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Im Goldhaus ist ein sehr schönes Tauffest gefeiert worden. Tante Ulrike und Marga, schwarzatlassen und strahlend, waren erschienen. Tante Helen aus Baden und sehr schüchtern in einem wunderbaren schwarzen Rock Hans Friedrich als Pate. Auch die Fürstin ist da und benimmt sich fast tadellos. Sie ist sogar ganz menschenfreundlich zu Hans Friedrich und tolerant gegen die Tanten. Nur Tante Helen scheint sie zu meiden. Und wenn diese nach ihrer Richtung sieht, zieht sie die Augenbrauen hoch. Der Fürst strahlt und schämt sich Zar nicht, bei des Herrn Pfarrers Taufrede von seinem Taschentuch Gebrauch zu machen. Es ist ein wundervoller Apriltag mit ziehenden Schäfchen am Himmel und Holzapfelblütensträußen in allen Vasen und Zimmern. Und Märt verbraucht gewiß eine Handvoll Salz.
Am Abend, ehe der Fürst hinüberfährt, kommt er noch in Rosmaries Zimmer, wo sie am Fenster sitzt, ihr Kind, das eben getrunken hat und darüber eingeschlafen ist, im Arm. Er beugt sich über die beiden Geliebtesten und ergreift ihre linke Hand und läßt etwas hineingleiten. Sie sieht erstaunt auf:
»Vater, kannst du mir denn gar nicht genug tun? Und was hast du mir gegeben! Das hättest du nicht dürfen, den Brautring!«
Sie sieht erschrocken auf ihre Hand, daran der Ring der Braunecker glänzt, kostbare, wohl italienische Arbeit. In der Mitte ein Saphir von der Art, die auf ihrem Grunde einen hellen Stern trägt. Das Rankenwerk, das den Stein trägt, ist von großer Zartheit und doch Festigkeit und so gearbeitet, daß der Ring jeder Hand paßt, ein Federdruck verändert seine Weite und stellt sie ein. Rosmaries Mutter hat den Ring getragen, sie haben ihn alle getragen, die Brauneckerinnen. »Vater, das darf ich nicht annehmen, er gehört ja Mama.«
»Hat sie ihn je gewollt? Sie war ganz außer sich über die Zumutung, den Ring einer Toten zu tragen. Wir haben den ersten Streit darüber gehabt. Ich gab nach und schenkte ihr den großen Solitär, den sie immer trägt. Und es soll das Zeichen sein dessen, was ich mit dir sprach in jener Nacht nach deiner Hochzeit in Berlin.«
»Mama wird ihn an meiner Hand sehen, und sie wird ihn erkennen. Sie wird verletzt sein.«
»Rosmarie, trage ihn in Hoffnung auf die Zeit, wo er dir gebühren wird. Mamas Launen sind so vielfach, und es gibt so viele Dinge, die sie entrüsten und erregen, daß dies wirklich mit unterlaufen mag.«
»Aber ihr ein gewisses Recht einzuschränken, Vater, ein Recht!«
Auf des Fürsten Stirne schwoll ein Äderchen auf wie ein blauer Zickzack, und seine dunkeln Augen flammten.
»Recht? Schweigen wir davon, Rosmarie!!«
Sie wagt nichts mehr zu sagen und küßt ihres Vaters Wange über ihr schlafendes Kind hinüber. Ihr Kuß nimmt etwas Trübes von ihm hinweg, und er nickt ihr zu. An der Türe wendet er sich noch einmal um.
»Du weißt doch, daß der Ring wunderbare Kräfte haben soll. Laß es dir von Tante Helen erzählen.«
Damit ging er hinaus. Rosmarie betrachtete das Kleinod und seufzte. Mama war so friedlich heute, nun wird sie wieder gereizt werden. Und der Tag mag schwer genug für sie gewesen sein. Und was Harro zu dem Geschenk sagen wird, weiß sie nicht. Den tieferen Sinn darf sie ihm ja nicht offenbaren. Sie versucht den Ring vom Finger gleiten zu lassen, aber es ist ganz unmöglich, die Feder hält ihn fest. Es fällt ihr ein, daß sie von dem Ring doch schon gehört hat. Der leuchtende Stern in der Tiefe des Steins soll verschwinden, wenn die Trägerin die Treue nicht bewahrte. Und über Rosmaries Herz streicht eine Ahnung, daß der Braunecker Ring wohl auch schon eine schwere Fessel gewesen sein mag.
Prinzessin Helen wohnt in Brauneck, und am späten Abend hat sie sich noch in die Sommerstube begeben, um ein Wort mit ihrem Bruder zu sprechen. Und zuerst reden sie von der großen Freude. Von dem kleinen Heinz Friedrich mit den blauen Augen und der kleinen eigensinnigen Haartolle. Und Helen sagt: »Du hast das Klügste getan mit deiner Rosmarie. Geändert hätte sie niemand. Und nun ist's eine wahre Wonne, sie zu sehen. Sie ist wunderschön. Ich möchte wissen, woher. Früher sah man ihr nur die Brauneckerin an, namentlich, als sie noch schwächlich war, nun ist's eine fremde Fee. Wie kommt dieser Glanz in unsere Hütte? Ich habe heute allen alten Tanten die Nasen entlang gesehen. Ach du lieber Himmel! Gut Brauneckisch und häßlich. Alle Schönheit ist auf die Männer gekommen.«
»Nun, wir können's tragen,« meint der Fürst.
»Und Harro! Fried, dieser Harro ist ein großer Künstler. Ich habe ein Bild von ihm gesehen, als erste. Die armen Seelen können es ja niemand zeigen. Ich kann dir nur sagen, es war mir heute den ganzen Tag, als ob ich etwas geschenkt bekommen hätte. Als ob in der innersten Herzkammer ein Licht scheine, von dem alles andere beleuchtet würde.«
»Ja warum zeigt er es denn nicht? Wo haben sie es denn?«
»Das ist es eben. Es hängt im Atelier und sieht wie ein großer flacher Wandschrank aus. Es fällt gar nicht auf. Rosmarie schloß mir auf. Innen ist das Bild in seinem goldenen Rahmen. Es stellt die Sage von der Fee von Schloß Schweigen und dem Braunecker dar. Denke dir die alte Thorsteiner Mauer mit dem Rosenbusch in Blüte und dem singenden Brunnen. Auf seinem Rande sitzt die Fee, eine Perlmutterschale in der Hand. Es ist die Rosmarie. Wie sie Gott geschaffen hat. Einen Rosenkranz auf dem Haupte. Ernst und königlich und lieblich, wie sie das sein kann. Du erinnerst dich, heute, als sie bei der Taufe ihre Hand auf das Kind legte! Auf einer grünen Wiese kniet vor ihr der Braunecker. Harro ist's, geharnischt von Kopf bis zu den Füßen. Schild und Lanze hat er neben sich liegen. Die Sturmhaube auf dem Kopf, und eine wunderbare, ja wie soll ich's heißen, Andacht in seinem Gesicht und seiner Haltung. Und der Gegensatz von dem blinkenden harten Metall zu der blütenzarten Fee. – Es ist eine Weihe auf dem Bilde, ein Liebeszauber perlt aus dem Brunnen, eine Reinheit und Andacht liegt darauf. Und etwas Geheimnisvolles noch. Die Rosmarie ist durchaus nicht lockendes Weib. Sie ist die Fee. Es ist, wie wenn über den beiden in ihrer Herrlichkeit und ihrer Liebe etwas von einem tragischen Hauch liege. Rosmarie würde das besser ausdrücken. Sie belobte mich sehr, daß ich es herausgefühlt habe, denn es sei in der Sage begründet. Vielleicht geben sich Feen auch nie ganz her. – Ja und nun hängt das da, und kein Mensch kann's genießen, praktisch ist dieser Harro nicht. Aber er hätte wohl auch keinen Kopf gefunden, der zu dem Körper gepaßt hätte. Rosmarie meint, wenn ich gestorben bin und kein Mensch mich mehr kennt, wird das Bild leben, Bilder leben ja so lange –«
Der Fürst sagte nur: »Harro wird doch vorsichtig sein und immer abschließen.«
Dann fing er an nervös auf seinem Schreibtisch zu kramen.
»Ich will dir etwas zeigen, Helen. Ich will Palais Brauneck verkaufen.«
»Palais Brauneck, Fried! Das kann dein Ernst nicht sein.« Helens schönste Jugenderinnerungen hängen an dem Hause, und jedes Jahr verbringt sie im Frühherbst oder im Juni einige Wochen dort.
»Ja warum denn –«
»Das gelbe, häßliche Haus hat einen ungeheuren Wert. Du wirst staunen, wenn ich dir die Summe nenne. Und ich habe natürlich daran gedacht, wie ich dich entschädigen könnte.«
Er zog einen Pack Photographien heraus. »Eine zierliche Villa im Grunewald oder bei Wannsee, wo du auch im Winter einmal sein könntest. Sieh dir die Photographien an!« »Fried, du bist ein Engel von einem Bruder. Meinst du, ich wisse nicht, daß mein Anrecht auf das Palais Brauneck nur von deiner Güte herstammt? Aber Fried, vielleicht hast du recht, die Berliner Luft ...«
»Deine Villa fällt ab, Helen, es ist nicht mehr als billig, daß ich dich bedenke, wenn ich ein so vorzügliches Geschäft mache.«
Die korpulente Dame stand auf, nahm ihren Bruder beim Kopfe und zauste ihn.
»Fried, du bist ein Anachronismus, du gehörst nicht in dies Säkulum. Ach Gott, und ich habe etwas auf dem Herzen. Es würgt mich, Fried, ich konnte es nur vergessen, wenn ich an das schöne Bild dachte. Als ich die Türe zur Sommerstube aufmachte, da habe ich gebebt, wie früher, wenn Vater mich rufen ließ. Du weißt ja, was das bedeutete.«
»Nun, die Vorbereitung ist schlimm, Helen; machen wir so schnell wie möglich.«
»Soll geschehen. Du kennst die Gräfin Trauteneck, sie lebt ganz zurückgezogen, seit sie ihren Neffen und Erben verloren hat. Ein Jagdunglück, sagte man. Sie schrieb mir. Charlotte und Arno Schwelm habe sie in einem einsamen Restaurant am Paulssee gesehen. Sie seien zwar von verschiedenen Seiten gekommen, auch wieder so davon geritten. Die Gräfin hat sich verborgen gehalten, Arno Schwelm kann sie nicht ins Gesicht sehen. Es ist ja damals kein Unglücksfall gewesen, was ihrem Neffen zustieß, es war ein Duell. Und weil noch so viele andere Leben damit zerstört gewesen wären, hatten sie, damit es nicht offenbar würde, irgendeinen ungewöhnlichen Duellort gewählt, es mußte einer auf dem Platze bleiben. Dieser Mensch ist ein Mörder, schrieb sie mir, seine Berührung kann nur Unglück bringen. Er befleckt die Frau, die ihm irgend welche Vertraulichkeit gestattet.«
Der Fürst hatte kein Wort gesprochen, nur eine graue Blässe zog über sein Gesicht.
»Fried, ich fleh dich an ... Ich weiß, du kannst deinen Zorn einkapseln und ihn wieder herausziehen, laß diesen Menschen seine schlimmen Wege gehen und ziehe Charlotte aus der Möglichkeit heraus, noch mehr anzustellen.«
»Mein Leben ist mir viel zu wertvoll, als daß ich es an die Kugel von diesem Elenden verwürfe. Ich brauche noch zwanzig Jahre Leben. Und es soll mich auch kein ehr- und pflichtvergessenes Weib aufhalten. Nein, da brauchst du nichts zu fürchten. Was du mir sagst, ist mir nicht ganz neu. Es ist mir schon einmal so etwas wie eine Warnung zugekommen. Es lag etwas in der Luft, was ich fühlte und nicht greifen konnte. Hierher traut sich der Arno Schwelm nicht, und Charlotte bleibt hier. Sie geht auch nicht nach Wiesbaden. Ich werde ein Höllenleben haben. Nun, ich habe ja meine Stunde Sonnenschein in Thorstein, meine holde Rosmarie, das Kind ... Dann werde ich auch Charlottens wahnsinnige Schneiderrechnungen beschneiden. Nötigenfalls wende ich mich an ihren Vater, es ist der einzige Mensch, vor dem sie irgend etwas wie Respekt oder Furcht hat. Vielleicht ist noch nichts geschehen. Wir wollen jedenfalls nicht nachforschen. Wenn sie die Mutter meiner Kinder wäre, das ertrüg ich nicht. So soll sie wenigstens meinen Namen nicht in den Kot ziehen. Und Helen, kein Wort mehr darüber, auch von dem Verkauf von Palais Brauneck noch nicht. Der Gräfin danke für ihre Mitteilung. Mit Charlotte werde ich mich nicht auseinandersetzen. Sie würde vermutlich alles ableugnen. Ihre Leidenschaft ist gewiß nicht groß genug, sie alles vergessen zu machen, was sie aufgäbe, wenn sie Brauneck verließe. Hier war's, als ich in Rosmaries Augen sah, daß sie nicht trauern konnte, daß mein Sohn nicht zum Leben kam. Ich dachte damals, ich könne das nie verzeihen. Und jetzt – – Sie hat etwas Ahnungsvolles – die Rosmarie.«
Der Fürst erhob sich und trat vor das Bild des Seelchens. Seiner Schwester Augen folgten ihm. Er erschien ihr so liebenswert und sollte so gar kein eigenes Glück kennen. Und ihr in langen Jahren mühsam beschworenes Herz fing wieder an zu flattern.
»Das alte Brauneck – es macht einen wehmütig,« flüsterte sie.