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Da ich so aus vollem Herzen über das viele Essen und Trinken, die Fettsucht und den dicken Bauch gescholten habe, ist es wohl recht und billig, mich darüber zu äußern, wie man den Unfug steuern kann, ohne sich das Leben durch die Angst vor dem Dickwerden und die Qual beständigen Entbehrens zu verbittern. Dazu gehört nur, daß man etwa alle drei bis vier Wochen ein Zehnpfennigstück opfert, um sich wiegen zu lassen; den Bauchumfang gleichzeitig mit dem Bandmaß festzustellen, kostet überhaupt kein Geld, sondern nur eine Viertelminute Zeit. Tut man das – und so wenig könnte wohl jeder für seinen Körper tun, der doch für ihn arbeitet und lebt –, dann braucht es nur, falls eine Gewichtszunahme eingetreten ist, eines Fasttags, um alles wieder ins rechte Geleiste zu bringen; Fett, das erst kurze Zeit im Körper abgelagert ist, wird bequem innerhalb von vierundzwanzig Stunden vom Organismus verbraucht. Einen Tag hungern bringt aber niemanden um, es schwächt ihn auch nicht, im Gegenteil, man fühlt sich nach dem Fasten nur frischer und leistungsfähiger. Die Mode, ab und zu vierundzwanzig Stunden nichts andres zu genießen als dreiviertel Liter Milch, ist nicht schlecht, nur muß sie mit der Waage kontrolliert werden. Man darf sich auch nicht einbilden, daß es gerade Milch sein muß.
Vielleicht noch wichtiger als die Überwachung des Gewichts ist das Messen der Umfänge, vor allem des Bauchumfangs und der Bauchlänge, wenigstens bei der Krankenbehandlung. Günstige Gewichtsverhältnisse schließen eine übermäßige Zunahme der Umfänge nicht aus, wohl aber gibt das Dickwerden ohne Gewichtszunahme wichtige Aufschlüsse über die Lebensprozesse, die man auf einem andern Wege kaum erreichen kann. Und zum Wegschaffen des dicken Bauchs genügt das bloße Hungern und Dürsten nicht, wenn es auch vielfach nicht entbehrt werden kann. Da gewinnt ein andres Hilfsmittel Bedeutung, das uns von der Natur anerschaffen ist, die Atmung. Um das verständlich zu machen, muß ich jedoch erst ein paar Worte über den Aufbau der Brust und des Bauchs sagen.
Der Brustkorb ist, wie männiglich bekannt, von den Lungen und dem Herzen ausgefüllt. Er ist rings von dem Gerüst der Rippen umschlossen, so daß er sich nur so weit ausdehnen kann, als es die Rippengelenke erlauben. Nach unten, nach der Bauchhöhle zu, ist er durch eine Querwand, einen flachen Muskel, das Zwerchfell abgegrenzt. Unterhalb des Zwerchfells kommt dann der Bauchraum, der nur ganz oben in den Rippenbogen und unten in dem knöchernen Becken feste Wände hat, an beiden Stellen noch nicht einmal vollständig. Außerdem steigt hinten noch die knöcherne Wirbelsäule empor, die jedoch weniger als Wand denn als Halt dient. Nach vorn und nach den Seiten hin wird die Bauchhöhle nur von der Muskulatur und der Bauchhaut zusammengehalten. Hier ist also eine gewisse Ausdehnungsmöglichkeit der Gewebe vorhanden wie nirgends sonst.
Diese Ausdehnung kann aber nur stattfinden, wenn Muskulatur und Haut des Bauchs ihre natürliche Spannkraft verloren haben und wenn der vernünftige Mensch durch unvernünftiges Hineinstopfen von Riesenmengen den Bauchinhalt unverhältnismäßig vergrößert. Das Leben selbst tut sein möglichstes, die Wände kräftig zu erhalten. Für jede Bewegung des Rumpfs, für das kraftvolle Gehn und Stehn, für die Atmung, für die Entleerungen, für jede Anstrengung wird diese Muskulatur gebraucht, und es ist nicht die Schuld der Natur, wenn unsre Bildung allmählich die Rumpfbewegungen ausgeschaltet hat, wenn sie uns wie Greise stehn und gehn lehrt, wenn sie uns das Bücken verbietet und jede Anstrengung ängstlich zu vermeiden rät.
Auch für die Verringerung des Bauchinhalts tut die Natur ihr Teil. Mit jedem Atemzug preßt sie nämlich durch das Herabtreten des Zwerchfells alles, was in der Bauchhöhle liegt, nach unten gegen den starren Beckengrund; sie preßt dadurch jedesmal mit großer Kraft ein gut Teil Blut und Säfte aus dem Bauch heraus, ähnlich wie der Kolben das Wasser aus einer Spritze herausdrängt, wenn er nach unten gedrückt wird. Solange die Bauchmuskulatur frisch ist, weicht sie dabei dem herabdrängenden Zwerchfell nur wenig aus, so daß tatsächlich der Inhalt der Bauchhöhle zusammengedrückt, die Flüssigkeit ausgepreßt wird.
Nur in einem einzigen Fall bringt das Leben selbst eine Ausdehnung der Bauchhöhle durch Vergrößerung des Inhalts hervor, das ist der Fall der Schwangerschaft; so wie der Mensch einmal gebaut ist, kann das Kind eben nur in dem Bauchraum, dem einzigen Raum mit nachgiebigen Wänden, wachsen. Aber die Natur verwendet schon während der Schwangerschaft und vor allem nach der Entbindung wahrhaft genial erfundne Mittel, um die erschlafften Bauchdecken wieder straff zu spannen. Die Bewegungen des Kindes und die Wehen der letzten Monate regen die Bauchmuskulatur zur Zusammenziehung an, halten sie in Gebrauch. Die Entbindung selbst mitsamt den Nachwehen bedeutet eine beachtenswerte Übung und Stärkung dieser Muskulatur, und schließlich bringt das Anlegen des Kindes an die Brust und das Säugen dauernd und immer von neuem Zusammenziehungen der Gebärmutter hervor, so daß der Körper von selbst wieder schlank, der Bauch straff wird, wenn er nicht in seiner Arbeit durch Maßnahmen der Menschen gestört wird.
Wie gestalten sich nun die Dinge durch das Eingreifen des Menschenverstandes? Die Hälfte der kultivierten Menschheit, die Frauen erledigen die Sache sehr einfach; sie ziehen ein Korsett an, und damit ist die Zwerchfellatmung, dieser automatische Massageapparat zum Schlankbleiben, ausgeschaltet. Daß sie sich dadurch dünn erhalten, ist nichts weiter als eine Illusion; dann müßten sie es zum mindesten auch in der Nacht tragen, sonst wölbt sich der Leib in der schnürleiblosen Zeit wieder vor. Die Frauen sind ebenso dickbäuchig wie die Männer trotz des Korsetts. Der einzige Erfolg ihrer Nachhilfe ist, daß sie ihren Bauch mit Hilfe des Panzers nach unten und oben drücken, das heißt, daß sie einer Narrheit halber ein sogenanntes nervöses Herz haben, was nichts andres ist als ein vom Zwerchfell hochgetriebenes Herz, und daß sie eben dieser Narrheit wegen das wichtigste Organ, das sie besitzen, die Gebärmutter, zwölf Stunden des Tages künstlich nach unten drücken und mit allen überflüssigem Säften des Bauchs überschwemmen.
Und dann beklagen sie sich darüber, daß dieses grausam mißhandelte Organ bei der Periode Schmerzen bereitet und daß sie weißen Fluß haben. Beides ist doch unter solchen Verhältnissen die natürlichste Sache der Welt, kann gar nicht anders sein. Das Korsett muß aber wohl für das weibliche Geschlecht Vorzüge besitzen, die mir als einem Manne, wie so viele andre Vorzüge, unverständlich sind. Wenigstens gebe ich mich nicht der Hoffnung hin, mit meinen Worten auch nur eine einzige der zahlreichen Unverstandnen zum Ablegen des Schnürleibs zu veranlassen. Vielleicht ist, was die Frauen jedem Rat auf diesem Gebiete unzugänglich macht, das Wogen des Busens, dieses sichtbare Zeichen menschlicher Unzulänglichkeit, der Unfähigkeit menschlich zu atmen, das freilich nichtsdestoweniger von Dichtern und Liebenden gepriesen wird.
Bei den Männern steht es nicht besser. Da sie durch keinen Panzer beengt sind, trinken und essen sie doppelt so viel. Solchen Mengen ist das bißchen Atmen, das der moderne Mensch ausübt und das mehr dem Schnappen eines Fischs auf dem Trocknen ähnelt als der Leistung eines breiten Brustkastens, nicht gewachsen. Der Druck des Zwerchfells vermag die überflüssigen Säfte nicht mehr auszupressen, der Inhalt des Bauchraums wächst und nach und nach geben die biegsamen Wände dem Druck nach. Das macht dem braven Mann nichts aus. Ein bißchen Bauch gibt ein respektables Ansehn, und daß das bißchen immer mehr und mehr wird, hat nichts zu sagen. Man wird ein wenig schwerfälliger, schwitzt beim Anziehn der Stiefel und beim Spazierengehn, aber das bringt angenehmen Durst; daß der Schneider eine Elle mehr Zeug für die Hosen braucht, kostet nicht viel, und ein weitrer Kragen für den fetten Hals ist bald besorgt. Irgendein Warnungszeichen, wie bei der Frau das Herzklopfen, tritt nicht auf. Der Bauch hat ja Freiheit, nach vorn zu wachsen. Höchstens tritt aus den Bruchpforten an den Leisten ein Stück Darm heraus, weil er in dem vollgepfropften Bauch keinen Platz mehr hat. Das gibt Gelegenheit, von der schweren Anstrengung zu erzählen, bei der man sich einen Bruchschaden zugezogen habe; aber dafür ist ein Bruchband gut. Und so geht es fort und fort, bis eines schönen Tags ein Schlägelchen allen Freuden des Lebens ein Ende macht. Denn auf die Dauer vertragen es nicht alle Gefäße, daß dem Hirnkreislauf durch das Fett des Halses und die Schwere des Bauchs immer wachsende Hindernisse geschaffen werden.
Es ist doch wohl verständiger, beizeiten ein wenig vorzusorgen. Dazu braucht man der Natur nur ihre Verfahren abzulauschen. Man muß die Zwerchfellatmung und die Bauchmuskulatur üben, den automatischen Massageapparat recht gebrauchen. Am einfachsten und ohne daß man dabei nachzudenken braucht, erreicht man das durch große körperliche Bewegung, dadurch daß man jung bleibt, daß man seinen Körper wie ein Kind braucht. Wer das nicht mehr kann – und es wird die Mehrzahl sein, die weder Zeit noch Lust dazu hat –, der muß das Atmen methodisch betreiben, das heißt, er muß absichtlich tief atmen und dabei die Bauchmuskulatur anspannen, den Bauch nach Möglichkeit einziehn. Das soll er aber nicht in der üblichen Faulenzermanier tun: morgens zwanzig tiefe Atemzüge und damit fertig, sondern er sollte es zur Lebensgewohnheit machen, alle halbe Stunde ein paarmal regelrecht zu atmen. Das kostet ihn nicht mehr Anstrengung und nicht mehr Zeit, als wenn er sich eine Zigarre ansteckt oder sein Taschentuch braucht. Tut er es jedesmal bei diesen Gelegenheiten, so kommt er schon auf eine leidliche Zahl.
Freilich, wenn der Bauch erst vorgewölbt ist, reicht der einfache Widerstand der Muskeln nicht aus. Dann soll man die Knie gegen den Leib drücken, oder den Leib gegen die Knie, und so atmen. Dadurch werden der Widerstand der Bauchwände und die Druckwirkung des Zwerchfells erheblich gesteigert. Das wirksamste ist, einen andern auf den Bauch drücken zu lassen, etwa so, daß einem jemand auf den Bauch kniet. Das verhindert die Bauchwände, dem Andrängen des Zwerchfells auszuweichen, und die ganze Gewalt der Einatmung preßt die Säfte aus den Eingeweiden des Bauchs; es ist keine Seltenheit, daß nach den ersten zwanzig Atemzügen sich die Umfange des Leibs schon um zwei Zentimeter verringern. Wiederholt man es methodisch Tag für Tag durch Wochen hindurch, so sinken die Maße erstaunlich. Welche Wirkung das Zusammenfallen des ausgedehnten Bauchs auf alle Lebensverhältnisse haben muß, brauche ich nicht auseinanderzusetzen. Es ergibt sich aus dem, was ich vorhin über die Folgen der Leibesausdehnung gesagt habe. Ich betone nur, daß auf diese Weise sich die Umfange auch ohne Gewichtsabnahme verkleinern lassen, ja sogar bei Zunahme des Körpergewichts, was leider so sehr wenige wissen.
Da steht es also schwarz auf weiß, in Lettern deutlich gedruckt; ich knie – nicht allen, aber sehr vielen – Kranken auf den Bauch und lasse sie unter dieser Last atmen. Ich habe es viele tausendmal getan, und die Erfolge, die ich dabei erzielt habe, berechtigen mich, hier in aller Öffentlichkeit zu erklären, daß ich niemals den geringsten Schaden davon gesehn habe, wohl aber großen Nutzen, der mich dazu zwingt, diese Methode der Atmung für eins der wirksamsten Heilmittel der gesamten ärztlichen Tätigkeit zu halten; ich bedaure nur, die Urheberschaft dieser genialen Idee nicht für mich beanspruchen zu können, sie stammt von Schweninger. Ich erkläre weiter, daß alle, die über diesen wohlberechtigten, wissenschaftlich und praktisch durchaus begründeten ärztlichen Eingriff aburteilen, ohne ihn jemals angewendet zu haben, in trauriger Weise ihre Unwissenheit an den Tag legen.
Die Atemgymnastik, von der ich eben sprach und die sich in mannigfacher Form verändern läßt, bringt mich auf die zweite Ernährungsform des Organismus, die nicht durch den Darmkanal, sondern durch die Lungen vermittelt wird, auf die Aufnahme des Sauerstoffs. Es genügt nicht, daß dem Menschen Eiweiß, Fette, Kohlehydrate, Wasser und so weiter zugeführt werden. Das alles ist ja nur Rohmaterial, das nutzlos daliegen würde, wenn es nicht von irgendeiner Kraft zum Aufbau und zur Feuerung der Menschenmaschine verwendet würde. Wie das Feuer im Ofen nur brennt, wenn ein Luftzug hindurchströmt, so kann der Mensch nicht leben, wenn ihn nicht fortwährend ein Strom von Sauerstoff durchflutet. Jede Arbeit, jedes Denken und Empfinden, jedes Bewegen des Fingers und der Lippen, jede geringste Lebensäußerung ist bedingt durch die Gegenwart dieses eingeatmeten Nahrungsmittels. Rein materialistisch gedacht – so soll man nicht denken, aber mitunter mag man diese Denkmethode wohl nützlich gebrauchen – ist das Leben des Menschen nichts andres als ein chemischer Prozeß, in dem der Sauerstoff die Bestandteile des Körpers zu Kohlensäure, Wasser und Ammoniak zu verbrennen sucht, um dabei Kraft und Wärme zu entwickeln. Infolgedessen ist das Bedürfnis des Organismus nach Sauerstoff groß; es wird durch Einsaugen der uns umgebenden Luft in die Lungen befriedigt.
Naive Menschen glauben immer noch, trotzdem sie es besser wissen, daß die Luft ein Nichts ist. Die Vorstellung, daß die Luft körperlich ist, daß sie ein bestimmtes Gewicht hat, daß sie ein Gemenge verschiedner Gasarten ist, gehört zu denen, die man auswendig lernt, die aber im Grunde dem Gefühl widersprechen, die unbegreiflich sind. Daß der Mensch viele Tausende von Kilogramm Luft auf sich lasten hat, will uns ebensowenig in den Kopf wie die Existenz der Gegenfüßler; dem ursprünglichen Empfinden nach gibt es auch für die Erde wie für jede Kugel ein Oben und Unten; wir existieren auf der obern Hälfte, sonst müßten wir ja mit dem Kopf nach unten hängen: dann ist die andre Hälfte der Kugel nach unten gerichtet, und wer dorthin kommt, sollte eigentlich kopfüber in die Tiefe fallen; man muß sich immer erst wieder gewaltsam die Anziehungskraft der Erde ins Gedächtnis zurückrufen, um die Sache zu begreifen; jeder muß das, nur geht es bei dem einen augenblicklich, bei dem andern dauert es eine Zeitlang. Genauso ist es mit der Tatsache, daß die Luft, die uns umgibt, nichts Einheitliches ist, sondern ein Gemisch aus Stickstoff, Sauerstoff, Kohlensäure, Wasserdampf und einer Menge andrer Bestandteile.
Trotzdem muß sich jeder diese Tatsache recht deutlich klarzumachen suchen, damit er begreift, welch ein Wunder die Atmung ist. Wir kennen alle das Märchen vom Aschenbrödel, das mit Hilfe der Tauben in wenigen Minuten die Linsen aus der Asche sucht. Schön, das ist für uns Märchen. Nun schüttet mir jemand Sand, Zucker, Salz und Mehl zusammen, mischt es durcheinander, so gut es nur gehn mag, und verlangt von mir, ich solle in einer Sekunde den Sand aus der Mischung ausscheiden, ohne die andern Bestandteile irgendwie zu verändern. Ich gestehe offen, daß ich das nicht kann, ja nicht einmal weiß, ob es geht. Ich maße mir kein Urteil darüber an, halte es aber für schwer und glaube, man muß schon recht viel wissen, um eine Maschine zu erfinden, die das leistet. Als ein ähnliches Gemisch kann man sich die Luft vorstellen, und aus diesem Gemisch holen sich nun die Lungen ohne jede Schwierigkeit den Sauerstoff heraus. Wir selbst mit unserm großen Verstand tun jedenfalls recht wenig dazu, wir können gar nicht viel dazu tun. Wenn wir die Luft eingesogen haben, ist unsre Arbeit fertig, alles andre tut der Organismus ohne unsern Willen und ohne daß wir es verhindern können.
Der Mechanismus der Atmung ist leicht mit dem Bilde des Blasebalgs anschaulich zu machen. Der Balg wird auseinandergezogen, die Luft strömt in sein Innres; er wird zusammengedrückt, und die Luft ströme wieder heraus. So ungefähr ist es mit den Lungen. Der Brustkorb, dem die Lungen dicht anliegen, wird bei der Einatmung mitsamt den Lungen ausgedehnt, die Luft strömt herein; bei der Ausatmung sinken Brustkorb und Lungen zusammen und treiben die Luft wieder hinaus. Leider wird nur der Blasebalg gewöhnlich recht schlecht bedient. Wenn man bei leidlich gutgebauten Lungen Leuten, etwa bei Soldaten, den Brustumfang mißt, so findet man, daß er nach der Einatmung etwa neun bis elf Zentimeter größer ist als bei der Ausatmung. Mißt man dieselben Leute zwanzig Jahre später, so ist der Unterschied gewöhnlich auf vier bis fünf Zentimeter gesunken, ja vielfach ist er so gering, daß er sich mit dem Bandmaß gar nicht feststellen läßt. Das ist das Resultat zwanzigjähriger Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit. Ich muß es immer wieder sagen: nicht daß die Menschen krank werden, ist wunderbar, sondern daß wir nicht alle krank sind, das ist erstaunlich. Verdient haben wir es alle reichlich.
Untersucht man die eingeatmete und die ausgeatmete Luft, so stellt sich heraus, daß die ausgeatmete Luft weniger Sauerstoff enthält als die eingeatmete, aber mehr Kohlensäure und Wasserdampf. In den Lungen wird also aus der Luft Sauerstoff in den Körper hineingezogen, Wasserdampf und Kohlensäure aber vom Organismus abgegeben. Das Organ ist demnach so eingerichtet, daß es gleichzeitig den wirksamen Verbrennungsstoff aufnimmt und die Asche, Wasser und Kohlensäure, ausstößt. Beides ist gleich wichtig für die Existenz des Körpers.
Nun genügt es aber nicht, daß der Sauerstoff in das Gewebe der Lungen aufgenommen ist. Er muß vielmehr ebenso wie die Nahrungsstoffe des Darmkanals auf irgendeine Weise nach allen Teilen des Körpers gebracht werden, wo immer nur Leben vorhanden ist, Arbeit geleistet wird, und da mehr oder weniger jeder Körperteil fortwährend tätig ist, muß auch fortwährend Sauerstoff zugeführt werden. Das Mittel, dessen sich der Körper bedient, um den Sauerstoff ebenso wie das Ernährungsmaterial überall dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden, ist der Kreislauf der Säfte, zunächst der des Bluts. Um das zu verstehn, ist eine kurze Betrachtung des Bluts notwendig.