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Welch' ein Unterschied ist zwischen dieser syrischen Stadt und denen der Türkei, die wenigstens von Außen dem Auge mit ihren ragenden Minarets und prangenden Cypressen einen lieblichen Anblick gewähren! Man sieht, hier trägt der Mensch einen Steinhaufen zusammen, um unter ihm Schutz gegen die glühende Sonne zu haben, und darauf eine Terrasse, wo er der Abendkühle genießen kann. Die Gebäude mit platten Dächern sind alle von gleicher Höhe und haben fast gar kein Fenster; nur hie und da deuten in hohen und breiten Mauern zwei oder drei Löcher eine solche Idee an. Alles ist von gleicher Farbe, der ursprünglichen des Bausteines, einem verbrannten Braungelb, und das Haus ist vom Felsen, auf dem es steht, kaum zu unterscheiden. Die drei, vier Minarets der Stadt sind kaum ein Drittheil so hoch, wie die gewöhnlichen in Konstantinopel, aber eben so dick, was ihnen ein plumpes, gedrücktes Ansehen gibt. Es ist, als wäre es den arabischen Maurern unter der Arbeit zu heiß geworden, und da haben sie, statt noch zweimal so hoch zu bauen, und dann ein schlankes Spitzthürmchen aufzusetzen, der Sache ein Ende gemacht, indem sie mit einem massiven, beinahe flachen Dache schlossen. Gewiß, brächten nicht die die Stadt umgebenden unzähligen Hecken von Cactus und einzelne stolz emporragende Palmen einiges Leben in die Seeseite, man müßte die Gegend für ausgestorben, und jene braune Häusermasse für eine von ihren Bewohnern verlassene Ruine halten. Doch mag an dem für uns ganz unerquicklichen Anblick auch die Jahreszeit einige Schuld haben; denn obgleich es drückend heiß war, herrschte hier auch Winter, und die zahlreichen Maulbeer- und Feigenbäume zeigten uns nur kahle Aeste.
Es ging mir hier wie den Kindern, die das Beste bis zuletzt aufsparen. Erst als sich mein Auge übersättigt hatte an den Maulwurfshaufen der Menschen, hob ich meinen Blick langsam empor zu jenem ewigen majestätischen Bau, den hier die Natur hingestellt, zum stolzen Libanon. Lange sah ich hin, und meine Gedanken jagten durch seine Schluchten, zogen seine Felsspitzen hinauf und hinunter, flatterten um das ganze Gebirge, und endlich kühlten sich die erhitzten im Schnee, der sein Haupt bedeckt, ab. Nie hat etwas auf mich einen größeren Eindruck gemacht, nicht der Balkan, den ich überstiegen, nicht das Meer als ich es zum ersten Male gesehen, nicht Konstantinopel, noch Smyrna.
Das große Boot, welches von der Stadt gekommen war, uns dorthin abzuholen, schwankte stark in den heftigen Wogen des Hafens; hier ist das Wasser stets bewegt und durch große Felsstücke, die in der See hie und da versprengt liegen, für größere Schiffe unfahrbar; selbst Nachen kommen beim ruhigsten Wetter nicht ganz an's Ufer, weßhalb Passagiere und Güter auf den Schultern der Lastträger nach dem Quai getragen werden.
Ein Gang, den wir gleich bei unserer Ankunft durch die Stadt zum Hause des österreichischen Consul Herrn Laurella machten, zeigte uns das Innere derselben mit der äußern Ansicht beinahe ganz übereinstimmend. Man sieht überall nur die äußerste Nothdurft befriedigt, keine Idee von Luxus oder Eleganz, keine bunte, helle, wenn auch geschmacklose Verzierung an den Häusern, wie in der europäischen Türkei, oder hie und da einen freien Platz. Die ganze Stadt kam mir wie ein großes, unregelmäßig zusammengemauertes Gebäude vor, alle Wände massiv, gleich hoch und schmutzig. Die Gänge oder vielmehr Straßen sind schmal, damit der brennende Sonnenstrahl nicht eindringe. Hiezu kommt noch, daß die sehr hohen Häuser alle dreißig bis vierzig Schritte mit steinernen Bogen vereinigt sind, die sich über der Gasse wölben. Auf uns, die wir bei unsern Bauten nichts so sehr lieben, wie Geräumigkeit und frische Luft, wirkt eine solche gefängnißartige Stadt eigentlich brustbeengend, und obendrein entsteigt den Straßen und Gewölben ein unerträglicher Geruch. Die Unannehmlichkeit wurde noch erhöht durch das Drängen und Stoßen der vielen Menschen in den Gassen; die Stadt war im Augenblick überfüllt mit englischen und türkischen Soldaten, Beduinen, Arabern, Bergvölkern etc.
Da der einzige Gasthof Beiruts, eine schmutzige Locanda, die unter dem Befehl eines Italieners steht, von englischen Offizieren ganz in Beschlag genommen war, so standen wir auf der Gasse, ohne Aussicht auf ein auch nur ganz mittelmäßiges Unterkommen. Unsere liebenswürdigen Reisegefährten, fünf östreichische Offiziere, die sich in dem Kriege gegen Mehemed Ali einige Lorbeeren pflücken wollten, brachte der Consul Laurella so gut wie möglich in seinem Hause unter und bot auch uns dasselbe an. Indessen hatte Giovanni, der arabische Dolmetscher und Koch, den der Baron in Smyrna angenommen (er war hier zu Hause), mit einem Bekannten unterhandelt, der uns sein Haus, eine Viertelstunde westlich von der Stadt am Meere gelegen, um einen billigen Preis anbot, was wir mit Freuden annahmen.
Diese Villa, das Schloß am Meer, wie wir sie tauften, hatte, obgleich es nur das Haus eines syrischen Landwirthes war, wie alle diese Gebäude etwas Kastellartiges, vier hohe steinerne Mauern, an denen man von außen nur kleine vergitterte Fensteröffnungen sah. In den untern Stock, der sonst ohne Fenster, nur zur Aufbewahrung von Gerätschaften dient, war für die Zeit unsers Aufenthalts hier, der Besitzer mit seiner Familie gezogen; der obere bildet eine Terrasse, um welche auf zwei Seiten in einem rechten Winkel unsere drei Zimmer lagen. Diese geräumige Terrasse war fast unser beständiger Aufenthalt; hier hatten wir, was wir in der Stadt so sehr vermißten, reine gesunde Luft, und welche Aussicht und Umgebung! – Nördlich, so weit das Auge reichte, die gewaltige Meerfluth, östlich die Rhede der Stadt, und hinter derselben den Libanon, dessen Zug wir von Tripolis bis beinahe Saida mit unsern Blicken verfolgen konnten. Den traurigen Anblick Beiruts verdeckte uns ein kleiner Hügel am Meer. Der türkische Friedhof mit seinen weißen Steinen und gewölbten Grabmälern, die Wohnung der Todten, war freundlicher, als die Stadt der Lebenden.
Zu unserer großen Unterhaltung war das Meer stets belebt wie eine große Landstraße; alle Schiffe, die von Alexandrien, Marmarissa, Cypern etc. kamen, mußten an unserer Terrasse vorbei; fast täglich kamen und gingen englische Kriegsdampfboote, Mannschaften oder Depeschen bringend, eine zahllose Menge großer und kleiner Kauffahrteischiffe kreuzte sich beständig auf dem Meer und der Rhede; auch hatten wir zweimal das Vergnügen, zu sehen, wie ein englisches Linienschiff ersten Ranges in weiter Ferne mit den Mastspitzen auftauchte, langsam die Höhe der See erstieg und nach einigen Stunden in seiner majestätischen Gestalt an unserm Hause vorbeischwamm.
Südlich von unserer Wohnung bildete das Terrain einige Hügel, die mit vielen kleinen und größern Häusern bedeckt waren; sie nahmen sich mit ihrer Umgebung von grünen Oelbäumen und großen schlanken Palmen, alle von gewaltigen Cactushecken umzäunt, sehr hübsch aus. Eines derselben hatte für uns besonderes Interesse, hier wohnte Lamartine einige Monate, und hier starb seine einzige Tochter Julie.
Nachdem wir uns einigermaßen in der Villa eingerichtet, d. h. Teppiche auf dem Boden der Zimmer ausgebreitet, wozu die arabischen Hausleute, – es waren jedoch katholische Christen – mit großer Gutmüthigkeit die Decken ihrer eigenen Betten gaben, auch Küchengeschirr, Gläser, Teller, Pfannen etc. gekauft, betrachteten wir unsere Umgebungen und die Stadt, die wir bis jetzt nur sehr flüchtig angesehen, etwas genauer. Unser Weg führte uns längs der Küste, an welcher wir in verschiedenen Säulentrümmern, die hier herumlagen, sowie in Stücken alten Mosaikpflasters und verwitterten Mauern, die das Meer bespülte, Ueberbleibsel der Gebäude oder der Befestigungswerke der alten Stadt Berytus zu erkennen glaubten. Bei sehr ruhiger See habe ich oft stundenlang am felsigen Gestade gesessen und konnte deutlich unter den Wellen den Grundriß einzelner Häuser verfolgen; kleine Fische schwammen ruhig in den Wohnungen der Menschen umher.
Die Stadt, welche, wie gesagt, von der Seeseite einen traurigen Anblick gewährt, macht sich vom Lande her etwas besser und ist hier mit ziemlich erhaltenen alterthümlichen Mauern und Thürmen umgeben, die wohl noch aus den Zeiten der Kreuzzüge herrühren, wo, wie bekannt, die Christen unter Balduin IV. die Befestigung von Beirut sorgfältig wiederherstellten; auch geben hier zahlreiche Olivenbäume und Palmen, sowie die immer grünen Cactushecken ihrem grauen Gesicht eine jugendliche Schminke. Ueberall sahen wir jedoch die Verheerungen, welche das Bombardement der englischen Flotte kürzlich angerichtet. Hier war ein Stück von der Mauer herabgestürzt, dort fehlte einem Thurme die Ecke, an diesem Hause hatte eine Kugel zwei Fenster in eines verwandelt, so daß man in die Zimmer sehen konnte; einzelne Granaten und Kugeln waren bis zu unserm Landhaus geflogen, und wir fanden in dem Garten mehrere von sehr schwerem Kaliber. Auch das Innere der Stadt hatte bedeutend gelitten. Es war mir immer ein eigenes Gefühl, wenn ich jene alten Zeiten, wo frommer Eifer Leben und Gut opferte, um jene Ringmauern zu errichten, mit den jetzigen Tagen zusammenzureimen suchte, wo Christen die Gefälligkeit hatten, dieselben Werke für Rechnung der Türken zusammenzuschießen. Der fünfte und letzte Akt dieses grandiosen Trauerspiels wäre gewesen, wenn Ibrahim Pascha sich nach Jerusalem geworfen und christliche Kugeln die Kuppel der Grabeskirche zerschmettert hätten.
Auf den Straßen fanden wir auch heute dasselbe Gewühl, denselben Schmutz und Gestank wie am Tage unserer Ankunft; ich habe nie so mancherlei Parfüme genossen, als auf meinen Spaziergängen durch Beirut. Wie in allen orientalischen Städten sind auch hier drei Viertheile der Straßen zu Bazars eingerichtet und bilden lange Reihen offener Gewölbe; denn außerdem, daß der Kaufmann seine Waaren ausstellt, sitzen auch alle Handwerker in ihren verschiedenen Straßen offen vor den Augen der Vorübergehenden. In einer Gasse sieht man die Anfertigung des verschiedenartigsten Fußzeugs vom kleinen Pantoffel bis zum größten Reitstiefel; in einer andern bergen sich hunderte von Webstühlen, deren Einfachheit übrigens bemerkenswerth ist; mit den Kosten und dem Holze eines der unsrigen macht man wenigstens fünf türkische. Dort liegt die Gasse der Waffenschmiede, welche in diesen Tagen stets gedrängt voll ist; besonders die Bergbewohner wogten hier auf und ab und ließen ihre neuen Gewehre, womit die türkische Regierung sie gütigst beschenkt, ausbessern und putzen. Weiterhin sieht man die Barbiere mit ungemeiner Geschicklichkeit die Köpfe der Gläubigen bearbeiten; letztere geben dabei recht eigentlich den leidenden Theil ab, denn der Barbier legt den Kopf auf sein Knie und dreht und wendet ihn nach Gefallen, um jedem Haare am besten beizukommen.
Ich fand die Straßen hier bei Weitem interessanter belebt, als selbst in Stambul. Während dort jeder seinem friedlichen Geschäft nachgeht und so rasch als möglich fortzukommen sucht, wandern hier die verschiedenen Volksstämme, die der Krieg zusammengeführt, mit Waffen bedeckt, langsam und gravitätisch vorüber. Die kräftigen Männer des Gebirges, von denen ich oben sprach, in weiten farbigen Beinkleidern und meistens rothen gestickten Jacken, den weißen Turban auf dem Kopfe, sieht man gewöhnlich in großen Haufen, sie sind lustig und guter Dinge, denn auf dem Rücken haben sie ja wieder ein Gewehr, ihre Lieblingswaffe, die ihnen Ibrahims kräftige Hand abgenommen, der bei Todesstrafe verbot, Waffen zu tragen. Zwischen ihnen durch schleicht ernst und still ein Beduine, der Sohn der Wüste, mit bronzefarbenem Gesicht. Der lange weiße oder gestreifte Burnus hängt von seiner Schulter bis auf den Boden, auf dem Kopf trägt er das nationale gelb und roth gestreifte wollene Tuch, das ein Kranz aus kleinen farbigen Stricken befestigt. Obgleich ihn nur selten die Woge des Lebens aus seinem Stande zu diesen Herrlichkeiten führt, so betrachtet er doch die Kaufläden, ohne eine Miene zu verziehen, mit den durchdringenden schwarzen Augen und raucht aus seiner kurzen Pfeife. Hinter ihm kommt ein Miralaja, ein großherrlicher Oberst, auf schönem wohlgenährtem Pferde, den Diamantstern als Zeichen seiner Würde auf der Brust, gefolgt von mehreren Dienern, die ihm Waffen und Pfeife nachtragen. Dort schreiten zwei Arnauten in ihrem malerisch schönen Costüm; es ist wie das griechische mit weißer Fustanella und rother Jacke; sie gehen trotzig umher, ohne einem Menschen auszuweichen, eine Hand in den Gürtel gesteckt, der außer zwei Pistolen, einem Yatagan, einem Dolche, einem Messer, noch Feuerzeug und Pfeife beherbergt. Ich habe unter diesen Menschen fast keinen gesehen, der eine angenehme, gute Gesichtsbildung gehabt, oder in dessen Zügen nicht ein böser, heimtückischer Ausdruck gelauert hätte. Sie bilden eine unregelmäßige Truppe Infanterie und Kavallerie. Man kann sie fast noch als Nachzügler der ehemaligen Janitscharen und Mameluken betrachten; sie desertiren ohne Weiteres hier und lassen sich dort wieder anwerben, je nachdem sie mehr Beute und bessern Sold zu erwarten haben; sie fechten nur dann, wenn sie Lust haben, und es kommt ihnen gar nicht darauf an, ihre Offiziere zu morden. Von den Einwohnern Beiruts sind diese vagabundirenden Kriegsknechte außerordentlich gefürchtet, und in einem Kaffeehause, wo sich ein Arnant niederläßt, rücken die andern ängstlich zusammen.
Die Mannigfaltigkeit der Costüme auf den Straßen vermehren noch die in ihrem Aufzug verschiedenen Secten der Christen, Griechen, Armenier, Maroniten. Die Weiber der letztern tragen einen eigenen Kopfputz, eine konische, zwei bis drei Fuß lange Röhre von Silber oder Messing; sie steht in einem Winkel von fünf und vierzig Graden bald nach den Seiten, bald nach vorne, und ist mit einem Stück Mousselin bedeckt, das beinahe bis auf die Hüften fällt und zum Verschleiern des Gesichtes dient. Dazu kommen die Schattirungen des muhamedanischen Glaubens, die sich gleichfalls in der Tracht aussprechen. Gravitätisch wandelt dort der Türke vom alten Regiment, und es gibt deren in Syrien noch sehr viele, angethan mit dem langen Kaftan, im weißen oder grünen bauschigen Turban; letztere Farbe bezeichnet einen Nachkommen des Propheten, und der ihn trägt, wird Emir genannt. Obgleich aber Emir so viel wie Herr oder gar Fürst sagen will, findet man doch gerade unter der geringsten Classe, z. B. den Lastträgern, Wasserverkäufern ec. die meisten. Der ächte Muselmann geht ruhig seines Wegs, die eine Hand streicht den krausen Bart, die andere faßt das Schreibzeug im Gürtel. Auch das unglückliche, überall zerstreute Volk der Juden hat hier seine Repräsentanten. Stets auf den Erwerb bedacht, schlüpft der Jude behende im schmierigen Kaftan und dunklem Turban durch die Menge, rechts und links schauend, ob etwas zu gewinnen sei; besonders heften sie ihr Auge auf den herumwandelnden Europäer und bieten sich ihm gleich zu allen möglichen Diensten an. Fast alle europäischen Nationen sind hier in zahlreichen Mitgliedern vertreten, und keine verläugnet ihren Charakter. Der Franzose schlendert in gelben Glacéhandschuhen schwadronirend umher, und während alle östreichischen Matrosen vor einem gutgekleideten Franken, der sie freundlich ansieht, den Hut ziehen, steuert der Engländer mit dem hölzernen Gesicht gerade aus, betrachtet Häuser und Himmel und rennt jeden an, der ihm nicht ausweicht. Das weibliche Geschlecht spaziert hier nicht so zahlreich herum, wie in Konstantinopel. Alle Weiber der Mohamedaner sind mit einem dunkeln Stück Kattun, das gleich einer Maske ihr Gesicht bedeckt, so verschleiert, daß man auch keinen Zug ihres Gesichts erkennen kann, auch werfen sie beim Anblick eines Fremden noch ein Stück weißen Mousselin, das ihnen den Rücken hinabhängt, über den Kopf, besonders aber, was sehr gut ist, gerade die häßlichsten alten Weiber; die jungen heben nicht selten ihren Kattun und lassen ein paar schwarze glühende Augen sehen, ein Vergehen, das von den andern gleich mit harten Worten gerügt wird. Auch die Maronitinnen tragen über ihrem Horne einen weißen Schleier, den sie gelegentlich fallen lassen, um ihre hübschen runden Gesichter dem Fremden zu verbergen. Doch sind sie in der Kultur voran und haben uns nicht selten freundlich angelächelt. Die Frauen der katholischen Araber, deren es hier viele gibt, gehen unverschleiert. und ich habe unter ihnen herrliche Figuren mit sehr edlen Gesichtszügen gefunden.
Ebenso kriegerisch, wie das Innere der Stadt, sah auch die Umgebung derselben aus; sie glich in diesem Augenblicke einem großen Feldlager. Auf dem Quai hatten die hundert englischen Kanoniere, welche die bewaffnete Macht der vier Großmächte vorstellten, ihr Hauptquartier aufgeschlagen; dort standen ihre sechspfündigen Geschütze aufgefahren, und sie selbst campten theils in einem Gebäude, theils in weißen Zelten. Ich bin fast zu keiner Zeit des Tages hier vorbeigekommen, daß nicht die Söhne Albions in ihrer Küche beschäftigt gewesen wären, die sie an einer Mauer aufgeschlagen hatten. Westlich von der Stadt, aus einem Hügel, der dieselbe beherrscht, stand der Park der türkischen Artillerie. Die Leute wohnten unter hellgrünen Zelten, und ebenso waren auch die Lafetten angestrichen; es befanden sich hier ungefähr dreißig Kanonen von der Größe unserer Sechspfünder; doch schießen die meisten ein weit größeres Kaliber und haben eine so weite Mündung, daß ich sie anfänglich für Haubitzen hielt; sie sind aber ohne Kammern, und ich hörte später, sie seien ebenfalls für Paßkugeln bestimmt. Das Metall ist so dünn, daß sich das Rohr nach wenigen Schüssen bis zum Zünden erhitzen muß; obendrein sind mehrere Stücke, statt von wirklichem Stückgut, von Bronze. Doch glaube ich nicht, daß die Türken so bald in den Fall kommen werden, mit diesen Kanonen zu agiren; sie hatten weder Bespannung noch Munition, auch nicht ein einziger Wagen befand sich im Parke.
Unterhalb dieser Artillerie auf einem kleinen Platze, der an die Mauern der Stadt stößt, war für mich der interessanteste Punkt. Hier hatte ein Stamm der Beduinen aus dem Hauran sein Lager aufgeschlagen; es mochten ihrer fünfzig bis sechzig sein, die in grauen Zelten wohnten, in denen sie aber weder Stroh noch Teppiche hatten; sie schliefen auf der blosen Erde, und zogen Nachts ihren Burnus über den Kopf. Wir haben manche Stunde bei ihnen zugebracht; obgleich sie uns Fremde anfänglich finster und mißtrauisch beobachteten, wurden sie bald freundlicher und durch Kleinigkeiten an Geld, die wir ihnen spendeten, ganz zutraulich. Die meisten waren große, hagere Männer mit ausdrucksvollem, aber verschmitztem Gesichte, dem der schwarze herabhängende Bart etwas Düsteres gab. Ihre Waffen bestehen aus dem Säbel, der sehr langen und dünnen Flinte, die sie an einem Riemen über der Schulter tragen, und einer Lanze von wohl fünfzehn Schuh Länge mit fußlanger dreischneidiger Spitze, die mit einem Bouquet von dichten schwarzen Straußfedern umgeben ist. Die ausdauernden Gefährten dieser Wüstensohne, die edlen, treuen Pferde, fast alle von schönen Formen, aber dabei mager wie ihre Herren, stehen an einem Fuße mit einer Kette gefesselt, stets vollständig gesattelt vor den Zelten.
Der Beduine und sein Roß sind nur vereinigt wahrhaft schön und poetisch; sobald der Reiter die Erde betritt, schleicht er faul und langsam umher, oder liegt mißmuthig unter seinem Zelte, aus der kurzen Pfeife rauchend, und das Pferd steht ruhig da, senkt den Schweif und sieht hungrig nach einigen Grashalmen, die zwischen den Steinen sprossen. Doch wie sich der Beduine auf sein Roß schwingt, scheint beide ein gewaltiges Feuer zu durchströmen; sein Auge blitzt, die ganze kräftige Gestalt richtet sich auf, und während er ein eigenes Geschrei ausstößt, greift das Pferd aus und verschwindet in sausendem Galopp, wobei es mit dem Schweif nicht selten den Rücken des Reiters schlägt. In wenigen Augenblicken steht man in der Ferne nur noch eine Staubwolke und über ihr wehend die schwarzen Federn der Lanze.
Wir vermochten sie durch reichliches Bakschis häufig, ihre Pferde zu besteigen und uns deren Schnelligkeit, sowie ihre eigene Gewandtheit im Führen der langen Lanze zu zeigen; und wenn sie dann so dahin flogen über die Fläche, daß der weite Mantel um sie flatterte, wenn sie die Lanze weit vor sich hinschleuderten und den Säbel zwischen den Zahnen, Gewehr und Pistolen abschossen, dann dachte ich an meinen lieben Freiligrath:
Beduin, du selbst auf deinem Rosse
Bist ein phantastisches Gedicht.
Nördlich von diesem Beduinenlager war der große Spaziergang der Stadt, ein ziemlich geräumiger Platz, wo es für den Fremden jeden Augenblick etwas zu sehen gab. Es war hier beständiger Jahrmarkt: in kleinen hölzernen Buden verkaufte man Scherbeth, Früchte und Brod; auch ein Café war dort errichtet, wo die Gäste unter einer riesigen Sycomore auf kleinen Stühlchen aus Palmzweigen saßen, und der Wirth auf einem Haufen zusammengetragener Steine das Getränk bereitete. Pfeife und Nargileh fehlten natürlich nicht. Hier nahm ich meistens meinen Platz, um das bunte Gewühl um mich her zu beobachten, das Leben und Treiben, das sich hier dem Auge entfaltete und jeden Augenblick wechselte. Ich denke noch immer mit Vergnügen an die Tage, wo ich, mit dem Rücken an den Baum gelehnt, die arabische Wasserpfeife rauchte, ein Genuß, den unsere deutschen Tabaksraucher nicht kennen. Dieses Instrument ist übrigens sehr einfach: in eine Kokusnuß mit zwei Löchern gießt man Wasser; in die eine der Oeffnungen steckt man die Pfeife, welche ein gedrechseltes Rohr ist, oben mit einem kupfernen Behälter, in welchem der Tabak und obenauf die glühende Kohle liegt; in die andere Oeffnung paßt das dünne Rohr. So saß ich und es brauchte nur eine Handbewegung, um eine neue Tasse Kaffee oder frischen Tabak zu erhalten; ich war ein mächtiger Pascha geworden, und selbst ein Gefolge fehlte mir nicht; denn wenn ich bei meinen Beduinen vorbeikam, um auf den Platz zu gehen, folgten mir fast immer einige in der Entfernung und kauerten an meiner Seite nieder, wenn ich mich am Café niederließ. Besonders Nachmittags war das Treiben auf dem Platze sehr mannigfaltig; da strömten die Besucher aus der Umgegend, die ihre Geschäfte in der Stadt abgemacht, hier zusammen, um, in Gruppen gelagert, ihr Mahl zu halten. Dann wurden Pferde probirt und eingeritten, was bei den Orientalen eine leichte Procedur ist; der Reiter setzt sich recht fest in den Sattel, wobei das Thier, wenn es sehr ungestüm ist, von andern gehalten wird; dann läßt er die Zügel fahren, stößt ihm die Fersen in die Flanken, und das Thier jagt voll Ungestüm im vollen Lauf über den Platz, bis der Reiter es gewaltsam zusammen reißt, umwendet und die eben durchflogene Strecke wieder im Galopp zurücklegt; dies wird so lange wiederholt, bis das Thier aus Angst vor dem Zügel nur dann galoppirt, wenn ihm der Reiter mit dem Bügel in die Seiten arbeitet und anhält, wenn es nur die geringste Bewegung des Zügels spürt. Vom Traben und Zügeln des Pferdes haben sie keinen Begriff; sie können nur galoppiren, und wollen sie halten, das arme Thier unbarmherzig zusammen reißen. Um auf diese Art ihrer Pferde vollkommen Herr zu werden, haben sie zwei Mittel, die der Europäer als unzweckmäßig verwirft: erstens besteigen sie ihre Thiere schon mit zwei Jahren, wo dieselben noch nicht im Besitz ihrer vollen Kraft sind, und zweitens sind ihre Stangen so scharf, daß das gepeinigte Roß sich zahm und folgsam zeigen muß.
Eines Abends machten wir unsern gewöhnlichen Spaziergang, der uns über diesen Platz zur Küste des Meeres führte, und sahen ihn schon von Weitem mit Menschen in nie gesehenen, mannigfaltigen Costümen, mit Zelten, Pferden und Maulthieren bedeckt. Es waren Drusen, unregelmäßige Reiterei im Dienste des Großherrn. Wir traten auf den Platz, und es war mir nicht anders, als kämen wir zu einem großartigen Maskenfeste, so bunt wogte und trieb sich Alles durch einander. Es mochten an zweitausend Mann sein, die zum Theil schon gelagert waren; d. h. sie hatten ihre Pferde angebunden, Teppiche und Decken ausgebreitet, und kochten, auf der Erde liegend, an kleinen Feuern Kaffee. Andere standen noch in Haufen beisammen, luden die Packpferde ab und fesselten sie,
indem sie einen Vorder- und Hinterfuß an einem drei bis vier Schuh langen Strick, und diesen an einem in die Erde gerammten Pfahl befestigten. Die Letzten der Schaar kamen erst an; sie führten eine weiße und grüne Fahne und eine äußerst einfache Musik, nichts als kleine Pauken, auf die sie im Takt schlugen.
Es war, als seien von sämmtlichen Volksstämmen des Orients Repräsentanten hier zusammen gekommen, so mancherlei Trachten, Säbel, Lanzen, Wurfspieße, Flinten und Pistolen waren da zu sehen. Der Emir hatte sein Zelt unter einer Sycomore aufschlagen lassen und empfing uns daselbst äußerst freundlich. Ich habe nie einen schönern Mann gesehen. Das idealisirte Bild eines Morgenländers, eines Fürsten der Berge trat lebendig vor uns. So habe ich mir den großen Kalifen, den tapfern Saladin, gedacht; eine große, kräftige Figur, doch nichts weniger als fett, mit einem Kopfe, dessen edle Schönheit und männlichen Ausdruck man selten findet. Er hatte in seinem ganzen Wesen, seinem Auge, seiner Sprache eine Sicherheit und Ruhe, die jedem unbedingtes Zutrauen einflößen mußten. Sein Kopf war mit einem gelb und roth seidenen Tuch turbanartig umwickelt, dessen eines Ende in Fransen auslief und auf die rechte Schulter niederfiel. Der übrige Anzug bestand ans einem rothseidenen Kaftan; den ein kostbarer Shawl um den Leib zusammenhielt; ein sehr reicher Säbel hing an einer geflochtenen goldenen Schnur, und zwei Pistolen, deren lange Hälse mit Steinen besetzt waren, staken in seinem Gürtel. Wir ließen uns bei ihm nieder, und man brachte uns Pfeifen, Scherbet und Kaffee. Nachdem wir uns einige Augenblicke mit ihm durch den Dolmetscher unterhalten, erschien in der Zeltthüre ein ganz junger Mann, beinahe noch ein Knabe, eben so reich gekleidet wie der Emir, machte jedoch, sowie er uns erblickte, eine Bewegung zum Zurücktreten. Jener rief ihm aber und stellte ihn uns als seinen Neffen vor. Der junge Druse legte die Hand an Brust und Stirne, unsern Gruß erwiedernd, wobei er erröthend auf den Boden sah. Es war etwas so Ungekünsteltes in dieser Bewegung, und die ganze Figur so schlank und zart, daß man ihn für ein verkleidetes Mädchen hätte halten können. Zum ersten Mal aus seinen Bergen gekommen, hatte er noch wenig Europäer gesehen, und betrachtete uns anfangs mit kindischer Neugier, doch bald wurde er zutraulich, und wir haben ihn in den paar Tagen, die er in Beirut war, recht lieb gewonnen.
Wo man, mit Ausnahme des oben erwähnten Platzes, aus der Stadt tritt, um sich in ihrem Umkreis zu ergehen, nöthigt der tiefe Sand, der alle Wege bedeckt, bald zum Umkehren. Da die niedrigen westlichen Ausläufer des Libanon bei Beirut zum Theil aus beweglichem Sand bestehen, den der Wind in die Ebene und auf die Stadt führt, so wäre sie in Gefahr, förmlich zu versanden, hätte nicht der große Emir der Drusen, Fachreddin, der hier zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts residirte, einen lebendigen Wall gegen dieses Sandmeer aufgeführt, indem er die Stadt östlich mit einer großen Anpflanzung von Pinien umgab, die jetzt eine ziemliche Stärke erreicht haben und ihren Zweck erfüllen. Nach diesem Walde richteten wir unsere meisten Spazierritte; das frische Grün der Bäume erfreute das Auge, das sich an den grauen Formen der Stadt und an dem gelben Sande müde gesehen.
Auf unserm Schloß am Meer führten wir ein von der Stadt und ihren Bewohnern ganz abgesondertes Leben. Ueber den Mauern flatterte ein weißer Pavillon; doch führten wir unter dieser Farbe der Unschuld ein kleines Raubritterleben, und wenn wir auch keinen vorüberziehenden harmlosen Wanderer ausplünderten, hatte doch jeder seine Gegenstände, auf die er lauerte und ausfiel. So hielt der Baron alle Pferde aus der Stadt und Umgegend an und nöthigte die Vorüberkommenden in unsern Hof, so daß derselbe zuweilen einem kleinen Markt in diesem Artikel glich. Dr. B., unser Naturforscher, attaquirte Schnecken und Eidechsen, und der Maler
F. und ich forcirten die Natur stückweise in unsere Mappen und Schreibbücher.
Wir hatten anfänglich dies Haus nur für eine Woche gemiethet, da wir uns in Beirut nicht länger aufhalten wollten, als eben nöthig war, d. h. bis wir uns Pferde und die uns noch fehlenden Reisegeräthschaften besorgt, um in das Innere des Landes nach Damaskus, Palmyra, Jerusalem zu dringen. Doch sahen wir schon in den ersten Tagen, daß wir in der bestimmten Zeit von hier nicht loskommen würden, denn wenn man den Krieg mit Ibrahim Pascha schon als beendigt ansah, so gährte es doch in den Bergen noch beständig fort und kleine Scharmützel zwischen den Bergbewohnern und der ägyptischen Armee – solche Sachen wurden natürlich alle vergrößert – machten die Wege im Innern von Syrien unsicher.
Unsere Reisegefährten, die östreichischen Offiziere, blieben auch anfänglich hier, und da wir außerdem noch mehrere interessante Bekanntschaften in der Stadt machten, so fehlte es uns keineswegs, bei dem ungewohnten Leben und Treiben und der großartigen Natur, an Zerstreuung und Unterhaltung. Unter Anderem war es der russische Konsul, Herr von B., der ein sehr gut eingerichtetes Haus hatte und uns viel Freundschaft erwies. Den Weg zur Stadt, der dicht am Ufer des Meeres führte, machten wir häufig des Tages und sahen und genossen immer etwas Neues. Bald sahen wir den Fischern zu, die zwischen den Klippen herumwateten und Muscheln ablösten oder mit großen Netzen fischten. Bald suchten wir uns auch an dem sehr zerklüfteten Strande eine heimliche Stelle auf, deren es hier sehr viele gab, wo das Meer ordentliche Mulden und Becken ausgehöhlt, die es beständig mit frischem klarem Wasser anfüllte, und worin wir badeten.
Einige hundert Schritt von unserm Hause befand sich eine Werfte für kleinere Schiffe, auf der in den Tagen unsers Aufenthalts beständig gebaut wurde. Sobald ein solches Fahrzeug ganz fertig ist, daß es in See gelassen werden kann, wird es von seinen Erbauern abergläubischer Weise scharf bewacht. Jedes Schiff ist ihnen eine Braut des Meeres und muß ihm als Jungfrau übergeben werden, wenn das gewaltige Element es gnädig behandeln und vor dem Untergang bewahren soll. Betritt nun aber ein Mädchen, dessen Sitten nicht die reinsten sind, den Bord und spricht dort gewisse Worte aus, so läßt es alle begangenen Sünden auf dem neuen Fahrzeug und ist selbst wieder rein geworden.
Nahe bei dem Thor der Stadt, das zu unserem Haus führte, stand ein Brunnen unter einer großen Platane, um den die türkischen Soldaten beständig haufenweis auf der Erde kauerten und in großen Schüsseln ihr Weißzeug wuschen. Mit diesen Kriegsknechten hatten wir mancherlei spaßhafte Auftritte. So vergesse ich nie eine Scene, die Abends, wenn wir spät aus der Stadt kamen, zwischen uns und der Thorwache gespielt wurde. In die Stadtmauer, die nach der Richtung unserer Villa lag, hatten ein Paar Kugeln bei dem Bombardement ein großes Loch gerissen, das aber die Behörde, um hier den Durchgang zu verhindern, mit Brettern und Sträuchern hatte zustellen lassen. Giovanni, oder der Janißair des Herrn von B., klopfte, wenn wir nach Hause wollten und das Thor schon geschlossen war, an das Wachthäuschen und rief, man solle öffnen. »Wer seid Ihr?« hieß es von Innen, ohne daß sich die Thür öffnete. – »Englische Offiziere;« denn so kam man am besten durch. Jetzt antworteten die drinnen: »O Herr, seid so gut, und geht ein Paar Schritte seitwärts, da werdet Ihr ein Loch in der Mauer finden, wo Ihr bequem durchgehen könnt.« – »Aber es ist ja mit Brettern zugestellt.« – »Schiebt sie nur etwas bei Seite, wir wollen sie morgen schon wieder davorstellen. Gott sei mit Euch!«
So lebten wir auf unserer Villa fast bis Ende December und die Zeit wurde uns nicht sehr lang. Wir hatten anfangs sehr gutes und schönes Wetter, was sich aber gegen Weihnachten mit einem Male änderte. Es fing an zu stürmen, zu regnen und wurde empfindlich kalt, und für uns um so beschwerlicher, da wir fast nichts hatten, uns dagegen zu schützen. Unsere schlechten hölzernen Läden vor den offenen Fenstern klapperten den ganzen Tag und ließen Wind und Kälte ein. Das Meer vor unserer Wohnung toste und lärmte oft betäubend. Wenn wir Abends ruhig in unserm Zimmer saßen, so war das Rollen und Donnern der Wellen an dem felsigen Ufer mit dem Geräusch zu vergleichen, das einige Batterien schwerer Geschütze, die im Galopp über das Pflaster fahren, verursachen würden. Unsere beiden Freunde, der Maler F. und Doctor B., die sich schon seit einigen Tagen unwohl fühlten, wurden bei dem kalten nassen Wetter so krank, daß sie ihre Teppiche nicht mehr verlassen konnten, und der Baron oft mehrmals des Tags den Arzt aus der Stadt holen ließ. Wenn auch das Unwetter nur einige Tage anhielt, so dauerte dagegen die Krankheit unserer Freunde desto länger und machte viele Projecte, namentlich zu Excursionen in das Gebirge, vor der Hand zu Wasser. Der Baron war zu besorgt, um unsere Kranken auch nur einen Tag allein zu lassen, und so würden wir wahrscheinlich von den malerischen Schluchten des herrlichen Gebirges, das wir beständig vor Augen hatten, vor unserer Abreise nach Damaskus nichts gesehen haben, wenn nicht eine andere Pflicht den Baron zu einem Ausflug in den Libanon genöthigt hätte. So sehr er sich nämlich in Beirut nach schönen Pferden umgesehen, hatte er doch noch nichts Edles gefunden. Dagegen erzählten die Söhne des östreichischen Konsuls viel von einer prächtigen Stute, die einem maronitischen Bischöfe angehöre und sich in einem der Klöster auf dem Libanon befände. Schon lange hatte der Baron gewünscht, dies Thier zu sehen; doch hatte ihn in der letzten Zeit das Wetter und die Krankheit der Freunde zurückgehalten. Eines Nachmittags aber ließ uns einer der Herren L. sagen: er reite morgen in den Libanon und wenn der Baron von der Partie sein wolle, so würde er gern mit ihm jene Stute aufsuchen. Da der fränkische Arzt aus Beirut, der unsere Kranken behandelte, zufällig bei uns war, und sie außer aller Gefahr erklärte, so beschloß der Baron, jenen Ritt am andern Morgen mit mir zu machen.
Giovanni besorgte uns noch am selben Abend zwei gute Pferde, und am andern Morgen ritten wir sehr früh aus. In der Stadt vereinigten wir uns mit den beiden Herren L., einem Herrn S. aus Stambul und zogen östlich von der Stadt der Bucht entlang, in welcher vor einem Monat die englische und östreichische Flotille geankert hatte. Jetzt lagen nur noch zwei Linienschiffe und eine Dampffregatte da. Der Janißair des östreichischen Consuls, ein junger schöner Türke, mit rothem goldgesticktem Kleide und eben solcher Hose, mit grünem Turban – er war ein Emir, Nachkomme des Propheten – ritt uns vor. In seinen Händen trug er einen langen Stab mit großem silbernem Knopfe, das Zeichen seiner Würde als Diener eines Gesandten, worauf er sich nicht wenig einbildete; denn so höflich und dienstfertig er gegen uns war, so brutal benahm er sich gegen die Leute, die ihm auf sein Geschrei nicht auswichen; entweder er ritt gerade auf sie zu oder schlug sie mit seinem Stabe auf die Köpfe, ganz wie dergleichen Leute bei uns. Unser Weg führte anfangs durch tiefen Sand, und obgleich die Pferde bei jedem Tritt bis an die Fesseln einsanken, ging es doch im raschen Galopp vorwärts. Hier am Ufer des Meeres sahen wir noch viel von den Verwüstungen, die der große Sturm vom ersten auf den zweiten December angerichtet halte. Bis auf hundert Schritt vom Ufer lagen kleinere Fahrzeuge zertrümmert auf dem Strande, um die sich Niemand bekümmerte; andere größere, die das Meer ebenfalls auf den Strand geworfen hatte, besserte man aus und suchte sie wieder in brauchbaren Stand zu setzen. Eines derselben mußte das Meer mit einer merkwürdigen Gewalt an's Ufer geschleudert haben; denn seine beiden große Masten waren nach unten gekehlt und staken tief im Sande. Ungefähr eine Stunde von der Stadt, bei einem kleinen Flüßchen, zeigte man die Stelle, wo der Sage nach der heilige Georg den Drachen erschlagen hat. Hier sahen wir eine Menge Einwohner der Stadt versammelt, sowie viele Soldaten, die in Reihe und Glied aufgestellt waren, und Offiziere, die ihre schönen Pferde tummelten. Sie repräsentirten die Garnison, sowie die Obrigkeit der Stadt Beirut, die hieher gekommen waren, um den neuen Gouverneur von Syrien, Zakariä Pascha, der heute von Aleppo einrücken sollte, zu empfangen. Der bisherige Commandeur, Izzet Pascha, der sich wegen der viele Grausamkeiten, die er früher verübt, den Namen eines Tyrannen zugezogen, hatte das Paschalik von Adrianopel bekommen.
Unser Janißair bat uns, etwas langsamer zu reiten, indem wir dann wahrscheinlich dem Zuge des neuen Pascha begegnen würden. Und so war es auch. Nach einer halben Stunde sahen wir in der Ferne eine Menge Reiter auf uns zukommen. An der Spitze ritten zwei, die mit ihren Pferden die seltsamsten Wendungen machten. Ihr Costüm war das unseres Janißairs, nur noch reicher mit Gold und Stickereien versehen, und in den Händen trugen sie zwei sehr lange Beduinenlanzen, die oben mit drei Büscheln schwarzer Straußenfedern verziert waren. Es waren zwei von den Kawaschen des Pascha, deren Beschäftigung auf jeder Reise desselben darin besteht, abwechselnd je zwei und zwei, vor ihm hin und her zu sprengen und den Herrn durch ihre Reiterkünste zu amüsiren. Diese Leute machten den Weg wenigstens hundertmal, bald bogen sie rechts, bald links auseinander, wandten sich dann und rannten mit eingelegter Lanze und lautem Hurrah an einander vorüber, um gleich darauf dasselbe Manöver zu wiederholen. Diese Reiter des Zakariä Pascha führten drei Büsche Straußenfedern an ihren Lanzen, weil ihr Gebieter Pascha von drei Roßschweifen und nach der neuen Ordnung der Dinge Ferik Pascha war. So schwer es ist, die Chargen des niederen türkischen Militärs an ihren Auszeichnungen zu erkennen, so leicht kann man von dem gewöhnlichen Pascha den Ferik Pascha unterscheiden; denn nur diesem ist es erlaubt, den Bart um das ganze Kinn wachsen zu lassen. Alle andere müssen sich mit einem Schnurrbarte begnügen.
Wie durch die Europäisirung alle türkischen Beamte und Soldaten das Meiste ihres früheren äußeren Glanzes verloren haben, so ist es auch bei den öffentlichen Aufzügen, wozu man die Reisen der Pascha rechnen kann. Mit welch' unerhörter Pracht zogen früher diese Statthalter von einer Provinz zur andern. Selbst im reichsten Costüme und mit Hunderten von unnützen, aber kostbar gekleideten Dienern umgeben. Jetzt ist das ganz anders geworden. Die Begleitung Zakariä Pascha's, der doch als Militär-Gouverneur von Syrien eine wichtige Stellung einnahm, bestand höchstens aus hundert bis hundertfünfzig Reitern. Er selbst ritt in dem Augenblick, wo wir ihm begegneten, ein schlechtes unansehnliches Pferd; doch wurden einige weit bessere, ziemlich reich geschirrt, hinter ihm geführt. Zakariä war ein Mann von mittlerer Größe, mit einnehmenden freundlichen Zügen und einem sehr langen Barte. Er trug einen dunkelblauen Ueberrock, auf welchem der Nischah Eftendar, aus schönen Brillanten bestehend, prangte. Auf dem Kopfe hatte er das rothe Feß mit langer blauseidener Quaste. Seine Begleitung bestand größtentheils aus Dienern seines Hauses, ebenfalls in einfachem Anzuge, dem blauen langen Rocke; sie waren nach der Beschäftigung, die sie zu verrichten hatten, fast nur durch ihre Waffen unterschieden. Die Kawaschen hatten die gewöhnlichen krummen Säbel und am Gürtel in einem gestickten Futteral zwei Pistolen hängen. Von den Pfeifenträgern, deren sich in dem Gefolge eines reichen vornehmen Türken stets viele befinden, trugen einige lange Tschibuks, andere das Nargileh, einige hatten Tabakbeutel an ihren Sätteln hängen und andere ein Kohlenbecken, worin sie Holzkohlen durch Blasen und Hin- und Herbewegen glühend erhielten. Die übrige Escorte bestand aus geringeren Dienern, Pferdeknechten und dergleichen, sowie aus Beduinen, die als Tartaren gebraucht werden, um Depeschen von einem Orte zum andern zu bringen. Letztere waren im altorientalischen Costüm, weiter Hose, kurzer Jacke und Turban; einer von ihnen führte eine kleine Pauke, die am Sattel hing und worauf er fortwährend schlug und ein einförmiges Getön hervorbrachte, zu welchem die Andern bisweilen sangen.
Als wir uns dem Pascha näherten, hielt er sein Pferd an und fragte auf türkisch sehr freundlich, wer wir wären und nach dem Zweck unserer Reise. Herr L. antwortete ihm: wir wollten einen Ritt in den Libanon machen, worauf Beide noch einige höfliche Worte wechselten und der Pascha weiter zog.
Der Libanon, welcher bei Beirut eine ziemliche Strecke weit zurücktritt und die Landzunge, worauf die Stadt liegt, in einem weiten Halbzirkel umgibt, versperrte uns jetzt den Weg am Strande, und wir begannen einen Abhang hinauf zu steigen, um auf dessen Höhe unsern Weg längs dem Meere noch eine Strecke fortzusetzen, ehe wir uns in's Innere des Gebirges wandten. Anfänglich war dieser Pfad ziemlich gangbar und obgleich er durch loses Geröll, womit er bedeckt war, den Pferden viel Mühe verursachte, doch breit und gefahrlos. Bald aber verengte er sich und führte uns auf treppenartigen Absätzen auf die Höhe einer steilen Felsenwand, deren Fuß von den Wogen des Meeres bespült wurde. Nie in meinem Leben hab' ich einen schauerlicheren Weg gemacht, als diesen, der uns jetzt, aber glücklicher Weise nur eine kurze Strecke auf der Wand fortführte. An der einen Seite neben uns ging sie zwei bis drei hundert Fuß tief hinab und war gegen das Meer zu überhängend, so daß es uns schien, als befänden wir uns auf einem Balken ohne Geländer; auf der andern Seite stieg der Fels senkrecht mehrere hundert Fuß in die Höhe, und unser Weg, der kaum drei Fuß breit war, neigte sich obendrein etwas gegen das Meer und war mit großem Geröll und hie und da mit dicken Steinen bedeckt.
Als wir mitten auf dieser gefährlichen Stelle waren, ereignete sich ein unangenehmer Vorfall, der glücklicher Weise aber ohne schlimme Folgen ablief. Einer unserer Begleiter, ein sehr junger Mann, der mit uns aus Konstantinopel gereist war, und vielleicht noch wenige dieser Bergritte gemacht hatte, rief uns plötzlich zu, wir möchten anhalten, ihm würde schwindlicht. Man kann sich unsern Schrecken denken. Da wir einer hinter dem andern ritten, so konnte ihm keiner helfen, weil der Weg so schmal war, daß wir nicht einmal absteigen konnten, geschweige denn mit dem Pferd umwenden. Einer der Herren L. rief ihm zu: er möchte die Augen schließen und sich eine Weile mit dem Oberkörper gegen die Felswand lehnen, was er befolgte. Nach Verlauf einiger Minuten erklärte er fortreiten zu können, und wir kamen glücklich über die Wand hinweg, und bis zu einer Stelle, wo der Fels ober uns etwas zurücktrat und allmälig in eine Schlucht hinabfiel, in welche sich der Hundefluß in's Meer mündete. Dort stiegen wir alle ab, um die Pferde einen ähnlichen treppenartigen Weg, der aber noch steiler ging, als der, welchen wir herauf gekommen, hinabzuführen.
Diese Schlucht war von der Natur so merkwürdig gebildet, daß ich es versuchte, ihre Umrisse mit wenigen Strichen in mein Taschenbuch zu zeichnen. Die Felsen, aus welchen gegen das Gebirge zu der Hintergrund bestand, und zwischen denen der Hundefluß hervorkam, waren wie Theaterdecorationen so vor einander geschoben, daß man unten in der Schlucht plötzlich den breiten klaren Spiegel des Flusses erblickte, ohne zu sehen, wo er herkäme. Alle Wände waren ganz senkrecht und bildeten einen Halbzirkel, der nur vorn eine gegen die Breite der ganzen Schlucht sehr schmale Oeffnung hatte, durch welche man weit in's Meer sah. Durch die beständig herabstürzenden Bergwasser waren die glatten Felswände stellenweise so gefurcht, daß sie wie an einander stehende kolossale Säulen aussahen. Beim ersten Betrachten und so oft ich mir später das Bild dieser Schlucht in's Gedächtniß zurückrief, kam sie mir vor, wie ein gewaltiger Dom, dessen Kuppel eingestürzt ist und von dem nur die nackten Wände stehen geblieben sind, durch welche man oben den Himmel sieht. Lange Wasserpflanzen oder Moose, die hie und da die Wände bedeckten, gaben obendrein einer regen Phantasie Stoff genug, sich verschiedene Zeichnungen daraus zu bilden.
Vielleicht dreihundert Schritte vom Meer entfernt überschritten wir den Hundefluß auf einer halb zerfallenen steinernen Brücke, bestiegen dann unsere Pferde und ritten längs dem Fluß gegen das Meer zu, um dort, wo das Gebirge wieder etwas zurücktritt, am Strande unsern Weg fortzusetzen. Der Himmel, der am Morgen klar und blau hernieder gesehen und uns einen schönen Tag versprochen, hatte sich nach und nach umzogen und sandte uns jetzt einen so gewaltigen Regenschauer herab, daß wir in unsern dünnen Kleidern ohne Mäntel in Kurzem ganz durchnäßt gewesen wären, wenn uns nicht der Janißair gezeigt hätte, wie sich die Araber, diese Söhne der Natur, in solchen Fällen zu helfen wissen. Schon oft hatte er bedenklich den Himmel angesehen und als die ersten Tropfen fielen, sprang er vom Pferde, schnallte seinen Sattel auf und zog die große Decke darunter hervor, die er sich wie einen Mantel über den Kopf und Oberkörper hing.
Bald verließen wir den Strand wieder und wandten uns durch Olivenpflanzungen und dichte Gruppen von Orangen- und Zitronenbäumen, deren Blüthen und Blätter nach dem Regen entzückend dufteten, dem Gebirge zu. An einen Weg war jetzt nicht mehr zu denken und wir ritten nur über weite Flächen, die sehr steil aufwärts gingen und mit mächtigen Felsblöcken wie übersäet waren. Diese weiten Abhänge sind rauh und kahl; nur hie und da wächst eine Platane oder Sycomore und der Boden ist mit Stachelgewächsen oder Wachholder bedeckt. Freundlich blickten auf diesen Haiden nach allen Seiten, in kleinerer oder größerer Entfernung, grüne Anpflanzungen hervor, aus denen sich die weißen Häuser der maronitischen und drusischen Dörfer erheben. Nach einer Stunde beständigen und sehr steilen Steigens, wobei wir uns mehrere Male um kleine Hügel herumwandten, sahen wir hoch über uns das Ziel unserer Tour, das Kloster Dair Mar Mikael. Die ziemlich weitläufigen Gebäude lagen an einem steilen Abhange, von mächtigen Platanen geschützt, die ihre Zweige weit hinausstreckten. Bald sahen wir auch das Dorf Zuk Mikael, zu welchem das Kloster gehört, das, wie alle diese Bergdörfer, in den Schluchten des Gebirges liegt.
Wenn nicht die eigentümliche und fremdartige Bauart der Häuser wäre, könnte man glauben, man nahe sich einem Dorfe am Rhein oder Neckar; denn ebenso wie dort, wird im Libanon viel Wein gebaut, und die Reben wachsen, wie bei uns, auf übereinander liegenden Terrassen.
Wir betraten jetzt einen Hohlweg, der uns zwischen diesen Weingärten nach dem Kloster führte. An einem Brunnen, bei dem wir vorbeikamen, standen mehrere Maronitinnen mit ihrem seltsamen Kopfputz. Die meisten sahen uns erstaunt und freundlich an und nur einige, wie gewöhnlich in solchen Fällen die häßlichsten, warfen schreiend ihre Schleier über den Kopf. Bald hatten wir die Höhe erstiegen und ritten durch ein großes Thor in den Hof von Dair Mar Mikael; dies Kloster besteht, wie die meisten in diesen Gegenden, aus einer Kirche und mehreren kleinen Gebäuden, die im Lauf der Zeit nach Bedarf und Vermögen aufgebaut wurden. Diese Häuser sind einstöckig, von Steinen aufgeführt, mit plattem Dache und Fensteröffnungen, die aber keine Glasscheiben haben, sondern eiserne Gitter und nur hölzerne Laden zum Verschließen. Wir gaben im Hof unsere Pferde ab, und ein Mönch führte uns in ein Gemach, wo sich der Bischof und einige der ältern Brüder befanden.
Dies war ein Erdgeschoß, ganz nach der Landesweise eingerichtet, den Boden bedeckten einige Teppiche und an den Wänden herum liefen niedrige Divans, auf welchen die alten Herren saßen. Es waren vier maronitische Mönche mit langen fast weißen Bärten, in schwarze Talare gekleidet, und Mützen auf dem Kopf, beinahe geformt, wie die der griechischen Geistlichen. Der Bischof, eine hohe majestätische Gestalt mit einem ausdrucksvollen Gesicht, war ebenfalls schon über die besten Jahre seines Lebens hinaus; er trug zur Unterscheidung von den übrigen ein hellbraunes Kleid und eine blaue Mütze. Nach den ersten Begrüßungen nöthigte er uns zum Niedersitzen, und ließ für uns Europäer einige Stühle herbeibringen. Dann wurde Kaffee und Pfeifen gebracht. Da einer der Herren L. die Reden des Bischofs gründlich verdolmetschte, so konnten wir lebhaftern Antheil als sonst an der Unterhaltung nehmen. Diese drehte sich hauptsächlich um die letzten Kriegsereignisse, um Ibrahim Pascha und die zahlreichen Scharmützel in den Gebirgen des Libanon. Mit vieler Umständlichkeit erzählte uns der Bischof, was sein Kloster während der Zeit Alles gelitten habe. Bald habe es Albanesen aufnehmen müssen, bald bewaffnete Drusen und andere Bergbewohner; dann Türken und ein paar hundert Engländer, die jene vertrieben und sich darauf eine Zeit lang in dem Dorfe und dem Kloster festgesetzt. Es ist interessant, einen Araber und selbst wie hier einen friedlichen Bischof Kriegsereignisse oder kleine Gefechte erzählen zu hören. Als er uns erzählte, wie sich die Drusen und Albanesen, wenn auch nur kurze Zeit, in dem Dorf und Kloster gegen die Engländer und Türken vertheidigt hätten, las man in seinen Mienen und hörte an seinen Worten lebhaft den Hergang dieses kleinen Scharmützels. Man hörte die Trommeln wirbeln, das Geschrei der Bergbewohner, das Klirren der Säbel und das Knallen des Gewehrs.
Nachdem wir uns kurze Zeit bei dem Bischof ausgeruht, führte er uns durch das Kloster und in die sehr einfache Kirche. Die Maroniten sind römisch-katholische Christen und die Einrichtung ihrer Kirchen und ihres Gottesdienstes ist wenig von dem der herrschenden Kirche unterschieden. Die Mönche sind entweder Eingeborne, wie hier im Kloster Dair Mar Mikeal und verstehen nur arabisch oder sind Missionäre des Auslandes, die dann unter dem Schutz ihrer respektiven Länder stehen. In diesen Klöstern befindet sich immer eine Menge junger Leute, die arabisch lernen. Wir machten noch einige Gänge durch das Dorf, dessen Häuser, mit Wein- und Obstgärten umgeben, um das Kloster gruppirt liegen. Dann führte uns der Bischof vor das Kloster unter die Platanen, von denen ich oben sprach, wo einige Ruhesitze angebracht waren, von denen wir eine entzückende Aussicht genossen. Vor uns lag der Libanon und das Meer in einem unendlichen Halbzirkel; links konnte ein gutes Auge Beirut erkennen, und gerade vor uns, sowie zur Rechten, blickten aus den grünen Schluchten zahlreich die weißen Gebäude der vielen Klöster und Dörfer des Libanon hervor. Während uns der Bischof auf diesem Platze, den wehendes Rebenlaub überdeckte und zu einer Laube umschuf, mit köstlichem Libanonwein und eingemachten Flüchten regalirte, ließ er uns sein schönes Pferd, die Stute, von der ich oben sprach, vorführen. Es war ein edles Pferd, schlank, zart und fein gebaut, wie alle diese Thiere. Doch konnte es der Baron für seinen Zweck nicht gebrauchen, da es außerordentlich klein war.
Indessen neigte sich der Tag zu Ende, und da sich der Himmel nach dem Wetter, das uns vorhin überrascht, nicht wieder aufgeklärt, sondern sich vielmehr noch schwärzer bezogen hatte, befürchteten wir einen frühern Eintritt der Dunkelheit, die uns auf den gefährlichen Wegen überraschen könnte und machten Anstalten zum Aufbruch. Der Bischof wandte seine ganze Beredtsamkeit auf, um uns die Nacht bei sich zu behalten, ein Vorschlag, welchen die Herren L. annahmen, den der Baron und ich aber, hauptsächlich wegen unserer beiden Kranken zu Hause, zurückweisen mußten. Wir ließen unsere Pferde vor das Kloster bringen, der Bischof ging mit hinaus und redete uns lange zu, die Nacht oben zu bleiben, und erst als er eine ziemliche Zeit mit uns gesprochen, fiel ihm ein, daß wir ihn nicht verstehen könnten, weßhalb er einen der Herren L. herbei rief und ihn bat, uns doch seine Worte recht genau zu übersetzen. Es that uns leid, seine Bitten abschlagen zu müssen, seine Bitten, die nach Art der arabischen Sprache so blumenreich und poetisch ausgeschmückt waren. Ich werde den Anblick des stattlichen alten Mannes nicht vergessen, wie er vor uns stand und bald die Hände des Barons, bald die meinigen nahm.
Der Himmel bezog sich immer schwärzer und ein lang hinrollender Donner kam seinen Reden zu Hülfe. Ich hatte ein Maler sein mögen, um den Bischof, aber mit dem, was er uns sagte, und wie er es uns sagte, zu malen. »Seht, meine Kinder,« sprach er, der Sturm hebt sich aus den Schluchten empor und zieht über uns zusammen, und Ihr verschmäht mein Haus, wollt fort in die Nacht und ich kann Euch nichts mitgeben, als meinen Segen. Die Dunkelheit wird Euch in den Bergen überraschen und wenn Euer Pferd ausgleitet und stürzt, blickt Ihr vergeblich umher nach dem Leuchten eines gastlichen Herdes.«
Es thut mir leid, nicht alle seine Reden behalten zu haben; aber sie waren wirklich ergreifend, und wir mußten uns fast mit Gewalt von ihm los machen. Er küßte uns auf die Stirn, wobei er uns oftmals sagte: »Gott möge Euch schützen!« Wir ritten mit dem Janißair, ohne den uns die Herren L. nicht wollten ziehen lassen, langsam den Berg hinab und sahen noch lange die ehrwürdige Gestalt des alten Bischofs oben stehen und die Hand gegen uns ausstrecken. Wo es der Weg zuließ, ritten wir rascher, denn die Dämmerung begann bei dem regnichten Wetter schon mächtig herein zu brechen. Unten am Meer, wo uns heute Morgen der Regen überrascht hatte, trafen wir auf einen großen Zug Türken und Beduinen, die den Harem Zakariä Paschas, dem wir am Morgen begegnet, sowie mehrere schöne Pferde desselben und einen Zug Maulthiere mit allerlei Effekten beladen, nach Beirut geleiteten. Die Damen saßen dicht verschleiert auf ihren Pferden und waren von schwarzen Verschnittenen umgeben. Wir ritten längs dem Zuge und die Leute grüßten uns Alle recht freundlich, besonders ein alter Beduinenschech tummelte bei unserem Anblick seinen starken Schimmelhengst, um uns seine Reiterkünste zu zeigen. Wir bezeugten ihm durch ein lautes Maschallah unser Wohlgefallen, worauf er mit einigen andern den Zug verließ, und eine Strecke im scharfen Trab neben uns herritt.
Fast jede Stunde im Orient bietet für den Europäer ein interessantes schönes Bild, gleich wie dieser Ritt am Fuße des Libanon. Die schwarzen Wolken am Himmel wurden von dem starken Winde, der sausend aus den Schluchten des Gebirges hervorbrach, rasch vorbeigetrieben, das Meer war unruhiger als heute Morgen und spritzte weiße Schaumwellen auf den Strand, über den wir zwei Europäer, von den Beduinen umringt, dahin jagten. Solche Augenblicke hatten immer für mich etwas unaussprechlich Angenehmes, das die Brust erweitert und das Herz schneller schlagen läßt, und es erging mir dann wie den Arabern, die die Freude ihres Herzens durch lautes Rufen kund geben. Ich sang in solchen Stunden gewöhnlich deutsche Lieder wie auch heute Abend.
Die Beduinen drängten sich näher an uns, als ich ihnen das Lied
»An des Rheines kühlem Strande
Steh'n viel Burgen, hoch und her ec.«
mit lauter Stimme vorsang, und die Klänge des heimatlichen Volksliedes schienen ihnen zu gefallen; denn sie verließen uns erst,
nachdem sie eine weite Strecke mit uns geritten waren und schickten uns noch manches »Maschallah« und »Allah il Allah«, mit welchen Worten sie ihre Freude bezeugen, nach.
Vor uns lag der Hundefluß mit seiner romantischen Schlucht, die bei der eingebrochenen Dämmerung noch schauerlicher aussah, als heute Morgen im hellen Sonnenlichte. Unser Janißair, um den Umweg über die steinerne Brücke, die weiter oben liegt, zu vermeiden, gab uns zu verstehen, man könne sehr gut mit den Pferden durch den Fluß reiten. Er trieb sein Pferd in's Wasser hinein, das demselben bis an den Bauch reichte, und der Baron, dem etwas dergleichen beständig Spaß machte, folgte ihm. Ich war eine kleine Strecke zurück und als ich mit meinem Pferde das Ufer hinabritt, waren beide schon einige zwanzig Schritt weit in den Fluß hinein. Doch hatten die Wellen sie etwas abwärts getrieben, wodurch ich die Richtung der Furth verlor und mit meinem Pferd, als ich es nöthigte, in's Wasser zu gehen, gleich bis an den Sattel hineinfiel. Doch arbeitete es sich den andern nach, verlor aber schon bei den ersten Schritten den Boden und fing an zu schwimmen, was mir, wie sich jeder leicht denken kann, höchst unangenehm war; denn der Fluß war sehr reißend, von Schnee und Regen angeschwellt und keine hundert Schritt neben mir hatte ich das offene Meer. Doch der Baron, der, als er sich zufällig umblickte, mich eine gute Strecke weiter abwärts schwimmen sah, wandte, ohne sich zu bedenken, wie er beständig that, wenn es galt, jemand zu helfen, sein Pferd und war in kurzer Zeit bei mir, worauf meines, alle seine Kräfte zusammen nehmend und durch das des Barons ermuthigt, das Wasser durchschnitt und wir glücklich das Ufer erreichten.
Ohne Unfall erstiegen wir die Felstreppe und ritten über die gefährliche Gallerie am Ufer, sowie auf der andern Seite wieder hinab an's Meer, wo unser Janißair alsbald sein Pferd in Carriere setzte und wir über den Strand gegen Beirut jagten. Es war ein wilder Ritt, wobei es galt, recht fest im Sattel zu sitzen. Bald mußten die Pferde in vollem Lauf über eins der kleineren Schiffstrümmer hinwegsetzen, das ihnen im Wege lag, bald scheuten sie sich in der Dunkelheit vor einem der größeren und umgingen es mit einem gewaltigen Seitensprung. Der Mond ging in einer schmalen feinen Sichel auf, als wir um die Stadt herum nach unserer Burg ritten, wo uns die Freunde erwarteten.
Während unserer Abwesenheit hatte sich der Hausstand um ein Mitglied vermehrt. Heute Morgen, erzählte uns Dr. B., als ich gerade mein zehntes Glas Mandelmilch trank– dies war nämlich im Laufe der Krankheit seine größte Leidenschaft – öffnet sich die Thür und es tritt ein Mensch herein, der, vor Freude stotternd, sich in deutscher Sprache als unsern Landsmann zu erkennen gibt und nach dem Baron v. T. fragt, den er in Stuttgart oft gesehen haben wollte. Dieser Mann hatte während einer achtjährigen Dienstzeit bei verschiedenen Herren seltsame Schicksale gehabt. Von Stuttgart aus, wo er als Kutscher diente, ging er als Reitknecht zu dem Prinzen Louis Napoleon nach der Schweiz, darauf mit seinem Herrn nach London, von wo aus er die fabelhafte Expedition nach Boulogne mitmachte, dort arretirt und wie alle hiebei Betheiligten nach Paris gebracht wurde. Dort aber fand man mit Recht nichts Verdächtiges an ihm, – und wir Alle können darüber beistimmen, daß er zum Revolutionär keine Anlagen hatte, – und entließ ihn mit dem Bedeuten, Frankreich nie mehr zu betreten. Darauf kehrte er nach London zurück und nahm Dienste bei einem Cavallerieoffizier der englisch ostindischen Compagnie, der ihn über Spanien und Portugal mit nach Beirut genommen hatte. Hier aber hatte er sich überlegt, daß Indien doch etwas sehr weit von der Heimath wäre und als er vernahm, daß wir angekommen seien, stieg in ihm die Hoffnung auf, wir würden ihn vielleicht wieder mit zurück nach Schwaben nehmen können, wo es doch immer besser sei, als wie unter den Heiden, und er wandte sich deßhalb an den Baron mit der Bitte, ihn in seine Dienste zu nehmen. Der Baron, der stets gern bereit war, jedem zu helfen, wo er konnte, und der, wenn er Pferde kaufte, ohnehin noch einen Bedienten annehmen mußte, engagirte ihn, und Friedrich wurde als erster Stallknecht unserem Staate einverleibt.