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Wie Kantor Waldkauz den Senior des Hauses Laputz von den mutmaßlichen Absichten seines Gastes unterrichtet, wobei er das Gespräch auf Nikolinens Freier bringt, und wie der Urgroßvater zu dem Heiratsprojekt seine Zustimmung gibt und von Nikoline verlangt, daß sie Herrn Lampe zu einem Besuch im Karnickelbau veranlasse
Es war schon spät am Abend, als sich der Kantor vor dem Karnickelbau einstellte und den Senior des Hauses Laputz in einer dringlichen Angelegenheit zu sprechen wünschte. Man mußte den alten Herrn herausrufen, denn es wäre für einen Mann von so hoher Statur und aufrechter Haltung, wie Waldkauz war, doch zu beschwerlich gewesen, den weiten Weg durch die niedrigen und vielfach gewundenen Korridore bis zu dem Altersstübchen seines greisen Parteifreundes zurückzulegen.
Zum Glück war die Luft still und mild, so daß der um seine Gesundheit sehr besorgte Urgroßvater es wagen durfte, den Besucher vor der Hauptröhre zu empfangen. Die Parteiangelegenheit, die als Vorwand zu der Unterredung dienen mußte, war bald erledigt, und der Kantor lenkte die Unterhaltung auf einem Umwege dem wichtigsten Gegenstande der Besprechung zu, indem er allerlei Betrachtungen über das wechselnde Wetter der letzten Tage anstellte, ein Thema, das für jemand, der in jedem Knochen ein Barometer zu haben behauptete, höchst willkommen und unerschöpflich war. »Unter diesem ewigen Wechsel von Wärme und Kälte leidet mein Vetter natürlich am meisten«, sagte er.
»I wo! Dem Wetter ist das ganz egal, mein Lieber. Wenn es selbst darunter litte, würde es schon für eine gleichmäßige Temperatur sorgen«, meinte der schwerhörige Karnickelgreis mit überlegenem Lächeln.
»Sie haben mich mißverstanden, verehrter Freund. Ich spreche von meinem Vetter, der gerade bei mir zu Besuch ist, und der aus einem heißen Lande stammt.«
»Aus weißem Sande? Wohl unten vom Elbufer? Da bin ich in meiner Jugend auch einmal gewesen. Graben läßt sich da ganz gut, und solange der Sand feucht ist, kommt man auch mit den Röhren recht hübsch vorwärts, aber wenn dann Trockenheit eintritt, stürzt alles wieder zusammen.«
»Mein Verwandter kommt nicht vom Elbufer, sondern aus Afrika«, rief der Kantor, so laut er konnte.
»Ach so, aus Afrika! Freilich, freilich, da gibt es weißen Sand genug. Wenn von Afrika die Rede ist, denkt man ja gleich an die Sara«, bemerkte der Alte, in dessen Gedächtnis sich noch ganz ansehnliche Reste geographischer Kenntnisse erhalten hatten. Und da er nicht ganz frei von Neugier war, fragte er: »Was will Ihr afrikanischer Vetter denn hier?«
Der Kantor näherte mit bedeutsamem Zwinkern seinen Schnabel dem Löffel des Seniors und raunte ihm zu: »Sich nach einer Frau umsehen!«
»Eine Sau ansehen? Da haben Sie ihn wohl zum Grafen Basse geschickt?«
»Sich nach einer Frau umsehen«, wiederholte Waldkauz mit erhobener Stimme. »Heiraten. Verstehen Sie?«
Der Karnickelgreis nickte. »Ach so, heiraten. Gibt es denn in dem großen Afrika keine heiratsfähigen Vogeltöchter?«
»Das schon. Aber mein Vetter hat eine besondere Vorliebe für die deutschen Frauen. Er macht durchaus den Eindruck, als ob er ihr tiefes Gemüt und ihren Sinn für Häuslichkeit zu schätzen verstehe.«
»Ja, ja, zu schwätzen verstehen sie. Da wird der Herr wohl auf eine von Ihren Zwillingen anbeißen?«
»Wer weiß! Unmöglich ist's nicht«, erwiderte der Kantor mit der durch die Umstände gebotenen Zurückhaltung.
»Welche wird er denn nehmen? Die Eulalia oder die Tilla?«
»Darüber läßt sich noch nichts sagen. Es scheint ihm schwer zu fallen, sich für eine von beiden zu entscheiden. Ist auch kein Wunder, denn jede von ihnen hat ihre Vorzüge. Aber ich mache mich allmählich mit dem Gedanken vertraut, eines der Mädchen aus meiner väterlichen Obhut entlassen zu müssen. Elternlos! Man freut sich über jedes Ei, brütet Tag und Nacht, sieht die Kinder ausschlüpfen, beobachtet mit stiller Freude, wie sie heranwachsen, das Dunenkleid ablegen, wie sie sich eines Tages aus dem sicheren Horst wagen und den ersten Schritt ins Leben tun, und wenn sie dann endlich so weit sind, daß man in ihnen eine Stütze für seine alten Tage zu haben glaubt, dann kommen wildfremde Vögel und holen sie einem weg, und die viele Sorge und Mühe, die man auf das Aufpäppeln und Erziehen verwandt hat, sind für die Katze gewesen. Wie sieht's denn bei Ihnen aus, Herr Laputz? Sie müßten doch auch allmählich daran denken, Ihre fünf Urenkelinnen unter die Haube zu bringen. Das ist ja natürlich Ihre Privatangelegenheit, die niemand etwas angeht, aber es wäre mir doch tröstlich, in Ihnen eine Art Schicksalsgefährten zu haben.«
Der alte Herr, der bei Waldkauzens langer Rede nicht allzu scharf hingehört hatte, spitzte jetzt die Löffel. »Meine fünf Urenkelinnen?« fragte er erstaunt. Und als der Kantor nickte, meinte er: »Die sind doch zum Heiraten noch viel zu jung. Können doch kaum aus der Schule sein.«
»Erlauben Sie, Herr Nachbar, die jungen Damen sind vom Juni, und die Schule haben sie schon lange hinter sich. Ich dächte, sie wären jetzt gerade im richtigen Alter.«
Der Urgroßvater sann ein Weilchen nach. »Vom Juni? Wahrhaftig, das kann stimmen. Himmel, wie die Zeit vergeht! An diesem kleinen Volk merkt man erst, daß man in die Jahre kommt. Natürlich, wenn die Kinder schon vom Juni sind, dürfen sie auch ans Heiraten denken. Aber woher die Männer nehmen? Heutzutage, wo die jungen Leute zuerst danach fragen, was ein Mädchen mitbekommt! Zu meiner Zeit war's noch anders. Da fand auch eine Mittellose einen Mann, wenn sie nur ein paar rüstige Vorderläufe hatte und sich aufs Graben verstand.«
»Ich dächte, Sie brauchten nicht zu klagen, Herr Laputz. In Ihrer Familie ist doch noch nie ein Mädchen sitzengeblieben. Und die fünf, die jetzt an die Reihe kommen, sind doch so wohlerzogene und dabei bildhübsche junge Damen, daß sie wie die warmen Semmeln abgehen werden.«
»Sich mit armen Hämmeln abgeben werden?«
»Ach was! Ich sagte, Ihre Urenkelinnen würden wie die warmen Semmeln abgehen. Ich gönne allen fünfen tüchtige Männer, aber der kleinen Nikoline, die immer die Erste in der Klasse war und ihrem alten Lehrer jederzeit nur Freude bereitet hat, ganz besonders. Die verdient einen kapitalen Mann.«
»Einen ratzekahlen?«
»Im Gegenteil, einen, der gehörig in der Wolle sitzt.« Der Kantor blinzelte dem Senior vielsagend zu, so daß dieser aufmerksam wurde und mit vergnügtem Schmunzeln fragte: »Wissen Sie etwa einen?«
»Na, und ob! Man ist doch nicht blind, verehrter Freund! Stellen Sie sich doch nicht so, als wüßten Sie von nichts! Haben Sie denn wirklich noch nicht gemerkt, wie eifrig der junge Lampe Ihrer Urenkelin Röhrenpromenade macht?«
Der Alte sann angestrengt nach. »Lampe?« fragte er endlich. »Der seinerzeit mit Swinegel um die Wette lief?«
»Bewahre, Herr Laputz, das war doch Lampes Großvater.«
»Ach ja. Dann meinen Sie wohl den Lampe, dem damals beim Kampfe mit den Zweibeinen ein Hinterlauf abgeschossen wurde, und den dann bei der Brombeerhecke die Hunde abwürgten?«
»Aber, bester Freund, der ist doch schon seit mehr als drei Jahren tot!«
»Tot! Ja ja, der muß freilich tot sein. Und wer tot ist, kann keine Röhrenpromenaden mehr machen«, meinte der Urgroßvater mit blödem Lächeln. Es war eine seiner kleinen Schwächen, daß er sich in den verschiedenen Generationen nicht mehr zurechtfand.
»Der Lampe, von dem ich rede, ist der nachgeborene Sohn des Gefallenen, der Domänenpächter. Er war in der Schule nicht gerade einer der Begabtesten, obwohl Fleiß und Aufmerksamkeit nichts zu wünschen übrigließen«, erklärte Herr Waldkauz. »Aber er hat einen anständigen Charakter, und Leute, die von der Ökonomie etwas verstehen, wie der Getreidehändler Hamster, behaupten, daß er ein außerordentlich tüchtiger Landwirt sei. Ich bin ja gewiß nicht für die Agrarier eingenommen, aber vor dem jungen Lampe habe ich doch allen Respekt. Jedenfalls ist er eine brillante Partie.«
»Ja, ja, ein bekanntes Vieh«, echote der Greis, verständnisvoll nickend.
»Wenn Fräulein Nikoline den jungen Herren gegenüber nur nicht so auffallend zurückhaltend wäre! Ich habe den Eindruck, als ob sie sich aus ihrem Anbeter nicht das geringste mache«, fuhr der Kantor, der es nachgerade satt bekommen hatte, die kleinen Mißverständnisse des Schwerhörigen zu berichtigen, fort. »Sie sollten einmal ein Wörtchen mit dem Mädchen reden, verehrter Freund.«
»Die Göre will ihn nicht? Das wäre doch noch schöner! Da muß ich sie einmal bei den Löffeln nehmen«, erklärte der Senior, der es liebte, für seine gesamte Nachkommenschaft die Vorsehung zu spielen, mit großer Bestimmtheit.
Herr Waldkauz, der seine Mission als beendet betrachtete, machte den alten Freund darauf aufmerksam, daß die Luft bedenklich kühl und feucht zu werden beginne, worauf sich der vorsichtige Greis denn auch prompt verabschiedete und in der Hauptröhre verschwand. Der pfiffige Schulmann aber rückte die Brille zurecht, erhob sich vom Boden und strich, seiner lange niedergehaltenen Heiterkeit in einem weithin schallenden Gelächter Luft machend, dem Gewöllbaume zu, wo er auf seinem Lieblingsaste aufhakte und sich nach einigem Würgen der unverdaulichen Reste dreier Abcschützen aus dem Feldmausgeschlecht entledigte, die er heute früh während der Freiviertelstunde aus purer Zerstreutheit gekröpft hatte.
Drinnen im Karnickelbau aber flitzte um diese Zeit alles so aufgeregt durcheinander, als sei der leibhaftige Gottseibeiuns in Gestalt des Stänkers Ratz eingeschlieft. Der Urgroßvater hatte plötzlich Nikoline und ihre Eltern zu sich entbieten lassen, zu einer Stunde, wo er sonst längst der Ruhe pflegte. Infolgedessen war alt und jung munter geworden: der Großvater schlich, in tiefes Sinnen versunken, durch die langen Korridore, Onkel und Tanten steckten mit bedenklichen Mienen die Köpfe zusammen, das junge Volk lauschte in bänglicher Spannung auf den Treppenabsätzen, und die Kleinen, durch die Unruhe der Erwachsenen geängstigt, weinten und wollten nicht in ihren Betten bleiben.
»Sag mal, Lapinus, wie alt sind deine Töchter denn eigentlich? Ich meine die fünf vom Junisatz«, fuhr der alte Herr den Enkel an, der mit Frau und Tochter zitternd und zagend vor ihm saß und vor lauter Verlegenheit am linken Löffel nagte.
»Genau zehn Monate, lieber Großvater.«
»Na also! Weshalb hocken die Mädchen denn noch alle fünf zu Hause? Bildet ihr euch etwa ein, ich lege Wert darauf, meine ganze Nachkommenschaft bis ins dritte und vierte Glied auf der Pelle zu haben?«
»Aber, lieber Großvater, wir wissen doch –«
»Still! Warte, bis du gefragt wirst! Alte Leute unterbricht man nicht, verstanden?«
»Du bist doch noch gar nicht alt, Großvater!«
»Still, zum Donnerwetter! Gegen dich Grünschnabel bin ich steinalt, das merk dir gefälligst! Und nimm den Löffel aus der Schnauze! Du weißt wohl gar nicht, was sich schickt? Also zur Sache! Daß die fünf Gören noch immer hier im Bau herumfaulenzen, paßt mir nicht. Die sollten längst verheiratet sein. Wenn ich mich nicht um jeden Dreck kümmere: du und deine Frau, ihr denkt ja an nichts. Angenehme Familie – pfui Frettchen! Sogar die Männer für meine Urenkelinnen muß ich herbeischaffen. Es ist unerhört! Das hat man davon, daß man so gutmütig ist und seinen Angehörigen das Leben so bequem macht! Nun spitzt gefälligst einmal die Löffel und gebt gut acht! Ich wünsche, daß die Mädchen schleunigst verheiratet werden, und zwar soll Nikoline den Anfang machen.«
»Aber, lieber Großvater –«
»Still! Ich sage, Nikoline soll den Anfang machen. Ich habe auch schon einen passenden Mann für sie ausgesucht: den Pächter Lampe.«
Die Urenkelin knickte, von freudigem Schreck gelähmt, zusammen und schluchzte laut auf.
»Was gibt's da zu flennen?« krächzte der Alte erbost. »Ist Lampe keine brillante Partie? Für dich dumme Göre ist er sogar viel zu gut. Ein Ehrenmann, vermögend, von ansehnlicher Erscheinung was willst du noch mehr? Machst du ihm vielleicht zum Vorwurf, daß er in der Schlacht einen Hinterlauf verloren hat? Das hat gar nichts zu sagen, sonst würde er nicht noch mit dem alten Swinegel um die Wette laufen. Jedenfalls wird er geheiratet, verstanden?«
Nikoline faßte sich ein Herz und fiel dem Alten um den Hals. »Ich bin ja so glücklich, Urgroßvater, so überglücklich!« rief sie, halb weinend, halb lachend.
Der Senior, der bei ihrer stürmischen Umarmung ins Wanken geraten war, schob sie von sich und äugte bald das Mädchen, bald dessen Eltern mit argwöhnischen Blicken an. »Überglücklich? Was soll denn das nun wieder heißen? Erst flennst du, und dann drückst du deinen alten Urgroßvater vor Freude beinahe tot?«
Statt der Tochter ergriff jetzt Herr Lapinus das Wort. »Du mußt wissen, lieber Großvater, daß Linchen schon lange in Herrn Lampe bis über die Löffel verliebt ist«, erklärte er. »Es könnte ihr nichts Glücklicheres widerfahren, als ihn zum Manne zu bekommen.«
»Bis über die Löffel verliebt? Sie kennt ihn also näher? Hat gar schon mit ihm angebändelt?« Der Senior knirschte mit den Zähnen, was immer ein schlimmes Zeichen war, weshalb der Enkel ängstlich schwieg und sich unmerklich der Fluchtröhre des großväterlichen Kessels näherte.
Da hielt es Nikolinens Mutter, die das Herz auf dem rechten Flecke hatte und von allen Familiengliedern die Tyrannei des Alten am schwersten ertrug, für an der Zeit, nun auch ihrerseits in die Unterhaltung einzugreifen.
»Jawohl, Linchen hat schon mit ihm angebändelt. Die jungen Leute haben sich vor vierzehn Tagen bei dem scheußlichen Regenwetter unter einer Jungfichte getroffen und aneinander Gefallen gefunden. Dagegen wirst du wohl nichts einzuwenden haben, Großvater.«
»Was? Hinter meinem Rücken knüpft eine meiner Urenkelinnen Bekanntschaft mit einem jungen Manne an?« schnaubte der Alte. »Das ist ja noch schöner! Wäre es nicht ihre Pflicht gewesen, sich vorher bei mir zu erkundigen, wie ich darüber denke? Und ihr fühlt euch erst jetzt bemüßigt, mich von dieser unglaublichen Eigenmächtigkeit eurer Tochter in Kenntnis zu setzen? Da soll doch der Iltis hineinfahren!«
»Wir wollten dich vorläufig mit der Angelegenheit nicht behelligen, Großvater. Man muß überhaupt doch erst sehen, wie der Hase läuft.«
»So so, ihr wolltet mich nicht behelligen! Sehr rücksichtsvoll, in der Tat!«
»Gewiß. Da du bei deinem hohen Alter doch die Ruhe liebst –«
»Bei meinem hohen Alter? Das wird ja immer toller! Bin ich denn ein Mummelgreis, der sich schonen muß, und den man wie ein kleines Kind behandelt?«
»Nun, wenn es dir nicht paßt, daß Linchen, um dir die Mühe zu ersparen, zu Herrn Lampe schon Beziehungen angeknüpft hat, so kann man die Sache ja wieder rückgängig machen«, erklärte Frau Laputz mit einer Bestimmtheit, die ihrem Gatten den Schweiß in den Adern erstarren ließ.
»Was, wieder rückgängig machen? Das fehlte gerade noch! Ich danke Gott, daß wir glücklich so weit sind.«
»Nun also! Weshalb regst du dich denn erst auf?« bemerkte die beherzte Frau ein wenig herausfordernd. »Übrigens, so sehr weit sind wir noch nicht. Von einer deutlichen Erklärung Lampes ist bisher gar nicht die Rede gewesen, und ich denke immer, er wird sich's wohl zehnmal überlegen, ehe er in eine Familie einheiratet, wo er Gefahr läuft, daß ihm so ein ewig mißgelaunter Schwiegerurgroßrammler womöglich noch Vorschriften macht. Denn das mußt du wissen: der Domänenpächter ist ein selbständiger und gefestigter Charakter und durchaus kein Waschlappen wie gewisse andere Leute.«
Der Senior war vor Erstaunen über Frau Laputzens Kühnheit so starr, daß er nicht einmal bemerkte, wie der Enkel geräuschlos in der Fluchtröhre verschwand. So hatte ihm noch niemand die Meinung gesagt. Eine ganze Weile saß er wie versteinert da, dann räusperte er sich und erwiderte in einem Tone, der beinahe zaghaft klang: »Ich bitte dich, liebes Kind, mäßige dich! Ich denke ja gar nicht daran, dem jungen Manne irgendwelche Vorschriften zu machen. Über diesen Punkt darf er vollständig beruhigt sein. Aber ich meine, und darin wirst du mir jedenfalls recht geben, es würde sich doch eigentlich gehören, daß Herr Lampe euch als Linchens Eltern einen Besuch machte und sich bei dieser Gelegenheit auch mir vorstellen ließe. Ihr müßt euch nicht etwa einbilden, ich hätte nicht bemerkt, daß er Tag für Tag hier am Bau vorbeihoppelt. Ich eräuge alles, wenn ich auch manchmal tue, als sähe ich nichts. Also, mein Mäuschen« – er wandte sich jetzt an die Urenkelin, die gar nicht fassen konnte, daß der bärbeißige Senior plötzlich wie umgewandelt war –, »wenn du wieder mit Herrn Lampe zusammentriffst, dann gib ihm zu verstehen, wie sehr sich deine lieben Eltern und dein alter, guter Urgroßvater freuen würden, ihn einmal in unserem bescheidenen Heim begrüßen zu können. Haben wir den jungen Mann erst hier in der Kammer, dann sollt ihr schon sehen, wie schnell er sich zu einer Erklärung entschließt. Unverlobt kommt er mir nicht wieder heraus. Und nun geht hübsch zu Bett und sorgt dafür, daß das Getrappel auf den Korridoren und Treppen aufhört. Wenn man den lieben langen Tag um das Wohl seiner Angehörigen so besorgt ist wie ich, dann will man in der Nacht wenigstens seine Ruhe haben.«