgenlande.
Bilder anbeten, sagte ich, ist nicht gut, aber bei Euren Werken ist es dem fühlenden Christen wohl zu verzeihen, denn Ihr stellt die Gottheit dar, wie sie ist. Darauf erwiderte er mir fest: Diejenigen, die jetzt darum die Malerei verachten, daß sie der Abgötterei diene, die tun groß Unrecht. Denn durch Gemälde wird der Andächtige so wenig zum Afterglauben, als ein Mann darum zum Morde verleitet, daß er ein Schwert an seiner Seite trägt. Der Unverständige betet Holz und Stein an, wenn es auch noch so hölzern und steinern ist, dazu ist des Künstlers Geschicklichkeit nicht not. Was den Malern als Schuld angerechnet wird, das ist der Priester Schuld.
Als wir alles beschaut in den beiden Sälen, da führte mich Dürer in ein kleines helles Stübchen, darin er selbst viel zu arbeiten pflegte. Hier sah es noch bunter als anderwegen aus. Auf einem Tisch war hier von Thon eine ganze Festung gebildet mit Schanzen und Laufgräben, denn Albrecht dachte über dergleichen Dinge viel nach. In der Mitte der Stube stand ein langer Tisch, auf dem eine seltsame Vorrichtung war. Man sah nämlich auf ihm einen viereckigen Rahmen mit Fäden aufrecht stehen und an dem Rahmen war ein Türlein. Das war die Visierungs-Maschine,»Das war ein geschickter Zeug. die er selbst erfunden hatte. Da ich fragte, was all dies zu bedeuten hätte, so rief er aus dem nächsten Saal einen Gesellen Hans, der nannte sich nach seinem Geburtsort Culmbach, und er war nicht der schlechteste von den jungen Malern. Dürer stellte ihn vor den Rahmen und er selbst nahm eine Laute von der Wand und legte sie auf den Tisch, mit einem Stift an einem langen Faden ward nun auf die Laute hin und her gewiesen, neue Fäden an den Rahmen geklebt, das Türlein auf- und zugeschlagen, Punkte mit Kreide auf das Türlein gesetzt. Es war ein gar künstliches Wesen darum, das ich kaum verstand. Genug, es war nicht ein Viertel-Stündlein vergangen, so sah ich auf dem Türlein die Laute punktiert, von vorn gesehen und ganz natürlich.
Auf einem Tischlein in der Ecke sah ich von Holz geschnitzt überaus spaßhafte Dinge. Von fern hielt ich sie für Tafelaufsätze, wie sie von Gold und Silber die Vornehmen haben. Gleich als wenn mich Dürer versuchen wollte, wie ich die Augen aufsperren würde, sagte er mir kurz und ernst: Das sind zwei Modelle zu Denkmälern, das eine zu einem Grabesdenkstein, das andere zu einem Siegeszeichen. Ich erfand dergleichen Pyramiden, denn die ägyptischen sehen mir gar zu plump aus. Ich hob das eine auf und las die Inschrift: Lazaro Spenglero Triumphatori (dem triumphierenden Spengler) und sah eine possierliche Zusammenstellung von allerlei Bestien, darüber Häcksellade und Mistgabel und anderes Ackergerät. Das andere Modell nahm ich, das zum Grabdenkmal für denselben Mann bestimmt war, und erblickte einen Turm, der von Biertonnen, Kannen und Krügen gebildet war. Spengler war mir durch ein Gedicht in Dürers Schriften bekannt geworden als ein scherzhafter Mann. Herr Spengler, hub ich an, das muß wohl ein anderer Bacchus sein, denn Ihr habt ihm übel mitgespielt. Als seine Sinnbilder wähltet Ihr hier den Kellerzubehör und dort Ochs, Schaf, Schwein und Flegel. Da lachte ordentlich Herr Dürer und sagte: Ihr müßt unsern Stadtschreiber Spengler kennen lernen. Gern foppt er jeden und läßt sich gern foppen. Wenn er schmunzelt, so hat man sich vor seiner Zunge in acht zu nehmen, und wenn er ernst ist, so trägt er den Schalk im Nacken. Jeder hat von ihm zu leiden, und jeder ist ihm gut. Er ist ein alter Jungeselle und sein Wahlspruch lautet: Des Weisen Hang und Ziel ist Speise, Trank und Spiel.
Habt Ihr ihn selbst hier abgebildet, wie er erbärmlich zusammengekauert auf einer Garbe sitzt? Einem Triumphator sieht er wahrlich wenig ähnlich aus.
Nein – das ist er nicht. Da muß ich Euch eine lange Geschichte erzählen, deren Erinnerung in Nürnberg noch länger leben wird als Spenglers Name. Seit grauer Zeit haben die Bauern in den Dörfern des Lorenzerwaldes die Verpflichtung, alle Jahre dem Magistrat Vieh, Getreide und allerlei Lebensmittel zu liefern. Die Bauern sträubten sich oft dagegen, und wollten sich ganz von den lästigen Bedingungen frei machen. Ganz keck schrieben sie an den Magistrat auf dessen wiederholte Forderungen und angedrohte Strafen, die Magistratsherren, wenn sie Würste und Schinken essen wollten, möchten sie bezahlen. Der Bürgermeister beschloß da, von einer Gerichtsperson die Ortschaften bereisen zu lassen, und durch Ansehen und durch Strenge die Bauern zu ihrer Pflicht zurückzubringen. Weil die Sache das Essen betraf, so ward halb aus Scherz zu diesem Geschäft Freund Spengler gewählt. Jeden hätte der Antrag gekränkt, ihn nicht. Aber wie führte er die Sache aus? Der Bauerngehorsam ward mit Erfolg angewendet und die Halsstarrigen lieferten alles, was sie schuldig waren. Als Spengler in Nürnbergs Tore heimzog, sah man in einem langsam feierlichen Zuge zuerst mehrere Bauern hintereinander Ochsen führen. Ihnen folgte ein Wagen mit blökenden Schafen und grunzenden Schweinen, ein andrer mit Speck, Käse, Würsten, und endlich fuhr der Stadtschreiber selbst in einer kleinen Kutsche, mit vier Schimmeln bespannt, an die die aufsässigen Bauern mit gefesselten Händen gebunden waren. Mit einem Weizenkranz um die Schläfe stand er triumphierend auf dem Wagen, und schüttete unter die jubelnden Gassenbuben aus einem Säckel Kupfermünzen aus. Alles schrie und jauchzte. Das war Euch ein Gewühl und ein Auflauf, als wenn die ganze Stadt brennte, und die ganze Stadt war an diesem Tage vor dem Rathause versammelt. Allgemein ward gelacht, als der Zug langsam sich dahin bewegte, nur die Ratsherren, die eben eine Sitzung hielten, waren ergrimmt, und der Bürgermeister schäumte vor Wut. Sofort ward auf Spenglers Absetzung angetragen. Allein der Spaßvogel errang über den Magistrat noch einen größern Triumph, als über die Bauern. Spengler hatte sich durch sein immer heitres Wesen, durch seine gutmütigen Scherze unentbehrlich gemacht, und ohne sein Zutun nahm man die Anklage zurück. Wahrlich, er hatte ein Siegesdenkmal verdient.
Jetzt ward mir alles klar. Um den viereckigen Stein mit der Inschrift lagen Ochsen, Lämmer und Eber mit gebundenen Füßen, oben auf den vier Ecken standen vier Körbe mit Würsten, Eiern, Käse und Butter. Über einander gestellt waren auf dem Stein eine Häcksellade, ein Butterfaß, ein zweihenkliger Milchkrug und eine Garbe mit Spaten, Hacke, Gabel und Dreschflegel. Zuoberst aus einem Hahnenkorb saß ein gedemütigter Bauer gar jämmerlich auf einem umgekehrten Topfe, indem hinter ihm das Justizschwert vorragte. So spaßhaft auch der Bau war, so nahm sich doch das Ganze allerliebst aus.
Das andere Denkmal, begann ich, erklärt sich leicht. Aber sagt doch, der schalkhafte Ratsschreiber lebt doch noch?
Ja, er lebt und erbat sich selbst von mir den Plan zu einem prächtigen Grabmal, denn er meinte, wie der Papst Julius sich bei lebendigem Leibe ein Mausoleum von Michel Angelo errichten ließ, so wollte er es auch halten.
Das Modell zeigte eine höchst anmutsvolle Form. Auf einem Untersatz von Stein stand eine Tonne, überdeckt mit einem Brettspiel, darüber zwei Schüsseln, von denen die eine der Deckel der andern war, darüber ein kurzbauchiger Krug, dann ein umgekehrter Kelch und auf dem Fuß desselben ein Fruchtkorb, aber nicht mit Früchten, sondern mit Melonenschalen und Weinblättern. Die Inschrift unten auf dem Stein lautete also:
Herr Spengler sah die Tonne leer,
Das Brettspiel zugeschlagen,
Nicht Wein in Krug und Becher mehr.
Im Teller nichts zu nagen,
Zu tun, so sprach er, ist nichts mehr!
Und ließ zur Ruh sich tragen.
Bei dem Anblick all des Schönen hatte ich fast die Absicht meines Kommens vergessen, jetzt aber, da wir aus dem kleinen Stübchen traten, ergriff mich der Gedanke mit Macht, durch ein offnes Wort der Beklommenheit quitt zu werden. Ich bat daher Dürern, mich hinunter zu führen, indem ich Sehnsucht vorgab, meine Tafel zu betrachten. Und dem war auch wirklich so. Ehe wir aber die geräumige Werkstatt verließen, gab ich jedem Gesellen, soviel ihrer waren, denn alle schienen mir sehr geschickte und artige Leute zu sein, zwei bare Gulden zum Trinkgeld. Deß waren sie froh und dankten mir und Dürer dankte mir auch für meine Gütigkeit.
Wir gingen also die Treppe hinab und als mir Dürer höflich die Türe öffnete, da fesselte meinen Blick nicht das Bild, nein – die Rosenthalerin selbst. Bescheiden schlug sie die Augen nieder und grüßte mich so ehrbar, daß es mir ganz warm wurde. Dürer zog mich zu meinem Leidwesen seitwärts zur Tafel hin und fragte mich, ob der Kopf und die Stellung der Jungfrau nicht gewonnen hätte, da er heute nach dem Mädchen alles überarbeitet, das ihm zum Modell diene. Modell – das heißt soviel als Muster und jetzt erst verstand ich, was mir der gute Hans vorher als Grund angab, meine Bitte abweisen zu müssen. Sonderbar kam es mir vor, daß die stolzen Maler, die nach lebenden Wesen gleichsam Modelle schaffen, jene selbst Modelle nennen. Aber wie hätte ich im Gemälde das Nachbild bewundern sollen, da das Urbild vor mir stand? Schnell kehrte ich zur holden Jungfrau zurück und dankte ihr, daß sie ihre Schönheit auf meiner Tafel verewigen ließe, und sagte ihr manches Schmeichelhafte, wodurch sie ganz betreten ward. Ich hätte ihr jetzt alles gesagt, was auf meinem Herzen war, und meiner Qual wäre ein Ende gewesen, aber Dürer, der des schweigsamen Kindes sich annehmen zu müssen glaubte, sagte: Werter Herr Heller, macht mir das Mädchen nicht rot. Jetzt, Liebes, gehe nach Hause und grüße mir deinen Alten! Sie küßte Dürern die Hand, verneigte sich und ging. Soll ich sie nicht nach Hause begleiten? rief ich lebhaft. Wie werdet Ihr das? sprach jener mich zurückhaltend. Glaubt mir, es ist ein ehrbares Mädchen. Darum eben, Herr Dürer! Denn ich liebe die Jungfrau seit dem ersten Tage meines Hierseins, ich liebe sie unaussprechlich. Und ich erzählte ihm alles, wie ich sie kennen gelernt und sogleich lieb gewonnen. Bedenkt doch, Herr Heller! sagte mir kopfschüttelnd der strenge Meister. Ihr, der reiche Heller – das arme Mädchen! Er hatte mir jene Frage verneint, als ob er ihr Vormund wäre. So sagt mir, wo wohnt sie, wo finde ich ihre Eltern? rief ich schier flehend. Ihre Mutter ist unter den Seligen, die war wohl noch schöner als die Tochter. Das erste, was jene ihr gab – das Leben, vergalt sie mit Undank und tötete sie. Lebt denn ihr Vater noch? fragte ich wieder. Höchst unbestimmt erklärte sich nun Dürer. Wie verlegen bejahte er es mir bald und bald nannte er das Mädchen eine Waise. Ich bat, ich beschwor ihn, etwas zur Erfüllung meiner Wünsche zu tun, allein Dürer wiederholte fortwährend das abscheuliche: Bedenkt Euch doch! Endlich riß mir die Geduld, um so mehr, da ich die Pantoffeln der Frau Agnes hörte und fürchtete, daß sie mir wieder kostbare Sachen vorzeigen würde. Unbefriedigt und ärgerlich lief ich die Treppe hinab und rannte mit einem flüchtigen Gruß der eifrigen Kauffrau vorüber.