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Im Garten der Villa Manasse's.
Männer und Frauen gehen nach hinten auf die Estrade. Dann treten Diener auf, die auf silbernen Schalen goldene Weinkannen über die Bühne tragen. Zuletzt treten von rechts Jochai (reich als Bräutigam gekleidet), Silva und Gäste auf.
Jochai. Wohlan, Ihr Herren! Heut' soll die Freude herrschen!
Sie steht am Thor und wartet ungeduldig,
Bis sich die träge Sonn' ins Meer versenkt.
Bekränzt mit Rosen grüßt Euch der Pokal!
Wer Sorgen hat, der lasse sie im Becher!
Wer einsam steht, den fasse Tanzes Wirbel!
Und das bedenkt: Wer sich schon abends läßt
Nach Hause leuchten vom Johanniswurm,
Wer nicht zum Lerchenwirbel bleibt und sieht,
Wie sich beim ersten Gruß als Frau die Wange
Der schönen Braut mit Purpur überzieht,
Den schelt' ich neidisch, weil er den Triumph
Des höchsten Glückes mir nicht gönnen will.
Silva. Vor Euern Bechern laßt den Priester reden.
Die heil'ge Handlung ist noch nicht vollzogen.
Jochai. O fliegt, saumselige Minuten, fliegt!
Die Weiser an der Uhr seh'n aus wie Pfeile
Und haben Blei statt Federn in den Schwingen,
Da ist sie! Schaut, de Silva, Eure Nichte!
Könnt Ihr noch schweigen? Kein bewundernd Ach
Beim Anblick einer Braut, zu deren Schmuck
Die Edelsteine überflüssig sind?
Silva. Gönnt Ihr im Preise Eures Glückes kaum
Dem Dichtermund das Recht des Hochzeitliedes,
Was braucht es da das Stammeln meiner Zunge?
Es treten wieder mehrere Paare von Männern und Frauen auf. Dann folgt Judith, im weißen Brautgewand, geführt von Manasse. Die Vorigen. Zuletzt ein Diener.
Jochai. Ihr grollt, de Silva? Seht sie doch nur selbst!
Ein Weib, das trauert, schmückt es sich so festlich?
Silva. Nie schmückt sich selbst die Braut; sie wird geschmückt.
Judith. Willkommen, werte Freunde! (Zu Jochai.) Ausgestellt
Sind doch die Schriften, die versprochenen?
Jochai. O seid so grausam nicht, es zu verraten,
Wie mir mein hohes Glück gewonnen wurde!
Judith. Bestätigt mir, mein Vater, feierlich,
Ob Ihr geworden wieder, was Ihr wart!
Manasse. Ich bin Manasse Vanderstraten wieder.
Judith. Und ohne Vorbehalt! Im Vollgenuß
Des alten ungestörten Glücks?
Manasse. Mein Kind,
Beruh'ge dich! Der letzte Akt des treuen Opfers,
Das du mir bringst, bestätigt alles, drückt
Das Siegel auf ein Glück, das mich beschämt.
Judith. Wohlan! Wir – geh'n –
(Sie will nach hinten schreiten und kann sich nicht aufrecht halten.)
Manasse. Mein Kind?
Jochai. Ist Euch nicht wohl?
Silva. Nur einen Augenblick der Ruhe gönnt ihr!
Laßt sie allein – Ich führe sie zum Altar! –
(Jochai ab. Alle folgen bis auf Judith und de Silva.)
Ruht eine Weile noch auf diesem Rasen!
Judith. Nicht hier! Nicht hier! Auf dieser Bank – blickt hin –
Seht Ihr den Geist mit leichenblasser Miene?
Silva. Laßt diese Traumgebilde –
Judith. Nein, sie sind!
Sie bleiben unbeweglich vor dem Auge –
Silva. Nur unbeweglich seh' ich Euern Blick!
Wie! Richtet Euch in Euerm Werte auf!
Stolz dürft Ihr sein auf Eure große That!
Judith. Habt Ihr den Stolz je weinen seh'n, de Silva?
Silva. Den ungeduld'gen ja! Ihr müßt Euch fassen –
Ihr wißt, was sich begeben?
Judith. Nichts und alles.
Silva. Macht einen Strich auf dieses Blatt des Lebens!
Seit gestern ward uns keine Kunde. Erst
Am Grabe seiner Mutter wollt' er ruh'n –
Da scheuchten ihn die Wächter von dem Friedhof –
Dann sah man ihn bei seiner Schwester Rahel
Spinoza, deren Söhnchen Baruch er
Im Griechischen zu unterweisen pflegt.
So irrt er flüchtig jetzt im Doppelfluch –
Und wenn er weise, fühlt er selbst es wohl,
Wie er durch Rache sich erniedrigt.
Judith. Rache?
O säh' ich sie, die Rache, die er schwur,
Die Rache, die ich selbst mir niederflehe
Vom Zufall, vom Geschick, vom Himmel, Hölle!
Denn von dem Manne, den man liebt, ist alles,
Auch selbst die Rache süß.
Silva. Was soll er rächen?
Jochais Trotz auf seine gold'nen Schätze?
Der Tochter edles Opfer für den Vater?
Den Kampf der Pflichten in drei Jammertagen?
O wieder lieb' ich dich für diese That,
Die rein aus deinem Kinderherzen stammt.
Du mußtest deinen Vater retten! Mußtest!
Du bist in Wahrheit meiner Schwester Kind.
Judith (mit brütenden Gedanken).
Als meine Mutter starb, sagt mir, de Silva,
Wie stand – mein Vater an dem Grabe –
Silva. Laßt's!
Die alten Zeiten sind vorüber –
Judith. Redet!
Wie trug mein Vater den Verlust der Mutter?
Silva. Iñez de Silva – deine Mutter! – O
Ein Denkmal steht von ihr in diesem Park!
Judith. In Marmor aufgefangen schwieg der Schmerz.
De Silva, sagt mir eines noch – mein Bruder
Perez, der schon gestorben, als ich Kind –
Silva. Was kommst du auf die alte Zeit zurück?
Was er dem Vater war, das liest du dort (zeigt hinauf)
Aus jener schlanken Säule eingegraben!
Judith. Lebt wohl, de Silva!
Silva. Judith! Was ist dir?
Das Angesicht verfärbt sich und ein Krampf
Hebt deine Brust – (nach außen rufend)
Bringt Wasser! Hört Ihr? Wasser!
Allmächt'ger Gott! Was war das, Judith?
Judith. Laßt's!
Es ist vorüber –
Silva. Schiebt die Trauung auf!
Die Kräfte werden Euch verlassen.
(Ein Diener bringt auf einem silbernen Brett einen Pokal mit Wasser.)
Judith (bedeutet dem Diener). Dorthin!
(Sie beobachtet lange, wie der Diener das Wasser hinstellt und dann abgeht.)
Den Arm, de Silva! Führt mich zum Altar!
(Beide nach hinten ab.)
Uriel tritt auf, begleitet von Baruch Spinoza, der einige Blumen in der Hand trägt.
Baruch. Wie lange bin ich, teurer Oheim, nicht
In diesem schönen Park mit Euch gewesen!
Ein Fest scheint man zu feiern und ein hohes!
(Er läßt Uriel für sich allein.)
Uriel (für sich).
Sie war's! Im Brautgewand! Von jenen Priestern,
Die mir geflucht, wird sie sich segnen lassen! –
Wenn ich dazwischenträte! Hier die Hand,
Die fluchbelad'ne auf den Altar legte –!
Ihr zürn' ich nicht – sie that, was ich gethan!
Doch ihn hatt' ich zum Zweikampf mir gefordert;
Den Handschuh warf er feig zurück und ließ
Durch meinen Boten spöttelnd mir erwidern:
Wir sind nicht portugiesische Hidalgos!
Baruch (brach sich hier und da Blumen ab).
Die Mutter sagte, daß von allen Orten,
Die Ihr zu meiden Euch entschlossen habt,
Am weitesten Ihr heute diesen flieht;
Und dennoch sind wir träumend hergekommen!
Uriel (immer im Selbstgespräch).
Wir sind nicht portugiesische Hidalgos!
Nein! Feige Schurken sind wir! Seelenverkäufer!
Mit Gold verbrämte hohle Pfeffersäcke!
Baruch. Wenn Ihr so mit Euch selber redet, denkt Ihr?
Kommt, Oheim, laßt uns Schlüsse machen! Fragt,
Antworten, glaub' ich, (lächelnd) hab' ich prächtige,
Nur fehlen mir die Fragen noch dazu.
Bei andern, sagt man, ist es umgekehrt.
Uriel. O denke nicht, mein Kind! Schlaf' wie die Blume,
Die hold in ihrer bunten Schönheit blüht
Und sich nicht kümmert, wer sie wohl erschuf;
Laß deinen Geist nur wogen wie das Meer,
In seiner tiefsten Fülle stolz sich schaukelnd,
Bleib' auf der hohen See, fern von dem Ufer,
Wo Menschen dich mit ihren Fragen quälen:
Bist du ein Jude, bist du wohl ein Christ,
Bist Niederländer, bist ein Portugiese,
Bist du dem König, bist dem Volke hold,
Willst du, daß einer oder alle herrschen?
Wer so dich frägt, da höre nicht, mein Knabe
Und laß die Antwort dir im Busen ruh'n!
Baruch. Man kommt – darf ich die Blumen hier der Mutter
Ans Fenster stellen?
Uriel. Wirf sie hin, Spinoza!
Sie sind schon welk in deiner Hand. Mein Kind,
Geh' heim zu deiner Mutter!
Baruch. Und nicht Ihr?
Uriel. Der Abend senkt sich nieder, geh', mein Sohn,
Und grüße alle!
Baruch. Bleibt Ihr bei dem Fest?
Uriel. Vielleicht! – Geleite Gott dich! Geh'! Ich komme.
Baruch. Die Blumen lass' ich hier. Sie sind verwelkt.
Und wißt Ihr, wie ich beide unterscheide,
Die Blumen da am Stiel und hier die welken?
Die sind Gedanken dort und die Begriffe!
Dort denkt der Schöpfer! Hier begreift der Mensch.
Und da der Unterschied der Duft nur ist,
Die frische Farbe, das lebend'ge Sein,
So nenn' ich Gott das Leben und das Sein.
Und ohne Leben, ohne Sein, sind hier
Die welken Blumen auch nicht Blumen mehr,
Nur der Begriff noch hat an ihnen Wert,
Sonst sind sie nichts und mögen ruhig sterben.
(Er läßt sie seiner Hand entgleiten.)
So lacht doch, Oheim! Wenn ich spekuliere,
Verzieht Ihr lächelnd immer sonst die Miene!
Heut' seid Ihr ernst? Kommt zeitig heim zur Mutter!
Wir können wohl noch etwas griechisch lesen. (Ab.)
Uriel (allein, die Blumen betrachtend und dem Knaben nachblickend).
Sonst sind sie nichts und können ruhig sterben!
Nein, kluges Kind, steht dir auch schon der Stempel
Des Geistes und der Leiden an der Stirn,
Aus solchen Blumen zog ich oft noch Gift,
Den Tod, den Abschluß aller Rechnungen,
Den Tod, das letzte Fazit aller Zahlen!
Jochai! Herzenschachernder Hidalgo!
(Er zieht ein Pistol hervor.)
Zeig' deine Wechsel vor! Verfalltag ist!
(Er zielt nach hinten.)
Halt' still wie ich, als du mich tratst im Staube!
Zuck' nicht mit deinen Augenwimpern, Krösus!
Noch einen Atemzug – noch einen Mensch! Ha!
(Er läßt das Pistol sinken.)
Sie wechselten die Ringe, – – Widerrufen
Ist hier vergebens und um nichts die Rache! – –
O denke niemand! Denke niemand! Schwach
Wird dir der Arm, wenn auch dein Geist erstarkt –
Ja, eine welke Blume bin auch ich
Und der Begriff nur hat noch Wert an mir!
So bin ich nichts und mag entsagend sterben.
(Geht dahin ab, von wo er kam.)
Manasse. Silva. Gäste. Dann Judith, Jochai, Santos und die Uebrigen kehren zurück. Später Uriel.
Judith. Laßt mich noch einen Augenblick hier weilen.
Das Neue dringt zu heftig auf mich ein!
Ich will mich sammeln – Geht voran, ich bitte!
Jochai. Es ist der erste Wunsch in uns'rer Ehe!
Ich muß ihn wohl erfüllen, wenn auch ungern.
(Zu den Uebrigen.)
Ihr werten Gäste folgt! Die Einsamkeit,
Die meine junge Gattin immer liebte,
Hat auch das Recht, zuerst ihr Glück zu wünschen.
(Ab mit den Andern vorn nach rechts.)
Judith (ist jetzt allein. Sie sieht sich um und schüttet ein Pulver, das sie aus der Brust zieht, in den Pokal mit Wasser).
Du hast es ja gesagt, de Silva, daß
Mein Vater Trost sich finden wird! Wohlan! – (Sie trinkt.)
Ein Denkstein thut denselben Dienst wie ich.
Uriel (tritt auf).
Ihr seid es, Judith? – – Einmal noch hab' ich
Das Weib Jochais sehen müssen –
Judith (neigt sich zur Bank). Wohl,
Hier ist es!
Uriel. Wenn ich jetzt noch wandern wollte,
Dann ließet Ihr mich zieh'n! Ja, Judith, sieh',
Nun steht dein Freund vor dir, versenkt, verbrannt
Zu Asche! Elend! Ganz zerstampft! Ein Nichts!
Wo ist dein stolzer Liebesmut geblieben,
Der mich, den Sträubenden, in alle Himmel
Den Liebesmatten wild in Flammen setzte?
Jetzt sprich, was denkst du über mich und dich?
Wie richten wir uns beide wieder auf?
Judith. Vergieb, daß uns're Leiden ich vergleiche,
Wer dünkt dir ärmer wohl, mein Uriel,
Du oder ich?
Uriel. Ich habe mich gefürchtet
Vor Frauenliebe! Immer noch klingt mir's
Im Ohr, was du dem Priester hier gesprochen.
Wie hat sich das so grausam umgewandt!
Judith. Vergiebst du mir, mein Freund?
Uriel. Vergeben? Dir?
Ich glaube wohl, daß du nicht anders durftest.
O, hätt' ich anders selber nur gekonnt! – –
Sich selbst zu hassen, selbst sich zu verachten,
O, das ist Qual!
Judith. Erlöse dich von ihr!
Zieh' in die Welt mit mutigem Vertrauen!
Bekenne deine Wahrheit wie ein Held!
Uriel. Wer wird sie mir noch glauben wollen! Nein,
Wer nicht von Anfang blieb auf grader Straße,
Der könnte Steine wandeln selbst in Brot,
Man glaubt' ihm nicht – die Meinung hat verloren,
Wer seine Meinung einmal abgeschworen.
Judith. Du schiltst das Herz! Nicht geht es mit dem Geiste!
Natur und Sitte meistern uns! Was sind wir,
Wenn unser liebendes Gemüt nicht Schmerz,
Die Klage nicht vernehmen kann? Verächtlich?
O nimmermehr! Sei mutig und entflieh'
Zu Geistessiegen, unbeirrten, freien!
Zu deinem eignen größern Selbst! Vergieb –
Man kommt –
Uriel. Du siehst so blaß –
Judith. Leb' wohl, mein Freund!
Uriel. Was hast du, Judith? Diese Farbe –
Judith. Geh'!
Blick' nicht auf mich! Nur von mir hören sollst du!
Uriel. Was soll der Becher? – Judith, welche Ahnung?
Manasse, Silva und ein Teil der Gäste kehren zurück. Zuletzt Jochai, Santos und der andere Teil. Die Vorigen.
Manasse. Wo bleibt mein Kind?
Silva. Acosta hier?
Uriel. Betrachtet,
De Silva, Eure Nichte
Manasse. Kind, was ist dir;
Wie find' ich dich? Ja, was geschah? Du fühlst dich –
Judith. Leicht, leicht, mein Vater!
Manasse. Fühlt sie an'
Gerechter Gott, was ist das? Herr des Himmels!
So kalt?
Silva. Wie Euer Marmor –! O Manasse,
Du armer reicher Mann, dein Kind –
Manasse. Sie stirbt!
Uriel (für sich).
Es ist das Gift aus meinen welken Blumen!
(Jochai und Santos treten mit den andern Gästen sorglos auf.)
Jochai. So kommt zum Mahl! Beginnen wir das Fest!
Wo weilt Ihr, werte Gäste? Judith – Ha!
Uriel. Sieh' hin, Jochai! Stolzer Freier, du
Der gegen Wechsel Herzen eingetauscht
Und am Verfalltag doch betrogen ward!
Komm', komm' und schände mich mit deinem Fuß
Zum zweiten male hier vor diesem Altar!
(Zu Judiths Füßen.)
Jochai (vernichtet, für sich).
Vermählt – mit einer Leiche!
Manasse. Rettung, Silva!
Silva. Es ist zu spät! Hier scheitert meine Kunst.
Judith. Siehst du, Acosta! Hast du – glauben können,
Daß diese – Seele, die du zart gebildet,
Nicht wüßte, was sie schuldig war – der Liebe?
Mein Vater ist gerettet – doch nur so!
(Sie nimmt den Myrthenkranz sich ab.)
O eine and're Welt hab' ich geträumt
Und süß're Hoffnungen von diesem Leben;
Ein kurzer Frühling nur hat sich erfüllt,
Ein wenig Blumenduft – doch der war schön,
An Wonne überreich, daß er im Sterben
Noch selig übertäubt –! Leb' wohl, mein Vater,
Vergiß das Opfer einer höhern Liebe!
(Sie reicht Acosta den Kranz.)
Nimm hin, du Einz'ger, dieser Kranz ist dein.
(Sie lehnt sich und stirbt.)
Uriel (preßt den Kranz weinend auf seine Lippen, legt ihn dann in Judiths Hand und steht auf).
Manasse! Säulen liebt Ihr, Sarkophage
Und leid'gen Trost giebt Euch des Künstlers Hand,
Wenn Ihr dem teuern Kinde dort vielleicht
An jenen Trauerweiden bettet, laßt mich –
Ich bitte – in der Nähe ruhen! Nirgend
Find' ich ein Grab, bei Christen nicht, nicht Juden!
Ich bin von denen, die am Wege sterben.
Einst, hoff' ich doch, sieht man sich wohl so einen
Verlor'nen Denkstein an und sagt: Da ruht
Die Asche eines armen müden Pilgers,
Der ins gelobte Land der Wahrheit zog.
Er sah sie nicht. Doch eine Wolke legte
Sich rosenrot vor sein ersterbend Auge –
Es war die Liebe. (Zeigt auf Judith.) Seht, was Liebe that! –
Und nun lass' ich Euch diese Welt des Irrtums,
Der Zweifel und des Wahns und der Verfolgung!
Wälzt größ're Steine noch auf Menschenherzen,
Die sich wie ich nach Gottes Antlitz sehnten
Und ohne Fürwort eines Priesters wagten,
Unmittelbar ins Auge ihm zu schauen –
Ich kann den meinen nicht mehr länger tragen.
In sonnenhelleren Jahrhunderten
Kommt auch die Zeit, wo man hebräisch nicht,
Nicht griechisch, nicht lateinisch, nein, in Zungen
Des Geistes und der Wahrheit sagen wird:
Noch gab die Welt nicht Raum für solche Bahnen,
Noch war die Luft zu schwül für solche Flammen –
Er mußte geh'n, weil er nicht bleiben durfte!
Habt Ihr gesiegt, seht dort, da ist der Platz,
Das Banner des Triumphes aufzupflanzen!
Manasse, jene Trauerweiden mein' ich –
Mein Genius! Du folgst! Nicht Ihr – bleibt dort!
Von ferne will ich Euch die Stelle zeigen,
Wo Ihr den Sieg gewinnt und ich – den Frieden.
(Er schreitet an den Staunenden, die ihm mit ihren Blicken folgen, vorüber. Wie er fort ist, fällt ein Schuß.)
(Allgemeine Bewegung.)
Santos (hervortretend nach der Seite, wo Uriel ging).
Der Glaube siegt, zwei Opfer sind gefallen.
Silva (hält ihn zurück, blickt abwechselnd nach außen und auf Judith, die von Manasse gehalten bleibt).
O stört die Schauer dieser Stunde nicht!
Zwei Zeugen eines Glaubens, der die Welt
Verachtet! Richtet nicht, denn wie wir hier
Erstarrt vor Schrecken steh'n, die wahren Mörder
Des stummen Paars sind wir! O, geht hinaus
Und predigt: Schonung, Duldung, Liebe!
Und was der wahre Gaube? Ach! Der Glanz,
Der alten Heiligtümer, seh' ich, schwindet.
Glaubt, was Ihr glaubt! Nur überzeugungsrein!
Nicht was wir meinen siegt, de Santos! Nein!
(Er schlägt ans Herz.)
Wie wir es meinen, das nur überwindet.
Die Gruppe bleibt. Der Vorhang fällt.