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Ein gefährlicher Zweikampf um Leib und Leben, in welchem doch jeder dem Tod entrinnet
Ich konnte damals greifen, daß ich nur zum Unglück geboren, denn ungefähr vier Wochen zuvor, ehe das gedachte Treffen geschah, hörete ich etliche Götzische gemeine Offizier von ihrem Krieg diskurrieren, da sagte einer: »Ohngeschlagen gehets diesen Sommer nicht ab! Schlagen wir dann den Feind, so müssen wir den künftigen Winter Freiburg und die Waldstädt einnehmen; kriegen wir aber Stöß, so kriegen wir auch Winterquartier.« Auf diese Prophezei machte ich meinen richtigen Schluß, und sagte bei mir selbst: »Nun freue dich Simplici, du wirst künftigen Frühling guten See- und Neckarwein trinken, und genießen, was die Weimarischen verdienen werden.« Aber ich betrog mich weit, denn weil ich nunmehr weimarisch war, so war ich auch prädestiniert, Breisach belagern zu helfen, maßen solche Belagerung gleich nach mehrbemeldter Wittenweirer Schlacht völlig ins Werk gesetzt wurde, da ich denn wie andere Musketier Tag und Nacht wachen und schanzen mußte und nichts davon hatte, als daß ich lernte wie man mit den Approchen einer Festung zusetzen muß, darauf ich vor Magdeburg wenig Achtung geben. Im übrigen aber war es lausig bei mir bestellt, weil je zwo oder drei aufeinander saßen, der Beutel war leer, Wein, Bier und Fleisch ein Rarität, Äpfel und halb Brot genug mein bestes Wildbret.
Solches war mir sauer zu ertragen, Ursach, wenn ich zurück an die ägyptischen Fleischtöpf, das ist, an die westfälischen Schinken und Knackwürst zu L. gedachte. Ich gedachte niemal mehr an mein Weib, als wenn ich in meinem Zelt lag und vor Frost halb erstarrt war, da sagte ich denn oft zu mir selber: »Hui Simplici, meinst du auch wohl, es geschehe dir Unrecht, wenn dir einer wieder wettspielte, was du zu Paris begangen?« Und mit solchen Gedanken quälte ich mich wie ein ander eifersüchtiger Hahnrei, da ich doch meinem Weib nichts als Ehr und Tugend zutrauen konnte; zuletzt wurde ich so ungeduldig, daß ich meinem Kapitän eröffnete, wie meine Sachen bestellt wären, schrieb auch auf der Post nach L. und erhielt vom Obristen de S. A. und meinem Schwährvater, daß sie durch ihre Schreiben bei dem Fürsten von Weimar zuwegen brachten, daß mich mein Kapitän mit einem Paß mußte laufen lassen.
Ungefähr eine Woche oder vier vor Weihnachten marschiert ich mit einem guten Feurrohr vom Lager ab, das Breisgau hinunter, der Meinung, selbige Weihnachtmeß zu Straßburg zwanzig Taler, von meinem Schwähr übermacht, zu empfangen und mich mit Kaufleuten den Rhein hinunter zu begeben, da es doch unterwegs viel kaiserliche Garnisonen hatte: Als ich aber bei Endingen vorbei passiert' und zu einem einzigen Haus kam, geschah ein Schuß nach mir, so daß mir die Kugel den Rand am Hut verletzt', und gleich darauf sprang ein starker vierschrötiger Kerl aus dem Haus auf mich los, der schrie, ich sollte das Gewehr ablegen; ich antwort: »Bei Gott Landsmann, dir zu Gefallen nicht«, und zog den Hahnen über. Er aber wischte mit einem Ding von Leder, das mehr einem Henkersschwert als Degen gleichsah, und eilete damit auf mich zu: Wie ich nun seinen Ernst spürte, schlug ich an und traf ihn dergestalt an die Stirn, daß er herumdurmelte und endlich zu Boden fiel; dieses mir zunutz zu machen, rang ich ihm geschwind sein Schwert aus der Faust und wollts ihm in Leib stoßen; da es aber nicht durchgehen wollte, sprang er wieder unversehens auf die Füß, erwischte mich beim Haar und ich ihn auch, sein Schwert aber hatte ich schon weggeworfen, darauf fingen wir ein solch ernstlich Spiel miteinander an, so eines jeden verbitterte Stärk genugsam zu erkennen gab, und konnt doch keiner des andern Meister werden; bald lag ich, bald lag er oben, und im Hui kamen wir wieder auf die Füß, so aber nicht lang dauerte, weil je einer des andern Tod suchte; das Blut, so mir häufig zu Nas und Mund herauslief, spie ich meinem Feind ins Gesicht, weil ers so hitzig begehrte, das war mir gut, denn es hinderte ihn am Sehen. Also zogen wir einander bei anderthalb Stund im Schnee herum, davon wurden wir so matt, daß allem Ansehen nach des einen Unkräften des andern Müdigkeit allein mit den Fäusten nicht völlig überwinden, noch einer den andern aus eigenen Kräften und ohne Waffen vollends zum Tod hätte bringen mögen.
Die Ringkunst, darin ich mich zu L. oft übte, kam mir damals wohl zustatten, sonst hätte ich ohne Zweifel eingebüßt, denn mein Feind war viel stärker als ich und überdas eisenfest. Als wir einander fast tödlich abgemattet, sagte er endlich: »Bruder, hör auf, ich ergeb mich dir zu eigen!« Ich sagte: »Du solltest mich anfänglich haben passieren lassen.« »Was hast du mehr«, antwortet' jener, »wenn ich gleich sterbe?« »Und was hättest du gehabt«, sagte ich, »wenn du mich hättest niedergeschossen, sintemal ich kein Heller Geld bei mir hab!« Darauf bat er um Verzeihung, und ich mich erweichen und ihn aufstehen ließ, nachdem er mir zuvor teur geschworen, daß er nit allein Frieden halten, sondern auch mein treuer Freund und Diener sein wollte. Ich hätte ihm aber weder geglaubt noch getraut, wenn mir seine verübten leichtfertigen Handlungen bekannt gewesen wären.
Da wir nun beide auf waren, gaben wir einander die Händ, daß alles was geschehen, vergessen sein sollte, und verwunderte sich einer über den andern, daß er seinen Meister gefunden, denn jener meinte, ich sei auch mit einer solchen Schelmenhaut wie er überzogen gewesen; ich ließ ihn auch dabei bleiben, damit, wenn er sein Gewehr bekäme, sich nicht noch einmal an mich reiben dürfte. Er hatte von meinem Schuß ein große Beul an der Stirn, und ich hatte mich sehr verblutet, doch klagte keiner mehr als den Hals, welche so zugerichtet, daß keiner den Kopf aufrecht tragen konnte.
Weil es denn gegen Abend war und mir mein Gegenteil erzählen tat, daß ich bis an die Kinzig weder Hund noch Katz, viel weniger einen Menschen antreffen würde, er aber hingegen ohnweit von der Straß in einem abgelegenen Häuslein ein gut Fleisch und einen Trunk zum besten hätte. Also ließ ich mich überreden, und ging mit ihm, da er denn unterwegs oft mit Seufzern bezeugte, wie leid ihm sei, daß er mich beleidigt habe.