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Jedes Kind, das zur Welt kommt, predigt sogleich das Evangelium der Liebe.
Nein, nicht zum Entbehren erziehe die Deinen, nur zum mäßigen Gebrauch dessen, was sie besitzen.
Die Erziehung soll frühzeitig die Kritik wenn nicht aller, doch der meisten Wünsche des Herzens sofort an die Beantwortung durch den Verstand verweisen.
Wir sind viel zu schnell bei der Hand mit dem Urtheil, daß uns dies oder das durch die Natur versagt wäre. Ein wenig mehr Fleiß und es stellt sich das Gegentheil heraus.
Wenn Erzieher ihren Zöglingen die Schwärmerei widerrathen, so thun sie im Grunde kaum etwas anderes, als sie zur Herzensträgheit anleiten.
Früh soll auch das Weib wollen und wählen lernen. Weibliche Würde ist etwas Angebornes, mehr aber noch eine Errungenschaft.
Lehne kein Geschenk ab, das dir ein Kind anbietet – ! Wäre deine Ablehnung auch noch so gut gemeint, sie würde Entwickelungskeime stören.
Am sichersten wird in der Erziehung das Gute nicht durch die offene Mahnung um des Guten willen, sondern durch eine lebhafte Darstellung der Folgen des Schlimmen hervorgebracht.
Von einem Baum, der noch in Blüthe steht, mußt du nicht schon Früchte erwarten.
Bei Schauspielern gilt es für eine praktische Regel, daß man mit der Mehrzahl derselben nicht in theoretischen Ausdrücken sprechen kann, wenn es sich um die Auffassung einer Rolle oder das feinere Verständniß irgend einer einzelnen Stelle handelt. Man muß ihnen die Meinungen, die man anschaulich machen will, in eine zugänglichere, praktische Ausdrucksweise übersetzen. Auch in der Erziehung und in manchen Lebensbezügen überhaupt bewährt sich diese Regel. Wem man Tage lang gepredigt hat: »Sei gleichmäßig in deinem Wesen zu den Menschen, bleibe deinen Vorsätzen treu, sei in deinem Umgang an Haltung und Ton würdig!« der wild oft umsonst suchen und suchen, wie er es anstellen soll, dieser Vorschrift nachzukommen. Sagt man ihm aber: »Sei geistig vornehm!« so versteht er sogleich was gewünscht wird und sucht es nach Kräften zu treffen.
Es ist lange nicht so thöricht wie es klingt, wenn man sagen wollte: der Jugend muß man auch Unterricht im richtigen Fühlen geben.
Ein wunderbar latenter Zustand – die der elterlichen Strenge zu Grunde liegende elterliche Liebe – !
Früh lehre man die Kinder, sich über eine erlittene Kränkung, einen bitter empfundenen Schmerz der Klage enthalten.
Die höhere und seelische Erziehung hat die Aufgabe, die Eingebungen der Natürlichkeit mit den Gesetzen des guten Tons so in Harmonie zu bringen, daß man gebildet wird und doch natürlich bleibt und natürlich bleibt bei aller Bildung.
Die Identität der Person pflanzt sich mehr von Mutter auf Tochter, als von Vater auf Sohn fort.
Bei klugen und herzensguten Kindern ist die beste Methode, einen starren Willen zu brechen, Nachgiebigkeit.
Grob ist besser als fein, bei Handtüchern und in der Erziehung.
Der Schatz des Alterthums liegt für die Menschheit im Großen und Ganzen fast noch unangebrochen da. Man wird ihn erst heben, wenn man auf den Schulen die alten Klassiker in Uebersetzungen liest und das Studium des Urtextes den Gelehrten überläßt.
Du freust dich des Kindes, das dir auf einer Wanderung durchs Feld Blume um Blume pflückt und dir jede Handvoll, die sein Eifer zusammengebracht hat, als glückliche Trophäe reicht – ! Ist dies endlose Pflücken und Sammeln nur die Entfaltung eines sinnigen Gemüths? Ist es im Kinde nur das, was du selbst aus deiner Stimmung hineinlegst – ? Schlimmes wird es im Gemüth des Kindes wol nicht sein, aber doch vielleicht etwas andres, als es dir zunächst erscheint.
Merkwürdig, wie kluge Menschen jahrelang ihre Eitelkeit verbergen konnten. Allen blieb sie zweifelhaft, bis sie plötzlich an ihren Kindern, wenn sie deren haben, hervorbricht. Sich sicher glaubend unter dem Deckmantel der Elternliebe, zeigen sie sich mitunter im Würdigen und Fördern ihrer Kinder wie vollkommne Narren.
Wenn Shakespeares Polonius seinem nach Paris reisenden Sohn Laertes eine Reihe beherzigenswerther Lebensregeln mit auf den Weg gibt, so möchte man glauben, er hätte folgende Unterweisung des Grafen Eberhard von Erbach an seinen Sohn Georg aus dem sechzehnten Jahrhundert vor Augen gehabt:
»Lieber Sohn, biß gottesfürchtig! Bet morgens und abends vleißig, gedenk' in all deinem Thun an Gott! Geht dir's wohl, so dank' ihm, geht dir's übel, so klag's ihm. Gedenk, daß alles Glück und Unglück von Gott kommt und bald ein Ende nimmt. Erkenne dich vor einen armen Sünder, glaub, daß dich der Sohn Gottes Jesus Christus hab' mit seinem Blut erlöset; beharr darauf und bekenne es bis ans Ende, so wird er dich wieder bekennen vor Gott, seinem himmlischen Vater. Biß nicht hoffärtig, halt aber deinen Stand ehrlich. Sey wahrhaftig! Halt was du zusagest und ob dir Leib und Gut drauf ging, denn wenn du leugst in Schimpf oder Ernst, so bist du ein Teufelskind, der ist ein Vater der Lügen. Sey züchtig mit Worten, Gebärden und Werken. Schände Niemands Weib oder Kind. Sey kein Palger; aber wenn man die Fähnlein fliegen läßt, dann biß keck und fliehe nicht; dann es ist besser ehrlich gestorben, denn schändlich geflohen. Sei nicht verthunisch, biß aber auch kein karger Filz; zu Ehren spare nichts. Rede niemandes übell, gedenk' allzeit an dich selbst, daß du auch ein armer Mensch bist. Nicht handle fälschlich mit den Leuten, handle frei und rund, das bestehet am längsten; doch lerne die Leut wohl erkennen, denn gegen einen frommen mußt du wieder fromm sein. Vor einem falschen hüte dich und rede gegen ihn desto langsamer. Die nothdürftigen Armen laß dir befohlen sein; Schmeichler, Gotteslästerer und Schalksnarren laß dir nicht wolgefallen. Wer dich straft und dir wol rätht, den habe lieb. Treue Kirchen- und andre Diener habe sehr lieb, lohn' ihnen nach deinem Vermögen. Untreue Diener laß mit Güte von dir kommen, behalte sy nicht. Jedermanns Schand hilf decken; doch wenn du regierst, so strafe das übell. Biß denen, die unter dir sind, ein Vatter; nicht beschwere deine Unterthanen über die Billigkeit: dann dieselb Nahrung hab' ich oft übel sehen gerathen. Halt hart über dem Frommen und ob ihm schon bisweilen eine Thorheit widerfährt, so straf aber mit Vernunft, soviel dir gebühret. Hüte dich vor dem Zutrinken, daraus, spricht Sankt Paulus, kommt ein unordentlich Leben.«
Zwei Jahrhunderte später übersetzte ein alter preußischer Dragoneroberst, der unter Friedrich II. gefochten hatte, Freiherr Johann Karl Friedrich von Eberstein, diese Lehren an seinen auf die Leipziger Hochschule gehenden Sohn Wilhelm, nachdem derselbe im Kriegsdienst bereits als Cornet verwundet und zum Verbleiben unter den Fahnen seines königlichen Herrn untauglich geworden war, in die Anschauungen eines durch die Nachahmung der Pariser Sitten doch noch nicht ganz um seinen bessern Kern gebrachten Zeitalters.
»Reichthum und Mittel,« schreibt der alte Kriegsheld unter anderem, »habe ich nicht. Darauf darfst du dich keinen Staat machen. Doch habe ich es in meinem sauern Dienst soweit gebracht, daß meine Kinder nicht vor anderer Leute Thüre Brod suchen dürfen. Ich werde alles an dich wenden, was meine Umstände mir erlauben; im Gegentheil aber kannst du auch versichert sein, daß ich einem widersinnigen ungerathenen Sohn nicht das allergeringste gebe, sondern ihn sich, als seinem eigenen Macher, lediglich überlasse. Ich gebe dir einen Hoffmeister mit, weil du noch unerfahren bist. Weiß ich auch wohl, daß du dieses vor ganz überflüssig ansiehest, und mehr zu wissen glaubst, als ich und viele kluge Leute, so irrst du dich doch hierin in der Wahrheit. Diesen Mann gebe ich dir mit, considerire ihn als deinen Vater. Er soll dich auf der Reise in Gesellschaften und in denen Collegiis begleiten, beständig mit dir discouriren; er soll dich die Arten der Menschen kennen lernen und wie man sich in der Allgemeinheit und insbesondere gegen jede Art dieser Menschen zu verhalten habe. Hütte dich für dem Spiel, für dem Trunk und für dem weiblichen Geschlecht als vor drey Quellen, woraus in dieser Welt alles Unglück für einen jungen Menschen gewiß stießet. Versäume das Gebeth nicht, halte Gott und der Welt Heyland Jesum stets in deinem Herzen, bitte ihn ohne Unterlaß, daß er dich mit seinem heiligen und guten Geist regiere, leite und führe dich. Sey hiernächst gegen Jedermann, auch gegen den geringsten, höfflich, aufrichtig ohne Falsch. Achte einen Jeden klüger, weiser, vernünftiger und besser, als du dich selbsten achtest. Sey aber auch klug und wisse, daß die ganze Welt im Argen lieget und viele falsche, hinterlistige, böse Menschen darinnen seyn. Aplicire die Worte des Heylands hier: seyd einfältig wie die Tauben und klug wie die Schlangen! Sey allzeit wirthschaftlich! Sey in deinem Anzuge reinlich, aber nicht prächtig! Zur Reitkunst rathe dir, dich noch etwas zu apliciren. Lerne auch einige Mohnate fechten. Außer diesen beiden noblen Künsten weiß ich keine, so dir nöthig sein könnte, und will kein Geld auf Tanzen, Voltigiren und dergleichen verwenden. Die Music übe zu deiner Recreation dergestalt, daß es nicht viel Geld kostet und dir die edle Zeit nicht verloren geht. Suche dich bei Leuten, welche wegen ihrer Dexterité und Droitüre in gutem Ruf und Ansehen stehen und welche dereinst Werkzeuge zu deinem Glück abgeben können, besonders bekannt zu machen, dich bei ihnen zu insinuiren und ihre Freundschaft zu erlangen. Hüte dich in ihrer Gesellschaft zu voreilig, spitzfindig oder ruhmräthig zu sein. Höre vielmehr, als du selbst sprichst. Gib Acht allezeit, wo Andre hinauswollen. Nimm dich mit denen sogenannten Bon Mots in Acht, denn man schlägt einen Andern leicht damit in die Augen und kann dann viel Ungelegenheiten haben. Gib Niemand Gelegenheit zu Händel! Verabscheue das niederträchtige Raufen, halt aber steif und fest auf deine Ehre! Wirst du dazu genöthigt und die Sache kann mit Conservation der Ehre nicht änderst abgemacht werden, so befiehl dich Gott und sei muthig und scheue weder Pistolen noch Degen. So lange du aber dieses Extremum vermeiden kannst, so vermeide es. Sind deine Studien vorbei, so hast du deine Freiheit, einen Employ zu erwählen, so dir gefällig. Nur bedenke immer, wozu du capable bist.«