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Kampf und Bewährung

Warum heißt es nur immer Neid, wenn sich eine Kraft, beunruhigt von dem Werth einer andern, fühlt und nicht minder zum Vollendeten aufschwingen will – !


Ja, wer es dahin gebracht hätte, für die Wahrheit zu flammen und zu glühen, ohne – »aufgeregt« und »aufregend« zu erscheinen! Die leider den Ausschlag gebende Weltklugheit verlangt diese unmögliche Verbindung von Eis und Flamme.


Unerquicklich ist es, mit dir zu streiten, wenn du nur vertheidigen willst, was du bist, was du warst und immer zu bleiben gedenkst. Was soll ich streiten, wenn ich nicht hoffen kann, dich zu ändern!


»Richte nicht!« So lehrte die christliche Religion und doch ist ihre Geschichte eine einzige Kette von Verdammungen und Verurtheilungen. Und von wie vielen Momenten unser Urtheil beirrt werden kann, das zeigte dir schon so manche Beschämung, so manche Reue, die der Uebereilung zu folgen pflegt. Um den Grund und das Wesen eines Menschen zu erkennen, kann man bei seiner Erforschung nicht tief genug steigen. Ist es nicht z. B. einem Menschen von hohem Geist und von lebhafter Einbildungskraft höher anzurechnen, wenn er das Rechte und Edle that, als einer geringern Intelligenz und einem trägern Umlauf des Bluts? Das Gegentheil des Rechten und Edlen wird bei Reicherbegabten aus einer geheimnißvollen innern, oft dämonisch und wider Willen spukenden Gaukelei der Combinationen und der Möglichkeitsvorstellungen mit so verführerischen und lockenden Farben ihnen vorgespiegelt, daß sie des kräftigsten Anhalts an die besonnene Erwägung bedürfen, um nicht dem Reiz zu erliegen, den das Kluge, Schlaue, Kecke, Trotzige immer vor dem Mäßigen und Ergebenen voraus hat. Darum seid milde, wenn der aufgeregte Genius öfter strauchelt, als die träge, immer mit den angebornen Scheuklappen der Vorsicht dahinschleichende Mittelmäßigkeit.


Der heitere Anblick, einen übermüthigen sieggewohnten Matador, wenn ihm einmal etwas scheiterte, beschämt und kleinlaut von dannen ziehen zu sehen, sollte dich reichlich schadlos halten für die lange Geduld und Nachsicht, die du mit seinem hochgeschraubten Selbstvertrauen üben mußtest.


In bedeutenden, angefeindeten und beneideten Stellungen wirst du dich durch kleine Ränke und Intriguen vollends verderben. Ohne große Intriguen freilich – flüstert uns die Erfahrung zu – kannst du dich nicht erhalten. Eine große Intrigue ist aber zum Glück immer eine That.


Anmaßung, die das große Wort führt und sich vordrängt, ist oft mit einer schneidenden Schärfe des Verstandes verbunden. Dennoch fehlt dieser Art des Verstandes die Kraft, nachhaltig überzeugen zu können. Ueberzeugend ist nur diejenige Verstandesschärfe, die gleichsam erst im zweiten Treffen wirkt, d. h. die, die nur nothgedrungen in Reih' und Glied eintritt, nachdem zuvor das Gemüth mit Leidwesen bekannte, sich hier nicht an seinem Platze zu befinden.


Die Höhe der wahren sittlichen Kraft eines Menschen läßt sich erst dann ermessen, wenn ihn die Umstände aus seiner gewohnten Sphäre gedrängt haben.


Starke Geister suchen zuweilen die Aufgabe ihres Lebens lediglich da, wo sie Widerstand finden. Das ist eine große Thorheit. Denn zur Strategik Derer, die in unser Lebensschicksal eingreifen wollen, gehört es ja, daß sie uns Schwierigkeiten und Aufenthalte an Stellen bereiten, wo unser wahrer Lebensberuf gar nicht liegt. So müht sich dann ein Titane ab, mit Felsblöcken Mücken zu treffen.


In jedem bedeutenden Menschenleben kommt eine Zeit, wo man anfängt, sein Erlebtes, sein Errungenes und Geschaffenes zusammenhalten, ordnen und verwalten zu wollen. Möge sie dir eine reiche Ernte und die heiterste Ruhe bringen! Bedenke aber auch, es ist dies eine Zeit, die schon Manchem gefährlich wurde; denn in der Freude, etwas geleistet zu haben, oder in dem Drang, sich überreden zu dürfen, man hätte etwas geleistet, schloß man viel zu früh ab und wurde einseitig.


In unserem Lebensgang gleichen wir alle dem Däumling im Märchen, der aus dem Walde zurück wollte und die Brodkrumen als Wegspuren von den Vögeln verzehrt fand. Keinen Fehltritt können wir wieder so ungeschehen machen, wie er begangen wurde! Kein Unrecht können wir wieder so gut machen, wie wir es Andern zufügten! Keinen Irrthum können wir wieder so berichtigen, daß sich der Weg zur Wahrheit ganz noch einmal zurück antreten ließe! Wen man verletzte, den kann man nicht genügend zu trösten hoffen durch Abbitte oder durch fernere Unterlassung des Unrechts. Und da mag uns denn auch, wenn wir, wie Däumling, die Siebenmeilenstiefel gefunden haben, die Reue nicht wieder dahin zurück führen, wo nun einmal das Bessere versäumt wurde und ein trauerndes Kreuz sagt, daß hier nichts mehr gutzumachen ist, sondern vorwärts in eine neue Welt, zu neuen Prüfungen, zu bessern Bewährungen.


Die meisten Menschen denken aus Gewohnheit nicht, manche aber, und das nicht wenige, aus Furcht.


Bemitleidenswerth ist der Mensch als Gattung, wenn selbst der Edelste, von gemeinen Creaturen gehetzt, nicht immer das rechte Mittel zur Abwehr trifft.


Zuletzt, du verschlagener Sohn der Hölle, mußt du dich denn doch bequemen, auf die Frage der Ehrlichkeit und der Einfachheit runde Antwort zu geben.


Je älter du wirst, desto mehr gewahrst du mit Schmerz, daß du einen gewissen unternehmenden Schwung deines Geistes verlierst. Die Anschauungen, am Maß der Dinge, wie sie sind, gemessen, fangen an, einer überraschenden Originalität zu entbehren, die Gedanken sind nicht mehr von alter Frische und Kühnheit. Nach Entdeckung dieser traurigen Erfahrung haben viele Dichter, Denker, Künstler, Menschen der That und des schaffenden Berufs nach Hülfsmitteln der Wiederbelebung ihrer Geisteskräfte gesucht. Der Eine verfiel auf dies, der Andere auf jenes. Die einzig wahre und einzig fördernde Methode, deinen Geist jung zu erhalten, scheint mir das Vermögen, dir die Stimmungen, ja sogar die Irrungen, sogar die Halbheiten und Träume deiner Jugend wieder wie gegenwärtig zurückzurufen. Die erste Freundschaft, die erste Liebe, die erste Ausfahrt in die Welt mußt du dir mit allen ihren später erkannten Unzulänglichkeiten täglich wieder heraufzubeschwören verstehen und an den Schauern und Wonnen, die süßwehmuthsvoll dann deinen Geist überrieseln werden, wird dir auch wieder jene ewige Zaubergewalt der immer lebendigen Anregung erwachsen, die du im Alter in äußern Hülfsmitteln vergebens suchst.


Laß doch all dein Lockenschütteln, dein Augenrollen und dein Händeballen! Das rechte Sturmesbrausen und der rechte Drang, das rechte Wehen zur That fährt nur über den ruhigen Meeresspiegel der Ueberzeugung.


Das durch Mühe erworbene Glück ist allein ein wohlthuendes. Es gewährt zugleich die Behaglichkeit eines physischen Ausruhens.


Auf sein Leben blickt man, je älter je öfter, zurück wie auf einen aus der Druckerei kommenden sogenannten Aushängebogen. Wie mancher Fehler blieb noch auf ihm stehen trotz der gewissenhaftesten Correktur! Ihn noch zu bessern ist unmöglich. Das Verkehrte ging hinaus in die Welt, ist gedruckt, wurde getrocknet, wird geglättet, schön eingebunden und bald von aller Welt gelesen werden. Glücklich schon der, der von dem, was er durch sein Leben hat ausdrücken wollen, wenigstens den Sinn im Allgemeinen verstanden sieht.


Gedanken werden dann nur gestaltend und schöpferisch, wenn sie an etwas Vorhandenes anknüpfen.


Selbst jede Geschmacklosigkeit, mit Fleiß und Consequenz durchgeführt, wie z. B. ein Rococobau, eine ganze Stadt, wie Dresden, hat etwas, das unser Urtheil entwaffnet.


Wer muß, der kann! Möge dir dies rauhe Wort da nur gelten, wo Müssen eine innere Nothwendigkeit ausdrückt.


Jugendliche Weltanschauung schreitet jambisch, reife trochäisch.


Alles Halbe entfremdet uns die Menschen. Wir gewinnen sie uns sogar noch mehr durch Egoismus und Einseitigkeit. Doch müssen wir in diesen Unarten dann auch entschieden auftreten.


»Unbemußt« lautete neulich ein Druckfehler, den wir in »unbewußt« zu corrigiren hatten. Unbemußt aber leben zu dürfen, unbemußt denken und fühlen zu dürfen, welch ein Glück wäre es – ! Rings um uns her weht uns grade das Gegentheil, das Bemußtsein, wie die eigentliche Luft unsres Daseins an.


Heinrich Heine ist dahin! ... Wie matt und schwunglos blieben doch alle Grabreden, die ihm gehalten wurden, da nicht eine einzige sagen konnte: »Hier brach ein edles Herz!«


Dem Dünkel der Dummen verliert man in der That an Größe, wenn man einmal aus irgend einem Herzensgrunde zur Welt der kleinen Geister hinunterstieg.


Wechsle zuweilen den Ort deines Aufenthalts! Dein Wesen will neue Triebe schlagen.


Wie drückend ist es doch, daß wir unsern gerechtesten Zorn so oft mäßigen müssen aus Taktgefühl! Die natürlichste Regung von der Welt fordert uns zuweilen auf, Gewissenlosigkeit und Uebermuth zu züchtigen. Ja, wer möchte sich nicht versucht fühlen, einen leichtsinnigen Borger, einen pflichtvergessenen Schuldner durch öffentliche, ihn an den Pranger der Verachtung stellende Aufforderung an seine Schuld zu mahnen. Und hätte man jede Gewähr des Rechts dafür, der öffentliche Takt zwingt unsern Zorn zur Selbstüberwindung. Derselbe strenge Gesetzgeber ist es auch dann, der da verlangt, daß kein geistig Schaffender über die Veurtheilung, die er erfahren muß, eine zu große Empfindlichkeit verräth. Es ist fast, als verlangten die Gefühle der Menschen, daß wir uns im Schmerzlichsten bezwingen, nur um die Herstellung des Gesetzes der öffentlichen Mäßigung, als der Bedingung unseres civilisirten Zusammenlebens, mit retten und fördern zu helfen.


Eine Mittelmäßigkeit, an die wir uns bereits gewöhnt haben, ist immer im Vortheil gegen ein Talent, das wir erst kennen lernen müssen.


Sich den Neugestaltungen der Zeit zu entziehen, rächt sich an jedem Geist, selbst an dem bedeutendsten, – Goethe nicht ausgenommen.


Der größte und bedeutendste Geist wird von dem Augenblick an langweilig, wo er schon genug gethan zu haben glaubt, wenn er nur sich selbst gibt. Auch er muß verstehen, seine Person im Zusammenhang mit den allgemeinen Thatsachen zu erhalten.


Du glaubst mich durch deine Schilderung vernichtet zu haben? Du hast mich definirt.


Sei bei dem, wer ein bedeutendes Ich hat, nicht zu schnell mit deiner Anklage auf Egoismus zur Hand. Eine zum Egoismus berechtigte Natur hat es nicht immer in der Macht, daß sie ihr Ich auf eine Weise geltend macht, die wohlthut.


Da man weiß, daß die schönsten Tugenden bis dicht an manche schlimme Fehler streifen, so verurtheile nicht sogleich die schlimmen Eigenschaften deiner Kinder! Beuge sie vielmehr einfach zum Guten! Gewiß ist z. B. Neid auf fremde Verdienste unschön; kann aber ohne ihn Ruhm- und Ehrbegierde bestehen, die zu unsern Bewährungen mit ein Sporn sein soll?


Sophist ist derjenige, dessen Behauptungen einem Zimmer mit drei Ausgängen gleichen.


Daß sich mancher bedeutende Kopf so zeitig überlebt, hat seinen Grund darin, daß er sich über Menschen und Dinge Systeme schuf und die an ihnen festhaltende Zähigkeit oder wol gar Eitelkeit Gerechtigkeit und Wahrheitsliebe nannte. Nichts läßt einen Denker so schnell veraltet erscheinen, als ihn die Eindrücke, die der fortschreitende Tag bringt, immer und immer wieder in dieselben fertigen Schubfächer werfen sehen. Selbst auf Hegels Leben und Thätigkeit kann man in Folge dieser Monotonie in mancher Hinsicht nur zurückblicken wie auf einen versteinerten Ameisenbau, eine Curiosität naturhistorischer Museen.


Wer nur immer verkleinert und herabsetzt, verräth, wie wenig er je seine Kraft selbst erprobt hat. Denn erprobte Kraft meint nie den Himmel stürmen zu können. Nur wer die eigene, hinter dem reinsten und glühendsten Wollen immer noch menschlich zurückbleibende Schöpferkraft geprüft hat, lernt gerecht urtheilen.


Halte dir einen tüchtigen Feind! Er wird dir ein Sporn sein, dich zu tummeln.


Als Jüngling fragen wir: »Was ist wahr?« Als Mann: »Was ist schön?« Als Greis: »Was ist gut?«


»Treu, fleißig, ehrlich!« Das soll man Dienenden in ihr Führungsbuch schreiben und thut man es nicht, so hat die Polizei ein Recht, nach den Gründen der Verweigerung zu fragen. Um Weitläufigkeiten zu vermeiden, schreibt man diese Formel, auch wenn man Merkmale genug hat, schreiben zu müssen: »Untreu, faul und unehrlich – !« Das Verhalten der meisten Menschen zur Welt ist ein solches Zeugnißgeben: »Treu, fleißig, ehrlich!«


Es ist Jedem heilsam, sich auch einmal als Carricatur sehen zu können.


Zeige doch, edle Bildung, offen den Stern auf deiner Brust! Warum nur immer für's Leben so im Incognito?


Jedes Leben ist ein Versuch, begangene Jugendthorheiten wieder gut zu machen.


Jedem Talente unsere Anerkennung, nur nicht dem, das, um sich auszubreiten, wühlt und wühlt und sich selbst nirgendwo niedersetzen kann, ohne erst einem andern »Platz da – !« zuzurufen.


Unheimliche Menschen das, die mit unserer eigenen Natur eine gewisse Verwandtschaft hatten, beinahe auch dasselbe Lebensziel verfolgten, ja sich sogar dazu derselben Mittel bedienen mußten und schon oft mit uns verwechselt wurden – und von denen wir uns doch im innersten Kern und vom tiefsten Grund unsres Wesens aus himmelweit verschieden fühlen.


Die Menge erkennt Gott nur durch die Schrecken der Natur, den Genius nur durch seine Triumphe.


Das Bedeutende auch ohne die laute Sprache des Sieges zu erkennen, vermag nur ein Sinn, der selbst bedeutend ist.


Von den vier Temperamenten, wenn sie noch nicht zur Fabel geworden sein sollten, trifft die bedeutenden Naturen das cholerische.


Wo nur diesen süßlichen Gemüthern die Kraft herkommt, all ihre Gedanken des Neides, der Mißgunst, der Eitelkeit, Gedanken, von denen wir wissen, daß sie an ihnen Tag und Nacht zehren und sie förmlich aufreiben, unter diesem ewig gleichen und immer wohlwollend scheinenden Lächeln zu verbergen!


Es ist ein glückliches Gefühl, für einen Haß, den wir bis dahin nur instinktmäßig nährten, plötzlich einen triftigen Grund zu erhalten.


Lieber Freund, damals als du die bekannte, mit einer Anstellung belohnte Wandelung deiner Gesinnung durchmachtest, da hab' ich nur bewundert, wie du für dies neue System auch sogleich in deinem tiefsten Innern den treibenden Drang des Gemüthes nachzuweisen verstandest!


Ein productiver Schöpfer in Kunst, Literatur, Wissenschaft, Staat, Industrie, in allen höheren Beziehungen des Lebens, findet vor den Schwierigkeiten der von ihm zu lösenden Aufgaben kaum Zeit, auf seine Leistungen – eitel zu sein. Nur dem Verfertiger der kleinen Dinge, vor allem dem Dilettanten, wird es möglich, sich beim Verwundern über sich selbst so lange aufzuhalten.


»Ich fühle mich ewig jung – !« Richtig, du willst sagen: Du fühlst dich ewig unreif.


Gleichnisse sind keine Beweise.


Wir trauen uns das Aeußerste an Kraft zu, wo es sich um unser Recht, in der Regel aber nur das gebührende Maß, wo es sich um unsere Pflicht handelt.


Lieber Freund, du hast vielleicht Recht, so weit dein Urtheil die Sache betrifft. Gerade aber weil – Du es bist, der so urtheilt, hast du Unrecht.


Was dir mißlang, das ist dir nie gänzlich mißlungen, wenn die bauende Hand deine eigene war!


Was strebst du nur nach Macht und Einfluß, der du doch schon lange auf deiner Scholle König bist! Sieh nur einmal um dich und du wirst deines Reiches schon inne werden.


Wollten wir alle unsre Speisen unter dem Mikroskop untersuchen, so würden wir möglicherweise vorziehen, zu verhungern. In gleicher Weise ist es leider auch unmöglich, sein Leben ganz nur nach absolut guten Grundsätzen einzurichten. Wer darf unter allen Umständen wahr sein? Wir müssen nur die Lüge nicht liebgewinnen.


Von sich selbst zu abstrahiren ist schwer und sich selbst leibhaftig und ganz objektiv zu sehen, bedeutet sogar den baldigen Tod. Aber eine moralische Anwendung dieses Aberglaubens bliebe es: Um dich zu sammeln und zu prüfen, ob du in allen Dingen auf dem rechten Wege, so versuche die Auffassungen und Pflichten deines Lebens aus der Seele eines Andern herzuleiten, dich ganz in dessen Thun und Lassen zu versenken und das, was du selbst thun oder lassen sollst, gleichsam aus seinem Wesen heraus zu entnehmen – ! Bald wird dir dann gegenwärtig werden, wie auch du – ihm erscheinst und welchen Schatten du überhaupt im Licht des allgemeinen Urtheils wirfst.


Und doch sind es wunderliche und oft sehr schwierige Naturen, die das Rechte erst aus der Seele eines Andern heraus zu treffen vermögen.


Ein furchtbarer Augenblick im Leben ist der, wo wir erkennen, daß wir die zu groß angelegten Contouren unseres Daseins nicht mehr mit den Mitteln unserer Person allein auszufüllen vermögen.


Lotterie führt zu Lotterei.


Der bedeutende Mensch kommt mit der Zeit auf eine gewisse Höhe, wo ihm Niemand mehr eine aufrichtige Meinung sagt. Dann wird es ihm ein ganz besonderer Segen sein, sich selbst darnach umzuthun.


Allzu lange andauernde und wol gar zum Lebensberuf gewordene Beschäftigung mit dem Partikularen, Kleinen, Nebensächlichen vermindert die Geisteskräfte. Bibliothekare sind dem Schwachsinnigwerden ausgesetzt. Der Spezialist muß immer bedacht sein, sich die Verbindung seiner kleinen Objekte mit den Gesichtspunkten zu erhalten, die allein den Rundblick aufs Allgemeine und Entscheidende gewähren.


Zu manchem Menschen kann man sagen: der Himmel wollte, daß du bedeutend wurdest! Er gab dir dafür ein doppeltes Geschenk: es sein zu können und die Lage, die dir eigentlich gebietet, es sein zu müssen! Nur Eines gab er dir nicht, es sein zu wollen.


Zu beurtheilen sind die Menschen nicht nach der Hebung (Arsis) ihrer Handlungen, sondern nach der Senkung (Thesis).


Die Bedeutenden unter sich verständigen sich schon. Wären nur nicht die Zwischenträger, die Vermittler, die Mitläufer – !


Alles, was der Renommist treibt, ist conventionell. Er liebäugelt beständig mit dem qu'en dira t-on?


Bilde dir die Befähigung aus, Alles, was du erstrebst und erlebst, dir gegenständlich zu machen und unterzuordnen einem einzigen großen Gedanken, dem leitenden deines ganzen Lebens. Besitzest du dann freilich nicht den Muth, diese Richtschnur deiner Handlungen frei und offen auch mit den Lippen zu bekennen, nun, so kann es an sich den Werth deines Daseins nicht verringern, wenn dessen edleres Wollen auch nur unausgesprochen in ihm treibt, drängt, wirkt, verborgen wie die Blüthe der Religion duftet, Gebet, Selbstbetrachtung, die sich nur unter dem Auge Gottes weiß. Besitzest du ihn aber, diesen Muth, der seinen Handlungen und Unterlassungen, seiner Liebe, seinem Haß, auch äußerlich den Stempel eines weihevollen Ursprungs, das Gepräge bewußten Wollens vor der Welt aufzudrücken wagt, so führst du, wie der Dichter sagt, »ein Schauspiel für Götter« auf, vorausgesetzt, daß Inhalt und Form deines Lebensgedichts immer unter den Gesetzen der Schönheit und Wahrheit zugleich stehen.


Bitter ist es, das heute zu müssen, was man gestern noch wollen konnte.


Die Weisheit soll die Klugheit zur Dienerin haben. Jene thront, diese regiert.


Brach dir am Wagen deines Lebens ein Rad, ei, so flechte die Stücke auf den Giebel deines Hauses und laß – die Störche drin nisten!


In nichts haben gewisse Tagesschriftsteller ihr Vorbild, die Franzosen, mehr erreicht, als in der Kunst, Dinge und Menschen mit einer kurzen spöttischen Definition zu erledigen.


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