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Simplicius läßt sich wie ein Rohr im Weiher umtreiben
Über etlich Tag nach des Einsiedels Ableiben verfügte ich mich zu obgemeldtem Pfarrern, und offenbarte ihm meines Herrn Tod, begehrte benebens Rat von ihm, wie ich mich bei so gestaltet Sache verhalten sollte? Unangesehen er mir nun stark widerraten, länger im Wald zu verbleiben, so bin ich jedoch tapfer in meines Vorgängers Fußstapfen getreten, maßen ich den ganzen Sommer hindurch tat, was ein frommer Monachus tun soll. Aber gleich wie die Zeit alles ändert, also ringert' sich auch nach und nach das Leid, so ich um meinen Einsiedel trug, und die äußerliche scharfe Winterskält löschte die innerliche Hitz meines steifen Vorsatzes zugleich aus; je mehr ich anfing zu wanken, je träger wurde ich in meinem Gebet, weil ich anstatt göttliche und himmlische Ding zu betrachten, mich die Begierde, die Welt auch zu beschauen, überherrschen ließ, und als ich dergestalt nichts nutz wurde, im Wald länger gut zu tun, gedachte ich wieder zu gedachtem Pfarrer zu gehen, zu vernehmen, ob er mir noch wie zuvor aus dem Wald raten wollte? Zu solchem End machte ich mich seinem Dorf zu, und als ich hinkam, fand ichs in voller Flamm stehen, denn es eben ein Partei Reuter ausgeplündert, angezündet, teils Bauren niedergemacht, viel verjagt, und etliche gefangen hatten, darunter auch der Pfarrer selbst war. Ach Gott! wie ist das menschliche Leben so voll Mühe und Widerwärtigkeit, kaum hat ein Unglück aufgehört, so stecken wir schon in einem andern, mich verwundert nicht, daß der heidnische Philosophus Timon zu Athen viel Galgen aufrichtete, daran sich die Menschen selber aufknöpfen, und also ihrem elenden Leben durch ein kurze Grausamkeit ein Ende machen sollten. Die Reuter waren eben wegfertig, und führten den Pfarrer an einem Strick daher, unterschiedliche schrien: »Schieß den Schelmen nieder!« andere aber wollten Geld von ihm haben, er aber hub die Hand auf, und bat um des Jüngsten Gerichts willen um Verschonung und christliche Barmherzigkeit, aber umsonst, denn einer ritt ihn übern Haufen, und versetzte ihm zugleich eins an Kopf, davon er alle vier von sich streckte, und Gott seine Seele befahl, den andern noch übrigen gefangenen Bauren gings gar nicht besser.
Da es nun sah, als ob diese Reuter in ihrer tyrannischen Grausamkeit ganz unsinnig worden wären, kam ein solcher Schwarm bewehrter Bauren aus dem Wald, als wenn man in ein Wespennest gestochen hätte; die fingen an so greulich zu schreien, so grimmig dareinzusetzen und daraufzuschießen, daß mir alle Haar gen Berg stunden, weil ich noch niemals bei dergleichen Kürben gewesen, denn die Spessarter und Vogelsberger Bauren lassen sich fürwahr so wenig als die Hessen, Sauerländer und Schwarzwälder auf ihrem Mist foppen; davon rissen die Reuter aus, und ließen nicht allein das eroberte Rindvieh zurück, sondern warfen auch Sack und Pack von sich, schlugen also ihre ganze Beut in Wind, damit sie nicht selbst den Bauren zur Beut würden doch kamen ihnen teils in die Händ.
Diese Kurzweil benahm mir beinahe die Lust, die Welt zu beschauen, denn ich gedachte, wenn es so darinnen hergehet, so ist die Wildnis weit anmutiger, doch wollte ich auch hören, was der Pfarrer dazu sagte; derselbe war wegen empfangener Wunden und Stöß ganz matt, schwach und kraftlos, doch hielt er nur vor, daß er mir weder zu helfen noch zu raten wisse, weil er dermalen selbst in einen solchen Stand geraten worden wäre, in welchem er besorglich das Brot am Bettelstab suchen müßte, und wenn ich gleich noch länger im Wald verbleiben würde, so hätte ich mich seiner Hilfleistung nichts zu getrösten, weil, wie ich vor Augen sehe, beides sein Kirch und Pfarrhof im Feuer stünde. Hierauf verfügte ich mich ganz traurig gegen den Wald zu meiner Wohnung, und demnach ich auf dieser Reis sehr wenig getröst, hingegen aber um viel andächtiger worden, beschloß ich bei mir, die Wildnis nimmermehr zu verlassen; maßen ich schon nachgedachte, ob nicht möglich wäre, daß ich ohne Salz (so mir bisher der Pfarrer mitgeteilt hatte) leben, und also aller Menschen entbehren könnte?