Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Prinz Proxymus und Lympida
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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DER FÜNFFTE THEIL.

DEr Kayser Heraclius hatte lang beyden dem Proximo und Orontæo mit Verwunderung zugehöret / wie ernstlich jeder seine Meinung wegen der grossen Reichthumber Modesti zu behaubten sich bemühete; disem zwar / das er sich so ohnaussetzlich beflisse / solche zuerhalten / da ihme doch im geringsten nichts darvon nach dem Todt Modesti zugefallen oder gebührt / jener aber / das er selbige mit aller Gewalt von sich schob / und seines Herren Vattern letsten Willen gehalten haben wolte / ob ihme gleich nach dessen Todt als dem eintzigen rechtmässigen Erben alle seine Verlassenschafft ohne einige Disputation zukommen wäre / vermittelst deren Besitz er sich gar wol vnder die allerreichste HErren der Statt Constantinopel / ja des gantzen Landts rechnen mögen.

Neben Erwögung dessen und aller andere Umbstände der Sachen / bedachte der Kayser auch das er Kayser sey / und wasmassen nunhero durch ihn und seinen Antecessorem der Anfang zu einer Gewohnheit gemacht worden wäre / die Kayser umbzubringen und sich an ihre Statt auff den Thron zusetzen / welches ohnschwer durch die Reichthumb und des Volcks Gunst zuwegen gebracht werden möchte / er sahe die gute Qualiteten des edlen und ohnvergleichlichen Jünglings Proximi / und wuste das er auß einem Stamm entsprossen / der von etlich hundert Jahren zum herrschen geboren worden! er wuste das er wegen seiner Tapfferkeit allbereit einen grossen Namen und gleichsamb alles Volcks Gunst hinweg hatte / und das ihm / wie er gehöret / jederman mit dem er vmbgieng vnd conversirt / sein Hertz und Gunst schencken muste / er gedachte solte diser Jüngling noch ein par Jahr eraichen / vnd in seines Vattern Reichtumben sitzen / so würde ihm leicht sein / auch bey der allergeringsten Gelegenheit die sich villeicht ohngefehr eraignen möchte / mir die Schuh außzutretten / und mirs zumachen wie ichs dem Phocæ: und vor mir Phocas dem Mauritio gemacht; derowegen ists besser / gedachte er / das ihm die Schwing federn seines grossen Vermögens / dardurch er sich so hoch erheben: mich selbst aber widerumb demütig: oder wol gar auß dem Weg raumen könde / bey diser schönen Gelegenheit die sich selbst anbietet / ausgezogen werden / als das ich eine Schlang im Busen ernähre / seintemahl mehr als genugsamb bekandt / das an denen Orten wo die Reichthumb dünn ligen und kein gelt zur Verehrung oder Belohnung außzusäen verhofft wirt / daß daselbst die bereits erhaltene Reputation von sich selbsten falt / geschweige das man (die übrige Tugenden seyen auch sonst beschaffen wie sie immer wollen) alsdan noch grössere Ehr und einen höhern standt einzuerndten vermeinen wolte.

Derowegen gab Heraclius Proximo und Orontæo den Außspruch und Bescheid / sintemahl Proximus sich selbsten des jenigen so er von seinem Vattern erbsweis zugewarten / unnd ihm billich zubesitzen gebührt / entschlägt / und sich dessen verzeihet als soll seines Vattern Modesti letster Will in allem observirt und vollzogen werden.

So groß war nun die Zufridenheit des edlen Proximi nicht? seines Vettern Orontæi Unwill war grösser welchen er gleichwol verbergen vnd in sich beissen muste; dann diser Herr war durch den feindtlichen Einfall der Saracenen in Syrien in Armut gesetzt: und von Antiochia nach Constantinopel vertriben worden / allwo er sich schlecht beholffen / und nunmehr verhoffte nach dem Todt Modesti wegen des Proximi vermeinter Einfalt und Guthertzigkeit / sich dessen Verlassenschafft so wol als Proximus zunutz zumachen / sich wider darinnen zubegrossen / oder wenigst mit Proximo wie eine Wasser-Thräne mit den andern Jmen zuschmorotzen / welche Hoffnung ihme aber durch Modesti letsten Willen und des Kaysers Bestettigung allerdings abgeschniten worde; so ihn derstalt schmirtzte / das ers kaum verbergen könde.

Hingegen bedanckte sich Proximus gegen dem Kayser auffs allerdemütigste vnd brachte seinem Herren Vattern die Bottschafft seiner Verrichtung mit solcher innerlichen Hertzens Frewd / als wann er weit mehr Güter erworben hette / als er jetzunder ausspenden vnd verlihren solte; Modestus segnet ihn vnd sagte: Gott der allmächtig / der deinen kindtlichen Gehorsamb sihet / wolle dich mit seinem Segen vberschütten! der barmhertzige Vatter dem du zu Ehren und Wollgefallen mich Barmhertzigkeit üben läst / wolle dich im Leben und sterben mit seiner Güte überheüffen; er wolle dich mit dem himmlischen Taw segnen vnd verleyhen / das deine Posteritet ihme biß an den längsten Tag hier zeitlich dienen: und ihne dort in alle Ewigkeit loben möge; Amen mein Sohn! halte dich kühnlich versichert / das dich unser himlischer Vatter nimmermehr verlassen wird / so lang du auff der Tugent Bahn wandelst / und wan es gleich scheinen möchte / ob hette er sich von dir gäntzlich entfernet / so zweyffele alsdan gar nicht daran / das er dir am allernägsten sey; der Himmel kombt niemand vmbsonst an / der Engel Schaar muste zuvor probirt werden / welche auß ihnen dieselbe ewige Frewd zubesitzen würdig wären? Christus der einige und allerliebste Sohn Gottes selbsten muste zuvor leyden / ehe er zum Himmel eingieng / würcke mit Forcht und Zittern deiner Seelen Heil / bleibe demütig und in derselben Demut beständig biß ans Ende / das göttliche Verhängnus welches die blinde Welt das Glück nennet / mache dich gleich klein oder groß dan ich versehe mich / es werde mit dir / wie mit einem Glücksballen gespilt werden / damit du auff allerhandt Weise in der höhe vnd nidere auff die Prob gesetzt: und also beydes deine Demut und Niderträchtigkeit / die du im wolergehen bezeugest / vnd deine Gedult die du in Creütz vnd Leyden erweisest / dort ewige bekrönet werde: reitzet dich hierzu die Liebe Gottes nit (so ich doch nimmermehr von dir hoffen will) noch die Begirde zum ewigen Leben? so lasse dich die ewige Verdamnus von den Lastern und allem dem was Gott zuwider ist / abschrecken zu solchem Ende wirt dirs heilsam sein / das du deine Gedancken bisweilen so wol hinunder in die Hölle zu den Verdambten steigen läst / als das du sie in den Himmel erhebest; vor allen Dingen aber / mein Sohn / nimb alles dein Leyden und Ellend das dir auff dem Tugentweg auffstöst / als eine besondere Gnad Gottes an / als die denen Weltmenschen mit nichten widerfahre / wie denen so Gott lieben; nimb ein Exempel am H. Apostel Paulo / den Gott in deß Ananiæ Gesicht sein auserwöhlt Faß nennet der seinen Namen vor die Könige / die Jsraeliten vnd Haiden tragen solte / da er dise Wort daran henckt / dann ich will ihm zeigen wie vil er leyden muß vmb meines Namens willen.

Jn verwendt: und auspendung meiner verlassener Güter handle auffrecht und redlich / damit es dir nicht gehe wie einem andern Ananiæ und seinem Weib Saphiræ in der Apostel Geschichten welche dem H. Gaist gelogen / und darüber in Angesicht der Apostel das Leben verlohren; dan wan du dich durch einige Anfechtung vnd Versuchung überwinden lassen soltest / das geringste darvon vor dich zuhinderhalten / so wäre es dir besser / du hettest niemahl in meine Vermächtnus verwilligt / sonder alles miteinander als das deinig zu dir genommen! gedencke! alles Zeitliche müssen wir verlassen / und bringen nichts darvon / als was vnß Gott in jehnem Leben zuleget / vmb deren Werck willen die wir hier vollbracht / und die vnß zu solchem Ende nachfolgen.

Glaub mir sicherlich mein Sohn / das ich vmb deiner Gott wolgefälligen Resolution und Einwilligung wegen / das meinige vnder die Arme zutheilen / so frewdig auß diser Welt scheide / das ich auch nicht länger leben wolte / wan es zu mir stünde / ob ich gleich biß an der Welt Ende auff dem Kayserlichen Thron sitzen und alle Völcker beherrschen solte; derowegen mein Kind schawe nicht wider zuruck / lasse die Hand nicht mehr vom Pflug / sonder mich in meiner Frewd und von dir gefasten guten Meinung / an ich zur Rhue gangen sein werde / ohnbetrogen bleiben.

Du wirst und sollest zwar kein Monachus oder Einsidler werden / wie ich etwan auch selbst einmahl zuthun gesinnet / sintemahl du auch mitten in der unruhigen gottlosen Welt ein stilles Gott wolgefälliges Leben führen kanst / damit du aber hierin ohnzerstöret verbleiben mögest / so meyde das Frawen Volck und halt dich versichert das dir Gott gleichwol deine Gemahlin mit deren er dich zuwürdigen in Himmel beschlossen / zu seiner Zeit zufügen wirt / du sollest dich aber mit derselbigen hier gar nicht lang auffhalten / sonder ein zusammen geflohenes Völcklin suchen / das sich in dem Wasser enthält bey welchen du und deine Nachkömlinge in Ehr und Herrlichkeit leben werden / vil hundert Jahr länger als dise unsere ansehenliche Statt Constantinopel mit ihrem Pracht / mit ihrer Herrlichkeit unnd Kayserlichen Regierung wirt bestehen mögen / dan ich sehe an Inwohner Sündt / Müssigang / Wollust vnd Sicherheit (dahin sie wegen ihrer grossen Glückseeligkeit / Frid überflusses gedeyen) wie auch an der Kayser üblem Regiment / das ihr Macht / Hochheit / Gewalt und Ansehen nicht lang mehr außtawren / noch sie selbsten in der Christen Hände wirt verbleiben können / wie sich dan allbereit die Vorspil darzu erzeigen / in dem der Kayser selbst zu einem Monotheliten worden / vnd die Statt mit mancherhandt Wunderzeichen gewarnet: mit allerley Unglück heimgesucht: und durch Fewr / grausame Pestilentz und gewaltige Erdtbiden erschreckt wirt; ihr gäntzliche Abreissung vom Christenthumb aber wirt gleichwol nit ehender vorgehen / es sey dan widerumb ein Kayser im Regiment der Constantinus: seine Mutter Helena: der Patriarch aber Gregorius heiste / gleich wie der erste Christliche Kayser alhier auch Constantinus / seine Mutter aber des heiligen Creutzes Erfinderin Helena: vnd der erste Bischoff oder Patriarch Gregorius genant gewesen. Nach dem nun Proximus mit noch vil dergleichen Erman- und Weisungen underrichtet worden war / nam Modestus einen seeligen Abscheid auß diser Zeitlichkeit also das seinig bey seinem Leben nicht under die Arme getheilt wurde welchen Proximus zwar Christlich: aber / wie er begehrt hatte / ohn einigen überflüssigen Pomp und Pracht zur Erden bestatten liese / wie hertzlich nun Proximus seinen Vattern geliebt / so sahe man doch niemahlen dessen Augen beträhnet / so gar hatte er sich der Gelassenheit ergeben und gewöhnet alle Begegnussen beydes die gutscheinende und schwerfallende von der Handt Gottes anzunemmen / weswegen sich dan vile und sonderlich sein Ohem Orontæus verwunderten / dessen verkehrter Sinn sich dannenhero einbildete / Proximus hette seines Herren Vattern Abtruck nicht allein gern gesehen sonder auch vorlängsten gewünscht / weil er nicht allein so gesparsamb bey der Begräbtnus gewesen / sonder noch darzu so gar kein Leydtwesen bezeügte / derowegen glaubte er vestiglich Proximus wäre noch lang nicht gesinnet / seines Herren Vattern letzteren Willen ins Werck zusetzen / sonder wurde wol den besten Part darvon vor sich selbst behalten / ob er gleich von den überflüssigen Reichtumben etwas den Armen hingeben möchte / den Leüthen die Augen zuverkleiben! so fern aber Proximus dessen noch nicht völlig gemeinet wäre zuthun / so getrawte er ihn doch eines solchen zu persuadirn / weßwegen er sich dan biß der sibende und dreysigste verüber war / gar nahe und freündtlich zu ihm gesellete / und ihn auff underschidliche Ardten / doch gantz verschlagener und verdeckter Weise deßwegen versuchte / ohne das er im geringsten an Proximo verspüren mögen / was er diß ordts zuthun gesinnet.

Demnach aber Orontæus sahe / das Proximus nach dem dreysigsten anfienge / seines seel. Herren Vattern hinderlassene Schätze anzugreifen / vnd nicht allein das holde Silber und Golt gantz miltiglich under die Arme außzutheilen / sonder auch die Klenodia / ligende Güter / Lusthaüser / Gärten und gantze Herrschafften zuverkauffen; sagte er ihm endlich offentlich was er von ihm verdeckter Weise angehöret und nicht verstanden zuhaben vermeinet; was gedenckt ihr / Herr Vetter? sagt er / wollet ihr eüch dan selber berauben vnd andere bereichen? wollet ihr die Bettler erheben / vmb eüch selbst in den Bettel zustürtzen? ich halte ewer Beginnen vor die gröste Thorheit / und glaube nimmermehr das ewers Herren Vattern Jntention jemahl gewesen sey / wan er eüch anders mit vätterlicher Liebe jemahls gemeinet / das ihr eüch solcher gestalt entplösen sollet: die Ehr und unser guter Name ist so hoch zuachten als unser Leben; wan nun vnß jemand vnserer Ehr beraubet / so wäre vnß vil erträg- und löblicher er hette vnß das Leben genommen! sintemahl aber die Ehr dem Reichthumb und Vermögen auff dem Fusse nachfolgt / ihr aber dieselbe so liderlich hinwerfft / sehet so beraubet ihr eüch selbsten ewer jetzigen und künfftigen Ehr / vnd werdet also gleichsamb ärger als ewer selbst Mörder / ihr kennet den schweren Last der Armut noch nicht deren ihr eüch so unvorsichtig underwerfft / die Schätze die einmahl ausfliegen und wie ihrs macht / in das weite Meer diser Welt versencket werden / lassen sich selten: Ja wol nimmermehr wider zusamen bringen und herauß fischen / welches ihr / wann ihr einmahl verständiger seit / ererst recht erkennen / aber besorglich vil zuspat berewen werdet / behaltet auffs wenigst so vil in Händen das ihr ewern angebornen Standt wo nit mit überfluß doch mit Ehren führen könnet / damit ihr nicht ins künfftig den jenigen vor der Thür sitzen: vnd ihnen in die Händ sehen müsset / die ihr jetzunder reich macht und über eüch setzet / ich rathe ewer bestes als ewer getrewer Freünd / und so fern ihr mir nicht Folge leistet / so heiset ihr mich damit auffhören ewer Oheim zusein.

Proximus andwortet / was ich meinem seeligen Herren Vattern versprochen hab / das will ich auch halten / wie aber einem Armen vmbs Hertz sey weiß ich genug / habs auch selbst erfahren da ich noch vermeinte eines armen Haffners Sohn zusein; und wan ich solches nicht wiste / so würde ich keine so hefftig-treibende Naigung haben / ihnen nach Möglichkeit auß ihren anligenden Nöthen zuhelffen; nach zerstrewten Güteren begehre ich weniger zufliehen / als die habende beisammen zubehalten; aber nach meinem geringen Verstandt sehe ich / das der reiche offt weniger auß der Welt mit sich nimbt als der Arme / wan ich gleich den Spruch Christi nicht wiste / der des Jnhalts ist / daß ein Kamel (es mag nun ein Schiffseil oder Thier sein) geringer durch ein Nadel Ohr gehe / als ein reicher in Himmel; warumb solte ich dan an den Reichthumben kleben? die einbildende Ehr / die wir zubesitzen vermeinen / sonderlich die so wir auß dem Posseß unserer Reichthumb geniessen / ist nit wert einen Schatten der Zeitlichen Glückseeligkeit: aber wol eine verfluchte Tochter der abschewlichen Hoffart zunennen / vor welcher mich mein Got behüten wolle; im übrigen zweiffle ich gar nicht / das es mein hochgeehrter Herr Oheim eben so getrewlich mit mir vermeine / als der Apostel Fürst mit Christo (dessen ich mich dan gegen ihme zum höchsten obligirt zusein befinde) aber gleich wie Petri Gutachten Rath und That von unserem Erlöser nit angenommen und vor gut erkandt wardt / also werde ich mich auch von meinem Vorhaben nit abwenden lassen.

Dises / das sich Orontæus in seiner hoffnung so weit betrogen fande / verschmähete ihne so sehr / das er stillschweigent hinweg gieng; sonderlich schmirtzten ihn die letstere Wort Proximi so hefftig / das er sich gleich auff eine Raach bedachte; was? sagte er zu sich selbsten / soltestu geistlich gesinnet sein / und dich Christo: mich aber Petro vergleichen zu welchen gesagt worden; Petre du hast den Teüffel! harre mein Vettergen! strebestu so ernstlich nach dem Bettelsack? so will ich denselbigen dir rechtschaffen anhencken helffen / und noch darzu den darzugehörigen Stab in deine unbesonnene Hände geben.

Als sich nun der edle Proximus seines Vettern Orontæe Jmportunitet und Versuchungen dergestalt entladen hatte / führe er desto ohnverhinderter fort / seines Herren Vattern Verlassenschafft gleichsamb auff der Post vnder die Arme zutheilen; doch gieng er behütsamb / den jenigen etwas zukommen zulassen / von welchen er Nachricht hatte / das sie des Allmosens nicht würdig wären; er stiffte Spitäler vor Krancke und allerhandt bresthafftige Menschen / welche die Türcken auch noch heütigs Tags zu den Wercken der Barmhertzigkeit gebrauchen / vnd als er dannoch dardurch seines seel: Herren Vattern grosse verlassene Reichthumb nicht erschöpfen könde / stewret er nach dem Exempel erstgedachten seines Herren Vattern so lang arme Jungfrawen auß / biß er endlich auff den Boden kam / und mit allem fertig wurde ohne auff die Behaußung und Mobilia in Constantinopel vnd das Rittergut am Flus Athira / so ihm sein Herr Vatter vor sich zubehalten bestimbt hatte.

Der scheelsüchtige Orontæus gieng in dessen herumb / vnd spintisiret auff die Vollziehung der vorgesetzten Raach / mit seinem Vettern aber solche Händel anzufangen die vor der Faust durch den Degen auszumachen wären / hatte er nicht allein das Hertz nicht / weil er sich vor Proximi höchstberümbter Tapfferkeit entsetzte / sonder solch Beginnen wäre ihm auch mehr als übel angestanden / so war der edel Jüngling ohne das von solcher Beschaffenheit / das der allerärgste zäncker schwerlich mit ihme in einen Streitt hette gerathen können / ihme aber heimtückischer und meüchelmörderischen Weiß bey zukommen / trug er grosses bedencken: dann er wolte gewissenhafftiger sein als ein solches Schelmstück vorzunemmen.

Demnach aber Proximus nunmehr wie oben gemeldet / seines Herren Vattern seel: Verlassenschafft dessen Jntention gemäß zertheilet vnd von seinem Rittergut gesparsamblich lebte / zumahlen sonst keinen Geschäfften als neben Modesto der Basiliæ Sohn (welcher nun auß seines Vattern Diener sein trewer Cammerrath worden wäre) dem Gottes Dienst oblag; sihe! da kam der verkehrte Orontæus mit einer falschen Handschrifft / in deren der seelige Modestus bekandte / ihme noch wegen einiges Contracts / der zu Antiochia zwischen ihnen beyden vorgangen sein solte / eine grosse Summa Gelts schuldig zusein / mit begehren / das ihme Proximus als des Debitoris Erb / dieselbige sambt interesse entrichten solte; der edle Proximus kondte ohnschwer die Betrügerey seines Oheims ermessen / getrawte auch wol / allen Umbständten nach / ob er gleich kein Jurist war / diser Anforderung durch den Weg rechtens entübrigt zuwerden / so wäre ihme auch nit schwer gewesen / Kayserlichen Befelch zuerhalten / das Orontæus vmb seine Schultforderung zuvorderist auß den Gefällen der Spitäler und Stifftungen / so er hin und wider auß seines Vattern Reichthumben gethan / ehe man sie in den gottseeligen wercken verwendet / bezahlt hette werden müssen / wie ihme dan sein Freünd Modestus den Rath darzu gab / aber er wolte weder zancken noch andern das jenige als ihnen einmahl vmb Gottes Willen gegeben worden / widerumb nemmen / sonder sagte zu Modesto / ich habe einen grossen Fehler begangen / das ich meines Oheimbs Orontæi Dürfftigkeit nit ehender beobachtet / als welchem ich vor andern Frembten mit so vilem als er jetzunder fordert / vmb etwas auß seiner Armut geholffen haben solte / zwar ist er selbsten schuldig daran / warumb hat er sich nit mit under die Arme gerechnet / auff das ich meine Schuldigkeit so wol gegen ihme als andern ablegen mögen / gewiß ists / das er meinem seel: Herren Vattern niemalen nichts dergleichen gefordert / so hat mir auch mein Herr Vatter seel: kein Wort von diser Schult gesagt / deme sey aber gleichwol wie ihm wolle / vnd ob ihm schon mein Herr Vatter seel: sein Lebtage nichts schuldig gewesen / so bin ich aber ihme krafft meines Herren Vattern seel: letstern Willens schuldig worden / als der da außtruckenlich befohlen das seinig under die Arme und dürfftige außzutheilen / welches dann seine Prætension rechtmäsig und billich macht / ist er zuspat kommen / so mag er mit wenigem verlieb nemmen / vnd weil ich ihn übersehen / so will ichs mit meinem noch übrig habendem Rittergut büsen / vnd Orontæo dasselbe vor seine Anforderung geben.

Als Modestus dises hörete / wehrete er mit Händen und Füssen / Proximum bittent / das er ihme die Sach mit Orontæo außzufechten überlassen wolte / er wolte verschaffen das er seine ungerechte Sach vor aller Welt bekennen und keines Fusses breit von seinem Rittergut am Fluß Athira bekommen solte / wäre ihm mein seel: Herr etwas schuldig gewesen sagte er / so ich doch nimmermehr glauben kan / er würde solches wol bey desses Lebzeiten gefordert: ohn alle Disputation erhalten vnd dessen seiner Armut zuhelffen so wol als jetzt vonnöten gehabt haben / Proximus aber wolte Modesto im geringsten nichts dergleichen gestatten / sonder andwortet ihme / wan Orontæus seines Unrechts überzeügt würde / so hette nit nur er Schandt darvon sonder ich müste mir auch selbst die gantze Zeit meines Lebens ein Gewissen drüber machen vnd mich vor aller Welt schämen das ich ihne als meinen Oheim noch über seine bekandte Armut in solche Schandt gesetzt / besser ists ich gedulte seinen Betrug / zu welchem ihn seine Dürfftigkeit nötigt / als das ich das meinig erhalte / und ihn dardurch zu Unehren bringe / deren ich gleichfalls entgelten müste.

Modestus andwortet hierauff / diß wäre zwar wol ein seltenes ungewöhnlichs verwunderliche ja heiligs Werck der Freündtschafft / wart es nur Orontæus meritirte und mein Herr nicht selbsten dardurch alles des seinigen vollents entblöst vnd in die eüserste Armut gesetzt würde / es ist genug / das mein Herr seines seel: Herren Vattern letzteren Willen zu folg seine Kleidungen den Armen geschenckt / aber auch zur Vernügung eines obrechtmässigen Beginnes das Hembt auszuziehen / ist vil zu vil.

Proximus andwortet hierauff Modesto mein Freünd lasse es nur vor dismal also geschehen / ich kan mich villeicht mit besser gedult in die Armut schicken als Orontæus / warumb solte mir dann solche nicht vor jm gebühren über das ist er albereit ein alter abgelebter Herr / der ihme selbst anderer gestalt als durch dis Mittel auß seiner Dürfftigkeit nicht zuhelffen vermag / dahingegen habe ich noch junge starcke Fäuste / die mir wan es Gott geliebt / noch wol von den Saracenen ein gute Beüt erobern mögen / ich habe den allerbesten vnd allerreichsten Vormünder / so lang ich thue was ihm gefält / wirt er mich schon versorgen / vnd wan es sein gottlicher Will: mir aber vonnöten sein wirt / mich auch widerumb bereichern.

Als nun Modestus sahe / das Proximi edles Gemüt von seinem einmahl gefasten Vorsatz nicht mehr zuwenden war / hörete er auff ihm ferners einzureden / derowegen wurde Orontæus gleich hernach in Proximi Rittergut in Possession gesetzt / dem Modestus das seinige auch veradmodirte / und bey Proximo zu Constantinopel verblibe / weil ihme beynahe ohnmüglich war / dessen holde Gegenwardt zuentbehren; daselbst lebten sie beysammen wie zwo Ordens Personen / auß dem jenigen was Modesto von Orontæo auß seinem Rittergut jährlich empfieng; also wardt Orontæus ein Besitzer des gantzen Flusses Athiræ / Modestus aber Proximi Ernährer vnd diser jehnsen Schmorotzer; beydes Jünglige von so ohngleichen herkommen / hauseten / vnd lebten wie zwen Brüder / und bekümmerten sich sonst vmb nichts als vmb den Gottes Dienst; vmb wessentwegen sie dann auch lieber in der Statt als auff dem Landt wohnen wolten / nit nur alle Tag sonder gleichsamb alle Stundt sahe man sie in der Kirchen / und wiewol Modestus Proximum in alleweg respectirte / so wäre doch einem Frembten schwer zurathen gefallen / welcher under ihnen der Vornembste gewesen / wie dann in Wahrheit keiner under ihnen beyden des andern Herr oder Knecht war / oder sich besser als der ander zusein beduncken liesse: auß des Proximi holtseeligem Angesicht leuchtet ich weiß nit was vor ein sonderbarer Glantz welcher eine klare Anzeigung gab / deren in ihm verborgenligenden Tugenden unnd göttlichen Gaben; welches ihn dan vom Modesto ein grosses vnderschiede; und gleich wie dise beyde in solchem ihrem stillen Leben mit niemanden vil Kundtschafft machten / also wurden sie auch von andern ihnen im Alter gleichenden Jünglingen eben so wenig besucht als geneidet / aber wol von ihres gleichen auß dem Adel verachtet / Proximus zwar / weil er wie andere weltlich gesinnte Cavallier nit mitmachte / Modestus aber vmbweilen er ohnedel geboren war; jehnem hielten sie vor übel / das er seine vätterliche Reichthumb und Güter so leichtlich hingeben / disem aber missgönneten sie / das er / als eines geringen Haffners Sohn / der von einem Bettler hergestammet / eines so vortrefflichen adelichen Guts Herr und Besitzer sein solte / welches weder er noch seine Vorfahren durch die Waffen errungen.

Solches alles aber wurde von den zweyen Jünglingen desto lieber mit Gedult übertragen / dieweil beyde verhofften es würde der Kayser Heraclius in bälde wider den falschen Propheten Mahomet zu Felde ziehen / als welcher mit Hilff der abgefallenen Sceniten (die ihn zum Feld Obristen über sich gemacht) vnd der Saracener / albereit die edle vnd schöne Statt Damascum / Ja sehr nahe gantz Syrien / Ægypten vnd Palestinam hinweg hatte / vnd dem Röm: Reich je länger / je grössern Schaden zufügte / in welchen Krieg sich dan beyde Jünglinge miteinander zubegeben Willens waren / Proximus zwar vor den Christlichen Glauben ritterlich zufechten / vnd widerumb ein merehrs zugewinnen / als er den Armen ausgetheilet / Modestus aber / vmb der Welt mit Tapfferkeit zuweisen / das er ein Rittergut zubesitzen nicht ohnwürdig wäre / ob er gleich nur eines Haffners Sohn sey.

Aber der Kayser / ob er gleich von disem Unheil und nachsich ziehendem grossem Schaden genugsambe Nachricht hatte / so begehrte er doch dise schreckliche Flamme in ihrem ersten außbruch da es noch Zeit / und leichtlich zuthun gewest wäre / nicht zulöschen oder disem Tyrannen Widerstandt zuthun / sonder stellet sich als wan er der jenig nicht mehr wäre / der ehemahlen den mächtigen Persier König Cosdroem überwunden; als welchem König er das H. Creütz unsers Erlösers / welches er zuvor zu Jerusalem geraubet / neben andern unsäglichen reichen Beüten widerumb abgenommen; dises nun und seinen Sitz / beflisse sich der Kayser allein zubehaubten / also das unsere beyde Jüngling wider ihr Verlangen sich ausser den Waffen gedulten müsten / gleichwol wolte Modestus seinen Proximum / der ohne ihn in der allereüsersten Armut hette leben müssen / nicht verlassen / sonder thät bey ihm was ein getrewer Freünd bey dem andern thun solte / ohnangesehen sich dessen Verachtung bey mäniglichen eben so sehr als seine Gedult vermehrte.


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