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So oft wir auch Gelegenheit hatten, den jungen Padischah, den Beherrscher der Gläubigen, auf der Straße, oder auf dem Hafen zu sehen, so konnten wir außer dem Baron doch nicht das Glück haben, vor sein erlauchtes Antlitz zu treten, weil wir weder Rang noch Titel, oder was noch schlimmer war, keine Uniformen besaßen, ohne welche man sich dem Sultan nicht präsentiren darf. Nachfolgende kleine Skizze über eine Audienz beim Sultan entnehme ich aus einem Briefe des Barons.
– –Da wir uns gerade in der Zeit des Ramasans befanden, so konnte uns erst nach Sonnenuntergang die Ehre zu Theil werden, eine Audienz beim Sultan zu erlangen. Es war acht Uhr Abends, als ich in das Kaik des preußischen Gesandten stieg, der die Güte hatte, mich seiner Hoheit vorzustellen. Wir fuhren bei Galata ab und kamen in kurzer Zeit an den Schiffen vorüber, die zur Feier des Ramasan glänzend erleuchtet waren. Es ist ein großartiger Genuß, in diesen Nächten auf dem Wasser zu fahren und um sich die mächtigen Häusermassen von Stambul, Pera, Galata und Skutari von tausend und tausend Lichtchen hell erleuchtet zu sehen.
Unser Boot hielt bei den Terrassen des Sommerpalastes von Beschiktasch und wir wurden durch einige Hofbeamte in ein Gemach zu ebener Erde geführt, wo uns der Obersthofmarschall Nursim-Bey empfing. Das Gemach ist wie der ganze Palast halb türkisch, halb europäisch eingerichtet; denn neben den Divans enthält es Fauteuils, schöne Spiegel und französische Kronleuchter. Der Hofmarschall empfing uns sehr freundlich, bewirthete uns mit Kaffee und Pfeifen, wobei die Unterhaltung, die wir mit ihm hielten, durch den Dolmetscher des preußischen Gesandten geführt wurde. Nach Verlauf einer halben Stunde erschien einer der Hofbeamten wieder, der uns hieher gebracht, und nahte sich dem Bey, ihm einige Worte sagend, worauf dieser sich erhob, um uns vorangehend zum Gemach des Sultans zu begleiten. Dieses, ebenfalls im untern Stockwerke, war nicht prächtiger eingerichtet, als das des Hofmarschalls und ganz in demselben Geschmack. Auch war es sparsam erleuchtet, denn von den Lichtern auf dem großen Kronleuchter brannte keins, sondern vier Wachskerzen auf bronzenen Leuchtern stehend, waren hie und da auf den Boden gestellt. Der Beherrscher der Gläubigen saß in einem großen Fauteuil, das er jedoch bei unserm Eintritt mit der Ecke des Divans vertauschte, in welcher er sich auf die untergeschlagenen Beine setzte. Er trug über dem gewöhnlichen blauen Ueberrock einen braunen langen Mantel, den eine Agraffe von Diamanten auf der Brust zusammenhielt und auf dem Kopfe das Feß, an dem ebenfalls ein großer Stern von Brillanten prangte. Vor ihm stand der damals mächtige Reschid Pascha und übersetzte seinem Herrn die Gefühle der Dankbarkeit, die ich ausdrückte, mich an dem Glanz seines erhabenen Angesichtes erfreuen zu dürfen, aus dem Französischen ins Türkische, nachdem mich der Sultan mit dem üblichen Gruß der Morgenländer: »Der Herr segne deinen Eingang bei uns!« empfangen hatte.
Die ganze Audienz dauerte ungefähr eine halbe Stunde, in welcher er mich über den Zweck meiner Reise befragte, sowie auch, ob mir seine Pferde gefallen und dergleichen Kleinigkeiten mehr. Dann legte er die Hand an sein Feß, wir waren entlassen und verließen das Gemach. – –
Eine lächerliche Anekdote in Bezug auf eine Audienz unserer frühern Reisegesellschaft des Lords und der Lady Londonderry beim Sultan war damals in aller Leute Mund und ist wirklich zu interessant, um sie nicht mit kurzen Worten zu erzählen. Seine Herrlichkeit der Lord hatten, wie sich von selbst versteht, eine officielle Audienz, die aber seiner Gemahlin, welche auch den Sultan in der Nähe zu sehen wünschte, aus dem Grunde nicht zu Theil werden konnte, da das Gesetz dem Beherrscher der Gläubigen verbietet, die Frau eines Ungläubigen bei sich zu empfangen. Doch war der junge Padischah, dem der Wunsch der Lady zu Ohren kam, so galant, höchst eigen ein Auskunftsmittel vorzuschlagen. Es wurde der Lady nämlich eine Stunde bezeichnet, in welcher sie sich die Gemächer des Palastes sollte zeigen lassen, und wo ihr der Sultan alsdann, ganz wie von ungefähr, begegnen und im Vorbeigehen einige Worte an sie richten würde. Die bestimmte Stunde erschien, und Ihre Herrlichkeit betrat den Palast von Beschikdasch nicht nur wie gewöhnlich im großmöglichsten Staate, sondern hatte ihren ganzen Diamantenschmuck, einen der schönsten und reichsten in der Welt, um und an sich gesteckt. Sie wurde durch den Hofmarschall in die untern Zimmer geführt, und man mußte, wer weiß durch welchen Zufall, den Sultan im Voraus davon benachrichtigt haben, in welchem Glanz die Lady erschienen sei, kurz, er befahl seinen Palastoffizieren, ihre Nischah und Rangzeichen mit Brillanten besetzt augenblicklich holen zu lassen und gleich umzuhängen, worauf sich einer nach dem andern verlor, um mit Diamanten geschmückt gleich darauf wieder zu erscheinen. Die Lady besah die untern Gemächer, die Corridors, die Terrassen nach dem Garten zu und auf einer dieser letzteren begegnete ihr der Sultan. Der Padischah blieb stehen und wechselte durch Reschid Pascha einige Worte mit ihr, ehe er seinen Weg fortsetzte. Doch war ihm wahrscheinlich die Masse Diamanten, mit welcher Ihre Herrlichkeit behängt waren, ein wenig stark vorgekommen, denn wenige Minuten darauf gab er seinem Minister den kitzeligen Auftrag, sich bei der Lady zu erkundigen, ob die Steine auch alle ächt seien, und was sie in dem Falle wohl gekostet hätten; eine Commission, deren sich der gewandte Reschid Pascha mit Uebergehung der ersten Frage um so leichter entledigte, weil die Lady es liebte, die ungeheure Summe anzugeben, welche jener Schmuck auch wirklich gekostet. – – Eine Einladung, die mir am andern Tage zu Theil wurde, war mir um so interessanter, da sie von dem hochgestellten Reschid Pascha ausging und auf ein türkisches Diner lautete. Es war Abends gegen sieben Uhr, als wir uns in die Wohnung des Ministers begaben, die ebenso wie der Palast vor Beschikdasch halb europäisch, halb türkisch eingerichtet ist. Die Divans waren hier das einzige Orientalische und Reschid Pascha hatte von seinem früheren Aufenthalte als Gesandter in Wien Stühle, Sopha's, Consoletische, Spiegel ec. von dort mitgebracht.
Einige Bemerkungen über das Diner mögen hier erlaubt sein. Unmittelbar vor dem Essen, noch im Empfangszimmer, wurde jedem Gaste ein eigenes kleines Tischchen vorgesetzt, worauf Täßchen mit etwas Suppe. Dies soll den Appetit reizen. Eine Viertelstunde später gingen wir zur eigentlichen Mahlzeit. Wir waren sieben Personen, für welche ein ziemlich kleiner runder Tisch mit einer Silberplatte und erhabenem Rande bereitet war. Rings um am Rande des Tisches waren alle Arten von geschnittenem Brod gelegt, in der Mitte stand als erste Schüssel der Pillau; um denselben kleine Platten mit Salat, geschnittenem Obst, Confituren und gesalzenen Sachen, Alles unter einander. Als Besteck war nur ein Löffel für jeden Gast sichtbar. Merkwürdig ist, daß das Tischtuch nicht auf den Tisch, sondern der Tisch auf das Tischtuch gestellt wird. Der Tisch selbst hat nur einen Fuß in der Mitte. Das Tischtuch ist von Damast mit Gold gestickt; dieses wird in die Höhe gezogen, jeder Gast breitet es sich über den Schooß und streckt die Beine darunter. Dann erhält er noch eine Serviette von grober Leinwand, um sie über die Stickerei zu thun. Nun beginnt das Essen; Jeder greift mit seinem Löffel in die Schüssel, verliert unterwegs die Hälfte und greift von Neuem zu. Der Minister bemerkte, daß wir in den Gebräuchen einer türkischen Mahlzeit noch nicht hinreichende Geschicklichkeit erlangt hatten; er ließ für das nächste Gericht Teller und Bestecke kommen. Hierauf folgte eine Unmasse von Gerichten, süß und sauer unter einander, wobei die Etikette erfordert, daß, sowie eine Schüssel auf die Tafel gesetzt ist, ein Diener bereits die nächste hinter dem Tische bereit hält. Die süßen Speisen waren gut, jedoch so süß und fett, daß ich nur wenig davon genießen konnte. Der Türke nimmt nur wenig auf einmal, wodurch das Fingeressen etwas reinlicher, auch die Menge der Speisen erklärlich wird.
Man hat mir erzählt, daß in der alten guten Zeit türkischer Herrlichkeit, zum Besten der Großen des Reiches, wenn sie reisten, auf ihrem Paß vorgeschrieben wurde, wie viel Speisen ihnen gereicht werden müßten. Die Zahl derselben betrug oft einhundertundzwanzig.
Bei unserm heutigen Diner wurde kein Wein, nur Wasser vorgesetzt. Als schöne blaue Tassen auf den Tisch gestellt wurden, hielt ich es für Mundwasser, und glaubte, das Diner sei zu Ende. Es war aber Scherbet, und dies bezeichnete die Hälfte der Mahlzeit. Gegen Ende erscheint noch einmal Pillau, damit jeder Gast, dem die andere Speise nicht zusagt, sich daran halten könne. Die Höflichkeit will, daß der Hausherr immer zuerst ein wenig aus der Schüssel nimmt, wobei er sagt: Bujurum (Wenn's beliebt). Nach Tische ging man in ein Nebenzimmer; jedem Anwesenden wurde ein Becken nebst Kanne präsentiert, sich die Hände zu waschen. Dann wurden Pfeifen gebracht und Kaffee getrunken. Der Minister ließ mich in seinem Wagen nach Hause führen.