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Die Reisenden befragen das Schicksal, welches nicht antwortet, ihnen aber einen seltsamen Charakter zuführt.
Joseph that, wie ihm geheißen. Er legte beide Felleisen behutsam nieder, namentlich aber das kleinere, und als er dasselbe langsam öffnete, konnte er sich auch erklären, weßhalb ihm auf dem Wege hieher so oft ein eigenthümlicher Braten- und Käseduft um die Nase gezogen, wie eine schmerzliche Erinnerung an vergangene Tage, wie ein Klang aus der guten alten Wirthshauszeit.
Der lustige Rath hatte zu einem soliden Frühstück nicht das Geringste vergessen, und Pierrot deckte behende, wie nie, am Fuße des Heiligenbildes, im Schatten des Lindenbaumes, eine gut besetzte Tafel. Da war kalter Braten und Schinken, Brod, Käse und Rothwein in anständiger Menge vorhanden, und die Drei ließen sich mit großem Behagen um die weiße Serviette nieder, auf welcher all' diese Herrlichkeiten standen.
»So hat mir lange nichts geschmeckt,« sagte Eugen nach einer Pause, welche dadurch entstanden war, daß er ein Glas Rothwein hastig ausgetrunken und dann aufgesprungen war, einen tiefen Athemzug zu thun; »wahrhaftig, kein Frühstück oder Mittagessen, so lange ich mich erinnere.«
»Das macht der Marsch von vier Stunden!« bemerkte lustig Herr Sidel, dem es ebenfalls außerordentlich schmeckte, der aber dabei nicht vergaß, dem getreuen Pierrot ebenfalls seinen Theil zukommen zu lassen. »Gib nur Achtung, Eugen, welch herrliches Leben wir erst führen werden, wenn wir einmal eine ähnliche Mahlzeit mit unserer Hände Arbeit verdient haben!«
»Mit unserer Hände Arbeit?« sagte kopfschüttelnd Eugen und besah seine feinen weißen Finger, welche, glatt und weich, wie die eines Mädchens, bis jetzt durch den Glacéhandschuh geschützt worden waren, und doch hatte auch schon an ihnen die Sonne ihre Verheerungen angestellt, indem sie um das Handgelenk herum einen kleinen rothen Streifen gebrannt.
»Die Arbeit unserer Hände allerdings,« sprach der lustige Rath, »oder die unseres Kopfes, das ist am Ende gleich viel.«
»So laß uns endlich einmal einen soliden Plan entwerfen, oder willst du deine Theorie vom Zufall wirklich aufrecht erhalten und durchführen?«
»Auf alle Fälle!« meinte Herr Sidel mit komischem Ernste. »Da wir einmal ein ungebundenes Leben führen wollen, so soll es auch nicht einmal durch unsere Gedanken und Wünsche gefesselt sein, oder gezwungen, sich in vorher gedachten Geleisen zu bewegen.«
»Dann sitzen wir aber hier gleich schon fest,« erwiderte lachend Eugen, »und müssen auf einen Zufall warten, der uns sagt, welchen der vier Wege wir nehmen sollen.«
»Gewiß!« sagte Herr Sidel; »doch hatte ich mir schon vorgenommen, mit deiner Bewilligung den getreuen Pierrot in unseren Kriegsrath zu ziehen; vielleicht weiß er aus seiner Knaben- oder Jünglingszeit aus vier unbekannten Wegen den richtigen heraus zu wählen, und auf eine Art, daß diese Wahl etwas Gültiges für sich hat.«
Der getreue Pierrot, nachdem er gesehen, daß die ansehnlichen Vorräthe, die vorhin auf der Serviette geprangt, auf eine wahrhaft erstaunlich schnelle Art verschwunden (er hatte aber das Seinige auch dazu beigetragen), überlegte bei sich, daß ein längeres Hierverweilen bei der Aversion des Herrn Sidel gegen das Wirthhaus da unten leicht gefährlich werden könnte, und ließ sich nach einigem Nachdenken bereitwillig finden, ein äußerst zweckmäßiges Mittel anzugeben, um, wie hier, im Falle des Zweifels eine Richtung festzustellen.
Er beseitigte aber zuerst den Rest des Kalbsbratens und Käses, indem er denselben sehr geschickt in die Serviette hinein rollte. Eine gute Portion Brod hatte er schon früher bei Seite gebracht. Auch trank er vorher eine Flasche leer, die ihm zufälliger Weise an die Seite gerollt war; dann öffnete er lächelnd seinen großen Mund und sprach: »Wie Sie wissen, gnädiger Herr, und auch Sie, der Herr Rath, so schicken die Metzgermeister ihre Knechte aus der Stadt auf's Land, um gute und wohlfeile Kälber einzuhandeln.«
»Ganz richtig,« sagte lachend Herr Sidel, »und dabei machen sie zuweilen Metzgergänge, das heißt, sie finden oftmals keine Kälber.«
»So ist's,« antwortete der getreue Pierrot; »da liegen nach allen Richtungen um sie herum die Dörfer, wo sie ihre Kundschaft haben; aber wer weiß, in welchem Dorfe an diesem Tage nun gerade viele Kälber gefallen sind? Da hilft sich nun der Metzgerknecht auf folgende Art: er geht auf die Straße hinaus und wirft seine Mütze so hoch, als er kann, in die Luft hinauf; natürlicher Weise fällt sie alsbald wieder herab, und dann paßt er genau auf, wohin der Schirm der Mütze gerichtet ist; dahin geht er hinaus, nach jener Richtung nämlich, und findet da immer Kälber, so viel er mag.«
»Bravo! köstlich! vortrefflich!« jubelte der lustige Rath. »Das ist ein ganz kapitales Mittel, und dir, als dem Erfinder, oder wenigstens als dem, der uns damit bekannt gemacht, soll es auch gestattet sein, diesen Wurf zu unternehmen. Nebenbei bist du auch der Einzige, der eine Mütze trägt, und für uns, mit unseren Strohhüten, würde das Orakel stumm bleiben.«
Pierrot lachte außerordentlich vergnügt, daß der Herr Sidel auf seinen Scherz einzugehen schien, sah aber vorher fragend seinen Herrn an.
»Ich erkläre dieses Mittel ebenfalls für vortrefflich,« sagte Eugen, »und auch gewiß für untrüglich. Sollten wir nicht eine Wette machen, nach welcher Seite der Mützenschirm zu liegen kommt? – ich bin für dort hinaus.«
»Bei solch wichtigen Sachen muß man nicht wetten,« gab Herr Sidel scheinbar ernst zur Antwort; »komm her, getreuer Pierrot, stelle dich genau in die Mitte des Kreuzweges und mache dein Manöver.«
Joseph begab sich dahin; nicht ohne eine Befriedigung in seinen Zügen auszudrücken, sowie einen gewissen Stolz, daß man sein Mittel für würdig befinde. Darauf nahm er seine Mütze in die Hand, schien ein paar Mal die Kraft seines Armes zu probiren und schnellte sich dann, so hoch er konnte, in die Höhe; aber o Unglück! der Wurf war nicht senkrecht gelungen, und als die Mütze in einem kleinen Bogen wieder herab kam, blieb sie an den Zweigen des Lindenbaumes hängen und obendrein noch in so unangenehmer Haltung, daß der Schirm zu Boden sah.
Erstaunt und überrascht sahen die drei nach der Mütze empor, und selbst der Herr Sidel kratzte sich einen Augenblick unschlüssig am Kopfe.
»Wenn wir auf den Fall dieser Mütze,« bemerkte Eugen nach einer Pause, »das heißt auf die Art, wie der Schirm zu liegen kommt, ein wirkliches Gewicht legen und ihm als Orakelspruch folgen wollen, so sagt uns der Schirm der Mütze, indem er zu unseren Füßen auf den Boden zeigt, wir sollen da bleiben und hier geduldig warten, bis uns das Schicksal eine Aufforderung zu Theil werden läßt.«
»Darin hast du Recht,« sagte Herr Sidel; »wir haben überhaupt nichts zu verlieren und deßhalb keine Eile; lagern wir uns wieder im Schatten dieses Baumes und rauchen unter anmuthigen Betrachtungen unsere Cigarre.«
Eugen und der lustige Rath streckten sich hierauf wieder in den Schatten des Baumes auf das Gras nieder, und Pierrot beschäftigte sich damit, durch verschiedene Steinwürfe seine Mütze vom Baume herunterzubringen, was ihm endlich auch gelang.
Die beiden Anderen hatten sich eine Cigarre angezündet und bliesen in angenehmer Ruhe den blauen Rauch von sich.
»Wenn wir keinem Zufalle zu folgen hätten,« sprach Eugen nach einer längeren Pause, »so würde ich unbedingt vorschlagen, den Weg dort hinaus zu nehmen, wo das Terrain sich sanft abflacht und von der Höhe in ein Thal hinab fällt, das zwischen grünen Bäumen und Sträuchern gewiß auch fließendes Wasser enthält, so einen kleinen Fluß, an dessen Ufer man so angenehm dahin dämmert; auch ziehen mich, ich weiß nicht, weßhalb, die schroffen, dunkelblauen Berge an, die in weiter Ferne über jenem Thale so ernst und feierlich nach uns Hinblicken. Ich komme mir in diesem Augenblicke wie ein fahrender Ritter vor, und dann bilde ich mir ein, da hinaus auf den Spitzen jener Felsen liegen allerlei verzauberte Schlösser und verwunschene Prinzessinnen, die nach Erlösung schmachten.«
»Ei, ei,« sagte lachend der lustige Rath, »du denkst an fremde Prinzessinnen und wendest diesen dein Gesicht zu, während du in deinem Rücken eine andere arme Jungfrau sitzen läßt!«
»Schweig, Mephisto,« entgegnete Eugen, »du hast gar keinen Sinn für Poesie.«
»Leider nur zu viel!« seufzte Herr Sidel; »denn sonst hätte ich meine ehrbare Schule nicht aufgegeben, um zu dir zu ziehen und jetzt als anderer Sancho Pansa mit dir als zweitem Don Quixote durch das Land zu streifen.«
»Wir haben wirklich eine Aehnlichkeit mit diesem ehrenhaften Ritter, doch sind wir noch miserabler daran – ich ohne Pferd, du hast nicht einmal einen Esel, und dann fehlt uns das eigene Bewußtsein unseres Werthes, die feste Ueberzeugung, sich aus dem sicheren Pfade zum Ruhme zu befinden, die jener hatte.«
»Und Dulcinea von Toboso!« sagte lachend der lustige Rath.
»Ist vorhanden,« entgegnete Eugen, »aber in diesem Falle Sancho Pansa'n angehörig; ich meine nämlich jene abgeblichene Dame, mit welcher wir dich. Ehrenfester, an dem Tage der Promenade Blumen zupfend fanden.«
»Brrrr!« sagte, sich schüttelnd, Herr Sidel, »dafür muß ich danken. Ueberhaupt steht auch nirgendwo geschrieben, edler Ritter von der traurigen Gestalt, daß Euer ganz ergebenster Schildknappe sich eine Dame erkoren habe, das war ein Vorrecht Eurer Ritterschaftlichkeit und blieb Euch vorbehalten. – – Aber sieh einmal dort den Fahrweg hinab, welch sonderbares Fuhrwerk wird dort sichtbar! Jetzt kannst du's deutlich sehen, da es auf der Höhe des Hügels ist; schau genau hin, es wird bald wieder in der Senkung des Weges verschwinden!«
»Wahrhaftig,« sagte Eugen, »das ist ein seltsamer Aufzug. Was kann das wohl sein? Ich möchte auf Zigeuner rathen, doch sehe ich zu wenig Fußgänger bei dem Karren.«
»Es wird der Zufall sein,« meinte der lustige Rath mit ernster Miene, »der uns hier von dieser Stelle erlöst.«
Der Karren, oder was es sonst war, der die Aufmerksamkeit der beiden Freunde auf sich gezogen hatte, verschwand jetzt wieder hinter den nächsten Hügeln, und es konnte noch eine ziemliche Weile dauern, ehe er an die Stelle kam, wo sich die Beiden gelagert; denn dort unten machte der Fahrweg eine der oben erwähnten Abschweifungen, dieses Mal nach einem Kalkofen, und beschrieb deßhalb einen großen Umweg, ehe er wieder die frühere Richtung einnahm. Doch hatte sich der Fußgänger, der dieses Weges kommen mußte, auch hier zu helfen gewußt, indem er, jene weite Biegung liegen lassend, gerade zu ging, einen kleinen Fußpfad oktroirend, der bald Gemeingut wurde. Auf diesem Fußwege nun sahen die beiden Freunde eine sonderbare Gestalt, die den Hügel herauf kam, gerade auf die Stelle los, wo sie lagerten. Es war ein Mann, man hätte sagen können, ein junger Mann, denn so waren die Körperbewegungen; das Gesicht aber sah sehr eingefallen und runzelig aus. Er trug einen Sommeranzug, Rock, Weste und Beinkleider von demselben Stoffe. Doch hatte dieser Anzug, seine Farbe, die ehemals grau gewesen, so viel durch äußere Einflüsse zu leiden gehabt, daß man die Grundfarbe nicht genau feststellen, ja, nicht einmal mit einiger Genauigkeit bestimmen konnte, ob die obgenannten drei verschiedenen Bekleidungsstücke nicht einstens aus drei ganz verschiedenen Stoffen gemacht worden seien. Der Rock war eher durch Regen und Sonnenschein, als durch häufiges Waschen abgebleicht, die Weste sah ziemlich dunkel und schmutzig grau darunter hervor und hatte einen verdächtigen Glanz an den Taschen und am unteren Rande. Ueber die Beinkleider ließ sich nicht viel sagen. Sie schienen am längsten gedient zu haben oder am stärksten gebraucht worden zu sein. Das waren arme defekte Wesen, die sich in der Gegend der Fußknöchel krampfhaft empor zogen und ausgefranst und ganz erdfarbig waren. Diesem Anzuge gemäß hätte die Gestalt, welche ihn trug, still und schüchtern an den Hügel hinanschleichen müssen; dem war aber durchaus nicht so, sondern der Mann, der auf die eben beschriebene Weise daher kam, warf sich in die Brust, machte große und sichere Schritte und hatte in ganz kurzer Zeit die Spitze des Hügels erreicht. Auf dem Kopfe trug er einen Strohhut! der merkwürdiger Weise an allerlei Stellen mit verschiedenen Feldblumen besteckt war; wie sich später ergab, verbarg der graue Spaziergänger auf diese Art die defekten Stellen seiner Kopfbedeckung. Sein Gesicht war nicht unangenehm zu nennen, es hatte einen freundlichen Ausdruck; die dunkeln Augen blickten keck und fröhlich um sich, und die emporgezogenen Augenbrauen, sowie die stolz in Falten gelegte Stirn zeigten viel Selbstbewußtsein, ein Gemüth, das von seinem eigenen Werthe vollkommen überzeugt ist. Es wäre eigentlich besser, von dem Hemdkragen nicht zu sprechen, indem dieser fast zur Fabel geworden war; doch sind wir in die Nothwendigkeit versetzt, dem geneigten Leser zu versichern, daß ein ähnliches Ding da war, welches, von einem rothseidenen, strickartigen Halstuche festgehalten, den nackten Hals umflatterte. Hiezu trug die Gestalt einen knotigen Stock! den sie heftig schwang, bald indem sie Quarten und Terzen damit in der Luft hieb, bald indem sie ihn sehr kunstreich an einem Finger herumwirbeln ließ oder auf der Nagelspitze balancirte. Jetzt hatte der Spaziergänger die Höhe des Hügels erreicht und wurde nun der Gesellschaft ansichtig, die im Schatten des Lindenbaumes lagerte. Bei diesem Anblicke blieb der Fremde stehen, setzte den rechten Fuß stolz auf die unterste Stufe des Heiligenbildes, machte mit dem Knotenstock eine Bewegung, als stoße er ein Schwert in die Scheide, und sagte, indem er den Versuch machte, die rechte Hand in den knopflosen Rock zu stecken:
»Da also findet man Euch, edle Waffenbrüder, tapfere Gesellen, da also ruht Ihr aus auf Euren faulen Bäuchen, während rings herum der Teufel los ist! Ja so!« unterbrach er sich lachend, indem er seine heroische Haltung verließ und grüßend an seinen Hut langte; »ich ließ mich wieder einmal von der Poesie meiner Gedanken fortreißen, verzeiht mir deßhalb, ehrenwerthe Herren und Kampfgenossen. Trommler, der bekannte Trommler entbietet Euch seinen Gruß und erkundigt sich nach Eurem schätzbaren Wohlbefinden.«
Eugen und der lustige Rath sahen lachend in die Höhe, und der Letztere sagte, indem er höchst ehrerbietig seinen Strohhut schwang: »Ich entbiete dem bekannten Herrn Trommler den freundlichsten Gruß in unser aller Namen und erkundige mich nach Ihrem schätzbaren Wohlbefinden.«
Bei diesen Worten überflog eine düstere Freude das ernst-komische Gesicht des also Angeredeten. »Nein,« sprach er und hob dabei die Hand wie beschwörend gegen den Himmel, »Trommler kann sich nicht irren, er ist so glücklich, auf diesem elenden Fleck Erde drei Kunstgenossen zu begrüßen. Gewiß,« fuhr er enthusiastisch fort, »ein Irrthum ist hier unmöglich. Die zwei kleinen Felleisen zu drei Mann, und der leichte künstlerische Anzug und vor Allem das heilige Feuer, das aus Ihren Augen blitzt – glauben Sie mir, Trommler kennt seine Leute. Sie,« damit wandte er sich an Eugen, »arbeiten im Fache jugendlicher Liebhaber, die Natur scheint Sie dazu absonderlich erschaffen zu haben. In Ihnen,« sagte er zum lustigen Rath, »verehre ich noble Familienväter, und in jenem würdigen Manne dort hinten mit dem komischen Blick und dem nicht ganz kleinen Mundwerk biete ich hiermit einem trefflichen Komiker die Bruderhand.«
»Siehst du,« sagte Herr Sidel leise zu Eugen, »das ist der Zufall! Wir sind durch ihn reisende Schauspieler geworden und müssen die Rollen, die uns das Ungefähr zugeworfen, bereitwillig auffassen und bestens durchführen.«
Eugen nickte mit dem Kopfe.
»Sie haben,« wandte sich nun der lustige Rath an den Schauspieler, »ein vortreffliches Engagement, wie mir scheint.« Dabei konnte er aber nicht unterlassen, seine Augen leicht blinzelnd auf dem Anzüge des Künstlers einen Augenblick ruhen zu lassen.
»Das Engagement ist nicht schlecht,« sagte Herr Trommler mit großer Wichtigkeit; »wir leben in einem sehr kollegialischen Verhältnisse, wir haben eine Art Republik errichtet, wir spielen in Erwartung anderer Zeiten vorderhand auf Theilung.«
»So lange etwas zu theilen ist,« sagte lachend der lustige Rath, »im anderen Falle aber –«
Herr Trommler zuckte die Achseln und versetzte nach einer Pause: »Ich kann nicht umhin, zuzugeben, daß bei uns schon Zeiten vorgekommen sind, wo das Resultat der Theilung sehr unbefriedigend war – was will man machen? Künstlers Erdenwallen! Verstehen Sie mich recht, so ohne allen Verdienst, ohne alle Einnahme sind wir nur in höchst seltenen Fällen gewesen! Oftmals lebten wir an jenen Abenden, wo kein baares Geld einlaufen wollte, herrlich und in Freuden, das kann ich Sie versichern; denn wenn man in solch elenden Nestern, auf miserabeln Dörfern, wo kein Kunstgefühl ist, die Bemerkung machte, daß an eine baare Einnahme nicht zu denken sei, so hatte der Direktor oder vielmehr seine Frau den klugen Einfall, gegen Erlegung von Viktualien, Essens- und Trinkwaaren aller Art die Hallen des Kunsttempels zu öffnen: erster Platz: etwas Geflügel, Käse, Rauchfleisch und dergleichen, zweiter Platz: Butter, Brod und Eier – und das ging so fort bis zum letzten, wo als Nebenverdienst der direktorischen Kinder auch Aepfel und Nüsse angenommen wurden.«
»Und ist Ihre Gesellschaft vollständig besetzt?« fragte Eugen.
Hierauf trat Herr Trommler einen Schritt zurück, faltete die Hände vor seinem Leibe, drückte sich straff hinunter, wie er es als Tyrann zu machen pflegte, in dem Augenblicke, wo er seine unruhig gewordenen Kriegsvölker beschwichtigen sollte; auch sein Gesicht, stolz empor gehoben, hatte hiezu den nothwendigen Ausdruck. »Wer will,« sagte er nach einer Pause im tiefsten Basse, »ein Fatum bezweifeln, ein unbeugsames, strenges Fatum, das über unseren Häuptern dahin rollt, uns hier leitend, dort zurückweisend, aber immer wirkend und schaffend zu unseres Lebens Bestem. – –
»Es war heute in der Frühe – Morgendämmerung, die Lager brachen auf, die Nebel stiegen in die Höhe, über die seinen Berge hinweg sah man den röthlichen Schein der aufsteigenden Sonne. Da trat der Führer der vielen Tausende, die zu unseren Füßen schliefen, an mich heran, lehnte sich auf meine treue Schulter und sprach: »wir brechen auf,« sagte er, »und ich habe mir vorgezeichnet drei Städtchen und drei Wege, wo wir unser Glück versuchen könnten und den Tempel der Kunst aufrichten.« So sprach der Prinzipal zu mir, während sie vor den Thüren der Scheuer saß und den stärkenden Morgenkaffee aufgoß. – Wie schon gesagt, nach drei Städten können wir ziehen, das ist Schmalzhausen, Käseheim und Schloßfelden. Was meinst du, welcher von diesen dreien sollen wir den Vorzug geben? Ich habe mich für Schmalzhausen entschlossen. – Da dachte ich, Trommler nämlich, an ein Gesicht, welches ich in vergangener Nacht gehabt, und in welchem ich deutlich vor mir gesehen diesen Hügel mit dem Zauberbaume. Und hier vorbei führt der Weg nach Schloßfelden, da klang es in mir: hier unter dem Zauberbaume wird dir etwas absonderlich Angenehmes passiren, und
Mein Bruder, sprach ich, reite heute nicht
Den Schecken, wie du pflegst. Besteige lieber
Das sich're Thier, das ich dir ausgesucht.
Thu's mir zu lieb, es warnte mich ein Traum.
Und darauf sagte mir der Prinzipal: Trommler, ich danke Ihnen, und entschied sich für Schloßfelden, und wohl zu unserem Glück und Heil; denn indem ich jetzt die mir vorhin gestellte Frage, ob unsere Gesellschaft vollständig sei? beantworte, rufe ich mit Freuden aus: wenn wir Sie, verehrte Herren und Kunstfreunde, zu gewinnen im Stande sind, so können wir uns ohne Furcht mit jedem Hoftheater messen.«
»Schön gesprochen!« lachte Herr Sidel, »und glauben Sie, wenn wir uns geneigt zeigten, ihrer Truppe beizutreten, daß uns der Direktor annehmbare Bedingungen zugestehen würde?«
Herr Trommler zog die Achseln außerordentlich in die Höhe, neigte seinen Kopf stark auf die linke Seite und sagte: »im Augenblicke sind unsere Kassen leer; doch da ich überzeugt bin, daß wir durch Ihren Beitritt in Schloßfelden glänzende Geschäfte machen werden, so glaube ich, versichern zu können, daß der Herr Direktor – ein vortrefflicher Unternehmer – Ihre Engagementsforderungen bestens preisen wird.«