Friedrich Wilhelm Hackländer
Reise in den Orient. Erster Band
Friedrich Wilhelm Hackländer

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Gasthöfe und Kaffeehäuser.

Wer, wie wir, die wohl eingerichteten Donau-Dampfschiffe verläßt, um einen Ritt durch die Türkei zu machen, der, an sich schon ungefähr acht Tage dauernd, noch durch eine zehntägige Quarantaine unangenehm gemacht wurde, eine Quarantaine, worin es weder Betten, Tische, noch sonst irgend ein Möbel gab, wo wir unsern Pillau mit Hühnern selbst kochen und unsere schmutzige Wäsche eigenhändig waschen mußten, kann denken, daß wir mit größtem Verlangen einer Anstalt, Pension oder Gasthaus, wie man es nennen will, entgegensahen, die uns in Konstantinopel aufnehmen sollte und die, von einer liebenswürdigen Landsmännin geführt, gewiß Alles darbot, was zur Erquickung ermüdeter Reiter dient. Pera, das, wie schon gesagt, nur von Franken bewohnt wird, hat mehrere dergleichen Anstalten, unter denen uns die der Madame Balbiani, einer Elsäßerin, als besonders gut und angenehm gepriesen worden war. Obgleich Hamsa, unser edler Tartar, die Genüsse der großen Karavanserei sehr lockend schilderte, brachte er uns doch bereitwillig durch die engen steilen Gassen Pera's nach einem kleinen freundlich aussehenden Hause, das, wenn es auch kein gemaltes Aushängeschild hatte, uns doch gleich mächtig anzog; denn beim Pferdgetrappel auf der Straße erschien die Besitzerin und bewillkommte uns herzlich in deutscher Sprache.

Unsere Pferde wurden abgepackt, Sättel und unsere Effekten in das Haus niedergelegt und Hamsa durch Auszahlung der ihm noch zukommenden Summe verabschiedet. Dem Tartaren liefen die Thränen in den Bart, als er uns einzeln die Hand drückte und dem Baron versicherte: er habe noch nie einen so freundlichen guten Herrn gehabt, wie ihn, und würde auch schwerlich wieder einen solchen begleiten.

Fast hätten wir noch einmal eine kleine Quarantaine oder wenigstens eine Beräucherung aushalten müssen. Da es bekannt war, daß sich die Pest bei Adrianopel gezeigt hatte, so konnten nur die heiligsten Versicherungen, daß wir dort Quarantaine gehalten, die Wirthin vermögen, uns sofort in ihre Zimmer treten zu lassen, ohne zuvor in einen großen Schrank zu kriechen, der vorne ein großes Loch hat, zu welchem man den Kopf herausstreckt, und am Boden eine Vorrichtung, wo Wachholder und anderes Räucherwerk einen gewaltigen Dampf hervorbringt, der von unten herauf alle Kleidungsstücke durchdringt. Diese Pension ist ziemlich auf dem Fuß europäischer Gasthöfe eingerichtet, hat einen Speisesaal und Zimmer mit einem oder zwei Betten, die alle mit Vorhängen von feiner Gaze versehen sind, um während der heißen Jahreszeit die dem Schläfer sehr lästigen Insekten abzuhalten. Die übrige Einrichtung ist halb türkisch, halb fränkisch. Auf dem Boden liegen Teppiche, und nirgends fehlt der breite Divan an der Seite, wo die Fenster sind.

Die größte Unbequemlichkeit in der kältern Jahreszeit ist der Mangel an Oefen, deren man bei der schlechten Bauart der Häuser, Feuersbrünste fürchtend, so wenige wie möglich aufstellt, und das sehr verkehrter Weise; denn das Surrogat dafür, das Mangahl, ein kupfernes Gefäß, in Form einer großen Vase, das mit glühenden Kohlen angefüllt und im Zimmer aufgestellt wird, kann bei der geringsten Nachläßigkeit viel eher ein Haus anzünden, als ein verschlossener Ofen, besonders bei den Orientalen, denen der Mangahl schon deßhalb fast unentbehrlich ist, da sie nur hineinzulangen brauchen, um ihre Pfeifen anzuzünden. Fast jede Woche brennen einige Häuser ab, was auch während unseres Aufenthaltes der Fall war; aber bei der grenzenlosen Nachlässigkeit, womit der Türke die noch heiße Kohle von der Pfeife auf die Strohmatte wirft, ohne sich ferner darum zu bekümmern, erscheint dies noch sehr wenig.

In Pera gibt es drei solcher Pensionen, von denen die der Madame Balbiani die vorzüglichste ist, weßhalb man selten bei ihr Platz findet. Auch unsere Gesellschaft, aus vier Personen bestehend, – unser englischer Freund R. hatte uns nämlich verlassen, um eine Privatwohnung bei der englischen Gesandtschaft zu beziehen – konnte im Hause selbst nicht ganz untergebracht werden, sondern zwei mußten sich entschließen, ein von der Madame Balbiani gemiethetes Zimmer in einem Nebenhause zu beziehen.

Die Preise in diesen Gasthöfen sind nicht außerordentlich hoch. Man bezahlt täglich für ein Zimmer mit Kaffee, Frühstück und Mittagessen gegen vierzig Piaster, was an vier Gulden Conventionsmünze macht. Eine andere dieser Pensionen, deren Besitzerin eine Französin ist, hat einen Tanzsaal, wo sich zuweilen die Bevölkerung Pera's vergnügt, sowie ein kleines Theater, in dem damals eine französische Schauspielergesellschaft kleine Lustspiele und Vaudevilles gab.

Die übrigen Restaurations-Anstalten Pera's haben für den Reisenden kein weiteres Interesse und nichts Originelles. Es gibt ein griechisches, ein italienisches und ein französisches Kaffeehaus, in welchen man ein oder zwei sehr alte Exemplare unbedeutender Journale findet. Diese Café's sind mit Tischen und Stühlen versehen, kurz, so gut es sich thun läßt, wie die unsrigen eingerichtet. Wir besuchten sie höchst selten, da man nicht immer gewiß ist, welche Gesellschaften man dort antrifft, und auch weil man dort nur Sachen bekommt, die man viel besser zu Hause hat; französischen Liqueur in kleinen Gläsern und Kaffee und Thee in großen Tassen.

Ueberhaupt haben alle Café's in Pera, Galata und Top-Ghana durch den häufigen Besuch der Franken fast ihre ganze Originalität verloren; sie vereinigen auf die wunderlichste Art den Orient und den Occident.

Um sich die Genüsse eines ächt türkischen Kaffeehauses zu verschaffen, muß man über den Hafen setzen. Nicht immer war der Kaffee und der Tabak bei den Orientalen so allgemein verbreitet und beliebt, wie jetzt. Es gab eine Zeit, wo die Tavernen, in denen Wein geschenkt wurde, geduldet und häufig besucht, dagegen Kaffeehäuser und Tabagien geschlossen und strenge verboten waren. Doch da der Buchstabe des mohamedanischen Gesetzes den Genuß des Weins strenge verbietet, ein Verbot, das keine weltliche Obrigkeit aufzuheben im Stande ist, so ist in diesem Punkte der Koran wieder in seine Rechte eingetreten, der Wein verdrängt worden und der Genuß des Kaffee's und Tabaks verbreitete sich reißend und allgemein, ja ist jetzt das unentbehrlichste Bedürfniß geworden.

Schon ein älterer türkischer Dichter singt von ihnen: »Schwarz, doch lieblich ist der Kaffee, wie das Mädchen, das braune. Das bei Tage erheitert den Sinn, und den Schlaf bei der Nacht raubt. Und der Tabak ist ein sicheres Beschwörungsmittel dem Manne, Der mit den Wolken des Rauchs die Wolken der Sorgen hinwegbläst.«

Wie man sich von den meisten Sachen, die uns sehr fern liegen und öfters besprochen werden, einen viel glänzenderen Begriff macht, sie viel herrlicher ausmalt, als sie in der Wirklichkeit sind, so ist es uns besonders mit den Kaffeehäusern ergangen. Die Ansichten, die man uns von diesen Lokalen gibt, in letzterer Zeit besonders die Werke mit Stahlstichen, die Alles so rein und sauber erscheinen lassen, überreden uns, ein türkisches Kaffeehaus sei meistens eine Halle, von Säulen getragen, alle Wände mit schönem bunt gemaltem Schnitzwerk bedeckt, und die größte Reinlichkeit gehe daselbst mit der Zierlichkeit der Ausstattung Hand in Hand.

Und doch ist nichts von allem dem wahr. Wir haben fast alle Kaffeehäuser Stambuls durchsucht und hofften endlich einmal auf eins zu stoßen, wie man es uns beschreibt und zeichnet. Aber vergebens; wohl gab uns unser Führer mit Mienen und Worten zu verstehen, jetzt wären wir zu einem gelangt, das der Inbegriff alles Schönen sei. Wir traten ein und befanden uns in einer gewölbten Halle, an deren Wänden man gewisse Linien und Schattirungen bei näherer Betrachtung für Bildhauerarbeit erkannte, die einstens sehr schön gewesen sein mochten, jetzt aber durch Zeit und Schmutz ganz verwittert waren. Längs den Wänden befinden sich Divans oder vielmehr hölzerne Erhöhungen ohne Kissen, nur mit einer Strohmatte bedeckt, auf denen die Gäste mit untergeschlagenen Beinen in gedankenlosem Hinstarren sitzen und aus dem Tschibuk oder Nargileh große Rauchwolken vor sich hinblasen. In einer Ecke ist unter einem Kamin mit spitzem Dach ein kleiner Herd angebracht, auf dem der Kaffeetchi den Kaffee zubereitet. Nachdem man sich den reinlichsten Platz ausgesucht, verlangt man einige Tassen Kaffee, sowie die Pfeife, und nach vielem Rufen erheben sich ein paar Negerbuben, die sich auf dem Boden herumraufen, fahren in ihre bereitstehenden großen Pantoffeln und rutschen vom Kaffeetschi (Kafféewirth) zum Gast, um ihn zu bedienen.

Hiebei ist nun noch als eigenthümlich zu bemerken, daß, obgleich man im Orient kleine Kaffeemühlen findet, welche die Form eines Cylinders haben und in den Gürtel gesteckt werden können, doch die meisten großen Städte eine allgemeine Kaffeestampfe (Tachmisshane), haben. Hammer sagt hierüber: die Anstalt der Tachmis ist eine, den morgenländischen Städten ganz eigene. Es wird darin der für den Bedarf der ganzen Stadt nöthige Kaffee gestampft und gesiebt. Das Sieben – tachmis heißt wörtlich: das Fünftel ausziehen und ist hiervon wohl das französische Wort tamis – Sieb – herzuleiten. Eine solche Kaffee-Stampf- und Sieb-Anstalt befindet sich in Konstantinopel in der Nähe der Moschee Sultan Mahomed IV. Die hiebei verwendeten Leute sind Armenier, denen die geistige Atmosphäre des Kaffeedunstes, in der sie beständig leben, ein aufgewecktes geistreiches Ansehen gibt, das mit den schwerfälligen geistlosen Grundzügen der armenischen Gesichtsbildung in sonderbarem Widerspruche steht.«

Meistens trinkt der Orientale seinen Kaffee ohne Zucker und in den Café's muß man ihn besonders verlangen. Das Getränk an sich ist sehr stark und übt auch auf uns die Kraft, die ihm der Orientale zuschreibt. Es macht aufgeweckt, lustig und der Türke sagt: es mache nüchtern, weßhalb er es, nachdem er sich durch Opium und Tabak berauscht, zum Niederschlagen genießt.

Die gewöhnliche Pfeife in den Café's, die man dem Gast, ohne daß er sie fordert, hinstellt, ist das Nargileh, die Wasserpfeife, mit langem Schlauche. Es besteht aus einer Flasche, in der sich Wasser befindet; auf dem Halse sitzt der kupferne Pfeifenkopf, der entweder mit Meerschaum ausgefüttert oder so weit ist, daß man einen andern von Ziegelerde, der unten das Zugloch hat, hinein stecken kann. Von diesem kupfernen Aufsatz oder Kopf geht eine gerade Röhre nach unten, die in einer hohlen durchlöcherten Kugel endigt, welche bis unter das Wasser reicht. Eine andere Röhre am Aufsatz führt ebenfalls mit einem Ende in die Flasche, jedoch so, daß ihre Oeffnung mehrere Zoll über dem Wasserspiegel bleibt, und biegt sich mit dem andern Ende, das sich erweitert, nach außen, wo dann das lange gewundene Rohr hineingesteckt wird.

Der Tabak, der zu diesen Pfeifen geraucht wird, ist vom gewöhnlichen Rauchtabak verschieden und heißt deßhalb ausschließlich Nargileh-Tabak. Es sind große, hellgelbe Blätter, die an der Sonne so stark getrocknet werden, daß man sie mit den Händen zu einem Pulver zerreiben kann. Dies wird dann mit Wasser zu einem Brei gemacht, den man mehrmals ausdrückt und wieder begießt, um den Schmutz und Staub fort zu schwemmen. Den Teig, den man auf diese Art erhält, stopft man in den Kopf, legt eine glühende Kohle auf und beginnt die Arbeit des Rauchens, bei dieser Pfeife eine wirkliche Arbeit; denn es gehört eine gute Lunge und viel Geduld dazu, um den Tabak durch lange Züge in Brand zu bringen, daher auch der vornehme Türke dies Geschäft seinem Sklaven überlaßt. In den Café's besorgt das Anrauchen der Pfeifen auf Verlangen der Wirth oder die aufwartenden Buben. Der Tschibuk oder die lange Pfeife wird hier seltener geraucht, ist aber auch zu haben.

Ein anderes Attribut der türkischen Kaffeehäuser, von dem man uns so viel erzählt, sind die Springbrunnen, die man in den meisten antreffen soll, und die, wenn sie wirklich noch da wären, mit ihrem einfachen, aber melodischen Geplätscher eine gute Folie abgäben, auf der die Träume und Gedanken des ruhig dasitzenden Kaffeetrinkers recht lebendig hervortreten könnten. Wie man aber in der Türkei so viele zerbrochene Denkmale findet, die einst schön und herrlich waren, so ist es auch mit den Springbrunnen.

Ich gestehe, fast in jeder, auch der ärmlichsten Kaffeestube erhebt sich in der Mitte des mit Schmutz bedeckten Bodens, der hie und da, wo zufällig Wasser hinfällt, bunte, schön gefügte Marmorsteine sehen läßt, ein zierliches, aus Stein gehauenes Bassin, das oft mit den herrlichsten Sculpturen bedeckt ist. Aber die Röhre, aus denen früher der Wasserstrahl gegen die Decke stieg, ist zerbrochen oder verstopft, das Bassin ist leer und dient zum Behältniß für zerbrochene Tassen und Tabaksasche.

Das Einzige, was vielleicht von früher diesen Häusern geblieben ist und den Fremden interessirt, ist das rege Leben, das hier beständig herrscht; ich sage Leben, insofern man das Gehen und Kommen der Gäste so nennen kann; denn von Plaudern und Lachen ist keine Rede. Der Orientale tritt ein, wirft seine Blicke ruhig umher, bis er einen Platz gefunden, der ihm behagt, setzt sich dann mit untergeschlagenen Beinen, gibt dem Kaffeetschi einen Wink und nimmt Kaffee und Pfeife, ohne ein Wort zu sprechen. Findet er zufällig Bekannte auf derselben Bank, so grüßt er sie durch Auflegen der Hände an die Brust und Stirn, ohne sich weiter um sie zu kümmern.

Da der Türke, der es bestreiten kann, fast stündlich seinen Kaffee trinkt, und es dem Aermeren erlaubt ist, am Feuer des Wirthes mit seinem eigenen Geschirr den mitgebrachten Kaffee zu kochen, so sind die Kaffeehäuser stets mit einer bunten Menge gefüllt, die um so größer ist, da der Orientale zum Sitzen nur einen sehr kleinen Platz braucht. Die Gäste, die zuletzt kommen und auf den Bänken keinen Platz mehr finden, lehnen sich an die Thüre, und sie waren es, die uns die meiste Unterhaltung gewährten. Wenn sie auch noch so dicht beisammen standen, so sprach selten Einer mit dem Andern, und da sie, ruhig vor sich hinsehend, fast keine Bewegung machten, so konnte man sie eher für Wachsfiguren, als für Menschen halten.

Ein anderer Genuß, den sich die Türken in den Kaffeehäusern verschaffen, ist das ruhige Anhören der Balladen und Gedichte, welche ihnen die Meddah (Lobredner und Declamatoren) der Kaffeehäuser zum Besten geben. Der Meddah sitzt in einer Ecke und trägt meistens in sehr unangenehmem näselnden Tone Erzählungen aus tausend und eine Nacht vor, oder aus den Rittergeschichten Antar's oder Dulhama's. Bald erzählt er von den Zügen Alexanders, bald preist er Sid-al-battal, den Kampfhelden.

Oft sind diese Meddah vom Kaffeetschi gemiethet und müssen vom Morgen bis in die Nacht, es mögen viel oder wenig Gäste da sein, ihre Geschichten ableiern, und es ist gewiß merkwürdig, daß der Türke, wenn er von seinen Geschäften ausruhen will, vorzugsweise die Kaffeehäuser besucht, wo sich die Meddah aufhalten, um zu seinem Kaffee irgend eine Erzählung anzuhören, von der er das Ende nicht erwarten kann, welches sofort ein Anderer, der nach ihm kommt, ebenso begierig vernimmt, ohne den Anfang gehört zu haben. An manchen Orten warten aber die Erzähler, bis sich mehrere Gäste versammelt haben. Besonders lebhaft sind diese Unterhaltungen in den Nächten des Ramasan, wo eine Violine, wohl auch eine Flöte die Erzählungen begleitet und zu einem Melodrama macht.

In Konstantinopel, sowie auch in Pera, Galata und den andern Vorstädten, gibt es eine Unzahl Kaffeehäuser der beschriebenen Art. Dazu kommen noch die für das ärmere Volk, welche in einem Winkel der Straße etablirt sind. Hier hat der Kaffeetschi einige Steine zusammengetragen, zwischen denen er sein Feuer anmacht und das er durch einen ausgebreiteten Teppich gegen den Wind schützt. Große Steine oder kleine Stühlchen aus Palmenholz dienen den Gästen zum Sitzen. Auch hier fehlt der Meddah nicht, besonders an schönen Abenden, wo ihn die Handwerker und Taglöhner nach beendigtem Tagwerk in dichten Gruppen umstehen und aufmerksam seinen Worten lauschen. Die größten und schönsten Café's sind in der Nähe der großen Moscheen, besonders der Suleimanje, und hier ist auch der Sammelplatz der Teriaki oder Opiumesser, die jedoch hauptsächlich Abends ihr Wesen treiben. Wir hatten in den Nächten des Ramasan mehrere Male Gelegenheit, sie zu beobachten.

Ähnlichkeit mit den Kaffeehäusern haben die Laden der Sorbet- oder Scherbetbereiter, deren Fabrikat kein berauschendes Getränk ist, sondern Gelée von Früchten, in eiskaltem Wasser aufgelöst. Ihre Gewölbe, in welchen weniger geraucht wird, haben ein viel hübscheres, gefälligeres Aussehen als die Kaffeehäuser. Die mannigfaltigsten Gläser mit Geléen und Konfitüren sind an den Wänden in bunt bemalten Fächern aufgestellt, der Boden meist mit Matten belegt, und wenn man auch wirkliche Springbrunnen nur in einigen der größten findet, so ist doch in den meisten irgendwo an der Wand ein Fäßchen mit frischem eiskaltem Wasser angebracht, das man nach Belieben in die dabei stehenden Krystallgläser füllen und genießen kann. Viele dieser Sorbethändler haben nur einen kleinen Laden, in dem kaum ihre Waaren Platz finden, weßhalb sie zum Aufenthalt der Gäste vor dem Hause eine Laube von bunt angestrichenen Latten aufführen, über welches sie Reben und anderes Schlinggewächse ziehen. Ist es möglich, so lehnen sie eine solche Laube mit einer Ecke an einen der vielen öffentlichen Brunnen und haben so auf öffentliche Kosten eine eigene Fontaine. Dieses Verfahren ist freilich etwas egoistisch; aber die Stambuler Polizei findet es unter ihrer Würde, sich um dergleichen Kleinigkeiten zu bekümmern.

Wenn wir den Tag über in den Gassen Konstantinopels herumgelaufen waren und uns Abends, vom vielen Sehen ermüdet, auf den Weg nach Pera machten, so zogen uns nicht selten die kleinen Lichtchen, welche die Sorbetbereiter in ihren Lauben aufstellen, durch ihr heimliches, freundliches Glitzern zwischen dem grünen Gesträuche von der schmutzigen Gasse in das meist reinliche Lokal, und wir beschloßen unser Tagewerk mit einem Glas Sorbet.

Dem Wirth und den Gästen schien unsere Ankunft immer eine große Ehre zu sein. Ersterer bemühte sich, uns auf's Schnellste und Beste zu bedienen, und die Andern rückten uns näher, boten uns ihre Pfeifen an und richteten eine unendliche Menge Fragen an uns, von denen wir freilich keine einzige beantworten konnten.

Durch unsere Forschung nach den gepriesenen Schönheiten der türkischen Kaffeehäuser dauerte es nur wenige Tage, und wir hatten gleich den Eingebornen die Gewohnheit des vielen Kaffeetrinkens angenommen und machten bei unsern Touren durch Konstantinopel öfters Halt, um in ein Café zu treten, das uns gerade im Wege lag.

Außerdem besuchten wir einige, die uns durch ihre Gäste interessant waren. So fanden wir am Seraskierplatz nicht selten die höchsten Würdenträger des Reiches, unter Andern Neschid Pascha und Rifad Bei. Bei den Bazars ergötzten wir uns an der Gravität, mit der die Kaufleute, den langen Bart streichend, ein- und ausgingen. Ein anderes Café war fast nur mit Arnauten angefüllt, an deren unangenehmen, trotzigen Physiognomien, kräftigen Gestalten und schönem Costüme unser Maler seine Studien machte, und so oft wir in die Gegend der Suleimanje kamen, traten wir in eines der Kaffeehäuser dort, dessen Wirth, ein kleines Männchen, mit ungeheurem Turban und Pantoffeln, die für einen Riesen groß genug gewesen wären, jedesmal durch groteske Sprünge seine Freude an den Tag legte, uns wieder zu sehen. Er trieb es so arg, daß er seine gewöhnlichen Gäste veranlaßte, uns ihre Plätze einzuräumen, was diese auch meist gutwillig thaten, worauf er uns eigenhändig bediente, den Kaffee sehr süß machte und uns die Nargileh's mit den längsten Schläuchen aussuchte.

Wie sich Konstantinopel mit seinen glänzenden Moscheen und stattlichen Palästen als die schönste der türkischen Städte zeigt, so ist auch die Hauptstadt des Reichs die erste in Betreff des Schmutzes, der die Straßen fast aller türkischen Städte bedeckt. So glänzend sie von außen anzusehen sind, und so sehr sie den Blick des Reisenden locken, daß er sich beeilt, baldmöglichst unter jenen Hallen und unter die Schatten der grünen Baumgruppen zu gelangen, die malerisch zwischen den Gebäuden hervorsehen, um so mehr bedauert er, sobald er in der Stadt angelangt ist, sich nicht mit dem bloßen Anblick derselben begnügt zu haben. Uns erging es wenigstens mehrere Male so, z. B. in Schumla, Adrianopel, welche, besonders die erstere Stadt so ungemein lieblich am Fuße des Balkans gelagert ist, und von Weitem so rein und freundlich aussieht, und in deren Straßen unsere armen Pferde fast bis über die Kniee im Morast versanken.

Da wir bei unserem Ritt durch die Türkei, wie schon oft bemerkt, so unendlich großartigen Schmutz gesehen hatten, so überraschten uns in dieser Hinsicht die nicht reinlichere Straßen der Hauptstadt nur, weil manche Reisebeschreiber dieselbe als reinlich, schön und angenehm darstellen.

Fast alle Gassen Stambuls – Straße»kann man sie nicht nennen – sind sehr enge und zu beiden Seiten mit hohen Häusern eingefaßt, eigentlich die meisten nur mit Mauern, da nach türkischer Sitte das Wohnhaus mit dem hintern Theile, wo keine Fenster sind, die Straße berührt, der, wenn auch hie und da ein Fenster, dasselbe doch immer stark vergittert hat, eine melancholische Verschleierung. Obgleich die meisten dieser Gassen ehemals mit Steinen gepflastert waren, so sind dieselben durch den starken Verkehr in der Mitte ganz zusammengetreten, und bilden bei nur etwas feuchter Witterung einen einzigen Kothbach, der sich fast durch die ganze Stadt zieht. Zu beiden Seiten der Gasse, wo der Strom der Menschen und Thiere nicht so verderbend hinfließt, blieben hie und da Pflastersteine stehen, die jetzt eine Art Trottoir bilden, das jedoch nur für den zu passiren ist, der es versteht, von einem der glatten Steine auf den andern zu springen, ohne sich durch die Aussicht in den unendlichen Koth irre machen zu lassen.

Die Gassen, von denen ich eben sprach, an welche sich die Rücken der türkischen Wohnhäuser lehnen, sind, wenn auch hiedurch die finstersten, doch nicht die schmutzigsten der Stadt, da in ihnen nicht der starke Verkehr herrscht, wie in andern Stadtvierteln, wo sich die unendliche Menge der größeren und kleineren Bazars befindet.

Diese liegen meistens auf der Hafenseite. Sie fangen schon bei den Landungs- und Ladeplätzen an, und von da bis zu den Thoren der Stadt sieht man die Händler, eine Gasse bildend, in zwei Reihen aufgestellt. Das ganze Waarenmagazin dieser Leute besteht aus einem Tische, auf dem sie ihre Produkte: Früchte, Brod, Confituren etc. aufgestellt haben. Andere bieten ihre Waaren in großen Körben aus. Es sind die Anfänge des Bazars.

Innerhalb der Thore der Stadt sind in allen Häusern zu beiden Seiten offene Buden, in denen, wie es im Orient Sitte ist, nicht nur fertige Waaren verkauft werden, sondern auch Handwerker aller Art vor den Augen der Vorübergehenden sitzen und ihr Geschäft treiben. Schon in kleineren Städten halten sich die verschiedenen Arten der Handwerker so viel wie möglich zusammen. Auf eine Reihe Schuhmacher folgt eine Reihe Tischler oder Waffenschmiede u.s.f. Einzeln liegen fast nur die Apotheken und die kleinen Schulen.

Andere Gassen der großen Stadt führen ihren Namen, die jedoch nicht wie bei uns an den Ecken angeschlagen sind, meistens von Palästen und eigenthümlichen Gebäuden, die in denselben liegen, oder von Thoren und Thürmen, zu welchen sie führen. So gibt es eine Gasse des Mehlmagazins, des weißen Palastes, des süßen Brunnens, des Kanonenthors, sogar eine des verschlossenen Backofens, ferner die Gasse Ali Pascha, des Doktorsohns. Wirklich sonderbare Namen findet man in den Vorstädten; so heißt eine in Pera: die Halsabschneidergasse; neben ihr liegt die Welteroberergasse und in Top-Chana ist die Gasse: »Frag' nicht, geh' hinein!«

Unzertrennlich von den Gassen Konstantinopels ist der Gedanke an ihre permanenten Bewohner, die herrenlosen Hunde, die man in zahlloser Menge auf ihnen erblickt. Gewöhnlich macht man sich von Dingen, von denen man oft liest, eine große Idee, und findet sich getäuscht. Nicht so bei diesen Hunden. Obgleich alle Reisenden darüber einig sind, sie als eine Plage der Menschen darzustellen, so sind doch die meisten bei der Beschreibung dieses Unwesens zu gelinde verfahren.

Diese Thiere sind von einer ganz eigenen Race; sie kommen in der äußern Gestalt wohl am nächsten unsern Schäferhunden, doch haben sie keine gekrümmte Ruthe und kurze Haare von schmutzig gelber Farbe. Wenn sie faul und träge umherschleichen oder in der Sonne liegen, muß man gestehen, daß kein Thier frecher, ich möchte sagen, pöpelhafter aussieht. Alle Gassen, alle Plätze sind mit ihnen bedeckt; sie stehen entweder an den Häusern gereiht und warten auf einen Bissen, der ihnen zufällig hingeworfen wird, oder sie liegen mitten in der Straße, und der Türke, der sich äußerst in Acht nimmt, einem lebenden Geschöpfe etwas zu Leide zu thun, geht ihnen aus dem Wege. Auch habe ich nie gesehen, daß ein Muselmann eins dieser Thiere getreten oder geschlagen hätte. Vielmehr wirft der Handwerker ihnen aus seinem Laden die Ueberreste seiner Mahlzeit zu. Nur die türkischen Kaikschi und die Matrosen der Marine haben nicht die Pietät, weßhalb mancher Hund im goldenen Horn sein Leben endet.

Jede Gasse hat ihre eigenen Hunde, die sie nicht verlassen, wie in unsern großen Städten die Bettler ihre gewissen Standorte haben, und wehe dem Hund, der es wagt, ein fremdes Revier zu besuchen. Oft habe ich gesehen, wie über einen solchen Unglücklichen alle anderen herfielen und ihn, wußte er sich nicht durch schleunige Flucht zu retten, förmlich zerrissen. Ich möchte sie mit den Straßenjungen in civilisirten Ländern vergleichen; wie diese wissen sie ganz gut den Fremden vom Einheimischen zu unterscheiden; denn wir brauchten nur in einer Ecke des Bazars etwas Eßbares zu kaufen, so folgten uns alle Hunde, an denen wir vorbeikamen, und verließen uns erst wieder, wenn wir in eine andere Gasse traten, wo uns eine neue ähnliche Begleitung zu Theil wurde. So ruhig bei Tag diese Ablösung, nur von einigem Zähneblöcken begleitet, vor sich geht, so gefährlich werden zuweilen die Hunde dem einzelnen Franken, der sich bei der Nacht in den Gassen Stambuls verirrt, besonders wenn er keine Laterne trägt. Wir haben oftmals, gehört, daß ein solcher, den die Bestien förmlich anfielen, nur durch Muselmänner gerettet wurde, die sein Hülferuf herbeizog; und obgleich wir stets in ziemlicher Gesellschaft und Abends nie ohne Laterne ausgingen, hatten wir es doch oft nur unsern guten Stöcken zu danken, mit denen wir kräftig drein schlugen, daß wir nicht mit zerrissenen Kleidern heimkamen.

Sultan Mahmud ließ vor mehreren Jahren einige Tausend dieser Hunde auf einen bei den Prinzeninseln liegenden kahlen Fels bringen, wo sie einander auffraßen. Diese Verminderung hat aber nichts genützt; denn die Fruchtbarkeit dieser Geschöpfe ist großartig; fast bei jedem Schritt findet man auf der Straße runde Löcher in den Koth gemacht, worin eine kleine Hundefamilie liegt, die hungernd den Zeitpunkt erwartet, wo sie selbstständig wird, um gleich ihren Vorfahren die Gassen Konstantinopels unangenehm und unsicher zu machen.

Um von Pera nach Konstantinopel zu gelangen, ein Weg, den der Reisende, welcher die Hauptstadt kennen lernen will, fast täglich macht, steigt man entweder durch den großen Kirchhof Pera's auf einer breiten, nicht zu steilen Straße zur großen Brücke hinab, die über das goldene Horn führt, und kommt dann in den nördlichen Theil der Stadt. Will man in den südlichen, wo die meisten Moscheen, großen Bazars, überhaupt die merkwürdigsten Gebäude Stambuls sich befinden, geht man über den kleinen Kirchhof durch die Gassen Galata's an den Landungsplatz des Kaiks in Top-Chana, um sich auf den kleinen Booten übersetzen zu lassen. Dieser Weg ist, obgleich der beschwerlichste, auch zugleich durch seine große Frequenz der interessanteste. Die Gassen, die von der Höhe Pera's zum Hafen hinabführen, sind ungemein steil, dabei sehr enge und mit einem furchtbar schlechten Pflaster versehen, das, besonders zu der Zeit, wo wir uns gerade da befanden, vom Nebel und dem häufigen Regen stets glatt und schlüpfrig und dadurch nicht ohne Gefahr war.

Obendrein herrscht in diesen Gassen ein merkwürdiges Gewühl von Geschäftsleuten aller Art. Die kleineren Boutiken sind oft weit in die Straße hineingebaut und versperren den Weg noch mehr. Vom frühesten Morgen laufen Verkäufer, die ihr ganzes Waarenmagazin in einem großen Korb auf dem Rücken tragen, hin und her und überbieten sich im lärmenden Anpreisen ihrer Waaren. Dies sind jedoch nur meist Dinge des täglichen Lebensbedürfnisses: Eier (Gumurta, dessen letzte Sylbe der Ausrufer so lange aushält, als sein Athem, reicht), Brod (Jäkmäk, ein Wort, das die Verkäufer gellend herausstoßen) und dergleichen.

Eine andere Menschenklasse, die man beständig auf den Straßen sieht, sind die Wasserträger, die entweder das frische Wasser, welches sie aus den Brunnen bei Top-Chana schöpfen, in großen ledernen Schläuchen auf dem Rücken tragen, oder einen beladenen Esel, auch ein Pferd, vor sich hertreiben.

Da keine Wagen durch die Gassen Pera's fahren können, so wird alle Ladung der Schiffe, die bei Top-Chana landen, durch Packträger in die Magazine geschafft, und bei dem steilen schlechten Weg ist es erstaunlich, welche ungeheure Lasten diese Menschen zu tragen im Stande sind. Sie haben an zwei Riemen von der Schulter auf den Rücken hinab ein gepolstertes Kissen hängen, gegen welches sie die Last stützen; sie beugen ihren Oberleib ganz nach vorn, wodurch ihr Rücken eine breite, fast horizontale Fläche bildet, worauf zwei Andere oft einen so unverhältnißmäßig großen Ballen heben, daß er dem Träger weit über den Kopf hinausreicht und hinten von dem erwähnten Kissen gehalten wird.

Andere vereinigen sich zu vier oder sechs, von denen immer zwei und zwei eine große Stange tragen, so daß oft ein einzelner Ballen an drei oder vier solcher Stangen hält, den sie dann dicht hinter einander, in gleichem Schritt vorwärtsgehend, an den Lagerplatz bringen.

Zwischen diesen Leuten, die zur beständigen Staffage der Straßen Pera's gehören, wandeln Türken, Armenier und Franken, ihren Geschäften nachgehend. Fast an jeder Ecke sitzen türkische Bettler, meistens alte Weiber, und strecken den Vorübergehenden ihre Hände entgegen, halten ihn auch nicht selten am Kleide fest. Auch trifft man hie und da den Matrosen irgend eines türkischen Schiffes, der in einem schmutzigen Korbe Austern feil bietet.

In Pera werden viele Läden, ganz wie die türkischen an den Straßen gelegen und offen, von Franken gehalten, hauptsächlich Schneider, Schuster, Hutmacher; doch ist mit diesen Leuten nicht gut verkehren, denn sie machen besonders den Landsleuten sehr oft unverschämte Preise.

Weiter unten in Galata und Top-Chana nehmen die Buden einen andern Charakter an, der sich sogleich der Nase des Herumwandelnden bemerkbar macht. Hier sind Fische und alle Arten von Seethieren zum Verkauf ausgestellt. Nur ein kleiner Platz bei der Moschee Abdul Medschids, wo früher die aus Persien nach Konstantinopel gekommenen Fayencefabriken waren, führt einen andern Artikel: hier werden vergoldete und rothe Pfeifenköpfe in ungeheurer Masse fabricirt und zum Verkauf ausgestellt.

Ehe wir uns von Tov-Chana nach Konstantinopel übersetzen ließen, traten wir gewöhnlich in ein türkisches Kaffeehaus, das am Ufer des goldenen Horns liegt, und setzten uns unter eine Laube vor der Thür, wo wir eine herrliche Aussicht aus den Hafen selbst, auf Stambul und das Marmormeer hatten. Hier genossen wir eine Tasse Kaffee, beiläufig im Preise von sechs Para, und eine Wasserpfeife, für die wir das Doppelte bezahlten, was dann eine Summe von etwa drei Kreuzern ausmachte. Die Ueberfahrt nach der Hauptstadt kostet gewöhnlich einen halben Piaster, drei Kreuzer.

So angenehm und rasch man hinüberkommt, so unangenehm und langsam geht das Einschiffen von Statten. Wie ich schon früher sagte, muß man, um das Umschlagen zu verhüten, langsam und vorsichtig in die kleinen Boote steigen. Die meiste Zeit jedoch geht darauf, bis man einen Bootführer hat, nicht weil ihrer zu wenige, sondern weil zu viele da sind, die sich den Rang streitig machen. Sobald wir uns am Ufer sehen ließen, schossen die Kaiks von allen Seiten herbei in gedrängten Schaaren, wie die Karpfen in einem Teich, wenn man Brod hineinwirft. Der zeigt schreiend auf den hübschen Anstrich seines Boots, jener auf die sauber aussehenden Teppiche, womit es inwendig belegt ist; ein dritter führt mit seinem Ruder einen kräftigen Schlag in die Luft, um zu zeigen, daß er der Mann sei, der es mit Kraft zu führen wisse und weist spottend auf jenen alten Graukopf neben sich, der ruhig dasitzt und nur seine Hände einigemal auf und zumacht, um die große Zahl der Jahre anzuzeigen, welche er schon als Kaikschi diene. Hat man endlich ein sauber aussehendes Boot gefunden und will mit einem Fuße ruhig hineintreten, so kommt nicht selten ein Anderer, der diesen Zeitpunkt abpaßt, drängt mit seinem Boot das erstere fort und erschnappt so im wahren Sinne des Worts seine Beute, ein Auftritt, der nicht selten zu Prügeleien Veranlassung gibt.

Ist man endlich glücklich in das Kaik gelangt, so dauert es wenige Minuten und das pfeilschnell dahin schießende Boot hat das andere Ufer erreicht. Hier sind gleich wieder eine Masse Hände beschäftigt, die besonders dem Fremden, den man gleich erkennt, aus dem Boote helfen wollen, um einen geringen Bakschis (Trinkgeld) davonzutragen. Doch gefällig und freundlich, wie der Türke im Allgemeinen ist, reichten uns auch nicht selten Offiziere und andere gut gekleidete Leute die Hand zum Aussteigen.

Wir gingen gewöhnlich durch das Holzthor, Adun Kapussi, weil es uns am nächsten lag, und dann, weil erst vor wenigen Tagen dort eine Reihe Häuser niedergebrannt war, und wir von Tag zu Tag bewunderten, wie schnell die Leute mit dem Aufbau der neuen fertig wurden.

In der Nähe des Thors liegt das Mehl- und Holzmagazin, und vielleicht ist es der Anhäufung dieser brennenden Stoffe zuzuschreiben, daß von jeher die größten Feuerbrünste in diesem Revier gewüthet haben. Im Jahr 1682 unserer Zeitrechnung, sowie 1693 brannten hier mehrere hundert Häuser ab. Das letzte Unglück dieser Art vor wenigen Tagen hatte nur vierzig oder fünfzig Häuser zerstört, deren Einwohner unter großen grünen Zelten, die ihnen das Militärgouvernement gegeben, bivouakirten. Hier setzten sie auch ihre Arbeiten unverdrossen fort, Schuster und Schneider arbeiteten wie in ihren Boutiken, die Kaffeetschi und Sorbetbereiter hatten nach wie vor ihre Gäste, die sie auch im Unglück nicht verließen und unter dem Zelte auf einem halb verbrannten Balken sitzend recht gemüthlich ihre Pfeifen rauchten.

Von der Brandstätte wandten wir uns rechts gegen die Hügel zu, auf welchen der alte- und neue Besestane liegt, durch Gassen voll Boutiken und Handwerkstätten. Diese sind, wie die Häuser selbst, fast nur aus Holz gebaut, liegen ungefähr drei Fuß höher als die Gasse und bilden eine nach vorne geöffnete Halle, auf deren Boden die verschiedenen Waaren ausgestellt sind. Der Eigentümer sitzt entweder hinter den Körben mit untergeschlagenen Beinen auf seinem Teppich, oder, da oft ein Kaufmann zwei bis drei Laden hat, steht er davor und geht hin und her. Da er so auf die einzelnen Sachen nicht genau Acht geben kann, sollte man glauben, er müsse oft bestohlen werden; dies ist aber nicht der Fall, denn alle Kaufleute bewachen ohne Brodneid ihre Laden gegenseitig und die Ehrlichkeit ist ein Grundzug im Charakter des Türken, so daß man fast nie von Diebstählen hört.

Obschon das Leben in den Gassen Stambuls durch die vielen nach europäischer Art gemachten Kleidungsstücke, die man sieht, sehr an orientalischem Charakter verliert, so konnten wir doch stundenlang dem Treiben in den Gassen zuschauen. Obgleich wir von Schumla und Adrianopel her schon an die großen Turbane, die langen Bärte und das ganze türkische Costüm gewöhnt waren, so gewährte doch die große Menge hier in Stambul durch die Mannigfaltigkeit ihres Aeußern dem Auge des Fremden einen interessanten Anblick.

Im Orient schieden sich von jeher die Nationen und in ihnen die verschiedenen Kasten nach Sitten und Kleidung strenge von einander ab. Die Andeutungen hieran haben sich bis jetzt erhalten, und hat man sich etwas darüber belehren lassen, so ist es sehr leicht, den Juden vom Türken und Armenier, sowie den Kaufmann vom Gelehrten oder Derwisch u. s. w. zu unterscheiden.

Wie schon gesagt, die vielen europäischen Einrichtungen, die sich nach und nach in alle Zweige des türkischen Lebens eindringen, haben, wenn ich es so sagen darf, auch die Kleidung cultivirt und ihr manches von ihrer Eigenthümlichkeit abgeschwatzt. So ist, wie bekannt, die ganze türkische Armee, nach unserer Art gekleidet, indessen hat man dabei auf türkische Sitten und Gewohnheiten Rücksicht nehmen und an der Tracht manches abändern müssen, wodurch das ganze Costüm beinahe lächerlich wird. Der türkische Soldat trägt eine blaue Hose, die, beiläufig gesagt, von dem gröbsten Stoffe ist, den ich je gesehen, unten und oben gleich weit, fast auf unsere Art geschnitten, jedoch hinten mit einer Art von Sack versehen, der bei jedem Schritte des Kriegers sich lächerlich hin- und herbewegt und zu den sonderbarsten Muthmaßungen Anlaß gäbe, wenn man nicht wüßte, daß die ungeheure Weite des Kleidungsstücks an dieser Stelle dazu dient, um ihm das Sitzen auf den untergeschlagenen Beinen möglich zu machen. Aehnlich verhält es sich mit der Kopfbedeckung. Da man wohl eingesehen hat, daß zu der höchst unpoetisch geschnittenen Jacke von grobem blauen Tuch der malerische Turban nicht recht passen würde, und man den Soldaten auch keine Tschako's auf unsere Art geben konnte, indem eine Vorschrift des Korans besagt: »der Muselmann soll keine Kopfbedeckung tragen, die ihn hindere, den Kopf beim Gebet gegen die Erde zu drücken,« so hat man ihm das Feß gegeben, das ungefähr in der Gestalt unserer Hüte, jedoch geschmeidig ist und von rother Farbe, die den Türken, welche das Bunte lieben, wohl gefällt.

Im Verhältniß zu der Menge, die sich auf den Gassen herumtreibt, sieht man Wenige im altmorgenländischen Costüme. Hiezu gehört die weite Hose, darüber der lange Kaftan, den der Gürtel zusammenhält; den Kopf bedeckt der Turban, der bei den Muhamedanern aus einem rothen Mützchen besteht, um welches man ein unendlich langes Stück von weißem Mousselin, das zuerst wurstähnlich zusammengedreht wird, herumwindet. Keine Kopfbedeckung gibt dem Gesicht ein majestätischeres, edleres Ansehen, als der Turban; er putzt die ganze Gestalt des Muselmanns, die sich im langen Kaftan gerade nicht zum Vortheilhaftesten ausnimmt, auf's Beste heraus. So schöne Gestalten man unter den älteren Türken findet, so unerquicklich ist dagegen der Anblick der ganzen jüngeren Generation. Diese ist ebenso mager und sieht so kränklich aus wie ihr Sultan, von dessen baldigem Absterben man daher auch so viel in den Zeitungen liest, woran ich jedoch keineswegs glaube; denn sonst müßte in einigen Jahren die ganze junge türkische Männerwelt Konstantinopels ausgestorben sein. Man kennt wohl die Ursachen, warum sie so elend aussehen; doch wird es ihnen wahrscheinlich ergehen, wie ihren Vätern; sie werden in spätern Jahren ebenso wohlbeleibt, wie diese, wenn sie auch die bleiche Gesichtsfarbe, die allen Orientalen eigen ist, behalten, und man wird ihren stattlichen Figuren nichts Schwindsüchtiges mehr ansehen. Die Armenier, deren es eine große Anzahl hier gibt, tragen einen Kaftan von dunkelblauer Farbe, und zur Unterscheidung von den Türken anstatt gelbe, rothe Pantoffeln. Ihre Kopfbedeckung ist von schwarzem Filz und von origineller Form. Sie gleicht einem großen Kürbis, den man unten abgeschnitten und auf den Kopf gestülpt hat. Was ich eben von den jungen Türken sagte, ist auf die Armenier nicht anwendbar; ihr Gesicht, obgleich etwas plump und ausdruckslos, ist, wie ihr ganzer Körper, frisch und gesund. Es ist wirklich schade, daß aus ihnen keine Soldaten genommen werden; ich glaube, sie müßten eine vorzügliche Infanterie abgeben. Die meisten sind Handwerker oder Künstler, besonders Steinschneider und Goldschmiede.

Die Juden, die auch hier, wie überall, zerstreut leben, haben keine eigentlichen Gewerbe; sie treiben sich zwischen der Menge herum, bald einen kleinen Handel führend, bald den Dolmetscher oder Cicerone machend. Ihre Kopfbedeckung besteht in einer dunkeln steifen Mütze, um welche ein Stück Zeug, nicht wie bei den Türken lose gewunden, sondern fest genäht ist, ganz wie man auf unsern Theatern den Turban erscheinen sieht. Ihr Kaftan hat denselben Schnitt, wie der des Türken, besteht jedoch aus gewürfeltem, dunklem Kattun.

Ein Stand, der in allen orientalischen Erzählungen und Mährchen eine große Rolle spielt, sind die Derwische, die türkischen Mönche, deren verschiedene Sekten sich durch die Farbe der Kleidung unterscheiden. Ihre langen Kaftans flattern ohne Gürtel frei um die Hüfte und sind bald hellbraun, bald weiß, und bei einem Orden, der für den ehrwürdigsten gehalten wird und dessen Mitglieder am Grabe des Propheten in Mekka dienen, grün. Auf dem Kopfe haben sie einen Hut von weißem Filz, einen Fuß hoch in Form eines abgekürzten Kegels.

Der Anzug des Volkes, der Wasser- und anderer Lastträger, der Taglöhner und herumziehenden Obsthändler läßt sich nicht wohl beschreiben; jeder zieht an, was ihm geschenkt wurde, oder was er wohlfeil gekauft hat. Einige tragen Kaftans, die dann ungemein schmutzig sind; die meisten kurz abgeschnittene runde Jacken, welche bei den Wasserträgern von Leder find. Die Beinkleider, vom Gürtel bis zum Knie sehr weit, umschließen eng die Wade bis zum Fuß. Fast alle tragen einen Turban von beliebiger Farbe, viele von grünem Zeug, was diese als Nachkommen des Propheten bezeichnet; eine Ehre, die ihnen weiter nichts als den Titel Emir verschafft. Emir bedeutet Herr oder Fürst, und es ist traurig, daß man die meisten dieser Fürsten gerade unter den Taglöhnern und Bettlern findet.

Unzertrennlich von den Sitten und Gebräuchen des Orients ist für uns die Idee, die durch alle morgenländischen Erzählungen angeregt wird, daß die Weiber, gänzlich vom öffentlichen Leben getrennt, ihre Tage in beständiger Einsamkeit hinter vergitterten Fenstern verbringen müßten. Ich hatte geglaubt, noch in unsern Tagen begegne man selten einer türkischen Frau auf der Straße und knüpfte daran allerlei Poesieen. Stunden lang würde ich mich der Merkwürdigkeit halber vor ein Haus gestellt haben, um endlich einmal eine dieser Perlen zu gewahren, deren Antlitz, wie der Koran sagt, unter der schwarzen Nacht der Locken hervorglänzt, wie die weißen Eier unter dem dunkeln Flügel des brütenden Straußes. Doch war dies selbst dem Fremden so schwer nicht gemacht. Schon in Adrianopel sahen wir viele Weiber auf der Straße; aber unter ihnen auch, nicht ein einziges frisches Gesicht. Es begegneten uns nur alte Weiber mit unangenehmen schlaffen Zügen, und ich glaubte schon, nur den Duennen und Ammen sei es allenfalls erlaubt, ihre Käfige zu verlassen. Doch verschwand auch dieser Irrthum, als wir nach Stambul kamen. Denn die Cultur,

»die alle Welt beleckt,«

hat ihre ausgleichende Hand auch an die verschlossenen Zimmer der türkischen Damen gelegt und sie hinausgeführt auf die Straßen und Märkte. Sie mochten dieselben anfangs schüchtern genug betreten, aber nach und nach behagte ihnen die neue Freiheit ungemein. Zur Zeit, wo wir in der Hauptstadt der Gläubigen waren, konnte man auf gewissen Plätzen mehr Weiber antreffen als Männer. Besonders war dies in den Besestanes, den bedeckten Märkten, der Fall, bei den Gewölben, wo fränkische Kattune und gesticktes Weißzeug zu haben sind. Da standen sie meistens in Gruppen von fünf bis sechs, die bunten Farben eines Stückes bewundernd und sich wie die Kinder darüber freuend.

Von ihrem Anzug auf der Straße ist nicht viel zu sagen, da ihr ganzer Körper in ein großes Stück Zeug gewickelt ist, das bei den Geringern aus dunkler Leinwand, bei den Reichern aus Seide besteht. Sie nehmen es in der Art einer großen Mantille um die Schultern und wissen obendrein eines der Enden noch um den Kopf zu schlingen. Dieser ist ohnehin sorgfältig verhüllt; denn sie wickeln ihn in ein Stück weißen Mousselin ein, das Stirne Mund und Ohren verbirgt und nur Nase und Ohren sehen läßt; eine Verschleierung, die von dem Gesetze vorgeschrieben, bei den Türkinnen gewiß sehr beliebt ist; denn dieser Mousselin verbirgt einen Theil ihres Gesichts, den wir Franken für den von der Natur bei ihnen am meisten vernachläßigten halten, den Mund. Höchst selten, selbst bei jungen Weibern, deren Augen mit ihrem blitzenden Brillantfeuer das kälteste Herz zu versengen drohen, sind die Lippen frisch und roth. Man kann öfters einen spähenden Blick bis zum Munde gelangen lassen, besonders auf der Promenade, wo die Damen fast beständig beschäftigt sind, Confituren und dergleichen zu sich zu nehmen, und findet bei den interessantesten Zügen einen welken Mund, dessen Unterlippe schlaff herabhängt.

Am schönsten sind wohl ihre breiten gewölbten Augenbrauen, und sie selbst halten diejenigen für die reizendsten, die über der Nase zusammenstoßen, und türkische Frauen, denen dieser Reiz mangelt, ersetzen ihn meist, indem sie sich einen Halbmond oder einen Stern von schwarzer Farbe zwischen die Augenbrauen malen. Der Schwärze der Wimpern wird durch einen gefärbten Zwirnsfaden nachgeholfen, den sie zwischen den Augenlidern durchziehen. Für uns Europäer sind ihre Hände, deren Nägel und Inneres sie mit Khennah roth färben, eher abstoßend als angenehm.

Im Allgemeinen habe ich unter den türkischen Weibern, deren wir sehr viele gesehen, wenige von eigentlich schöner Bildung bemerkt und fast gar keine, um welche ich mein Leben gewagt hätte und in den Harem eines eifersüchtigen Türken gedrungen wäre, wie es uns Romane und Balladen so schön erzählen.

Der Muselmann sieht es als eine große Schönheit seiner Frau an, wenn sie sehr stark, ja fett ist, eine Eigenschaft, die sie sich auch durch ihre faule Lebensart beizubringen wissen. Doch theilen wir diesen Geschmack nicht mit ihnen, da für unsere Augen Grazie und Leichtigkeit in der Bewegung des weiblichen Geschlechts schöner ist, als das träge Umherwatscheln der Türkinnen, wozu ihre Fußbekleidung, die weiten Pantoffeln, das ihrige beiträgt.

Mit dem Menschenstrom, von dessen Bestandtheilen ich ein möglichst getreues Bild zu geben gesucht habe, wandelten wir täglich langsam durch die Bazars, häufig stehen bleibend, denn beinahe an jedem Gewölbe sieht man bald eine merkwürdige Figur, bald eine Scene aus dem Leben, die das Auge des Fremden fesselt. Da ist eine Boutike, in welcher man Zuckerwerk und Confituren aller Art findet; doch sind die meisten Sachen, besonders Kuchen und Torten, für unsern Geschmack zu süß und oft widerlich fett; besser sind andere Leckereien, namentlich gebrannte Mandeln und was wir unter dem Namen Gerstenzucker verstehen. Da sitzt der Eigenthümer hinter den Körben voll Leckereien, die lange Pfeife im Munde, und, wenn man seinen geschlossenen Augen glauben soll, sanft schlafend. Dies ist aber nicht der Fall; er beobachtet blinzelnd den Franken, dem er, so wie er sich seinem Stand nähert, ohne dabei die Augen zu öffnen, mit der langen Pfeife einen Wink gibt, näher zu treten, dann macht er eine Pantomime, die den Türken eigen ist, wenn sie etwas Delikates bezeichnen wollen. Er legt seine fünf Finger zusammengedrückt einen Augenblick an den gespitzten Mund und öffnet sie wieder mit einem behaglichen Schnalzen der Zunge, wobei sein Gesicht einen Ausdruck annimmt, als genösse er etwas unbeschreiblich Angenehmes. Läßt man sich hierdurch nicht verführen, so gibt er sich weiter keine Mühe, sondern benutzt die Hand, da sie einmal in Bewegung ist, um den langen Bart zu streichen und raucht ruhig fort.

An jener Seite dort ist gerade einer beschäftigt, sein Gebet zu verrichten. Er hat sich mit dem Angesicht nach Mekka gewendet und macht die üblichen Bewegungen, die uns sehr lächerlich vorkamen. Bald kniet er auf seinen Teppich nieder und hebt die Hände über den Kopf, bald kreuzt er sie über die Brust und drückt sein Haupt bis auf den Boden. In solchen Augenblicken glaube ich, könnte sich die Welt um seinen Laden versammeln, er würde um keinen Preis etwas ablassen. Fast in jeder Gasse gibt es fromme Muselmänner, die man so den Tag über ihr Gebet mehrere Male öffentlich verrichten sieht.

So geschäftig der Armenier ist, wenn man ihm etwas abkaufen will und unaufgefordert seine Waaren auspackt und sich durch Anpreisen derselben bemüht, den Käufer zu locken, so indolent geberdet sich oft der Türke, wenn man an sein Gewölbe tritt und er vielleicht eben seine faule Stunde hat. Kaum erhält man auf die Nachfrage nach diesem oder jenem Artikel Antwort und höchst selten mehr als Ja oder Nein. Ersteres bezeichnet er durch Schütteln des Kopfes, das Letztere durch Nicken, also gerade umgekehrt, wie bei uns, was häufig zu Mißverständnissen Anlaß gibt. Man kann indessen versichert sein, daß man von dem Türken viel reeller bedient und nicht überfordert wird. Dieser verlangt einen bestimmten Preis und läßt selten etwas davon ab, wogegen man dem Franken und dem Armenier beständig ein Drittel abhandeln muß, um nicht betrogen zu werden.

Hie und da zwischen den Buden zerstreut liegen die Schulen, von denen ich schon gesprochen, d.h. man sieht, wie ein alter Türke acht bis zehen Kindern, die auf ihren untergeschlagenen Beinen um ihn her sitzen, aus dem Koran Leseunterricht ertheilt. Da sie alle durch einander schreien und der Lehrer aufmerksam zuhörend, dem, der ein falsches Wort sagt, über den Köpfen der Andern hinweg einen Schlag mit seinem langen Pfeifenrohre gibt, worüber der Getroffene einen Schmerzensschrei ausstößt, der das Geplapper der Andern gellend durchdringt, so kann man sich denken, daß eine solche öffentliche Schule ziemlichen Lärm auf der Gasse macht. Hie und da sitzen noch an den Straßenecken meistens unter dem vorstehenden Dach einer Bude, das sie gegen Regen und Sonne schützt, die öffentlichen Schreiber mit der Brille auf der Nase, eine Papierrolle auf den Knieen und das Dintenfaß im Gürtel, ihre Clienten erwartend, die einen Contract, eine Bittschrift und dergleichen aufsetzen zu lassen haben.

Was mich bei den Spaziergängen durch die Gassen stets besonders interessirte, das waren die Barbierstuben, die überall zu finden sind. Sie bestehen aus einem einzigen Gemach, an dessen Wänden ein hölzerner Divan sich befindet, auf dem die Kunden Platz nehmen. Ueber ihren Köpfen, mit dem Divan gleichlaufend, befindet sich ein starker, eiserner Draht, an dem, nach der Größe der Anstalt, zwei oder drei blechene Wasserkessel hängen, die man hin und herschieben kann.

Der Barbier ist, wie die meisten bei uns, ein beweglicher Mensch, der viel plaudert und seine Gäste zu unterhalten weiß, er fängt sein Geschäft bei dem der Thür zunächst Sitzenden an, indem er einen der Kessel, der mit lauem Wasser angefüllt ist, über den zu Scheerenden richtet. Unten am Gefäß befindet sich eine dünne Röhre, deren seine Spitze beinahe auf den Schädel des Kunden reicht. Der Barbier macht aus einer Art feinen Hanf einen Wisch, den er mit weicher Seife beschmiert und stellt sich mit gespreitzten Beinen vor seinem Gast auf eine Erhöhung, so daß er den Kopf desselben unter sich hat. Dann öffnet er einen kleinen Hahn an der Röhre des Gefäßes, und wie das warme Wasser herausströmt, bearbeitet er den nackten Schädel auf's Eifrigste so lange, bis er ihn mit einer Wolle von weißem Seifenschaum umgeben hat. So bleibt das Schlachtopfer sitzen; der Barbier rückt den Kessel über den Zweiten und nimmt mit ihm dieselbe Manipulation vor, ebenso mit dem Dritten u.s.f.

In dieser Zeit ist der Schaum auf dem Haupte des Ersten allmälig verschwunden, hat die seit dem letzten Scheeren wieder gewachsenen Haare erweicht und zum Rassiren fähig gemacht. Der Barbier kehrt zu ihm zurück, drückt den Kopf an sich, wendet und dreht ihn nach Gefallen, und in fünf bis sechs Minuten ist die Operation glücklich vollbracht.

Wenn man sieht, wie rauh bei diesem Geschäfte zu Werke gegangen wird, um jedes Haar sorgfältig zu vertilgen, so daß dem Gast nicht selten die Thränen aus den Augen gepreßt werden, so können wir uns glücklich schätzen, daß die Sitte, das Haar glatt abzuscheeren, bei uns nicht herrscht. Ich selbst habe mich oft der Merkwürdigkeit halber in einer dieser Buden rasiren lassen, und man ist stets viel säuberlicher mit meinem Kinne verfahren, als mit den Häuptern der Gläubigen.

Man hielt mir eine große zinnerne Schüssel, die einen Einschnitt für den Hals hat, unter das Kinn, und der Barbier bearbeitete mich mit der äußersten Pünktlichkeit; er jagte jedem einzelnen Haare nach, was er auf den Wangen entdeckte, brachte die des Schnurrbarts alle in gehörige Länge und verstieg sich in seinem Diensteifer mit einer langen spitzen Scheere sogar bis in die Nasenlöcher. Es dauerte etwas lang. Dafür konnte man sich aber auch, wenn er sein Geschäft beendigt hatte, als ein wohl rasirter Mensch sehen lassen, was man bei uns nicht immer kann. Dei Barbier schien ebenfalls Freude an seinem Werk zu haben, und entließ mich mit einem lauten »Ei w' Alla! – Gott ist groß!« was von den Türken mit einem unnachahmlichen Zungenanstoß ausgesprochen wird.

Neben diesen Barbierstuben befinden sich meist kleinere Kaffeehäuser, wo die Geschorenen sich nach vollbrachtem Geschäft mit einer Tasse Kaffee und einer Pfeife regaliren. Doch gehören diese Häuser zu den gemeinsten; der Boden besteht aus gestampfter Erde, und es finden sich kaum hölzerne Divans, meistens nur Steine oder kleine Stühlchen zum Sitzen.

Besonders zahlreich sind in Konstantinopel die Gewölbe des Parfumeurs und der Essenzen-Verkäufer. Bei ihnen findet man unverfälscht die feinen Oele, die der Orient erzeugt: als Rosenöl, das meistens aus Adrianopel kommt, Jasminöl u. dgl. Auch verkaufen sie die verschiedensten Arten von Pastillen, kleine vergoldete Kügelchen, die auf die Pfeife gelegt werden und einen Wohlgeruch verbreiten, sowie auch zu demselben Zwecke das sogenannte Aloeholz. Ferner findet man bei ihnen wohlriechende gold- und silbergestickte Börsen, Beutelchen von sogenannten schwarzen Rosenperlen u. dgl.

Der Fürst Pückler erzählt von einem dieser Handelsleute, einem alten Türken, der sich stets freundlich gegen ihn benommen und bei dem er auf seinen Wanderungen durch die Bazars häufig bei Pfeife und Kaffee ausgeruht habe. Einer unserer hiesigen Bekannten, der Dragoman der preußischen Gesandtschaft, zeigte uns seinen Laden; wir gingen hin, einige Kleinigkeiten zu kaufen und fanden wirklich einen sehr freundlichen alten Mann. Er bot uns Pfeifen an und wir mußten uns niedersetzen, um mit ihm zu plaudern. Als er im Verlauf des Gesprächs durch den Dolmetscher erfuhr, daß wir Nimbtsche, Deutsche, seien, erkundigte er sich nach dem Fürsten, der oft bei ihm gewesen sei, und besonders nach dessen Abyssinierin, Makuba, die er uns beschrieb, und sehr lobte. Wir hatten bald die Freundschaft des alten Türken erworben und er freute sich später jedesmal, wenn wir vorbeikamen und einen Augenblick bei ihm einsprachen.

Fast ebenso oft stößt man auf die Laden der Tabakshändler, die geschnittenen Tabak von allen Sorten in großen Haufen vor sich liegen haben. Man muß aber bei diesen Leuten keine Einkäufe machen, ohne einen Sachkundigen bei sich zu haben; sie verstehen es, ihre Waare recht lockend auszulegen, die schon zum Gebrauche geschnitten und gewöhnlich mit einer Beize versehen ist, die dem schlechten Tabak das Parfüm des guten gibt. Wer sich überhaupt in der Türkei mit Tabak versehen will, um eine größere Quantität mitzunehmen, muß seine Einkäufe in Syrien machen; der dortige Tabak ist unstreitig der beste und gilt auch in Konstantinopel dafür. Die gewöhnlichen Tabake, wie man sie hier kauft, wachsen in Adrianopel, sowie um die Hauptstadt selbst und sind von gelber Farbe, wogegen der syrische etwas dunkler ist.

Der Tabak zu den Wasserpfeifen ist nicht geschnitten, sondern wird in ganzen hellgelben Blättern verkauft. Unter den vielen kleineren Laden, worin Spezerei-Waaren und dergleichen verkauft werden, sind die der Laternen-Fabrikanten hervorzuheben, die dieses nothwendige Geräth aus Papier in allen möglichen Preisen und Größen verfertigen. Da es in Konstantinopel noch keine Straßenbeleuchtung gibt und es allgemein verboten ist, bei eingetretener Dunkelheit ohne Laterne zu gehen, so findet diese Waare großen Absatz, und kann daher auch zu beispiellos billigen Preisen geliefert werden. Diese Laternen sind cylinderförmig, oben mit einem Henkel versehen. Mann kann sie zusammenschlagen und bequem in die Tasche stecken. Für einen halben Piaster, drei Kreuzer, erhält man eine recht hübsche.

Außer den bisher erwähnten Gassen, die zu beiden Selten mit Buden besetzt sind, vor denen ein immerwährender Handelsverkehr stattfindet, gibt es viele offene Märkte, Tscharschu, die entweder nur an bestimmten Wochentagen oder zu gewissen Artikeln benutzt werden. So gibt es einen Pferdemarkt, Laus- oder Tändelmarkt, Sklavenmarkt, Mittwochsmarkt etc.

Das ewige Gewühl in den Gassen, das Schreien der Verkäufer und Ausrufer, sowie die warnende Stimme der Pferdetreiber, die auf ihren Thieren das Wasser in alle Theile der Stadt bringen und deren Ruf das allgemeine Gesumme gellend unterbricht, das Schreien der Armenier oder Juden, die wegen einer Kleinigkeit in Streit gerathen, betäuben das Ohr; die mannigfaltige Ausstellung der Waaren, die vielerlei Costüme, die einem bunten Strome gleich vorüberschwimmen, blenden das Auge, und man betritt mit behaglichem Gefühl die gedeckten Märkte, Besestane, um dem tollen Lärmen und dem gewaltigen Schmutze draußen zu entgehen.

Wenn es auch den Besestanes keineswegs an Besuchern fehlt, so treibt sich hier doch das geringe Volk nicht so herum; es herrscht daselbst, besonders in einigen Theilen, gegen den ungeheuern Spektakel draußen, eine gewisse Ruhe, die vornehmlich das Auge empfindet, das langsam forschend die großen Gewölbe durchirrt, die mit den kostbarsten Stoffen und Geräthen angefüllt sind.

Schon seit dem Jahre 1461 gab es in Konstantinopel ein Besestan; ein anderes wurde später unter Sultan Soliman erbaut; beide waren jedoch nur aus Holz und brannten bei den schon erwähnten Feuersbrünsten mehrere Male ab. Nach der letzten, im Jahre 1701, wurden beide Besestane, wie sie jetzt noch bestehen, massiv von Stein aufgebaut.

Jedes bildet ein großes Viereck gewölbter Hallen, oben mit kleinen Kuppeln versehen, was dem Ganzen von der Höhe, z.B. dem Seraskierthurme herabgesehen, einen eigenthümlichen Anblick gibt. In diesen Besestanes findet man nun alle mögliche Artikel des Luxus, und wie in den Straßen sind auch hier die gleichartigen Artikel nebeneinander aufgespeichert, was die Auswahl erleichtert und auch die einzelnen Kaufleute hindert, die Käufer, besonders Fremde, zu überfordern, da der Nachbar gleich um einige Piaster billiger verkaufen würde.

Hier findet man ganze Gänge voll Waffen, Shawls, geschnittener und ungeschnittener Steine, Tücher, sowie Reihen von Gold- und Silberarbeitern, Buchhändlern, Wechslern etc. Zwar hat jetzt die ungeheure Pracht, die früher in Kleidungsstücken herrschte, bedeutend abgenommen, und die vornehmen Türken in Konstantinopel, besonders Offiziere und Beamte, bis zum Sultan hinauf, gehen im einfachen blauen Rocke, mit einem Säbel bewaffnet, der meist nicht reicher verziert ist, als wie ihn auch unsere Militärs tragen, statt daß früher, zur Zeit der Janitscharen, jeder dieser Menschen mit schönen Waffen prunkte, deren Reichthum sich nach Maßgabe des Vermögens vom einfachen Silberbeschläge bis zum reichen Besatz mit Rubinen und Diamanten steigerte.

Diese Revolution im Costüm äußert nun bereits bedeutenden Einfluß auf die Waarenausstellungen des Bazars, und wenn auch die Laden in den Besestans gegen unsere Gewölbe mit weit glänzenderen Dingen ausgestattet erscheinen, so findet man im Allgemeinen doch bei Weitem nicht mehr die alte Pracht.

So schildert Hammer die Waaren, die in früherer Zeit hier ausgebreitet lagen; er zählt auf: Damascenische Säbel, tartarische Bögen, arabische Lanzen, persische Dolche, Türkisse aus Nischabur und Rubinen aus Bedaschan, Perlen von Bahrein, Diamanten von Golkonda, Shawls aus Angora, aus Persien und Kaschemir, indische Mousseline und Kalikos, englische und französische Tücher, deutsche Leinwand und schwedisches Eisen, geschnittenen Sammet aus Bussa, Scheiks (Beduinenmäntel) aus der Barbarei; kurz, alle Herrlichkeiten, so die Sonne vom Aufgang bis zum Niedergang schaut, finden sich hier zum Kauf und Verkauf ausgestellt. Wenn man freilich alle diese Artikel auch jetzt noch findet, so sind doch nicht mehr, wie damals, ganze Reihen damit angefüllt.

Der Reisende, der die türkischen Bazars besucht, verläßt sie selten, ohne hie und da etwas gekauft zu haben, wozu sich artige Kleinigkeiten genug finden, besonders in den Gewölben, wo Stickereien feil sind. Man findet hier Pantoffeln, Spiegelfutterale, Mützen, Tabakbeutel von Seide oder Sammet, zierlich mit Gold, Silber oder Perlen gestickt, die sehr hübsch und reich aussehen und sehr billig sind, was daher kommen mag, daß sie meistens von den Weibern in den Harems gemacht werden.

Ein anderer Artikel, den man am Besten in den Bazars selbst kauft, sind die geschnittenen Steine, meistens Karneole, Talismane genannt, die sich ebenfalls zu kleinen Andenken und Geschenken sehr eignen. Auf ihnen ist der Namenszug eines der Propheten oder auch ein Vers aus dem Koran eingeschnitten. Die gewöhnlichen, die dann natürlich nicht mit großem Fleiß gearbeitet sind, kosten nicht viel, wogegen schöne Talismane mit erhaben geschnittenen arabischen Buchstaben theuer bezahlt werden.

Lange Pfeifenrohre, bei uns unter dem Namen Weichselrohre bekannt, findet man auch in reicher Auswahl und oft zu guten Preisen, wogegen Keinem zu rathen ist, die nöthigen Spitzen aus Bernstein, die man bis zu dem ungeheuren Preise von tausend Gulden findet, ebenfalls hier zu kaufen.

Wer aber in Konstantinopel bedeutende Einkäufe in den erwähnten Talismans, in Kaschemirshawls, seinen Gold- und Silberarbeiten oder alten kostbaren Waffen machen will, thut nicht wohl, wenn er diese Artikel in den Gewölben selbst auswählt; er findet, besonders in Pera, Unterhändler, die sich eigens hiemit beschäftigen und die besten Quellen wissen. Diese Leute sehen für den kleinen Vortheil, den man ihnen zukommen läßt, sehr auf den Nutzen des Reisenden und können vielfach Betrügereien verhüten, denen man sonst ausgesetzt wäre. Dies ist hauptsächlich beim Einkauf von schönen Shawls der Fall, ein Handel, der jetzt fast durchgängig unter der Hand abgemacht wird. Schöne, ganz neue Kaschemirshawls sind noch immer sehr theuer; doch werden viele zu uns gebracht, die schon eine Zeit lang in den Harems getragen wurden, wodurch der Stoff nicht verliert, vielmehr an Weiche gewinnt.

Wenn wir durch die Bazars wandelten, ohne den Gedanken, etwas zu kaufen, wurden wir doch zuweilen wider Willen verführt. So blieben wir an einem Gewölbe mit prächtigen Waffen stehen, und der unermüdliche Armenier zeigte sie Stück für Stück, wobei er dem Fremden den Preis gewöhnlich durch Auf- und Zumachen der Hände angibt. Hatten wir nichts gefunden, was schön oder wohlfeil genug war, um es zu kaufen, und wollten uns entfernen so hielt uns der Kaufmann durch die oben beschriebene Bewegung mit der Hand zum Mund fest, zog aus seinem Kaftan ein kleines Paketchen und wickelte aus der schmutzigen Leinwand einige Talismane, die er, wer weiß wo, erhandelt hatte, und in solchen Fällen machten wir oft die besten Einkäufe. Umgekehrt holte nicht selten ein Steinschneider, wenn wir unter seinen Artikeln nichts Anständiges fanden, eine alte Waffe hervor, die er uns sehr billig anbot.

Viel Unterhaltung gewährten uns auf unsern Gängen die türkischen Weiber, die halbverschleiert zahlreich hin- und herziehen und vor den Gewölben stehen bleiben. Selten liefen sie fort, wenn wir uns neben sie stellten und ihrem Handeln zusahen, und erst, wenn wir ihnen zu tief in die schwarzen Augen blickten, oder sie durch Pantomimen befragten, wie ihnen dies oder jenes gefalle, warfen sie ihre Tücher vor's Gesicht und empfahlen sich. Doch geschah dies meistens nur, nachdem ihnen der Herr des Ladens, dem dies unschicklicher als ihnen selbst vorkommen mochte, einige zornige Worte zugerufen hatte, wahrscheinlich die Weisung, sich von den Giaurs nicht so ansehen zu lassen. Einmal jedoch, wo ich mit unserem Doktor allein durch die Straßen zog und es uns sehr amüsirte, einer Negerin, mit einer wahren Riesenfigur, zuzusehen, wie sie aus ihrem Wagen kletterte, schien dieser Dame unsere Aufmerksamkeit sehr zu mißfallen; mit erstaunlicher Geläufigkeit der Zunge überschüttete sie uns mit einer Masse zornig ausgestoßener Worte, von denen ich nichts verstand, als: »Giaur sek-ter Bessewenk!« was, aufs Gelindeste übersetzt, doch so viel heißt, als: »Ungläubiger Kuppler, geh zum Teufel!«

Neben diesen beiden Besestanes gibt es noch einen dritten, den sogenannten ägyptischen Marktplatz, wie die beiden andern aus gewölbten Hallen bestehend, doch bildet er nur einen rechten Winkel, die Hälfte eines Vierecks. Hier findet man alle Wohlgerüche Arabiens aufgestapelt, und all' diese Gewürze, die der Orient hervorbringt, verbreiten einen herrlichen Duft, wodurch sich dieser Markt schon in der Ferne der Nase des Herumwandelnden bemerklich macht. Treffend sagt Hammer von ihm: »Wie sich die Molucken dem Seefahrer schon weit im Meere verkünden, verkündet dem Wanderer in Konstantinopel der würzige Geruch dieses Markts schon von Ferne sein Dasein, und erinnert an die beiden schönen Gedanken Sardi's: daß Moschus und Liebe sich vor der Welt nicht geheim halten lassen, und daß das wahre Verdienst, wie die Auslage des Gewürzhändlers, prunklos schweigt und herrlich duftet. Endlich an das von einem arabischen Dichter ausgebildete Wort Muhamed's:

Mädchen sind Blüthen, die Blüthen gewähren süße Gerüche,
Und ein süßer Geruch ist vor dem Herrn das Gebet.
Mädchen sind irdische Kost und Gebet ist himmlische Nahrung.
Wohlgerüche genießt Himmel und Erde zugleich.

Ehe wir die Bazare verlassen, muß ich noch der Chane oder Karavanseraien, als zu ihnen gehörig, gedenken. Eigentlich ist Chan oder Karavanserai nicht gleichbedeutend; erstere sind Gebäude, in welchen sich nur große Waarenlager oder große Werkstätten, auch Fabriken befinden; letztere sind Herbergen für Reisende. Doch gibt es auch dergleichen öffentliche Anstalten, in denen sich der Begriff beider Worte vereinigt, wo nämlich fremde Kaufleute während ihres Aufenthalts in Konstantinopel wohnen und ihre Waaren auslegen oder auch nur ihre Wechselstuben haben. Hierher gehört der große Chodscha-Chan, wo sich gewöhnlich persische Kaufleute aufhalten. Es gibt einen Chan der Gefangenen in der Nähe des Sklavenmarkts, und einen Chan der Gesandten bei der verbrannten Porphyrsäule, wo früher die Gesandten aller europäischen Mächte einquartiert oder vielmehr eingesperrt wurden, denn man behandelte sie hier wie Staatsgefangene.

Will man alle diese Bazare, Besestane und Chane, oder auch nur die vorzüglichsten genau durchmustern, so braucht man Monate. Man kann diesem Geschäft doch nur wenige Stunden widmen, da das allzugroße Gewühl und die unendliche Mannigfaltigkeit der Waaren die Sinne abstumpft und sie nach kurzer Zeit unfähig macht, Alles mit Ruhe zu betrachten. Wir waren fast täglich ein paar Stunden in den Bazars und verließen dann das Gewühl, um uns auf einem einsameren Platze durch Betrachtung irgend eines der alten ehrwürdigen Bauwerke wieder zu erholen. Freitags jedoch, wo der Sultan eine der öffentlichen Moscheen besucht, machten wir uns, nachdem wir unsere Einkäufe besorgt, eine andere Zerstreuung.

An diesem Tage, Morgens zwischen zehn und zwölf Uhr, versammelt sich beim Seraskierthurm, auf dem Seraskierplatz, oder wie ihn die Türken nennen, Tauk-Bassari oder Hühnermarkt, Alles, was von der türkischen nobeln Damenwelt eine Equipage besitzt oder eine miethen kann, um daselbst eine Spazierfahrt zu machen. Die Wagen sind von ganz eigenthümlicher Bauart und erschienen uns anfangs sehr lächerlich. Die meisten, besonders die älteren, haben Aehnlichkeit mit unsern Leiterwagen; nur sind sie leicht und zierlich geschnitzt, mit bunten Farben bemalt und theilweise vergoldet. Hölzerne Reifen tragen ein Dach von grüner oder rother Leinwand, unter dem auf Kissen und Teppichen oft ein ganzer türkischer Harem liegt: ein paar Weiber, einige Sklavinnen und mehrere Kinder von verschiedenem Alter. Vor diese Equipagen sind zwei schwere Ochsen gespannt, mit buntem, vergoldeten Riemenzeug angeschirrt und mit allerlei Bändern aufgeputzt. Zur Verzierung dieses Gespanns, vielleicht auch um die Fliegen abzuwehren, gehen von der Bracke des Fahrzeugs aus zwei ungefähr sechs Fuß lange geschweifte Hölzer, die so gleichsam über den Thieren schweben. Von denselben herab hängen bunte wollene Quasten, die sich bei jedem Schritt hin- und herbewegen. Andere Fahrzeuge nähern sich etwas unseren Kaleschen, sind jedoch mit Schnitzwerk versehen und schwer vergoldet, wie sie bei uns im verflossenen Jahrhundert gebräuchlich waren. Auch sieht man wohl hie und da einen Wagenkasten nach unserer jetzigen Façon, der aber dann auf schweren altmodischen Rädern ruht.

In langen Reihen bewegen sich diese Wagen vorwärts, von einer Masse Weiber und Kinder der ärmeren Klasse angestaunt, die nebenher laufen. Auch erblickt man zuweilen einen jungen türkischen Elegant, der selbstgefällig umherreitet, ohne sich jedoch um die Damen zu bekümmern. Aeltere Türken sitzen in den Kaffeehäusern, die sich auf dem Platze befinden, und schauen dem Gewühle zu. Den vornehmen Harems, die oft aus Zügen von fünf bis sechs Wagen bestehen, folgen auf schönen reichgeschirrten Pferden schwarze oder weiße Eunuchen, meistens Menschen von widerlichem Aeußern, mit unförmlich dickem Oberkörper, auf dem der Kopf fest in den Schultern steckt. Ihre fetten schlaffen Gesichter werden durch einen lauernden, boshaften Zug um Mund und Auge noch unangenehmer. Auch bei den einzelnen Wagen fehlen diese Aufpasser nicht, die hier entweder zu Fuß nebenher gehen oder hintenauf sitzen.

Auf diesem Corso haben wir uns manche Stunde sehr gut unterhalten. Die Damen nahmen es in der Regel gar nicht übel auf, wenn wir sie genau betrachteten, besonders die jungen und hübschen, die oft ihr Möglichstes thaten, unsere Augen auf sich zu ziehen. Obgleich, wie schon gesagt, das Gesetz ihnen vorschreibt, den Mund zu verschleiern, so wissen sich die türkischen Schönheiten in diesem Fall doch zu helfen, indem sie sich hiezu eines ganz dünnen feinen Mousselins bedienen, welcher die Formen ihres Gesichts sehr gut errathen läßt. In ihre Kissen zurückgelehnt, verstehen sie es vortrefflich, im rechten Augenblick die schwarzbewimperten Augenlider aufzuschlagen, und dem, der sie betrachtet, eine volle Ladung aus ihren blitzenden Augenbatterien zu geben. Die Mantille, die beim Gehen stets fest um die Schultern gezogen wird, lassen die Türkinnen im Wagen nachlässig herunterfallen, wodurch die vollen Formen ihres Oberkörpers sichtbar werden, und da die kleinen gestickten Jäckchen, die sie tragen, sehr tief ausgeschnitten sind, und die Regel des Anstandes ihnen nur gebietet, das Gesicht zu verschleiern, so hatten wir bei der nachlässigen Lage dieser Damen in ihrem Wagen häufig Gelegenheit, tiefe Blicke unter die Mantille zu thun.

In steter Bewegung sind ihre weißen runden Arme, an denen sie die goldenen Spangen zeigen wollen, und wenn man sie betrachtet, fahren sie gleich mit ihren Händen an's Gesicht, um die Aufmerksamkeit auf ihre Ringe zu lenken, mit denen sie nach Maßgabe ihres Vermögens alle Finger bedecken. Doch, wie ich schon früher sagte, findet man unter diesen Weibern sehr selten ausgezeichnete Schönheiten, und nur einige Male sahen wir Mädchen, deren Mund und untere Gesichtsbildung mit den schönen Augen, die man häufig findet, im Einklange standen. Die Sklavinnen sind meistens Schwarze, mit wolligtem Haar und platter Nase. Eine Ausnahme machen die Abyssinierinnen, die man auch zuweilen sieht. Sie sind von sehr schöner Bildung, und fast bei Allen wird das edle Gesicht durch eine tiefe Melancholie, die sich über ihre Züge lagert, noch anziehender. Sie gehören meist zum dienenden Personal; doch habe ich auf dem türkischen Corso häufig einen halb verschlossenen Wagen gesehen, worin eine reich gekleidete, sehr schöne Abyssinierin saß. Oft, wenn der Zug der Wagen irgendwo stockte, trat ich nah an den Schlag ihrer Equipage und gewöhnlich sah sie mich erstaunt, doch nicht unfreundlich an. Gern hätte ich etwas Näheres über sie erfahren, doch einige Mal, als ich ihr folgte, wenn sie den Corso verließ, mochte ich mich aus Furcht, den Weg zu verlieren, nicht zu weit in die Stadt wagen, und einmal, als ein der Stadt kundiger Freund mich in gleicher Absicht zum Scherz begleitete, erregten wir die Aufmerksamkeit ihrer schwarzen Wächter, die uns so drohend ansahen, daß mein Begleiter es gerathener hielt, umzukehren. Was half uns auch unsere Neugierde? Die schwere Thür ihres Käfigs schloß sich hinter dem Mädchen und wir hätten es nicht einmal wagen können, nachher auffallend zu den vergitterten Fenstern emporzuschauen; denn so viel auch die Türken schon von unsern Sitten und Gebräuchen angenommen haben, sind sie doch in diesem Punkte unverbesserliche Egoisten.

Schon in Adrianopel hatte der Baron die Genüsse eines türkischen Bades versucht und sie als sehr sonderbar und im ersten Augenblick anstrengend, aber auch so dargestellt, daß sie dem Körper nach einiger Zeit eine ungemeine Behaglichkeit geben und die Glieder ganz geschmeidig machen. Auch Hamsa, unser Tartar, wenn er auf der Reise von den Genüssen sprach, die ihn bei seiner Ankunft in Stambul erwarteten, erwähnte den Genuß eines Bades als etwas, das alle Müdigkeit der Reise hinwegnehme und den Körper neugeboren mache. Gleich in den ersten Tagen unseres Aufenthalts in Pera erkundigten wir uns nach einem der besten Bäder, und einer unserer neuen Bekannten, Herr v. C. bei der preußischen Gesandtschaft, war so gütig, sich unser, wie in vielen Punkten, auch hierin anzunehmen. Er führte uns nach Stambul, damit wir die Leiden und Freuden eines türkischen Bades kennen lernen möchten. Es kann nicht schaden, wenn der Reisende, der ein türkisches Bad nehmen will, es dem Inhaber vorher anzeigen läßt, damit dieser für reine Wäsche sowohl, als auch dafür sorge, daß die Badhallen nicht so sehr überfüllt sind, was uns unangenehm gewesen wäre. Da alle Bäder öffentlich sind, so kann man nicht immer wissen, wessen Hand der Striegel, mit dem man bedient wird, kurz vorher berührt hat. Auch hiefür sorgte Herr v. C., und nahm für einen Morgen das am Hippodrom gelegene Atmeidan-Hamami, d.h. »das Bad der Pferdeliebhaber,« in Beschlag. Jedes Bad hat seinen eigenen, oft sehr sonderbaren Namen, worauf ich später zurückkommen werde. Ueber die Wahl unseres Führers, uns in das Bad für Pferdeliebhaber zu führen, lachten wir herzlich und schickten uns in der heitersten Stimmung an, die heiligen Hallen zu betreten.

Von außen sah das Bad wie ein altes, halb verfallenes Gemäuer aus. Hie und da war ein schön gehauener Fries auf einigen Säulenschaften eingemauert, was uns vermuthen ließ, daß auch hier früher ein prächtiges Bad gestanden, aus dessen Trümmer man das jetzige erbaut. An diese Mauern war ein Haus neuerer Bauart angeklebt, durch dessen Thor wir in die mäßig erwärmte Vorhalle des Hamami oder Bades traten. In der Mitte dieses ziemlich geräumigen Gemachs war ein Springbrunnen. An allen Wänden befanden sich Divans, von den gewöhnlichen sehr verschieden. Sie waren etwa vier Fuß hoch, und zehn bis zwölf breit, so daß man sich ausgestreckt darauf legen konnte, die Füße nach dem innern Raum gekehrt.

Bei unserer Ankunft mußten wir uns auf kleine Rohrstühle setzen, die am Springbrunnen standen, und der Hamamschi, Bader, brachte uns Kaffee und lange Pfeifen, während einige seiner Knechte auf den Divans für jeden von uns ein Lager zubereiteten, aus einer Matratze mit Kopfkissen bestehend, über das ein weißes Leintuch gebreitet wurde. Nachdem wir unsern Kaffee getrunken, wurden wir zu dem Lager geführt und ein Tuch als Vorhang vor uns ausgebreitet. Wir mußten uns jetzt ganz entkleiden, und nachdem uns der Bader ein großes Leintuch als Schürze umgeschlagen, auch jedem von weißem Zeug einen Turban gemacht hatte, legten wir uns einen Augenblick auf das Lager, um schon etwas durchwärmt in die zweite Abtheilung des Bades eingehen zu können.

Hier herrschte bereits ziemliche Hitze, so daß wir schon in wenigen Augenblicken ganz mit Schweiß bedeckt waren. Ein neues Lager, ähnlich den ersten, war hier bereitet, und darauf ausgestreckt, wurden wir abermals mit Pfeifen und Kaffee bedient. Wohl eine Viertelstunde blieben wir in diesem Gemach, worauf uns die Badewärter unter den Armen faßten, um uns in das eigentliche Badgewölbe zu führen. Daß man sich in diesen Gewölben beim Gehen unterstützen läßt, ist sehr nöthig, denn der Boden ist zu heiß, um mit nackten Füßen darauf gehen zu können, weßhalb man Pantoffeln erhält, deren Sohle auf zwei, drei Zoll hohen Klötzchen steht, die das Gehen ungemein erschweren. Ich habe darin den Fuß nie aufheben können, sondern bin stets über den Boden hingerutscht.

Zum dritten Gewölbe führte eine schmale eiserne Thür, die hinter uns gleich wieder verschlossen wurde. In diesem, dem eigentlichen Bad, herrschte eine solche Hitze, daß sie uns in den ersten Augenblicken den Athem benahm. Es war dasselbe beklemmende Gefühl, wie wenn man allmälig in ein kaltes Bad hinabsteigt, wo man glaubt, Herz und Lunge drängten sich nach oben, um sich da gewaltsam einen Ausweg zu verschaffen. Das Gemach war rund, mit einer großen Kuppel bedeckt, die kleine, mit buntem Glas geschlossene Oeffnungen hatte, welche symmetrische Figuren bildeten. Das spärliche Tageslicht, welches einzig durch sie in die Halle fiel, wurde noch durch die vom Boden aufsteigenden Wasserdämpfe getrübt. Die Wände bestanden aus gewöhnlichen Steinen und waren hie und da mit Sculpturen versehen; der Boden aber war sehr schön, aus farbigem Marmor zusammengesetzt und hatte in der Mitte eine fußhohe runde Erhöhung, etwa zwanzig Fuß im Durchmesser, an deren Seiten die heißen Dämpfe vermittelst kleiner Löcher ausströmten.

Ferner hatte das Gemach vier Nischen von etwa zehn Fuß Tiefe, in deren jeder sich ein zierlich aus Stein gehauener Brunnen mit zwei Röhren befand, die mit einem Hahnen verschlossen waren und kaltes und warmes Wasser gaben. Diese Nischen konnten mit Teppichen verhängt werden, die zu dem Zweck über der Oeffnung zusammengebunden waren.

Bei unserm Eintritt in dies Gemach legte man in eine Ecke für jeden ein Kissen, auf das wir uns abermals ausstrecken mußten, um die dritte Pfeife mit Kaffee zu genießen und uns dabei allmälig an die entsetzliche Temperatur zu gewöhnen. Aber nicht lange, so waren wir vollkommen durchglüht, und der Hamamschi erklärte uns für fähig, die Operation des Badens vornehmen zu können, eine wirkliche und ziemlich schmerzhafte Operation.

Die Erhöhung in der Mitte des Gemachs, von der ich oben sprach, war im wahren Sinne des Worts unsere Schlachtbank. Dort mußten wir uns ausgestreckt hinlegen, was anfangs einigen Schmerz verursachte, denn obgleich uns längst der Schweiß in Strömen vom Körper lief, war uns die Hitze fast unmittelbar über dem Feuer beinahe unerträglich. Neben jedem von uns ließ sich jetzt einer der Badknechte nieder und fing an, mit unserem Körper die seltsamsten Verrenkungen vorzunehmen. Zuerst drehte und wendete er alle Glieder von der Fußspitze bis zum Genick, daß sie knackten; dann hob er die Beine auf und rückte sie so weit nach dem Kopfe zu, als möglich, kurz, er behandelte uns auf eine für uns so komische Weise, daß wir über die Figuren, die einer den andern machen sah, oftmals laut lachten. War dieses Kneten, denn anders konnte man die Behandlung des Körpers nicht nennen, auf der vordern Seite beendigt, so mußte man sich auf den Bauch legen, um seinen Rücken ähnlichen Qualen preis zu geben. Zuweilen sprang der Kerl mit seinen nackten Füßen auf mir herum, daß ich nahe daran war, laut aufzuschreien. Am Ende setzte er sich mir oben zwischen die Schulter und glitschte mit seinen Füßen an mir herunter, wobei er, um sich zu halten, mit beiden Händen meine Haut dergestalt zusammenkniff, daß ich, um dem Schmerz zu entgehen, mich eilends aufrichtete und ihn herabwarf. Auch machte ich ihm über dies Kneifen ein zorniges Gesicht, worüber er mich sehr erstaunt ansah und die Hand schmatzend zum Mund brachte, um auszudrücken, daß gerade dieser letzte Coup etwas sehr Köstliches sei. Ich tröstete mich an dem Schicksal meiner Gefährten, denn keiner entging dieser Manipulation.

Jetzt begann der zweite Act, zu welchem die Hamamschi neben jeden ein Gefäß mit warmem Wasser setzten. Sie warfen weiche Seife hinein, schlugen sie mit einem Wisch von gedrehtem Hanf zu Schaum und seiften damit den ganzen Körper. Bis dieser Schaum durch die Wärme des Körpers und des Bades geschmolzen war, hatte man Ruhe und konnte sich über die ausgestandenen Schmerzen unterhalten. Ich habe nie einen stärkeren Klang der Stimme gehört, als in diesen türkischen Bädern. Ein Wort, noch so leise gesprochen, tönte gewaltig unedel, und gab einen Ton, als murmelten es hundert Stimmen nach.

Indeß hatte der Bader seinen Hanfwisch bei Seite gelegt und dafür eine Art Handschuh ohne Finger von grobem Tuche genommen, womit er nun den ganzen Körper sehr stark rieb. Bei all' diesen Manipulationen bemerkte ich, daß der Badwärter beständig das Auge des Badenden ansieht, wie mir Herr v. C. später sagte, aus Vorsicht, um sogleich zu bemerken, wenn einem bei dieser schmerzhaften Behandlung unwohl wird.

Sobald der Körper gehörig eingerieben ist, ein Geschäft, wobei wieder durchaus keine Schonung statt findet, sondern mir fast die Haut mit heruntergerissen wurde, verläßt der Hamamschi den Badenden und zwei Knaben von zehn bis zwölf Jahren treten an seine Stelle. Diese geleiteten jeden von uns in eine der erwähnten Nischen, wo sie nach dem Belieben des Badenden sich mit ihm durch die erwähnten Teppiche absondern und so den Augen der Andern unsichtbar werden können. Doch wie ich mir sagen ließ, verdecken sie diese Nischen nicht eher, bis ihnen der Badgast ein hierauf bezügliches Zeichen gibt, was bei den meisten darin besteht, daß er ein Geldstück von zehn bis zwanzig Piaster zwischen die Zähne nimmt, welches sich der Knabe durch einen Kuß zueignet.

Vor den beiden Fontainen, deren Wasser vorn in ein kleines Bassin läuft, mußten wir uns niedersetzen, und nachdem einer der Knaben viel warmes Wasser hatte hineinlaufen lassen, das er mit etwas kaltem mischte, begann er uns dasselbe mittelst eines blechernen Gefäßes über den Kopf und den ganzen Körper zu gießen. Das Wasser war indessen noch sehr warm und benahm uns in den ersten Augenblicken den Athem. Wir befanden uns in einer Lage, als wenn man bei uns das Schlachtvieh abbrüht, auch wehrte ich mich anfangs mit Händen und Füßen dagegen, aber vergebens; so lange ich den kleinen Quälgeistern nicht vollkommen gereinigt schien, hörten sie nicht auf, mir das Wasser aus dem großen Gefäß über den Kopf zu schütten.

Nach dieser letzten Procedur bekamen wir um Hüfte und Schultern ein reines weißes Tuch, um den Kopf drehte man uns ein ähnliches und oben auf den Scheitel legte man uns lose ein anderes zusammengefaltetes. Durch die beiden Vorzimmer wurden wir wieder in das erste Gemach geführt, wo wir uns entkleidet hatten. Man hatte indessen unser Lager mit reinen Tüchern überzogen, und nachdem wir uns wieder auf dasselbe ausgestreckt hatten, brachte man uns Pfeifen, Sorbet und später Kaffee. Die Mühseligkeiten des Bades sind nun vorbei und der Türke fängt jetzt seinen Khef an, d. h. sowie er sich gewöhnlich Nachmittags, ohne ein Wort zu sprechen oder auch nur zu denken, der Verdauung hingibt, so senkt er auch jetzt seinen Geist in vollkommene Ruhe und überläßt den Körper einigen Knaben, die ihn, aber auf eine sanftere Art als früher, durchkneten. Sie fangen dies Geschäft gewöhnlich bei den Füßen an, welche sie mit ihren beiden Händen leicht drücken und so immer fortstreichend aufwärts fahren, bis sie auf diese Art den ganzen Körper geknetet haben, was mehrere Male von den Füßen zum Kopf und umgekehrt geschieht. Auch werden die Gelenke der Hände und Füße nochmals auseinander gezogen, bis sie knacken. Besonders für Leute mit schwachen Nerven hat dieses leise Kneten etwas Ermattendes, Angreifendes, und selbst ich war fast immer geneigt, dabei in Schlaf zu fallen. Wenn das Kneten vorüber ist, werden neue Pfeifen gebracht, sowie Kaffee und man bleibt nach Belieben so lange liegen, bis das Blut, welches durch die ganze Behandlung sehr aufgeregt ist, wieder ruhiger wird. Dann zieht man sich an, und das türkische Bad ist genommen.

Die Wirkungen dieses Bades, welche die Phantasie des Muselmanns etwas übertreibt und als das heilsamste darstellt, was dem Körper widerfahren könnte, fangen erst nach einigen Stunden an, sich bemerkbar zu machen; ich meine die angenehmen Wirkungen, denn in der ersten Zeit, nachdem man sich wieder angezogen hat und etwas umhergegangen ist, sind die Glieder wie zerschlagen und große Müdigkeit drückt den Körper nieder. Nach einigen Stunden aber schwindet diese Ermattung und man fühlt sich allerdings wie neugeboren. Die Glieder haben eine auffallende Frische und Elasticität erlangt; man fühlt sich durch ein angenehmes Wohlsein, das sich über den ganzen Körper verbreitet, zu den lebhaftesten Bewegungen hingerissen. Es wird behauptet, ein türkisches Bad im Augenblicke genommen, wo man nach einer langwierigen beschwerlichen Reise vom Pferde steigt, oder wenn man sich überhaupt sehr ermüdet hat, erfrische mehr, als die beste Nachtruhe.

Man kann zu jeder Stunde des Tages ein Bad nehmen, ausgenommen in den Zeiten des Ramasans, wo die Hamami den ganzen Tag über geschlossen sind und erst, wie alle andern Anstalten, Kaffeehäuser etc. mit Einbruch der Nacht geöffnet werden. Nur muß man nie nach dem Essen baden, eine Vorschrift, die ja auch bei uns besteht und bei der Gewaltsamkeit der Operation doppelte Berücksichtigung verdient. Ich habe in Konstantinopel ein einzigesmal diese Regel nicht beachtet, und so gesund ich bin, wurde ich nicht nur während des Badens völlig ohnmächtig, sondern war mehrere Tage nachher unwohl.

Die öffentlichen Bäder für das weibliche Geschlecht sollen beinahe ganz so eingerichtet sein, wie das beschriebene, nur daß sie große Wasserbehälter enthalten, worin die Abwaschungen vorgenommen werden. Natürlich sind dort die Hamamschi ebenfalls Frauen. Diese Anstalten dienen aber den Weibern keineswegs blos zum Baden. Da die türkischen Damen keine Thee- und Kaffeevisiten geben, so versammeln sie sich zu gleichem Zwecke in ihren Bädern, um gegenseitig Neuigkeiten einzutauschen und den lieben Nächsten der schärfsten Kritik zu unterwerfen. Tout comme chez nous!

Etwas Genaueres über die türkischen Frauenbäder zu sagen, ist fast unmöglich, da es dem Muselmann selbst streng verwehrt ist, diese Anstalten zu besuchen, und wenn er auch mit den inneren Einrichtungen bekannt wäre, würde ihm doch der Anstand verbieten, darüber mit einem Fremden zu sprechen. Man erzählte uns, vor einiger Zeit habe sich ein wißbegieriger Europäer in eines dieser Bäder geschlichen; ertappt und vor den Kadi geschleppt, sei er dem Tode nur dadurch entgangen, daß er sich verrückt gestellt. Doch will ich die Wahrheit dieser Geschichte nicht verbürgen.

Von einem der innersten Bäder im Harem des Großsultan findet man bei Hammer eine Beschreibung, die nach der Erzählung eines Itschoglan (Pagen) niedergeschrieben wurde. Nach dieser gehen die Fenster des Bades gegen Osten. Auf der rechten Seite der Thüre des Entkleidungssaales ist das Singzimmer und links das Schatzgewölbe. Die Pracht desselben soll unbeschreiblich sein. Der vielfarbige Marmor des Pflasters und der Wandbekleiduug spiegelt die Silbergestalten der badenden Schönheiten zurück und farbige Gläser, in der Oeffnung der Kuppel eingesetzt, verbreiten in dem Gemach einen heimlichen sanften Lichtschimmer. In der Mitte springt ein Wasserstrahl, dessen Erguß von zwei Becken, einem kleinen und einem großen, aufgefangen wird. Das kleine ist von weißem Marmor mit rothen und schwarzen Adern, aus welchem die Fluth in das untere große, aus mehreren Stücken farbigen Marmors zusammengesetzte Becken stürzt.

Man findet in Konstantinopel nicht nur bestimmte Bäder für die verschiedenen Stände, Künste und Gewerbe, sondern die Muselmänner können sich auch sogar nach ihren verschiedenen Charakteren, Leidenschaften, Tugenden und Lastern zusammenfinden. So ist in Stambul ein Bad für Freigeister, eines für fromme und heilige Männer, ein anderes für Narren, an der Suleimanje eines für Dichter, ein anderes für Pferdeliebhaber, das wir besucht haben, sowie eines für Sänger und für freigebige Leute. Am adrianopolitaner Thor findet man ein viel besuchtes für Frauenliebhaber, sowie dicht neben an eines für alte abgelebte Leute und eines für schöne junge Herren. In der Vorstadt Otakdschilar ist ein Bad für Betrunkene, eines für Knabenliebhaber und ein anderes für unschuldige, eingezogene und sittsame Leute. In der Nähe des Hafens sieht man welche für solche, die das Gebet nicht lieben, für Verliebte, für Spitzbärte und für Diebe.

Jedem Reisenden, der Konstantinopel besucht und wie wir nur kurze Zeit verweilen kann, rathe ich, gleich in den ersten Tagen nach einem Plane, den ihm ein Ortskundiger angelegt, die Stadt zu durchkreuzen und erst wenn er die vielen merkwürdigen Platze, Gebäude und Denkmäler gesehen hat, seine übrige Zeit anzuwenden, um das bunte Leben auf den Straßen zu beobachten, seine Einkäufe zu besorgen und kleine Ausflüge in die Umgegend zu machen.

An einem schönen Morgen, nachdem wir schon auf obige Art mehrere Tage verschleudert hatten, brachen wir in Begleitung des Herrn von C. von Pera auf, um einen Theil der Merkwürdigkeiten planmäßig in Augenschein zu nehmen. Da wir hiezu eine weite Tour zu machen hatten, suchten wir uns am Ufer von den dort aufgestellten Miethpferden die besten heraus. Hiebei fallen ähnliche komische Auftritte vor, wie bei den Kaiks. Die Pferdevermiether sind eben so zudringlich, besonders gegen die Franken, die natürlich mehr als die Osmanli bezahlen müssen. Dabei ist das Gedränge, was immer bei unserer Ankunft entstand, nicht ganz ohne Gefahr; sie suchen einem so nahe wie möglich mit ihren Pferden auf den Leib zu rücken, die nicht so geduldig wie ihre Herren, bisweilen zu schlagen und zu beißen anfangen. Im Augenblick ist man von einem Haufen dieser Menschen umringt und ich war nicht selten gezwungen, das Pferd, an das mich der Zufall gedrängt hatte, zu besteigen, um nur dem Gedränge zu entkommen. Hat man sich auf diese Art beritten gemacht, so hält sich jeder Vermiether an einem Steigbügelriemen seines Pferdes und läuft im Trab oder Galopp nebenher. An der Spitze des Zuges ritt der Herr von C., dessen Sais oder Reitknecht durch lautes Geschrei die Begegnenden zum Ausweichen aufforderte, und so trabten wir auf den kleinen Pferden, die auf dem glatten schlüpfrigen Pflaster fast nie einen Fehltritt machen, ziemlich rasch durch die Gassen.

Unsern ersten Halt machten wir auf dem At Meidan, dem Hippodrom, dem berühmtesten aller Platze des alten und neuen Konstantinopels. Wir stiegen von unsern Pferden, um die armseligen Ueberbleibsel der früheren prächtigen Monumente und Bauwerke, die auf diesem Platze standen, in der Nähe zu besehen.

Der Hippodrom wurde von Kaiser Severus, nachdem er die zerstörte Stadt erobert, angelegt, und war von da an der Schauplatz der festlichen Spiele, sowie fast aller Aufstände und Revolutionen, welche den Thron der byzantinischen Kaiser so oft erschütterten. Alles, was uns von der früheren Pracht und Herrlichkeit dieses Platzes erzählt wird, könnte man für eine Fabel halten; hier, wo nach den Geschichtschreibern die schönsten Werke der Kunst aufgestellt waren, ist nichts mehr zu sehen als drei verstümmelte Monumente: ein unvollendeter Obelisk in der Mitte des Platzes, dessen geglättete Seiten, besonders die gegen das Meer gekehrten, von der Zeit und der Seeluft schon stark beschädigt sind, ferner ein früher mit Kupfer bekleideter Pfeiler, dessen jetzt verschwundene Inschrift besagte, daß Konstantin, der im Purpur Geborene, ihn so prächtig hergestellt, daß er, gleich dem Coloß zu Rhodus, für ein Weltwunder angesehen worden; und endlich ein dreifaches Schlangengewinde, dessen Köpfe jedoch nicht mehr vorhanden sind, und das der Sage nach den Dreifuß von Delphi getragen haben soll.

Von den marmornen Stufen, die früher einen großen Theil des Platzes umgaben, und worauf das Volk dem Wettrennen zusah, ist keine Spur mehr vorhanden. Schlecht gebaute Häuser haben sich überall herangedrängt und der Platz, der früher vielleicht viermal so groß war, ist heute nur zweihundertundfünfzig Schritte lang und hundertundfünfzig breit. Der Boden ist uneben und schmutzig, und hie und da wächst eine Platane oder Sykomore aus ihm hervor, unter der ein türkischer Kaffeewirth seine elende Bude aufgeschlagen hat. Gelehnt an einen Pfeiler der Moschee Achmeds, die am At Meidan liegt, überdachte ich das Sonst und Jetzt dieses Platzes, ein Contrast, wie die Geschichte fast keinen traurigern aufzuweisen hat. Dort stand die Statue des Herkules Trihesperus, der ohne Bogen, Köcher und Keule sich mit dem linken Fuß auf das Knie niederließ, in derselben Stellung, wie er als Sternbild am Himmel prangt. Dieses Kunstwerk wurde von den Lateinern bei der Eroberung der Stadt in Stücke zerbrochen, um das Erz zu Kupfergeld einzuschmelzen. Ferner war hier der Esel mit dem Eseltreiber von Actium, den Augustus dort zum Andenken aufrichten ließ, weil, als er eines Nachts hinausging, um die Stellung des Antonius zu erspähen, ihm ein Eselstreiber mit einem Esel begegnete, der ihm auf die Frage, wie er heiße und wohin er gehe, antwortete: »Nikon (siegend), mein Esel Nikander (Siegmann) und ich gehe zu Cäsars Heer.« Neben ihm stand die Wölfin, welche den Romulus und Remus gesäugt hatte, ein Nilpferd mit schuppigtem Schweife, fliegende Sphynxe und die zwei Ungeheuer Scylla und Charybdis. Die Statue der Helene, Liebe athmend und einflößend, mit fliegenden Haaren und lächelnden, zum Reden geöffneten Lippen, war hier zu sehen mit aller Anmuth, womit sie der Gürtel Aphroditens ausgestattet. An den Rennzielen standen die Statuen berühmter Wagenlenker, die mit der Hand die Lehren wagenführender Kunst einschärften; zwischen diesen Statuen waren auf einer Seite die Altäre des Zeus, Saturnus und Mars, und auf der andern die der Venus, des Monds und die des Merkurs. Neben dem Thurm des Hippodroms, wo sich die Gitter befanden, hinter welchen die Pferde ungeduldig warteten, war der kaiserliche Thron, von welchem der Kaiser mit einem Tuche das Zeichen zum Auslaufen gab. Die zwölf vierspännigen Wagen, welche nun daherstürmten, mußten den Rennplatz sieben Mal umfahren. Auf dem Thurme des Hippodroms standen die vier berühmten goldenen Pferde, welche von Athen nach Chios und dann nach Konstantinopel gebracht wurden. Nach Eroberung dieser Stadt kamen sie nach Venedig und man stellte sie über dem Eingänge der Markuskirche auf. Später wanderten sie nach Paris auf den Carousselplatz, von wo sie wieder nach Venedig an ihre alte Stelle zurückgeführt wurden.Hammer, E. u. d. B. I.

So viel der Boden des Hippodroms von den Herrlichkeiten erzählen könnte, die er einstens getragen und allmälig verschwinden sah, so viel Entsetzliches könnte er uns auch mittheilen von den Metzeleien, die hier geschehen, und dem vergossenen Blute, das er stromweise trinken mußte, und wenn wir eben den Untergang jener Zeiten bedauerten, so können wir uns in diesem Sinne nur darüber freuen, daß sie sich verändert haben. Die meisten großen Revolutionen und Empörungen brachen auf dem Rennplatze aus. Hier wurde Gratianus Augustus durch bestellte Meuchler ermordet; hier dämpfte Kaiser Justinian die berühmteste aller Empörungen: als Hipatius, von einer andern Partei zum Kaiser ausgerufen, sich schon in den Besitz des Haupteingangs zum Hippodrom gesetzt hatte, wo die Rennspiele eben beginnen sollten und er sich dort wollte zum Kaiser ausrufen lassen, drang Belisar von der andern Seite mit den Leibwachen auf den Platz, und Justinian hatte Geistesgegenwart genug, im Augenblicke der größten Gefahr den Anfang der Rennspiele zu befehlen, die nun, von dem Brande der halben Stadt beleuchtet, begannen.

Schon seit den ältesten Zeiten feierten heimkehrende Feldherrn auf dem Hippodrom ihren Triumphzug; so Belisar, als er die Vandalen besiegt. Neben der großen Rolle, die dieser Platz von jeher im äußern Leben der Byzantiner spielte, legte ihm und den Statuen, die auf demselben standen, auch noch der Aberglaube des Volks und der Kaiser andere geistige talismanische Kräfte bei, welche das Reich schirmen und bewahren sollten, so daß der ganze Rennplatz gleichsam ein geweihtes Symbol der Regierung und Herrschaft ward: ein Aberglaube, der für die christliebenden Kaiser, wie sie sich selbst in allen Aufschriften nennen, mehr als unschicklich war.Hammer, C. u. d.B.

Auch unter der Herrschaft der osmanischen Kaiser blieb der At Meidan der erste Platz der Hauptstadt und die Bühne für die Staatsaktionen und öffentlichen Spektakel. Der Bau der Moschee Achmet I. auf demselben nahm ihm viel von seiner Ausdehnung. Noch heute geht über den At Meidan der große Zug, wenn sich am Beiramfeste der Sultan aus dem Serail nach dieser Moschee begibt. Ebenso versammeln sich hier noch immer die Pilger aus allen Theilen des Landes zu der großen Karawane nach Mekka. Auch die Geburt des Propheten wird auf dem At Meidan und in der Moschee Achmet I. in Gegenwart des Sultans und der Hof- und Staatsbeamten feierlichst begangen. Unter dem letzten Sultan Mahmud II. entfaltete hier der Großwessir die Fahne des Propheten, was alle Rechtgläubigen zum Schutz der Kirche und des Sultans herbeiruft, und führte die zusammengelaufenen Haufen nach der Kaserne der Janitscharen, wo diese bekanntlich bis auf den letzten Mann niedergemetzelt wurden.

Doch genug von diesem Platz; die Geschichte desselben ist so mit Gräuelscenen geschwängert, daß er bei längerem Verweilen in dem Herzen des Beschauers einen unangenehmem Eindruck zurücklassen muß.

Vom At Meidan betraten wir die Achmedi oder Moschee Sultan Achmed I., von der ich schon oben sprach, um ihre prächtige Einrichtung zu sehen. Sie ist zwar nicht die größte und äußerlich schönste, denn die Aja Sophia, sowie die Sulimanje übertreffen sie an Pracht und Ausdehnung; dagegen hat sie sechs Minarets, mithin zwei mehr als jene beiden und selbst als die heilige Moschee zu Mekka. Sie ist auf einer großen Terrasse gebaut und besteht aus zwei Vierecken, wovon eines die Moschee selbst, das andere den Vorhof bildet. Die innere Einrichtung übertrifft an Pracht und Schönheit der Geschirre alle Beschreibung. Die Kuppel des großen Domes wird von vier Säulen getragen, die, obgleich die Kirche sehr hoch ist, ganz unverhältnißmäßig dick sind. Jede hat sechsunddreißig Ellen im Umfang. Sie durchbrechen die Kuppel und ragen von außen als Thürme empor. Im Innern der Kirche läuft zu beiden Seiten eine doppelte Gallerie hin; unten sind die Bänke der Koranleser, oben die Gewölbe zur Aufbewahrung der Kostbarkeiten, die nach und nach in die Kirche gestiftet worden. Die Kebbellinie wird durch zwei Wachskerzen von so ungeheurer Dicke und Größe bezeichnet, daß wir sie anfangs für Marmorsäulen hielten, und erst beim Nähertreten mit Erstaunen unsern Irrthum erkannten. Ein Meisterstück von Bildhauerarbeit ist die Kanzel für den Feiertagsprediger, nach dem Modell der zu Mekka ausgeführt. Schon der Stifter dieser Moschee, Achmet I., beschenkte sie mit großen Reichthümern und seinem Beispiel folgten anstandshalber alle Großen des Reichs, deren prächtige Gaben man noch sieht: goldene Lampen, mit Edelsteinen besetzt, goldene, mit Perlen besetzte Pulte, worauf schön geschriebene Exemplare des Korans liegen. Die Anfertigung dieser Manuscripte beschäftigt noch jetzt eine große Anzahl von Derwischen, da der Koran nicht gedruckt werden darf, weil es dem Muselmann unschicklich erscheint, daß die heiligen Worte den Druck der Presse aushalten sollen. Wir bestiegen unsere Pferde wieder und ritten durch einen großen Theil der Stadt nach dem westlichen Ende derselben, wo am Meer von Marmora das Schloß der sieben Thürme liegt. Vom Großadmiral Apokaukos, der es in der Absicht anlegte, um einen Nebenbuhler darin einzusperren, aber selbst in die Falle ging und hier ermordet wurde, hieß das Schloß früher der Thurm des Apokaukos. Schon von Weitem erregen die dicken, mit Epheu bewachsenen Thürme und die unheimliche Stille, die um das ungeheure Gemäuer herrscht, den Gedanken, daß hier kein Aufenthalt für glückliche Menschen sein kann, und man ahnt, auch ohne es zu wissen, wozu diese mächtigen Quader aufeinander gethürmt wurden. Vor dem Eingang ist ein kleiner Platz mit jungen Bäumen bewachsen, unter denen ein paar alte Türken, zwei Kiaja's, Unteraufseher des Schlosses, sich mit ihren langen Pfeifen unterhielten und der Ruhe pflegten. Auf mehrmalige Anfrage erhielten wir von ihnen den Bescheid, sie haben keine Erlaubniß, uns einzulassen, und es bedurfte langer Reden von Seiten des Herrn von C., ehe sie sich nach Spendung einiger Piaster entschlossen, ihrem Chef, einem alten pensionirten Bim-Baschi, unser Anliegen vorzutragen. Nach einer Viertelstunde kehrten sie in Begleitung des alten Herrn zurück, der unsern Freund persönlich kannte, und nun weiter keine Schwierigkeit machte, uns den Eintritt zu gestatten. Den Eingang in's Schloß bildet ein großer Thorweg, der unter einem dicken viereckigen Thurm durchführt, mit einem schweren eisernen Thor verschlossen wird, und außerdem noch durch starke Fallgitter geschützt ist. Dieser Eingangsthurm gehört jedoch nicht zu den sieben großen, von welchen das Schloß seinen Namen hat. Das ganze bildet ein unregelmäßiges Fünfeck mit fünf Thürmen, und hat an der Hauptseite, die nach dem Stadtgraben zuliegt, noch zwei weitere große viereckige Thürme, zwischen denen aber im äußern Walle das sogenannte goldene Thor liegt, das in früheren Zeiten sehr berühmt war. Die Griechen nannten es das schöne oder liebenswürdige Thor und durch dasselbe zogen die Kaiser im Triumph in die Stadt. Doch wurde es schon um das Jahr 900 vermauert aus Furcht, die Lateiner könnten durch dasselbe in die Stadt brechen, und es wurde seitdem nicht wieder geöffnet. Die beiden Thürme, die es rechts und links einfassen, sind aufs Sorgfältigste gebaut und bestehen aus Quadern, die ohne Mörtel so schön zusammengefügt sind, daß man fast keine Fugen sieht. In der Mauer, welche sie verbindet, war der Triumphbogen Konstantins, der zum goldenen Thore führte. Im südlichsten dieser beiden Thürme ist das berüchtigte Gefängniß, der sogenannte Blutbrunnen. Wir betraten es mit seltsamen Gefühlen und betrachteten auf seinem Boden ein rundgemauertes Loch, das der Mündung eines Brunnens gleicht und in die Tiefe führt. Hier wurden die Köpfe der Hingerichteten hinabgeworfen. Doch hat die zerstörende Zeit das Schauerliche dieses Ortes sehr gemildert, die vielen Köpfe, die da unten liegen, sind längst in Staub zerfallen und verderben nicht mehr wie in alten Zeiten die Luft im Thurme. Auch sind die Balken, die die einzelnen Stockwerke bildeten, zusammengestürzt und lassen das Tageslicht von oben in diese schauerliche Gruft fallen, und wenn den Unglücklichen, die hier starben, auch keine liebende Hand ein Denkmal setzte, so haben es die Vögel gethan, indem sie Samenkörner in den Thurm fallen ließen, aus denen bunte Blumen entstanden, die den Blutbrunnen und die Wände des Gefängnisses freundlich bedecken.

Der größte der sieben Thürme ist der links vom Thor, durch das wir hereingekommen. Er ist rund und besteht aus zwei Theilen, von denen der untere an siebzig Schuh, der obere einhundertundzwanzig Schuh hoch ist. Er heißt der Thurm der Janitscharen. Wir bestiegen ihn auf einer halbzertrümmerten steinernen Treppe und hatten nördlich eine schöne Aussicht auf die Stadt und südlich auf die mit Cypressen bewachsenen Begräbnißstätten, auf die schönen Inseln der Propontis und die gegenüber liegenden asiatischen Ufer. Der Hof des ganzen Gebäudes befindet sich in der traurigsten Verfassung. Die mit kleinen Kieseln bepflasterten Wege, die rechts und links durchführen, sind das Einzige, was noch ziemlich erhalten ist. Das Ganze gleicht einem verwüsteten Garten; überall wächst Gras und Unkraut fußhoch und verworren durch einander. Einige Platanen und verkrüppelte Feigenbäume umgeben eine kleine Moschee, die links am Wege steht. Neben ihr ist ein Brunnen, dessen herrliches Wasser wir versuchten. In den andern Theilen des Hofes zeigen Steinhaufen, sowie auf einander gethürmte verbrannte Balken die Stellen an, wo sich vormals die Gefangenen ihre armseligen Hütten erbaut hatten. Am Eingange links ist das ziemlich erhaltene Haus des Aufsehers mit einem kleinen Gärtchen von Staketen eingefaßt, wo sich nach Hammer die Grabstätten der Märtyrer befinden, d.h. der Muslimen, die in dem Angriff der sieben Thürme die Heiligkeit des Krieges hier mit ihrem Blute bezeugten. Wenn die Leiber dieser gefallenen Kämpfer mit der ungeheuren Größe ihrer Gräber im Verhältniß standen, so müssen es wahre Riesen gewesen sein.

Aus diesem Hofe steigt man auf schmalen, an den Mauern hängenden Treppen, die meist halb zerfallen und mit Unkraut bewachsen sind, auf die Wälle. Hier liegen Kanonen von allen möglichen Kalibern, jedoch sind die meisten unbrauchbar. Einige haben Zündlöcher von einem halben Zoll Durchmesser. Jetzt werden diese Geschütze nur noch zu Freudenschüssen während des Bairamfestes benutzt, doch war über den meisten Gras und Unkraut zusammengewachsen, und hatten ihnen so ein Nest gebildet, worin sie wohl für ewig unbenutzt schlafen werden.

Seit den ältesten Zeiten diente das Schloß der sieben Thürme mehr zum Staatsgefängniß, oder wohl auch zur Citadelle, um die Stadt in Respekt zu halten, als zur Vertheidigung nach Außen. Bei anbrechenden Kriegen mit den europäischen Mächten wurden bekanntlich deren Gesandten unter dem Vorwande, sie vor der Wuth des Pöbels zu schützen, hier eingesperrt. Das Haus, das sie bewohnten, war, wie uns der Aufseher versicherte, an den Thurm der Janitscharen gebaut; vom Gebäude selbst sahen wir keine Spur mehr. Nur bezeugten viele französische und auch deutsche Inschriften, von denen jedoch die meisten durch Zeit und Wetter unleserlich geworden waren, daß manche Europäer traurige Stunden hier verseufzt. Eine lautete:

Prisonniers qui dans la misère
Gémissez dans ce triste lieu,
Offrez le de bon coeur à dieu
Et vous la trouverez legère.
1608.

Etwas weiter unten stand:

Anton Esterhazy bewohnte diesen traurigen Ort 1698–1699.

J. von Hammer spricht von einer ähnlichen Inschrift auf dem Steine eines der Quaderthürme, die wir jedoch nicht mehr fanden und welche lautete:

A la mémoire des Français morts danas les fers de Othomans
1801.

Der Aufseher des Schlosses schenkte jedem von uns eine reife Feige, die im Hofe gewachsen, und brachte uns eine Hand voll Blumen von denen, die den Blutbrunnen umstanden, wogegen wir ihn mit einigen Piastern erfreuten. Beim Ausgang zeigte er uns vor dem viereckigen Thurm den Platz, wo der unglückliche Sultan Osman in einer Empörung von den Janitscharen hingerichtet wurde, sowie links unter dem Thorweg ein kleines Gemach, das mit alten Waffen und Ketten angefüllt war.

Wir bestiegen unsere Pferde wieder, die sich indessen draußen am spärlichen Grase, das unter den Bäumen wuchs, gelabt hatten, und ritten eine Zeit lang an der Stadtmauer hin bis zu Top Kapussi oder dem Kanonenthor, früher das Thor des heiligen Romanus, durch welches wir in's Freie kamen. Dieses Thor ist von allen das merkwürdigste; hier fiel der letzte der Paläologen im Kampf mit den eindringenden Türken. Die ersten jedoch, welche die Stadt erstürmten, ihrer etwa fünfzig, drangen etwas mehr nördlich beim hölzernen Thor, man zeigte uns noch die Bresche, in die Stadt, überfielen den Kaiser und Giustiniani, den Feldherrn der Genueser, welche Beide von jenem Einbruch noch nichts wußten, und so von vorn und hinten zugleich angefallen, hauchte der letzte Konstantin sein Leben an den Mauern aus, die der erste gebaut. Die Türken, welche gern Alles in's Ueberirdische hinüber spielen, haben eine Sage, nach welcher ihnen Allah und der Prophet beim Sturme auf Konstantinopel dadurch geholfen, daß er an tiefer Stelle die Geschütze der Griechen in Stein verwandelt habe. Wirklich zeigte man uns einige steinerne Röhren, an denen eine lebhafte Phantasie einige Aehnlichkeit mit Geschützen finden konnte.

Vor dem Kanonenthor befindet sich ein großer Gottesacker, wo in früheren Jahren hauptsächlich die Janitscharen begraben wurden. Auf den Gräbern steht man eine große Menge aufrecht stehender schmaler Steine, neben denen der Kopf mit dem Turban, der dieselben früher schmückte, abgehauen an der Erde liegt. Sultan Mahmud ließ, nachdem er die Janitscharen vertilgt, auch an den früher Gestorbenen seine Rache aus, indem er ihnen zum Schimpf den gemeißelten Kopf auf den Steinen herunterschlagen ließ.

Ueber diesen Kirchhof führte unser Weg links auf das Feld, wo auf einer Anhöhe zwischen Bäumen die alte griechische Kirche zu St. Stephan liegt. Einer Tradition verdankt diese Kirche von gewöhnlicher Bauart und kleinem Umfang den Besuch von vielen Fremden. Als nämlich die Türken unter Mahomed II. die Stadt stürmten, drang ein Haufe auch in dieses Kloster, um Alles niederzumachen. Ein frommer Priester, der im Hofe bei einem Brunnen stand, briet gerade auf einem Rost Fische, die, als der Lärm entstand, auf der einen Seite schon gahr und braun waren. Der Priester rettete sich in's Heiligthum, die Fische aber wurden von den eindringenden Türken in den Brunnen geworfen, wo sie, halb gebraten, wie sie waren, wieder lebendig wurden, lustig umherschwammen, und noch heute am Leben sind.

Die griechischen Priester im Kloster empfingen uns sehr artig und führten uns in ihrer kleinen Kirche herum. Im Vorhof wurde jedem von uns eine brennende Wachskerze in die Hand gegeben, ebenso dem Kawaschen des Herrn v. C., einem Türken; doch schien diesem das dünne Kerzchen nicht anständig genug, und er kaufte sich noch zwei dicke dazu, die er ebenfalls ansteckte, worauf er seine Schuhe auszog und uns gegen die Gewohnheit der Türken überall ehrfurchtsvoll hinbegleitete. Die Andacht des Muselmanns hatte einen sehr natürlichen Grund: er liebte eine Griechin, und was thut die Liebe nicht!

Nachdem wir die Kirche besehen, die nicht viel Merkwürdiges enthielt, gingen wir in den Hof zurück und stiegen auf zehn Marmorstufen zu einem Brunnen hinab, in welchem die gebackenen Fische herumschwimmen sollten. Wirklich sahen wir auch eines dieser Thiere von der Größe und Gestalt einer starken Forelle, das auf der einen Seite weiß, auf der andern dunkelbraun war und sonderbar aussah. Der Priester erzählte uns noch, es seien dieser Fische sieben in den Brunnen geworfen worden, von denen zwei verschwunden, die andern fünf aber noch da seien. Allein wir sollen nicht glauben, daß ihre Religion ihnen gebiete, dies als Wunder zu verehren; es sei nur eine alte Ueberlieferung; übrigens könne er aus eigener Erfahrung versichern, daß die fünf Fische in den fünfzig Jahren, seit er hier sei, sich weder vermehrt noch vermindert haben.

Das Kloster ist mit alten dicken Nußbäumen umgeben, unter denen wie fast überall an solchen Orten, ein Kaffeetschi sein Zelt aufgeschlagen hatte, wo wir einen guten Kaffee genossen. Dann bestiegen wir unsere Pferde wieder und ritten fast eine Stunde den Stadtmauern entlang durch das Quartier der Töpfer nach Ejub. Zuerst führte unser Weg nach der von Mahomed, dem großen Eroberer, gebauten Moschee, die, malerisch zwischen hohen Bäumen versteckt, für so heilig gehalten wird, daß es keinem Ungläubigen erlaubt ist, auch nur ihre Vorhallen zu betreten.

Ejub, der Fahnenträger des Propheten, soll hier im Kampf mit den Arabern gefallen sein, und ihm zur Verehrung baute Mahomed nach seiner Thronbesteigung diese Moschee als Grabmal, und verlegte eine der ersten Ceremonien der Krönung dahin, der jedesmalige Sultan empfängt hier durch Umgürtung des Schwertes des Propheten die heilige Weihe. Eine Reliquie, die sich in dieser Moschee befindet, ist ein Fußstapfe des Propheten. Als dieser nämlich in Mekka beim Bau der heiligen Kaaba eifrigst mithalf, drückte sich einer seiner Füße in den Stein, worauf er stand. Dieser Stein wurde nach Aegypten in die Schatzkammer gebracht, und kam so später in den Besitz der osmanischen Sultane, wo ihn dann Sultan Mahmud in silberner Einfassung in die Moschee zu Ejub einmauern ließ.

Von dieser Moschee, die übrigens sehr einfach sein soll, ließ uns der Fanatismus der Türken auch nicht das Geringste sehen; denn kaum hatten wir uns einem der Thore genähert, um wenigstens einen Blick in den Vorhof zu werfen, so kam gleich einer der Derwische auf uns zu, und hieß uns mit ziemlich heftigen Geberden und Worten unseres Weges gehen.

Von schönen Gebäuden in Ejub ist noch ein Palast der Sultanin Valida zu bemerken, der am Hafen liegt, sowie viele kleine Grabkapellen von heiligen und berühmten Männern. Auch ist diese Vorstadt durch die Vorzüglichkeit ihrer Barbiere, sowie durch die Bereitung einer sehr gut schmeckenden Art von Milch, Kaimak genannt, berühmt. Etwas hinter der Stadt, am Ende des goldenen Horns ist die Mündung der beiden Flüsse Barbyses und Cydaris, an denen weiter aufwärts die herrlichen wasserreichen Thäler und Spaziergänge liegen, die bei den Türken zum Gegensatz von den an dem andern Ufer des Bosporus befindlichen Spaziergängen die europäischen himmlischen Wasser heißen, und wo sich an gewissen Tagen die Weiber des Sultans, natürlich durch ausgestellte Wachen vor jedem neugierigen Blicke geschützt, mit Spiel, Gesang und Tanz erfreuen. Ein anderer berühmter Spaziergang, der nach Edris Köschk, führt ebenfalls gleich hinter Ejub ziemlich steil den Berg hinan, über Begräbnißstätten, welche dicht mit schönen Cypressen bewachsen sind, zu einer verfallenen Moschee des Scheikh Edris, von dem der Spaziergang seinen Namen hat. Auf dieser Höhe ruhten wir, auf einem Grabstein sitzend, einen Augenblick aus und genossen die prächtige Aussicht, die sich bei den goldenen Strahlen der untergehenden Sonne unserm Blicke darbot. Vor uns lag das goldene Horn in seiner ganzen Fülle und Ausdehnung, rechts Konstantinopel, links Pera, Galata, Top-Chana, und den Hintergrund dieses prächtigen Rundgemäldes bildeten der Leanderthurm und Scutari. Nachdem wir wieder zum Hafen hinabgestiegen waren, ließen wir unsere ermüdeten Pferde mit ihren Führern nach Hause gehen und nahmen ein Kaik, das uns in kurzer Zeit nach Pera brachte.

Am folgenden Morgen nahmen wir unsern Weg wieder nach Stambul, um eine ähnliche Tour wie die gestrige zu beginnen. Doch war unsere Karawane heute ganz anders zusammengesetzt. Der Lord L., der sich mit seiner Gemahlin zu gleicher Zeit mit uns in Pera befand, hatte sich einen Ferman, d. h, eine Einlaßkarte zum Besuch der Aja Sophia und der andern Moscheen verschafft. Ein solcher Ferman kostet tausend Piaster, aber der Besuch der Kirche ist dafür Allen gestattet, die sich dem Inhaber desselben anschließen wollen oder können. Da auf solche Gelegenheiten, die nicht häufig vorkommen, viele Reisende und einheimische Franken warten, die nicht gesonnen sind, hundert Gulden auszugeben, so gestattete von jeher der Besitzer des Fermans jedem ordentlich gekleideten Landsmann im weiteren Sinne des Worts den Eintritt, so daß oft mit einem einzigen Ferman einige hundert den Tempel besahen. Dies erlaubten noch vor Kurzem der Herzog Paul von Württemberg und Prinz August von Preußen, welche letztere sogar einen großen Haufen Babuschen, türkischer Pantoffeln, die man um nicht die Stiefeln ablegen zu müssen, über dieselben anzieht aufkaufen und ohne Ansehen der Person unter die Eintretenden vertheilen ließen.

Nicht so machte es the right honourable Lord L., wie auf allen seinen Koffern und Kisten stand, denn obgleich der Baron ihn schon von London her kannte und wir, seine drei Begleiter, auf unserer gemeinschaftlichen Donaureise oft mit ihm gesprochen hatten, trieb er seine englische Eigenheit doch so weit, daß er von uns Dreien nur Zweien eine Karte geben wollte. An alle die nämlich, denen er die Erlaubniß ertheilte, mitzugehen, ließ er, oder vielmehr die Lady, Karten austheilen, und wer beim Eingang der Aja Sophia und anderer Kirchen, die wir besahen, keine Karte aufzuweisen hatte, den sollten nach seiner Absicht die Kawaschen zurückweisen. Diese Türken waren aber freundlicher als Seine Herrlichkeit und ließen trotz dem Verbot, wie gewöhnlich, ganze Haufen Neugieriger in die Kirche.

Unser erster Gang war natürlich zur Aja Sophia, diesem prächtigen herrlichen Tempel.

Im Jahr 325 baute auf dieser Stelle Konstantin den ersten Tempel der göttlichen Weisheit, den aber schon sein Sohn Konstantius, dreizehn Jahre später, erweiterte. Nachdem im Jahr 404 die Kirche zum ersten Mal abgebrannt war und sie Theodosius 415 zum zweiten Mal aufgebaut hatte, brannte sie unter Justinian 532 im berühmten Aufruhr der Rennparteie zum zweiten Mal ab, worauf sie dieser prachtliebende Kaiser in ihrer jetzigen Größe und herrlicher als je aufführen ließ. Am merkwürdigsten ist die Kuppel des Doms, die aus leichten zu Rhodus verfertigten Ziegeln gebaut wurde, deren jedem man die Inschrift einprägte: »Gott hat sie gegründet und sie wird nicht erschüttert werden; Gott wird ihr beistehen im Morgenroth.« Schon zu oft und sorgfältig ist die Aja Sophia von ältern und neuem Reisenden beschrieben worden, als daß auch ich eine ausführliche Beschreibung über diese Moschee liefern sollte. Die Herbeischaffung und Vorbereitung der Baustoffe dauerte sieben und ein halbes, der Bau selbst acht und ein halbes Jahr, wornach das Ganze in sechszehn Jahren vollendet wurde. Die Baumeister, welche dieses Werk leiteten, waren Anthenius von Tralles und Isidorus von Milet. Unter diesen waren hundert Baumeister beschäftigt, von denen jeder wieder hundert Maurer unter sich hatte. Nach dem Plane eines Engels, der dem Kaiser im Traum erschienen war, arbeiteten von diesen fünftausend auf der rechten, und fünftausend auf der linken Seite. Alle Tempel der ältern Religion trugen zu dem Bau dieses Tempels der göttlichen Weisheit bei, denn er stützt sich auf die Säulen der Isis und des Osiris, der Sonnen- und Mondtempel von Heliopolis und Ephesus, auf die der Pallas von Athen, des Phoibos von Delos und auf die der alten Cybele von Cyzikus.Hammer, Gesch, C. u. d. B. B. I.

Nachdem die Mauern erst zwei Ellen über den Grund erhoben waren, hatte man schon zweihundertundfünfzig Centner Goldes ausgegeben, und der Kaiser, dem es an Geld zur Fortsetzung gebrach, wurde der Sage nach durch einen Engel aus der Verlegenheit gerissen, der eines Nachts viele Arbeiter mit Saumthieren in ein unterirdisches Gewölbe führte, wo er sie mit großen Schätzen belud. Fast bei allen größern Bauwerken der ältern Zeit haben bekanntlich gute und böse Geister die Hand im Spiele gehabt; doch bei keinem zeigte sich das Geisterreich so thätig, wie hier beim Bau der Aja Sophia. Den Plan des ganzen Gebäudes gab der Sage nach ein Engel an, der dem Kaiser erschien, sowie später den Namen Aja Sophia. Und als einst der Kaiser und die Baumeister verschiedener Meinung waren, ob das Licht über dem Altar durch ein oder zwei Fenster einfallen sollte, erschien der Engel abermals und entschied für drei Fenster, zur Ehre des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Der Altartisch, zu dessen Anfertigung Gold nicht kostbar genug schien, bestand aus einer Masse, die man aus Gold, Silber, zerstoßenen Perlen und Edelsteinen zusammengeschmolzen hatte, und wurde mit den köstlichsten Steinen ausgelegt. Auf demselben stand ein goldenes Kreuz, fünfundsiebzig Pfund schwer, ebenfalls mit Steinen geschmückt. Ueberhaupt war die ganze innere Einrichtung, sowie die Geräthe, von so übertriebener Pracht, daß man die Beschreibung derselben für Märchen halten könnte, wenn sie nicht geschichtlich von den glaubwürdigsten Männern dokumentirt wäre. So war die Kanzel von einem goldenen Himmelsdach bedeckt, auf dem ein goldenes Kreuz stand, hundert Pfund schwer und dicht mit Rubinen und Perlen besetzt. – Ein anderes und zwar silbernes vergoldetes Kreuz stand in dem Behältniß der heiligen Geschirre im Grunde der Sakristei. Dieses Kreuz, das genau das aus Jerusalem gebrachte Größenmaß des heiligen Kreuzes hatte, heilte Kranke und trieb Teufel aus. Die für die zwölf großen Feste des Jahres bestimmten heiligen Gefäße, als Kelche, Patenen, Schüsseln, Kannen u. s. w. waren aus dem reinsten Golde, und der mit Perlen und Edelsteinen durchwirkten Kelchtücher waren allein zweiundvierzigtausend. Vierundzwanzig große Evangelienbücher, deren jedes durch seine Goldbeschläge zwei Centner wog, traubenförmige Leuchter für den Hochaltar, das Lesepult, die Frauengallerie und die Vorhalle waren sechstausend aus dem reinsten Golde. Außerdem noch besonders zwei goldene Trageleuchter mit Sculpturen verziert, jeder hundertundeilf Pfund im Gewicht und sieben goldene Kreuze, jedes ein Centner schwer. Die Thüren waren theils Elfenbein, theils Bernstein, theils Cedernholz; das Hauptthor silbern und vergoldet und drei derselben von innen sogar mit den Brettern der Arche Noah's ausgetäfelt. Die Einfassung des heiligen Brunnens in der Tiefe war die des berühmten samaritanischen Brunnens und die vier Trompeten welche über demselben von Engeln geblasen wurden, waren dieselben, von deren Schall die Mauern von Jericho zusammengestürzt waren.Hammer, Gesch. C. u. d. B. B. I.

Von dem Plätze des neuen Serails her betraten wir den Vorhof dieser Moschee, der, wie alle größeren, mit einem Säulengange umgeben ist und den kleine Kuppeln bedecken. In der Mitte steht eine Fontaine. Man tritt durch eines der Hauptthore in einen langen Gang, der ohne alle architektonische Verzierung ist, den sogenannten Gang der Büßenden. Hier mußten sich alle aufhalten, die ihrer Sünden halber aus dem Schooße der Kirche gestoßen waren. Am Ende dieses Ganges befindet sich eine Stiege ohne Stufen, auf der man bequem hinaufreiten könnte; über sie kommt man auf die große Gallerie, die das Innere umgibt, und von wo man den majestätischen Tempel ganz übersieht. Von der früher beschriebenen Pracht und Herrlichkeit ist indessen nichts mehr vorhanden. Die Wände sind schmucklos, meistens geweißt, und der Boden mit Teppichen belegt, welche das zum Theil noch vorhandene Marmorpflaster bedecken. An Schnüren hängen unzählige kleine Gebetlampen von der Wölbung herunter, und wo sich früher der prächtige Altar befand, bezeichnen jetzt zwei kolossale Wachskerzen die Richtung nach Mekka. Das Auge irrt mit Staunen durch die ungeheuern Räume und bewundert vor Allem die kühne Wölbung der Kuppel. Sie ist so flach, daß die Höhe derselben nur das Sechstel des Durchmessers von hundertundfünfzehn Fuß beträgt. Nach Hammer steht die Länge der Sophienkirche in der Mitte zwischen dem Tempel des olympischen Jupiters (zweihundertundfünfzig Fuß) und der Kirche von St. Denys (zweihundertundfünfundsiebenzig Fuß).

Als wir die Kirche verlassen, erzählte uns Herr von C. noch Einiges von der Art, wie Justinian damals die Grundstücke, die er zur Vergrößerung der Kirche brauchte, an sich gebracht habe. Der größte Theil des Platzes gehörte der Sage nach einem Eunuchen und einem Schuster, von denen ersterer sein Grundstück willig hergab, der andere begehrte dagegen einen unmäßigen Preis und obendrein noch, daß bei den Wettrennen ihn bei seinem Erscheinen die vier Rennparteien mit lautem Zuruf begrüßen sollten, eine Ehrenbezeugung, die nur dem Kaiser zukam. Doch bewilligte ihm Justinian des Spaßes halber seine unsinnige Forderung und der Schuster wurde bei seinem Erscheinen jedesmal wie der Kaiser begrüßt, nur mit dem Unterschied, daß ihm die Masse des versammelten Volks höhnende Worte zurief.

Von der Aja Sophia gingen wir zur Suleimanje. Diese ist nach jener unstreitig die schönste, und da sie auf einem freien Platze liegt, gewährt sie mit ihren schlanken, sehr schönen Minarets einen noch großartigeren und prächtigeren Anblick, als selbst der Tempel der göttlichen Weisheit. Die Moschee hat dieselben allgemeinen Verhältnisse, wie fast alle übrigen: ein Vorhof, ein Dom und Gallerien, die um denselben herumlaufen. In ihrer jetzigen Gestalt ist die Suleimanje unter allen Moscheen die schönste und glänzendste, und wenn sich auch bei allen andern Schulen, Spitäler und dergleichen befinden, so hat doch keine so viel mildthätige Anstalten und Stiftungen um sich versammelt, wie die Moschee Suleiman des Großen. Um sie her liegen Schulen, Academien, ein Spital, eine Armenküche, eine Herberge für arme Reisende, eine Bibliothek, eine Brunnenanstalt, ein Versorgungshaus für Fremde, die Mausoleen Suleiman des Großen, mehrerer seiner Prinzen und seiner Favorite, der bekannten Noxelane. Wir besuchten diese Grabmäler, kleine mit einer Kuppel versehene Kapellen, aus kostbarem Marmor erbaut und mit Inschriften aus dem Koran versehen. Die Gräber selbst sind große Sarkophage, deren gegen Mekka gerichtete Kopfenden erhöht und mit einem prächtig mit Edelsteinen geschmückten Turban verziert sind. Im Grabmal Suleimans steht ein kleines hölzernes Modell der Stadt Mekka und der heiligen Kaaba.

Nachdem wir diese Moscheen besehen, trennten wir uns von dem Lord L. und besahen im Fluge noch einige der merkwürdigsten Wasserleitungen und Cisternen. Von den ältesten Zeiten her erbauten die byzantinischen Kaiser aus Mangel an Quellen und Brunnen die großen Cisternen, die man noch jetzt sieht. Fast alle muß man als riesenhafte prächtige Bauten bewundern; doch erfüllten sie ihren Zweck nicht mehr, indem die meisten leer und trocken sind; nur in einer einzigen, der cisterna Basilica, ist noch heute Wasser zu finden. Der merkwürdigste von allen diesen Wasserbehältern ist der Bin bir direk, d. i. der tausend und einen Säule, den wir vor allen besuchten. Er liegt nicht weit vom At Meidan auf einem wüsten Platz. In der Mitte desselben erhebt sich eine Art Kellerlucke und hie und da sahen wir im Boden Löcher, welche in ein Gewölbe hinabführten. Unter dem Boden hörten wir ein eigenes Rauschen, das wir uns anfänglich nicht erklären konnten. Das Geräusch hatte viel Aehnlichkeit mit dem Tosen eines Wasserfalls, und doch sollte kein Wasser unten sein. Wir stiegen durch die Kellerluke auf einer schmalen steinernen Treppe in die prächtige Cisterne hinab. Sie besteht aus drei Stockwerken, indem die Säulen, welche das Gewölbe tragen, je zu drei aufeinander stehen. Es sind ihrer, wenn auch nicht, wie der Name besagt, tausend und eine, doch sechshundertzweiundsiebzig, von denen die obersten vierundzwanzig Fuß Länge haben; die mittlern dagegen ragen ans dem Schutt und Schmutz, der den Boden bedeckt, nur sieben Fuß hervor, und von den untersten ist gar nichts mehr zu sehen. Jetzt dient die Cisterne einem Armenier zur Werkstatt, welcher hier Seide haspeln läßt, wodurch jenes Geräusch entstand, von dem ich oben sprach.

Neben diesen Cisternen besahen wir auch noch oberflächlich die beiden großen Wasserleitungen, die unter dem Namen der des Justinian und der des Valens bekannt sind. Doch werde ich später darauf zurückkommen. Durch dieses Hin- und Herziehen in den langen hügeligen Straßen der Stadt war es indessen Nachmittag geworden und da wir auf morgen eine Tour nach Bujukdere verabredet hatten, verließen wir Stambul zeitiger als gewöhnlich und stiegen zum Hafen hinab, um zur morgigen Fahrt ein größeres Kaik mit drei Ruderern zu miethen.

Das Kaik, das Herr v. C. für uns in Beschlag genommen hatte, um durch die herrliche Wasserstraße, den Bosporus, nach Bujukdere zu fahren, unterschied sich von den gewöhnlichen Booten, womit man den Hafen durchkreuzt, nur durch seine Größe. Wir hatten vier Ruderer und einen Steuermann, und außerdem noch einen kleinen Mast, mit Segelwerk im Kaik, der ebenfalls aufgerichtet werden konnte. Wir waren mit dem Herrn v. C. zu vier, da unser Maler sich in Konstantinopel beschäftigte, um einige Bauwerke aufzunehmen. Vorn an der Spitze des Boots saß ein Janißair in scharlachrothem goldgesticktem Costüme, und hinten am Steuerruder prangte eine kleine Flagge mit den preußischen Farben. Bei Top-Chana fuhren wir ab und waren in kurzer Zeit gegen Beschiktasch gekommen, dem Sommerpalaste des Sultans, diesem seltsamen bunten Gebäude, das auf seinen Terrassen liegt, wie eine verkörperte schöne Phantasie. Es ist freilich nur von Holz, aber eben dies gibt dem Gebäude etwas Luftiges, Leichtes, ja Feenhaftes. Hohe Cypressen und weitästige Platanen umgeben es und blicken noch darüber hinweg, und die Hügel, woran sich die Gebäude lehnen, sind zu Terrassen umgewandelt, die eine über die andere emporragend. Auf allen befinden sich Gärten, mit den schönsten Blumen besetzt, welche ein dichtes Laubdach von Platanen, Orangen und Cypressen vor der glühenden Sonne schützt.

Das Auge schweift begierig bis zur höchsten Spitze des Berges, wo ein kleines glänzendes Kiosk, von riesenhaften Platanen umgeben, einer Krone gleich, das Ganze schmückt. Doch einsam sind diese Gärten; man sieht keine Menschen, die sich über all' das Schöne freuen; nur hie und da wandelt ein vermummtes Weib durch die Laubgänge, das mit seinen weißen Schleiern unter den schwarzen Cypressen eher einem Gespenste gleicht, als einem Wesen, das die Fülle von Pracht genösse, die hier ausgebreitet liegt. Gern senkt man deßhalb den Blick wieder hinab zu den Palästen selbst, die an dem bewegten Hafen mit ihren dicht vergitterten Fenstern wie schlafend und träumend liegen. Wo jetzt die Sommerpaläste von Dolmabahdsche und Beschiktasch, war früher ein Palast Mahmud I., von dem der Historiograph Isi in seiner poetischen Weise sagt: »Die leichten Schwingungen des Frieses sind dem Schweben des Vogels der Freude vergleichbar. Die Fenster der Erker öffnen und schließen sich lächelnd, wie die Augen des Liebenden, und die hohen Bogen umgrenzen das Ganze, wie treue Freunde Hand in Hand gehen.«

Zurückblickend hatten wir wieder das prächtige lebendige Bild des Hafens mit seinen Schiffen von allen Größen, mit den zahllosen Kaiks, diesen Fiakern Konstantinopels, und den weißen Möven, die sich auf der spiegelklaren Flut schaukeln und sich den Menschen so zutraulich nähern, daß man sie fast mit den Händen fangen könnte. Bald fuhren wir bei dem zwischen der Serailspitze und Scutari in einiger Entfernung vom Ufer liegenden Leanderthurm vorbei, der auf einem einzelnen Felsen gebaut ist und als Leuchtthurm dient. Er hat übrigens mit der Sage von Hero und Leander nichts zu thun. Sein älterer türkischer Name ist Kis Kullessi, der Thurm des Mädchens. Da sowohl hier wie überall jedes alte Mauerwerk seine Sage hat, so kann es nicht fehlen, daß man auch von diesem Thurm, auf den sich jeder Blick des Vorbeifahrenden richtet, mehrere Geschichten erzählt.

Ein griechischer Fürst, von dem Orakelspruch gewarnt, seiner Tochter stehe durch Schlangen ein großes Unglück bevor, sperrte das Mädchen in einen Thurm, welches sich in seiner Einsamkeit um so unglücklicher fühlte, da sie einen Geliebten hatte, von dem sie getrennt wurde. Dieser Geliebte war der berühmte arabische Sid (Sid-al-Battal), der Kampfheld. Er lebte dreihundert Jahre vor dem spanischen Cid Campeador, dem übrigens die Araber denselben Ehrentitel wie ihrem eigenen zuerkannten. Der Sid wußte trotz der scharfen Bewachung des Thurms sich mit seiner Geliebten durch Taubenpost und Blumensprache zu unterhalten, und fand endlich Gelegenheit, sich als Gärtner gekleidet mit einem Blumenkorbe zu ihr zu schleichen. Doch eine Natter, die sich unter den Blumen versteckt hatte, schießt an die Brust der Prinzessin, welche ohnmächtig dahin sinkt. Der Sid fängt sie in seinen Armen auf, saugt das Gift aus der Wunde und rettet sie so dem Vater, der sie, da nun der Orakelspruch erfüllt ist, dem Helden zur Gemahlin gibt.

Diese Geschichte erzählte uns Herr v. C., während wir aus dem Hafen in den Bosporus einfuhren und so auf den klaren Wellen zwischen zwei Welttheilen dahin schwammen. Jedes Oertchen, jeder Platz, ja fast jeder Stein, der aus den Wellen ragt, hat seine eigene Geschichte.

Wegen der heftigen Strömung halten sich bald hinter den Sommerpalästen des Sultans die Nachen an der europäischen Küste, und dicht unter den Fenstern verschiedener Landhäuser und kleiner Kiosks vorbeifahrend, betrachtet man mit Vergnügen die Einrichtung dieser Sommerhäuser, deren Fundamente von den klaren Wellen bespült sind. Die Fenster sind mit Rohrstäben vergittert, durch welche von Außen kein Blick dringen kann, doch bin ich überzeugt, daß die türkischen Damen die vorüberfahrenden Franken oft genug betrachten. Kein Geräusch, keine Bewegung verräth, daß diese Gebäude bewohnt sind. Nur zuweilen, wenn man in der Nacht beim Mondschein vorbeifährt, zittert der leise Klang einer Zither über die Wellen, zu welcher mit leiser Stimme eins jener orientalischen Lieder, die fast immer eine melancholische Melodie haben, gesungen wird.

Vor und neben diesen Gebäuden sind Gärten, mit Lorbeer-, Orangen- und Granatbäumen, deren Zweige nicht selten über das Wasser hängen, so daß man oft lange Zeit unter duftenden Lauben dahinfährt. Der Weinstock, der hier zu mächtigen Stämmen aufschießt, bildet oft lange Strecken am Ufer die schönsten Laubgänge. Er rankt an mächtigen Bäumen empor, verbindet die Zweige von mehreren, ein loses Netz bildend, über das sich Caprifolium und blühende Schlingstauden werfen. Da beide Ufer des Bosporus mit unzähligen Landhäusern und kleinen Orten bedeckt sind, zwischen denen sich hie und da kleine Bäche einmünden und alte riesige Bauten aufsteigen, welche sich an seltsam geformte Berge anlehnen, so sind die Aussichten, die man während dem Fahren in steter Abwechslung genießt, unbeschreiblich schön und gewähren dem Auge durch den Anblick und dem Herzen bei dem Andenken an all' das Große, was hier geschah, einen hohen Genuß.

Unsere Kaikschi hatten, da der Wind günstig wehte, ihren Mast aufgesetzt und ein großes lateinisches Segel entfaltet, mit welchem wir ungemein rasch dahin flogen. Jetzt durchschnitten wir die Flut und hielten uns mehr nach dem asiatischen Ufer zu, wodurch wir das sogenannte alte Schloß von Rumelien, Rumili Hissari, das an dem europäischen Ufer liegt, und bei dem wir nun vorbeifuhren, mit seiner ganzen sonderbaren Bauart vor Augen hatten.

Mohamed I. hatte schon früher auf dem asiatischen Ufer das Schloß von Anatolien erbaut und Mohamed II. führte das Schloß von Rumelien gegenüber auf unter den Augen der bedrängten Byzantiner. Es war zwei Jahre vor der Eroberung Konstantinopels und umsonst schickte ihm der Kaiser Gesandtschaften, die dem Padischah beweisen sollten, der kaum eben erst geschlossene Friede erlaube ihm gewiß nicht, auf griechischem Grund und Boden eine Festung aufzuführen. Mohamed kehrte sich so wenig an diese Vorstellungen, daß er nicht nur diese Gesandten zurückschickte, sondern auch schwur, er wolle die, welche ähnliche Botschaft brächten, schmählich hinrichten lassen. Darauf zeichnete er selbst den Grundriß zu dem neuen Schlosse, indem er lächerlicher Weise die Grundzüge des arabischen Schriftzuges, des Wortes Mohamed, dazu angab, den der Baumeister nachahmen sollte. Wo in dem Worte ein Punkt ist, setzte man einen Thurm ec. und man kann sich leicht denken, daß das Schloß durch die seltsame Bauart sehr unregelmäßig wurde und auch deßhalb als Festung wenig dienen konnte.

Eine kurze Strecke hinter Numili Hissari mündet sich in dem Thale ein kleiner Bach in den Bospor, der, sowie dies Thal, bei der Eroberung Konstantinopels eine große Rolle spielte; denn da die Byzantiner den Hafen durch eine ungeheure Kette gesperrt hatten, so konnte Mohamed die Stadt nur von der Landseite angreifen, wobei ihm die Mauern und das Terrain große Schwierigkeiten entgegensetzten. Deshalb faßte der Padischah den Entschluß, seine Schiffe hinter Pera und Galata herum zu Land in den Hafen bringen zu lassen, was, nach einigen Überlieferungen an dieser Stelle, geschehen sein soll. Und wirklich macht die Lage dieses Thals die Sache glaubwürdiger. Die Ufer sind hier niedriger, und man konnte eine kleine Strecke aufwärts den Bach noch benützen; dann zog man die Fahrzeuge, wahrscheinlich auf hölzernen Gleisen, vermittelst Erdwinden und Flaschenzügen, über einen schmalen Rücken in das Thal von Kjat-Hane, wo der Barbyses, der in den obern Theil des Hafens mündet, schon für kleinere Fahrzeuge schiffbar ist. Daß man, um die Schiffe rascher fortzubringen, die Segel aufgespannt, sowie die ganze Rutschpartie in einer Nacht ausgeführt habe, sind natürlicher Weise Zugaben, die sich später der Erzähler erlaubt.

Der Wind, der uns etwas von der Seite kam, wurde oft so heftig, daß er unser Fahrzeug fast ganz auf die Seite legte, worüber sich aber unsere Türken, die wenigstens nicht zu rudern brauchten, nicht bekümmerten. Schon einige Mal hatte ihnen Herr v. C. befohlen, sie sollten das Segel halb einziehen, weil wir in Gefahr sein würden, umzuwerfen, aber umsonst. Sie machten ihm mit der lebhaftesten Sprache verständlich, wie Schade es sei, diesen köstlichen Wind nicht zu benützen. Unser dicker Janißair, der vorne saß, diente wie beweglicher Ballast, denn so oft das Schiff sich stark auf die eine Seite neigte, wandte er sich auf die andere und stellte so das Gleichgewicht wieder her.

Jetzt lag Therapia zu unserer Linken mit seinem kleinen, aber schönen Hafen, worin nebst mehreren Kauffahrteischiffen ein türkisches Dampfboot, sowie eine englische Corvette sich befanden. Hier hielten sich früher fast alle Gesandten auf; doch ist seitdem Bujukdere in Mode gekommen und nur der englische und französische haben ihre Hôtels noch hier. Wenige Tage nach unserer Ankunft in Konstantinopel brannten in Therapia über zweihundert Häuser ab; der Anblick war in der dunkeln Nacht gräßlich, aber unbeschreiblich schön. Jetzt blickten die halbverbrannten Trümmer recht traurig aus der lachenden Gegend hervor.

Hinter Therapia wird der Bospor auf einmal sehr breit und gleicht beinahe einem runden Landsee, den die schönsten Ufer umgeben. Vor uns lag Bujukdere und die auf europäische Art gebauten Häuser der Gesandten blickten freundlich herüber. Zu unserer Linken sanken die Hügel allmälig zusammen und ließen auf große saftgrüne Wiesen sehen, auf deren einer sich die bekannte ungeheure Platanengruppe erhebt, die man die Platanen Gottfrieds von Bouillon nennt. Rechts gegenüber auf dem asiatischen Ufer thürmten sich jene Hügel zu einem ansehnlichen Berge, dem sogenannten Riesenberge, auf. Man sieht oben unter alten Cypressen, Kastanienbäumen und Platanen ein Gemäuer; es ist ein Grab, das fünfundzwanzig Schritt Länge hat. Die Türken behaupten, hier sei das Herz des Propheten Josua begraben, den sie in der Pest und andern Krankheiten gerne anrufen. Die Alten dagegen nannten oben das Grabmal das Bett des Herakles und die Türken vermischen beide Sagen, indem sie von Josua erzählen, er sei so ungeheuer groß gewesen, daß er oben auf dem Berge sitzend, mit den Füßen die klare Flut berührt habe.

Kurz vor Bujukdere wären auf ein Haar die Befürchtungen des Herrn v. C., daß wir noch umschlagen würden, in Erfüllung gegangen, wenn derselbe nicht die Vorsicht gebraucht hätte, eins der Taue, woran das Segel befestigt war, in die Hand zu nehmen; ein heftiger Windstoß legte unser Boot dergestalt um, daß das Segeltuch das Wasser berührte und da die Wellen ziemlich hoch gingen, würden wir sicher gesunken sein, hätte Herr v. C. das Segel nicht losgelassen, das nun im Winde flatternd demselben keinen Widerstand mehr bot. Jetzt verstanden sich die Türken dazu, den Mast niederzulegen und die Ruder zu ergreifen, worauf wir in kurzer Zeit in Bujukdere landeten.

Unser erster Gang war in das Hotel des Königl. preußischen Gesandten, des Grafen Königsmark, der uns auf die liebenswürdigste und freundlichste Art empfing. Wir leisteten seiner Einladung, die Nacht in Bujukdere zu bleiben und den andern Tag die berühmten alten Wasserleitungen in seiner Gesellschaft zu sehen, gerne Folge und verlebten einen in jeder Beziehung angenehmen und genußreichen Abend da, den die Güte und Freundlichkeit der ebenso geistreichen wie liebenswürdigen Gräfin Königsmark verschönerte.

Wir machten Spaziergänge auf dem Quai von Bujukdere, zu dessen Lobe Hammer so poetisch und wahr sagt: »In schönen mondhellen Nächten, wo das Dunkelblau des Himmels mit dem Dunkelblau des Bosporus zusammenfließt und zitternder Sterne Glanz mit dem phosphorescirenden Leuchten der See sich vermischt, – wo Nachen von griechischen Sängern und Zitherspielern längs dem Ufer tönend vorübergleiten und der laue Nachtwind die weichsten jonischen Melodien von dem Lande her in's Meer haucht; wo das Stillschweigen der Horchenden durch leises Lispeln lenesque sub nocte susurros, unterbrochen wird, verdient der Quai von Bujukdere die Begeisterung, womit die Liebhaber desselben sein Lob verkünden.«Hammer, C. u. d. B. II.

Und wenn wir ihn auch nicht in der Pracht und Herrlichkeit sahen, den ihm eine warme mondhelle Sommernacht verleiht; so fanden wir doch, daß hier an diesen Ufern zu wohnen der höchste Genuß sein müßte, wenn sich der Europäer mitten unter dieser uncivilisirten Bevölkerung nicht so unangenehm vereinzelt und allein stehen fühlte. Der russische Gesandte war nicht anwesend, weßhalb sein großes Hotel mit schön angelegtem Garten leer stand. Letzterer ist im besten Geschmack angelegt und steigt terrassenförmig an den Hügeln, die sich hinter Bujukdere erheben, in die Höhe, wodurch man von jeder Partie aus eine neue reizende Aussicht genießt.

Es gewährte uns bei dieser Promenade viel Stoff zum Lachen, daß wir an einer der schönsten Partieen des stillen Gartens einen Philosophen fanden, der sich im dolce far niente auf einer von hohen Platanen umgebenen Wiese gelagert hatte, von wo er bei der herrlichsten Aussicht auf den Bospor Gelegenheit genug gehabt hätte, tiefsinnige Betrachtungen anzustellen, wenn es kein Esel gewesen wäre, der sich hier, in's Grüne gestreckt, die duftenden Kräuter wohl schmecken ließ.

Der umsichtige Herr v. C. hatte für morgen Pferde für uns aus Konstantinopel bestellt, wofür wir ihm sehr dankbar waren; denn obgleich Graf Königsmark die Güte hatte, uns von den seinigen anzubieten, waren uns neben der Furcht, seine Güte zu mißbrauchen, doch jene Pferde in so weit lieber, als wir beschlossen hatten, uns auf dem Rückweg nicht wieder dem Kaik anzuvertrauen, sondern vielmehr den, wenn auch minder interessanten Weg über die Berge nach Konstantinopel zu nehmen.

Wir ritten zuerst auf die Wiese, von der ich oben sprach, um die mächtigen Platanen Gottfrieds von Bouillon in Augenschein zu nehmen. Von Weitem scheint es nur ein einziger aber ungeheurer Baum zu sein, doch sieht man in der Nähe, daß es ursprünglich sieben Stämme gewesen sind, die in einem Kreis dicht an einander standen. Im Laufe der Zeit sind aber Wurzeln, Aeste, ja die äußere Rinde zusammengewachsen, die innere dagegen ist theilweise verfault, theilweise durch das Feuer der Hirten, die hier vor dem Wetter Schutz suchten, zerstört worden, wodurch der Baum oder vielmehr die Bäume innen eine so große Höhlung erhalten haben, daß wir durch einen großen Spalt, den die Zeit ebenfalls in ihre Rinde gerissen hat, zu fünf mit unsern Pferden in den Baum hinein reiten konnten.

An der Erde hatten die Platanen sechszig Schritt im Umfang. Die Sage bringt den gefeierten Helden mit jenem Baume zusammen, indem sie erzählt, daß Gottfried von Bouillon im Jahre 1096, während das Heer auf der Wiese lagerte, hier unter dem Baum Obdach gefunden. Von den Türken wird diese Baumgruppe Jedi Kadarsch, d.h. die sieben Brüder genannt.

So kahl die Höhen in der Türkei, auch um Konstantinopel selbst, sind, so frisch und baumreich ist hier auf einer kleinen Strecke die Gegend. Die Wiesen, auf denen die Platanen stehen, sind frisch und duftend, von murmelnden Bächen durchschnitten, die aus dem höher liegenden Walde von Belgrad hervordringen, jenem heiligen Walde, der von den Einwohnern Konstantinopels so hoch gefeiert wird, weil er ihnen gutes klares Wasser verschafft. Jeder, der es wagen würde, auch nur den kleinsten Baum in jenem Walde umzuhauen, wird mit dem Tode bestraft, denn nur durch das sorgfältige Erhalten der riesigen Stämme, welche da stehen, ist es möglich, die Quellen immer ergibig zu erhalten, von denen die Stadt vermittelst der Aquaducte ihr Wasser bezieht.

Für den Türken ist das Trinkwasser überhaupt das größte Lebensbedürfniß, und wie ein Feinschmecker bei uns jede Sorte Wein, ja fast jeden Jahrgang von andern unterscheiden kann, so weiß der Türke gleich, aus welcher der geschätzten Quellen das Wasser ist, das er trinkt. Ob dagegen das Wasser klar und durchsichtig ist, darauf kommt es ihm gar nicht an, ja, die sogar im Orient am meisten geschätzten Trinkwasser, nämlich das des Euphrats und des Nils sind trüb und schlammig; und doch hat selbst der Prophet das des letzteren neben dem heiligen Born Semsem zu Mekka, welcher unter Hagars Füßen emporsprang, daß er ihren verschmachtenden Sohn erquicke, für das beste in der Welt erklärt.

Mit den frohen Gefühlen, die ein schöner Morgen überhaupt gibt, wozu für uns noch der Anblick und Geruch der frischen Wälder kamen, ritten wir die Wiesen aufwärts und sahen jetzt die bedeutendste und älteste der Wasserleitungen Konstantinopels vor uns. Schon Konstantin fing sie an und alle Kaiser und Sultane nach ihm, besonders Mahmud der Eroberer, verbesserten und erweiterten sie. Das ungeheure, schneeweiße Gebäude gleicht mit seinen unzähligen Pfeilern, die wie eben so viel Füße den obern Bau tragen, dem Skelett eines riesigen Tausendfußes, der auf den Höhen liegen blieb und dessen Knochen von der Sonne allmälig gebleicht wurden. Unsere Pferde waren recht munter, und da der Weg nur hie und da schlechte Stellen zeigte, im Allgemeinen aber so gut war, wie man es hier verlangen konnte, befanden wir uns bald auf der Höhe von jener Wasserleitung. Sie führt den Namen Justinians und ist, wenn auch nicht die längste, doch die höchste von allen. Der Wasserfaden wird in einer Höhe von neunzig bis hundert Fuß über ihren zwei Etagen durch das Thal fortgeleitet. Unter einem der großen Bogen des Aquaducts ritten wir hindurch, dann noch eine kleine Strecke aufwärts, wo uns Graf Königsmark veranlaßte, einen Augenblick anzuhalten und zurückzuschauen. Da sahen wir ein kleines Stück des Bosporus mit dem dahinter liegenden Riesenberge und vielen freundlichen Häusern am Fuße desselben, von dem Bogen, durch welchen wir so eben geritten, prächtig eingerahmt – ein herrliches Gemälde. – Wir wandten uns nun links in den Wald hinein und erreichten in kurzer Zeit das Dörfchen Belgrad, wo sich früher die Landsitze der meisten europäischen Gesandten befanden. Kriegsgefangene Bulgaren wurden in alter Zeit von Belgrad an der Donau hieher versetzt und gaben dem neuen Dorfe den Namen der Heimath. Wir nahmen hier ein kleines Frühstück ein, sahen dann im Vorbeireiten das Haus, wo Lady Montague ihre Briefe schrieb und ritten den großen Wasserbehältern zu, welche in der Tiefe des Waldes liegen und aus denen die Aquaducte gespeist werden.

Lange hat nichts einen so seltsamen Eindruck auf mich gemacht, wie der Anblick dieser gewaltigen Werke, fern vom Geräusch der Menschen, in stiller Abgeschiedenheit liegend. In dieser Gegend, zwischen uralten riesigen Baumstämmen, reitet man auf schmalen Waldpfaden und hält plötzlich mit einem Ausruf des Erstaunens sein Pferd an, denn zwischen den hohen Thalwänden erheben sich prächtige Marmor-Gebäude, deren einfache, solide Schönheit dem Auge unendlich wohl thut. Es war der Aiwad-Bend, von Mustapha III. im Jahr 1766 erbaut, den wir als den größten und schönsten in Augenschein nahmen. Das Wort »Bend« kommt aus dem Persischen und ist die Bezeichnung für der Art Wasserbehälter, eigentlich nur für die Mauer, welche das Thal eindämmt, und ist so fast gleichbedeutend mit dem deutschen Worte Band.

Neben den meisten dieser Wasserbehälter befinden sich Lusthäuser des Sultans. Die Gegenwart des Grafen Königsmark verschaffte uns Zutritt zu einem der hier liegenden, welches Mahmud II. erbaut. Es wurde von einem Mohren bewacht, der uns in einige der prächtigen Gemächer den Eintritt gestattete andere aber mußten wir durch die Fenster ansehen. Dies Kiosk war wenigstens zu drei Theilen auf europäische Art eingerichtet. Es enthielt französische Tapeten und Kronleuchter, große Spiegel und neben den türkischen Divans Fauteuils und Lehnstühle aller Art.

Das System der Wasserleitungen für das frühere Byzanz und spätere Konstantinopel begründet sich auf die zwei Aquaducte, die in den ältesten Zeiten erbaut und stets verbessert und erweitert wurden; die eine ist die justinianische, von der ich oben sprach, eigentlich die hadrianische, denn Justinian besserte sie ebenfalls nur aus. Sie leitete das Flüßchen Hydraulis nach der Basilika von Byzanz. Später bauten die Sultane noch verschiedene Bende zu ihrer Speisung, wozu auch der erwähnte Aiwad-Bend gehört. Eigenthümlich bei dieser Wasserleitung ist, daß sie das Wasser bald unterirdisch fortführt, bald es mit kühnen Bogen über die Thäler fortträgt. Kurz vor der Stadt zertheilt sie sich in vier kleine Aquaducte, welche das Wasser an verschiedenen Thoren in die Stadt führen.

Die andere ältere Wasserleitung ist die des Kaiser Valens, die jetzt ihre größte Wassermasse von Kalfakjöl bezieht und sie in die höheren Theile der Stadt führt, wodurch das gewaltige Mauerwerk an tausend Schritte weit zwischen den Häusern durchläuft und jemanden, der nicht schwindlicht ist, einen schönen Spaziergang bietet, von dem aus man die Stadt wie eine Karte vor sich ausgebreitet sieht.

Es war Nachmittag geworden, als wir uns auf den Rückweg nach Konstantinopel begaben. Unser liebenswürdiger Führer, Graf Königsmark, begleitete uns noch eine Strecke weit, worauf er nach Bujukdere zurückkehrte, und wir unsern Weg nach der Stadt fortsetzten. Dieser führte durch sehr uninteressantes Terrain; denn es war ein breiter Sandweg, der sich über die öden baumlosen Höhen hinzog, die den Bospor begrenzen. Einige Unterhaltung gewährten uns unsere sehr guten Pferde, indem wir von Zeit zu Zeit kleine Wettrennen anstellten. Vorn an der Spitze ritt der Sürüdschi, der die Pferde gebracht und uns wieder zurückgeleitete. Wir hatten ihm einen kleinen Mantelsack gegeben, in dem wir gestern einige Kleidungsstücke mit nach Bujukdere genommen, den er vor sich auf den Sattelknopf nahm und munter vorausritt.

So oft es bergauf ging, spornte er seinen starken Schimmel und jagte laut schreiend davon. Wir folgten ihm natürlich so rasch wie möglich; doch war mein Pferd das einzige, welches das seinige hie und da erreichte. Später setzte sich der Baron auf diesen Schimmel und lud mich ein, einen kleinen Cours mit ihm zu machen, um zu sehen, welches Pferd das schnellste sei. Da ihm die Bügel zu kurz waren, legte er sie vorn über den Sattelknopf und wir jagten dahin. Ich war beständig dicht hinter ihm, so daß der Kopf meines Pferdes seinen Schenkel fast berührte, konnte ihn aber nicht überholen.

Da der Weg, auf dem wir ritten, ziemlich schmutzig war, so bewarf mich das ausgreifende Pferd des Barons so mit Koth, daß ich, in Pera angekommen, bei der Abendtafel alle Mühe hatte, mich vor der übrigen Gesellschaft von dem Verdacht zu reinigen, als habe ich den Sandreiter gespielt.


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