Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Prinz Proxymus und Lympida
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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DER SIBENDE THEIL.

ALs nun der gütige Himmel nach diser beyden Eheleüte gefaster Entschliesung / das erstemahl sein klares Angesicht in ein dunckel schwartze Decke eingehület / unnd allen lebendigen Creaturen auff Erden die Macht zu ihrer bequemen Ruhezeit eingeführt hatte / verfügten sich Myrologus / unnd seine Hapsa / Lympida sambt ihrer getrewen Basilia vmbsonst und vergeblich an ihren bestimbten Ordt / solcher erwünschten Ruhe mit zugeniessen / ich sage billich vergeblich und vmbsonst / dann keins auß allen vieren konde den Schlaff in seine Augen bringen vilweniger solche zuthun / vmb denselbigen biß zu der frölichen Morgenwache darinnen zubeschliessen? ein jedes auß ihnen hatte sein Anligen / so dises angenehmen Gasts süese Einkehr- unnd Betöberung verhinderte / Myrologus unnd Hapsa bedachten / betrachten unnd besorgten ihrer Frewlin Tochter Zustandt / Heil unnd Unheil; Lympida hatte Gott und ihren Proximum in stetigem angedencken / unnd die Basilia lauret unnd verharret im betten das Gott ihrer principalen Sach zu einem glückseeligem Ende außführen wolte.

Bey zweyen Stunden hatten sie in diser unruhigen Ruhe zugebracht / als je das eine von dem andern merckte / das es noch nicht schlieffe / dann eines jeden Seüffzen versicherten je dem einen des andern Wachbarkeit / und als es schine / ob wolte es die Nacht hindurch also continuiren / sagte Myrologus: unnd was wirts dann endlich (höret ihr Lympida) darauß werden? sollen wir dann so wol bey Nacht als bey Tag sich ewerthalben quälen? seit ihr vnß dann vom Himmel darumb gegeben worden / das wir an statt der Frewden / die wir an eüch erleben solten / nur Creutz und Hertzenleyd haben? die rechtschaffene Lympida erschrack mehr deßwegen / das sie ihr Vatter bey ihrem rechten Namen genennet / als vmb den Jnhalt der übrigen Wort willen / die ihr zwar auch hart vnd rigorose genug vorkamen / er hatte sie zuvor in alweg Tochter genennet / dieweil er aber jetzt disen angenemmen Namen / der ihr von ihm allein gebührte / beyseits setzte / besorgte sie dessen Unwill möchte so groß werden / das er auch die vätterliche Liebe / welchen diser Name (Tochter) in alweg bezeugte / hinstellen möchte! sie andwortet mein hochgeehrtister und allerliebster Herr Vatter beliebe mir vätterlich zuvergeben das ich rede / und mein Gott wolle mich behüten / das ich dem von welchem ich negst Gott das Leben habe / nicht widerbelle; diß ists aber das ich zu meiner Entschuldigung vorzubringen erkühnen muß / so ich dann auch mit Gott bezeügen kan / das ich so wenig meine hochgeehrtiste und hertzallerliebste Eltern zubetrüben begehre / als wenig mir müglich ist / ihnen und mir selbst vor dismahl den erwünschten ruhsammen Schlaff in die Augen zubringen; vilmehr ists Gott bekandt / das ich neben meinem kindlichen Gehorsamb auch meines Lebens nit schonen wolte / meiner hertzallerliebsten und hochgeehrtisten Eltern Zufridenheit vnd Contentament darumb zukauffen / dafern es anders Gott und ihnen also gefallen wolte.

Myrologus vrtheilete auß diser Andwort / er hette seine Tochter in ein Glaiß gebracht / darin sie / wann er anders selbst den angefangenen Weg seiner Rede verfolgte / alles ihres Hertzens Heimlichkeiten: und also auch ihr verborgenes Anligen / herauß beichten würde; sagte derohalben / mein Kind / wie ihr vnß ewers Gehorsambs unnd anderer kindlicher Schuldigkeit versichert / also kond ihr eüch hingegen einbilden / werdets auch täglich im Werck verspühren / das vnsere Vätter: und Mütterliche Liebe sich angelegen sein lasse / ewere Wolfahrt nach eüserster Müglichkeit zusuchen unnd zubefürdern; ich sehe / das wir miteinander reden müssen unnd verstehen können / vmb alsdan das beste zuerwöhlen unnd einen endtlichen Schluß zulassen was wir thun oder lassen wollen / mit stillschweigen unnd alles gehen zulassen wie es gehet / wirt nichts oder doch schwerlich etwas nutzlichs ausgerichtet / ihr wist liebe Tochter / ewer zeitiges Alter / ihr wist die Gaben damit eüch der miltreiche Gott gesegnet / ihr wist das solche von den vornehmbsten adelichsten Jüngligen hiesiger Statt geliebt unnd sambt ewerer Persohn begehrt worden / unnd zwar mit solchem Eyffer / das auch albereit die zwen vortrefflichste auß ihnen derenwegen das Leben verlohren / unnd besorglich noch mehr das ihrig einbüsen werden / dafern ihr der Sach nicht bald ein Ende macht unnd eüch einem allein auß ihnen durch das Bandt der H. Ehe ergebet / verachtet ihr dise alle / so ists ein gewisses Zeichen einer in eüch verborgenligender Hoffart / vermittelst deren ihr eüch gegen Gott versündigt / wollet ihr aber euch wider ewerer Eltern Wunsch und Willen halßstarriger Weiß zuheürathen widersetzen / so sündigt ihr wider ewern schuldigen kindlichen Gehorsamb / und macht eüch vnwürdig vnser Kind zusein / gleich wie ihr eüch aber hierdurch beydes wider Gott und ewere Eltern vergreifft / also ladet ihr darmit ihr Ungnad auff / vnd beraubet eüch dardurch ihres Seegens / zusambt ewerer zeitlichen und ewigen Wolfahrt / warmit ihr dan auch zugleich wider eüch selbsten sündigt / und eüch einen ohnwiderbringlicher Schaden zufüeget.

Hapsa bestättiget dise Meinung unnd begehrte das sich Lympida darauff erklären vnd was sie gesinnet seye / fein gut rund herauß sagen solte / dieselbe andwortet darauff / Gott wolle mich vor allen disen Sünden vnd darauß entspringender Straffe miltiglich bewahren! ich verachte niemand / sonder liebe alle die jenige die Gott lieben / die Hoffart aber wirt von mir gehasset / Gott weiß / das ich den kindlichen Gehorsamb den ich bey andern sehe / hoch ehre und in meinem Hertzen gleichsamb anbette / woher wolte mirs darin komen / mich selbst gegen meinen allerliebsten Eltern widerspendig zuerzeigen? ich sehe vnd höre / hochgeehrtister Herr Vatter und allerliebste Fraw Mutter / das ewer endtlicher Will und Meinung ist / das ich mich verheürathen soll / dem will ich nun mit nichten widersprechen; sonder zu besserer Vollziehung meines schuldigen Gehorsambs weder Reichthumb noch Schönheit oder etwas dergleichen hierzu wünschen / dessen Mangel in dergleichen Fällen die vereheligungen zu verhindern pflegt / zumahlen auch keine Armut oder vngestaltsame noch sonst etwas anders schewen und ansehen / das mich an Vollziehung meiner Eltern beliebigem Willen abhalten könde / aber hingegen hoffe ich / mein hochgeehrtister Herr Vatter und hertzallerliebste Fraw Mutter werden mich mit keinem andern Gemahl zuversorgen begehren / als mit einem solchen / der so wol Gott und mir: als ihnen selbst angenehm und gefällig ist; dan gleich wie es ein ohnerträgliche Bürde ist einen Ehegemahl zuhaben / der seinen lieben Eltern mißfält / also kan auch wenig Gottes Seegen vnd Glück vorhanden sein / wann das eine zugleich von Gott gehasset: und von seinem Ehegatten nit geliebt wirt. Einen jeden inhalt diser Andwort anderbrach Lympida mit Seüffzen / mit welchen sie ihre Meinung besser als mit Worten außtruckte / und beschlosse sie endlich mit weinen.

Wie können wir sagte hierauff Myrologus einem ins Hertze sehen / wissen wir doch selbst nicht ob wir des Hasses oder der Liebe würdig sein / Lympida andwortet / vnser Heylandt sagt / an ihren Früchten solt ihr sie erkennen.

Hierauff wehrete ein kleines stillschweigen / in welchem sich Myrologus kurtz bedachte und vber seiner Tochter vernünfftige Entschliesung verwunderte; er konde ihre Gottseeligkeit nicht tadlen / noch ihren darauß hergenommenen Schlus verwerffen; er gedachte hinder sich und für sich / und weil er auß aller der jenigen Leben und Sitten / die noch bißhero sich vmb seine Tochter vmbgethan hatten / genugsamb wuste das sie mehr der Welt Eitelkeit als dem Gottes Dienst ergeben / so lobte er seiner Tochter Fromkeit und festen Vorsatz Gott zudienen; er hielte vor gewiß / also auch die Hapsa / das alle bisherige Verhinderung Geschäfft und Schickung Gottes wäre / seine frome Tochter auch mit einem eben so fromen Ehegemal zuversorgen als sie selbsten war / sagte demnach weiters / nun Tochter / weil dan die fleissige Besuch- unnd Beywohnungen des Gottes Dienst auch vnder die Früchte zurechnen / daran man die gute Bäum das ist / die gottliebende Menschen erkennen soll / so wollen wir (doch Gott vnversucht) disen Morgen sehr frühe zur Kirchen gehen / wan ihr den jenigen / den wir zum allerersten auß dem Adel dort sehen werden / zum Ehegemahl haben wollet? Lympida antworte / wan eüch / hochgeehrtister Herr Vatter und meiner hertzallerliebsten Fraw Mutter alsdan derselbe Edelman auch gefält / und sie beyde auß andern mehr Anzeigungen schliessen können / das er ein wahrer Diener Gottes sey / so soll an meinem gehorsamben Jawordt nichts ermanglen.

An statt / das dise edle Persohnen sich nun nach disem Entschluß dem langewünschten Schlaff ergeben solten / sie da ergaben sie sich dem Gebette / vnder welchem der Lympidæ das allereyfferigste war / ach edler Proxime / sagte sie / nun wecke dich dein Schutzengel? damit du die Zeit nicht verschlaffest in deren du das elendste Frewlin in der gantzen Welt alles ihres Jammers loß machen kanst? nun geleite dich Gott mit frühester Tagszeit auff den jenigen Weg den du täglich zuwandlen gewohnt bist / damit du vnß eine fröliche Morgenstund bringest / nun tringe dich die Würckung deiner Liebe zu Gott bey zeiten an den bestimbten heiligen Ordt zugehen / damit wir zusamen gefügt werden vnserm Gott hier zeitlich und dort ewig gleich deinen seel: Eltern zudienen.

Der getrewen Basiliæ Wunsch vnd Gebett war auch nicht vil anders beschaffen welches sie so wol als Lympida mit Seüffzen vnd Thränen vndermischte / Hapsa befahl alles dem göttlichen Willen vnd stelte es dessen Vorsehung heim / Myrologus allein entschlieffe etwas wenigs vor Tag als welcher wol wuste / das so frühe keine Jünglinge auß den Cavallirn: sonder neben dem gemeinen arbeitsamen Volck gewönlich nur alte vom Adel in die Kirch zukommen pflegten / auß welchen der Lympidæ keiner annemblich sein würde / sie hette dann einen alten Wittwer heürathen wollen / wann anders einer vorhanden gewest wär / der Gott / ihm und ihr zugleich gefallen hette: er gedachte halt / es würde denselben Tag nichts darauß werden / er vermeinte mit seine Rede so vil als geschertzt zuhaben / seiner Tochter entliche Gemüts Meinung zuerfahren / und dannenhero entschlieff er vor allen andern desto ehender.

Als aber Phœbus durch seine Näherung im Osten dem Firmament des Himmels die oben angeregte nächtliche Ruhe-Decke widerumb ein wenig beyseitz zohe / so das man die Auroram hinder den Gebürge mit Frewden herfür blicken sehen konde / kleydeten sich alle vier an und fuhren in einer Kutsche gegen der Kirchen / vor welcher Proximus vnd Modestus stunden / und schon bey einer Stund lang auff deren offnung gewartet hatten / hab ichs doch zuvor gesagt / liesse sich Modestus gegen Proximo vernemmen das wir so lang vergeblich hier verziehen müssen / es ist besser andwortet Proximus / wir warten auff die Kirch und den Gottes Dienst / als das sie auff vnß warten müssen / mein Freünd er werde doch nicht vngedultig / so will ich ihm hingegen erzehlen / was mich bewegt hat / früher als sonst hieher zukommen / mir hat wol in hundert Nächten nichts mehr getraumet vnnd ihr wist selbst auch / das ich mich vmb die Träume nichts bekümmere / allein dise vergangene Nacht deücht mich gar eigentlich / das S. Agnesen Lämlin von allerley Thieren wildten und Zahmen durch Dorn und Distel / durch Berg unnd Thal verfolgt und gejagt würde / so / das es mich von Hertzen tawrete / ich vermeinte im Schlaff es müste so sein / vnnd diß würde mir in einem Gesichte zur Lehr vorgestellt oder mir ein Exempel gegeben / wie ich mich halten solte / wan mich etwan auch grosses Leyden und Ellend verfolgen würde / in dem ich nun so gedachte vnd vor dem hohen Altar knyete / deüchte mich S: Sophia des Ordts Patronin gebe mir Befelch / Agnesen Lämlin auß seiner Noth zuerretten vnnd dasselbe in Sicherheit zubringen / massen ich gethan: unnd solches widerumb an seinen vorigen Ordt auff den Altar gestellt hab; solches alles kame mir so aigentlich vor / das ich nicht anders glauben konde / als wäre in Wahrheit geschehen / was mir getraümbt hatte / das ich mich im Beth fande / versichert mich ererst / das es mir ein Traum gewesen war / weilen ich aber die Lineamenten der beyden Heiliginen die ich im Schlaff gesehen / noch in frischer Gedächtnus hatte als ich erwachte / so konde ich nicht länger ligen verbleiben / ich muste auß dem Bethe / vmbzusehen / ob die erschinene Gestalten sich auch mit deren in diser Kirch befindlichen Bildnussen vergleichten oder nit / unnd deßwegen mein Modeste / habe ich ihm so frühe Ohngelegenheit gemacht / weil ich eihlete / gedachte Biltnussen zubeschawen / ehe mir der erschinenen Gestalten widerumb auß dem Sinn fallen möchten.

Proximus hatte diß kaum erzehlet / als Myrologus mit den seinigen angefahren kam / seine Diener öffneten alsobalten die Schläg an der Gutschen / unnd weil er selbst an dem einen Schlag sasse sahe er Proximum unnd Modestum zum allerersten / er kandte im ersten Anblick keinen auß ihnen / dieweil Proximus sich wenig vnder den Leüthen pflegt sehen zulassen / doch sahe er wol an der Kleider Tracht unnd den zweyen bey sich habenden Dienern das es etwas edles sein müste oder wenigst etwas dergleichen zusein sich einbildete / unnd also war es auch vmb die Hapsam beschaffen / so bald aber Lympida außstige / und ihren Proximum dort an der Kirchthüren erplickte (die sich eben damahls öffnete) hupffe ihr Hertz vor Frewden auff / der Pulß schlug stärcker; das Hertz klopffte / alles Geblüt in ihrem Leibe wallete? beynahe wolte ihr gantzer Leib zittern / und in dem sie ihren Affect zuverbergen suchte verriethe solchen eine liebliche Röthe die ihr vnder das Angesicht schosse / dergleichen man zwar in etlichen Monaten bey jhr ohngewohnet gewesen / die schlaue Hapsa vermerckte solche Farb / verstundte aber ihre Bedeütung letz / dann sie gedachte vnd sagte bey ihr selber / O mein Liebe Lympida nun rewet dich das gegebene Wort / aber erschrecke nicht liebe Tochter / dann wann dich diser Armut alleicht irret / so soll mir auch keiner auß ihnen gefallen / damit du dein gehorsambes Jawort vor einen liebwürdigern auffbehalten köndest.

Jndessen näherte sich Myrologus der Kirchthür / vor welcher Proximus stehen verblib / demselbigen die Ehr des ersten Eingangs zulassen / als er nun Proximum erkandte / der ihme im verbeygehen seine gebührende Ehrerbietung erwise / grüsse er ihn hinwiderumb mit vngewöhnlichen Freündlichkeit und sagte / O tapfferer Sohn eines seeligen Vatters? wie kombts das ich bißhero seiner Gegenwart / mit deren mich andere Cavallier zuwürdigen pflegen / nicht geniessen mögen? villeicht ists die Ursach / das ich vndanckbarer bißhero seine ohnschätzbare Verdienste nicht erkandt! aber er thut gleichwol auch selbsten ohnrecht vnd dem gemein Staat zu kurtz (verzeihet mir mein allerliebster Proxime / wann ich eüch mit disem Verweiß die Wahrheit sage) das er seine Gaben damit ihn der gütige Himmel überhaüffet / so gar im verborgenen vermodern unnd versporen läst / ich kenne seine Helden Faüst bin ihr auch zudienen verbunden / und eben deßwegen liebe ich ihn versichert so hoch als jemand auff Erden; heüt: und wann ihr wolt / auch allweg solt ihr mein Gast: und hingegen ich mochte gern ewer Vatter sein / ewer Vatter sage ich / wan ich die Ehr hette / als der ihr weder Gut noch Blut sparet / ewere Vätter vor: und nach dem Todt vernügt unnd glückseelig zumachen? ehe nun Proximus etwas hierauff andworten konde / wandte sich Myrologus zu seiner Gemahlin unnd sagte / sehet Schatz / diß ist der junge Held / dem ich unnd ihr negst Gott vmb mein Leben zudancken schuldig sein / wessen Verdienste mit grösserer Danckbarkeit zuerkennen vnß obligen will / als noch bißhero geschehen; darauff legte die Hapsa ihre Complimenten auch ab / welche in wenig: und zwar in disen Worten / bestunden / das sie sich zu höchsten erfrewe / wegen der Ehr die ihr widerführe den jenigen zusehen / von dem sie so vil ruhmwürdige Thaten erzehlen hören; hernach bedanckte sie sich vmb die angelegte Mühe und Darsetzung seines Lebens / wardurch er ihren Eheherren von Todt errettet / mit Versicherung / das es nimmermehr an ihr ermanglen solte / wan sie solches mit Ehrendiensten widerumb vmb ihne zuerwidern vermöchte / hingegen andwortet Proximus / was Gott durch ihne zuverrichten beliebet / darvor sey man auch Gott allein zudancken schuldig / als der ihme hierzu den Mut unnd die Stärcke gegeben / über das seye alles was er gethan hette / auß obhabender Schuldigkeit geschehen / also das ihme deßwegen niemand zudancken: oder mit einigen Gegendienstbezeügungen verbunden sey.

Proximus kondte sich jetzt ererst über seinen gehabten Traum nicht genug verwundern / da er sahe das Hapsa sich der S. Sophiæ: Lympida aber der heiligen Agnes in den Angesichtern allerdings vergliche / die ihm beyde dieselbe Nacht im Schlaff erschinen waren / er mutmaste wol das diser Traum ohnzweiffel etwas anzeigen möchte / aber gleichwol dachte er dessen Bedeütung nicht nach / er beschawte die Lympidam als seine erschinene Agnes / und wurde nicht gewahr / das Liebes Fewr so in ihrem Hertzen brandte / widerumb zuruck schlug / unnd durch ihro funcklende Augen in die seinige trang / also zu seinem Ursprung kehrende / sein keüsches Hertz mit der keüschen Liebes Flammen ebenmässig anzuzünden / damahls lebte Lympida sich auff dem höchsten Spitz ihrer ohnfelbarn Hoffnung sehende / in höchster Zufridenheit / dahero ihr dan ihre vorige verlohrne Farb wider zusehen kam / alles ihr damahligs Gebett waren Dancksagungen und Lobsprüch / die sie Gott vor seine gnädige Schickung auffopfferte / also thät auch die getrewe Basilia / die etwas karge vnd zuvil haußhaltische Hapsam wolte nit beduncken / das es sein könde oder sein solte / (Gott geb vnd Gott grüß was die verwichne Nacht geredet worden) das diser zwar tapffere doch arme Cavallier mit ihrer reichen Lympida verehelicht werden solte; als welche wol andere ihres gleichen die ihr vätterliches Vermögen beysamen und noch nicht verschlaudert hetten / haben könde; Myrologus erwog die Sach unnd ihre Umbständ vernünfftiger / und hielte darvor / wan seine Tochter Proximum lieben würde die doch sonst alle Manßbilder flöhe / vnd er sie hinwiderumben / das dise gantze Begebenheit eine absonderliche Schickung Gottes wäre / welche Gott vorlängst in seinem allweisen Rath vorgesehen vnnd zuverfügen beschlossen; resolvirte sich auch auff solchen Fahl beyder Vereheligung zuvermittlen! er gedachte Gut hin / Gut her; Proximi seltene Tugenden sein besser als die Reichthumb der gantzen Statt Constantinopel! Zu dem kan sein Heldenmut im Krieg mehr gewinnen als mancher zuverlihren hat.

Mit solchen Gedancken brachte ein jedes die gantze Zeit beim Gottes Dienst wider willen zu / weil sie sich deren nit entschlagen konden / nach dessen Vollendung aber nötigte er Proximum unnd Modestum zu sich in die Kutsche / in welcher er unnd Hapsa: Modestus unnd seine Mutter Basilia / unnd dann Proximus unnd Lympida neben einander zusitzen kamen; so die verliebte Frewlin dermassen contentirte / das sie vermeinte sie hette nunmehro vmb alles ihr liebes Leyden genugsambe Ergetzung.

Zu ihrer Ankunfft in Myrologi Behausung fanden sich bereits etliche Cavallier ihme oder vilmehr seiner Tochter auffzuwarten / welche aber deren frühen Kirchgang vnnd was er vor Glück geboren verschlaffen hatten / Myrologus bewillkombte alle seiner Gewohnheit nach sehr freündlich / unnd demnach er wol wuste / das Proximus einer von den besten Reüttern war / der jemahl ein Pferdt beschritten so ersuchte er ihn / er wolte ihm den gefallen erweisen unnd zu Passirung der Zeit einige von seinen Pferdten bereitten; er war hierzu mehr als willig vnnd wise mit höchsten Ruhm aller zusehenden / beydes was er unnd die Pferde konden; in dessen vermehrten sich die Cavallier je länger je mehr / unnd die weil es noch Wahl zwo Stund biß auff den Mittag Jmbs war / so beliebte ihnen bißdahin mit Verwilligung Myrologi sich in allerhand Waffen zuüben / welches er ihnen dann / wie ehemalen auch geschehen gern zuliesse; da gebrauchte sich nun ein jeder die Hurtigkeit seines geraden Leibs in Gegenwart der Lympidæ (die auß newlich angenommener Gewohnheit vnd ihres Herren Vattern Befelch / mit zuschawete) sehen zulassen; ob nun gleich Proximus wegen des reittens so er verrichtet / vor müt geschätzt würde / so wolte ihn dannoch Torpeus seines Herkommens ein edler Römer / welcher den Preis vor allen Fechtern erlangt / ohnangefochten nicht lassen / sonder muthet ihm zu ein gang oder etliche mit ihm zuthun / Proximus fragte zwar diser übung wenig nach / als welche seines darvon haltens nur den Lehrlingen zustünde / weil er aber sahe / das es der Brauch bey diser Bursch so war / und seine Entschuldigungen nichts helffen wolten / ergriffe er entlich auch eins auß den Gewehren / und begegnete seinem Gegner mit den allerschönsten Posturen in solcher Geschwindigkeit / das Torpeus selbst und alle andere Zuseher bekennen musten / ihre Manier im fechten sey gegen Proximo nur Kinderspil / sie namen hierauff ein andere Ardt von Gewehr / aber es war Proximo eins Dings! sie lösten einander ab / vmb zusehen ob ihm ein einziger beikommen konde / aber keiner auß allen möchte ihn berühren / vil weniger sie alle ihn abmüthen / dann wann er den einen oder den andern angieng / so schine es / als wan er noch gantz keine Arbeit verrichtet gehabt hette / vnd was das allerverwunderlichste war / ist dises / das er keinem mit dem Ordt des Gewehrs / welches die Schärpffe bedeutet / sonder mit der Fläche schlug / gleichsamb als wans ihm ein Schand gewesen wäre / ernstlicher zuschertzen als ein kurtzweiliger Schertz erfordert / vnd also pflegte er auch den Knopff deß Gefesses zubrauchen / wan er mit dem Spitz und Ballen des Rappiers etwan ein Stoß verrichten sollen / hiervon erlangte er bey etlichen Neid und Haß / unnd bey etlichen Lob / Ehr unnd Gunst / vnder jehnen war Torpeus der Principal / vnder disen aber Lympida die Principalin.

Alß sich nun vnderdessen die Zeit des Mittagmahls eingestelt wurde Proximus von Myrologo nach ihm unnd dem Frawenzimmer den Ehrlichsten Ordt an der Taffel einzunemmen genötigt / er liesse sich hierzu zwingen / mehr zugehorsammen als zubeweisen das er wegen seiner hohen Herkunfft unnd tapfferer Thaten vortrefflicher wäre als andere; seine Geberden waren sitsamb unnd zierlich: seiner Reden wenig / aber alle ernsthafftig unnd doch darneben freundlich; jedes Wort das er sagte / schine als wäre es auff der Goltwoge abgewogen worden / unnd in summa alles sein Wessen vnd Thun war recht / anmutig / holtseelig vnd ohntadelhafftig / so das sich die anwessende Cavallier / so vil ihnen die Betrachtung der Lympidæ zuliesse (aller Augen auff sie zusehen gezwungen waren) über ihn verwundern musten / dann dise Dame hatte sich seit gester dermassen verändert / das sie anietzo alle die jenige die sie zuvor gesehen / auch ihre aigne Eltern selbst mit erstaunen anschaweten! gester unnd etliche Monat zuvor hatte sie sich in ihrem zarten Angesicht einer lilienweisen Leiche verglichen / nun aber blühete sie wie eine Rose! sie! die nun ein Zeitlang darvor angesehen worden / ob werde sie immerhin von der allerschwärtzten Melancholiæ angehalten unnd genötigt / die Augen vnderzuschlagen unnd zu seüffzen / zeigte nun ein frölichs Angesicht / unnd gönnete der Gesellschafft ihre liebliche Blicke! ja sie wurde auch / doch mit keiner übermasse / widerumb lachent gesehen / welches gester niemand an ihr zuerleben hoffen dörffen!

Solches erfrewte ihren Herren Vattern unnd betrübte ihre Fraw Mutter! dann in dem dise schlaue Fraw ihrer Tochter fröliche Zufridenheit beobachtete / nam sie auch war / welcher der Artzt sein müste / der sie von ihrer langwüriger Kranckheit so schnell curirte? dann gleich wie sie auch etwan hiebevor in demselbigen Spital selbsten kranck gelegen / vnnd sich noch zuerinnern wuste / durch wasserley Mittel sie von ihrem beschwerlichen Zustandt widerumb genesen / also konde sie anjetzo auch in der Lympidæ Angesicht lesen und an ihren Blicken sehen (als welche gar inbrünstig / fewrig und liebreitzent auff Proximum: weder auff andere loßgiengen) wer ihr Artzt / und was ihre Artzney war.

Ach Tochter sagte sie zu ihr selbsten / wie hastu so übel gewöhlet? wie hastu deine Liebe so übel angelegt? wie irrestu so weit ab von dem Weg rechter Vernunfft? jetzt sehe ich in Warheit / daß die Liebe bey den unbesonnenen Weibervolck blind ist / sag mir / O Lympida! ist dises der jenig vmb dessentwillen du dich so lange Zeit mit Liebes Marter gequälet hast? ists nur ein solcher / der nichts besser gekönnet / als seines Vattern ansehenliche Reichthumb / ja fürstliche Güter: Land / Leüt hinzuschencken / unnd sich selbst einem Bettler gleich zumachen? liebe ihn nur! nimb ihn nur? behalt ihn nur aber mein Kind gedenck darbey / wie bald er auch mit dem vnserigem fertig sein wirt? sihe doch? meine Tochter wie der kahle öhlgötz dort sitzt zubrotzen? wie hoch er deine fewrige Liebe achtet? nimb wahr ob er doch so verständig sey / deine Liebe zuerkennen? vnd ob er so vil Discretion besitze / dir vmb deine seinetwegen ausstehende Qual mit einem eintzigen liebereichen Blick hinwiderumb zudancken? sihestu nicht ansehnlicher Cavallier vor dir / als diser arme Ordensman einer ist? achtest du nicht / das dich dise alle wie ein Göttin anbetten? soltest du nicht lieber mit einem oder wol gar über einen auß disen zuherrschen erwöhlen als besorglich mit disem Tropffen bettlen zugehen / dises unnd dergleichen waren der Hapsæ Gedancken über der Taffel / welche sie so bestürtzt machten / das sie dort sase wie ein geschnitzelt Bild / unnd es das Ansehen gewonne / als hette der melancholische Geist seine bisherige Hörberg bey der Tochter verlassen unnd nunmehr bey der Mutter eingekehret.

Hingegen war Myrologus mit seinen Gästen rechtschaffen frölich / es muste ein grosses Bocal herumb gehen auff des jenigen Helden Gesundheit / der ihne jemahlen durch seine vnvergleichliche Tapfferkeit auß der Feinde Gewalt errettet vnd beim Leben erhalten; war bey er dann Proximum dermassen mit Lob überhaüffte / das er sich vor andern schämbte / der Lympidæ aber das Hertz im Leibe lachte / endlich brachte er ihme selbst eins zu / unnd verbandt sich mit demselbigen gegen ihme / das er hinfort sein Vatter sein wolte / und hergegen solte er sein Sohn sein / welche Ehr wenigen auß den allervornembsten Cavallier widerfahren / solches alles waren der Hapsa lauter scharpffe Dorn: der Lympida aber eitel Erquickungen im Hertzen / die anwessende Cavallier aber fiengen an mit Eyffer und Neid angesteckt zuwerden.

Nach geendigter Malzeit wurde in den Garten zuspatziern beliebt / alwo Proximus die Ehr zuhaben suchte / mit seiner newen Schwester Lympidæ das erstemahl zureden und sich mit ihr bekandt zumachen / dann gleich wie dieselbige ohngeliebt nicht angeschawet werden konde also hatte er auch albereit so wol als andere den Liebes Angel geschluckt / er wuste zwar selbst noch nicht was ihm anlag / weil er die Liebe noch nicht kandte / empfande aber gleichwol eine vngemeine Regung die ihn trieb / die Lympidam mehr als ein ander Weibsbild anzusehen / Hapsa hingegen verhindert beyder Zusammenkunfft und sahe Proximum mit schelen Augen an / ob sie gleich von ihrer Vernunfft und besserem Wissen sich überzeügt befand / das er / so vil die Gaben seines Leibs vnd Gemüts anbelangt / allen andern Cavalliren seiner Zeit weit vorzuziehen: vnnd das sie ihme vor allen andern wegen ihres Eheherren verbunden ware / als aber dieselbe Gesellschafft noch etlicher Stunden voneinander gieng / unnd Proximus in Gegenward der Hapsæ unnd ihrer Frewlin Tochter seinen Abschied von Myrologo nam / hatte er das Glück auch mit dem Frawenzimmer zureden / Hapsa nam seine Complimenten oder Ehrbezeügungen mit Ungedult auff / Lympida aber mit destogrössern Begirden und der allerhöchsten Zufridenheit; dann als Myrologus zuverstehen gab / das Proximus / als sein Sohn / die Lympidam gar wol seine Schwester nennen dörffte / erkühnete er auch ihre schneweisse Hände zuküssen / welches damahls nur vnder nahen Verwandten zugelassen vnd gebreüchlich war / Hapsa gab ihm deßwegen einen gränischen Blick / Myrologus lächelte drüber / unnd Lympida sagte / solcher Frechheit hat sich noch niemahl kein Manßbild gegen mir vnderfangen dörffen / aber Proximus bat vmb Vergebung / und sagte / ich habe mich / weiß Gott / auch niemahl dergleichen gegen einigen Weibsbilde erkühnet / halte wol darvor es sey die Ursach / das meine hochgeehrtiste Frewlin Schwester bißher noch keinen Bruder: ich aber auch noch keine Schwester gehabt.

Myrologus liesse ihm disen ersten Straich wol gefallen / vnd Lympida tröstet sich / das sie nunmehr anfienge auff die höchste Stafflen ihres Glücks zusteigen; Hapsa aber besorgte / sie sehe ihre Tochter den Weg des Verderbens antretten / vnd setzte ihr dannenhero vor / sie nach Müglichkeit an ihrem Fortgang zuverhindern.

Denselben Abent vnd die folgende Nacht darauff / wurden zwischen ihnen diser Sach halber wenig Wort verlohren / ausser das Myrologus zur Lympidæ schertzweiß sagte / wol Tochter / wie gefalt eüch der heütige vom Adel? soll er wol der jenige sein / den ihr zum Ehegemahl haben möchtet? hochgeehrtister Herr Vatter / andwortet Lympida / wann er meinen hertzallerliebsten Eltern so angenehm wäre / als vermutlich dem lieben Gott sein wirt / so würde mir gebüren mein gegebenes Wort auffrichtig zuhalten / vnnd ja zusprechen / hier gieng der Hapsa ein Stich durchs Hertz / unnd deßwegen sagte sie / freylich ja würde es einen schönen Schick abgeben! dann der gute Tropff bedarff ja wol einer reichen Damen zur Frawen / die ihm widerumben etwas hinzuwerffen unnd durchzubringen zubrächte; wie redet ihr? andwortet Myrologus / was er gethan hat ist auß kindlichem Gehorsamb geschehen / weßwegen er mehr Lobens als Verachtens würdig / er hat das Sprichwort der Menschen gerad vmbgekehret / welche von den reichen Geitzhälsen die ihren Kindern vil Güter zusammen geschrappet unnd zuverschwenden hinderlassen haben / zusagen pflegen / O seelige reiche Söhne / deren Vätter in der Hölle sitzen / dann von ihm kan man sagen / O armer Sohn eines seeligen reichen Vatters / du bist der göttlichen Gnad vnd seines Seegens würdig.


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