Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
von Erfinder dieses Calenders / sambt etlichen lustigen Erzehlungen / die er von Simplicissimo der diesen Calender geschrieben gesamblet / und hiemit dem curiosen Leser wider mittheilet.
REspectivè Hochgeehrter großgünstiger lieber Leser / etc. auch überall beschreiter und verhaster Zoile / etc. Jch berichte euch allerseits freundlich / daß dieser Calender nicht geschrieben oder verfertigt worden / jhne in offnen Truck zugeben / sonder es hat jhn der so genandte Abentewrliche Simplicissimus, dessen Lebens-Beschreibung vorm Jahr daß erste mahl getruckt worden / seinem jüngsten Sohn Simplicio, welchen er neben seinem Knan und Meüder zu Erben und Besitzern seines Baurnhoffs an Schwartzwalt hinderlassen / umb dessen Verstand darinn zu üben / und jhn zu höheren Gedancken dardurch zu reitzen / vermög der Vorrede / zugefallen geschrieben / wann er etwann in seinen Wittwerstand eine übrige Stund hätte / darinn jhn die Melancholia überfallen und plagen: oder besser zusagen / wann er seine Zeit nit müssig zubringen wolte; seynd derowegen weder Momus, Zoilus, Moscus noch einige andere Naßweyse Schulfüchse und Magistellen die alles verbessern und so gar das Magnificat corrigiren wollen / befügt / diesen Calender so wenig zu tadlen und Simplicissimum zu verleumbden / als sonst jrgend einen ehrlichen Mann / der seiner Familia per memoriale in Schrifften hinderläst / wie sie etwann ins künfftig nach seinem Todt hausen sollen; dieses ande ich deßwegen / damit jederman wisse / zu was End dieser Calender verfertigt worden seye.
Wie er aber mir und auch euch durch meine Vermitlung / under die Händ kommen sey / daß schäme ich mich auch nicht zu erzehlen / dann ich hab jhn ja nicht gestohlen.
Als ich im verwichenen Julio dieses 1669. Jahrs die Saurbrunnen Chur brauchte / und nunmehr wie mir mein Doctor vorgeschrieben hatte / mit den Gläsern uffstige und darauff wie sein Geck hin und wider lauffen muste / begegnete mir ein uhraltes Weib mit eim Korb oder Zain wie sie es daselbst nennen / uff dem Kopff / die eylte dem Saurbrunnen zu; ich grüste sie und fragte wohin und was sie trüge? Sie antworttet / guten frischen Butter solchen im Saurbrunnen zu verkaufen; weil mir dann nun solche schmutzige Materia zu mir zunehmen (und zwar täglich vor dem Morgen essen) von meinem Doctor verordnet: ich auch allbereit nicht allerdings gäng war / weil ichs auß Unachtsambkeit underlassen hatte / wurde ich mit der alte Mutter leicht eins / daß sie nidersetzte / mich meine Notturfft kauffen zulassen; da sahe ich daß sie ihren gantzen Kram in eytel halbe und gantze Pfund partirt: und jedes besonder in einen halben Bogen Pappier gepackt hatte; ich merckte gleich / weil alles mit rothen und schwartzen Buchstaben überschrieben war / daß es Schrifften seyn müsten / die in eines Bawern Krautgarthen nicht gewachsen / und wie ich sie etwas genawer deßwegen beschaute / fande ich gleich fein ordentlich den Januarium dieses Calenders / ich fragte wo sie die Brieff herbrächte? sie antwortet / es wären so alte Schrifften von jhrem Sohn / die er etwann hiebevor geschrieben; weil er aber nun jetzunder wie sie gehöret hätte / sich in der newen Welt befünde / und sein Lebtag wohl nimmermehr zu Land kommen würde / und also auch diese Brieff niemand nichts mehr nutzten / so hätte sie selbige angegrieffen und jhren Butter hinein gepackt / ich fragte / wer dann jhr Sohn gewesen wäre / da antwortet sie mir / die Leuthe pflegten jhn nun ein halb Jahr her den offendürlichen Smplicissimus zunennen / er hätte aber mit seinem rechten Nahmen Melcher geheissen und wäre ein Soldat: nachgehents aber ein Waltbruder gewesen / und auß dem Walt hinweg kommen / daß sie seyther weder Stumpff noch Stiehl mehr von jhm gesehen / ausser daß sie im Saurbrunnen von frembden Leuthen gehöret hätte / er wäre in die newe Welt gezogen / und würde sein Tage wohl nicht wider kommen; Weil ich dann nun etliche Tag zuvor ein zimblichs auß deß Simplicissimi Lebens-Beschreibung gelesen hatte / erfrewet ich mich und rechnet es mirs vor ein Glück / daß ich auch sein ManuScript: sehen solte / bildete mir auch stracks ein / daß dieses die Meüder seyn müste / deren in besagter seiner Lebens-Beschreibung gedacht wird / ich sagte darauff zu jhr es wäre gleichwohl schad / daß sie diese Schrifften so von einander hudelte / wann sie noch bey einander wären / so wolte ich jhr gern etwas darvor verehren; ja? Herr / antwortet sie / diß sein die erste Brieff die ich darvon genommen / die andere liegen noch alle fein ordentlich daheim / wann jhr sie zu etwas brauchen könt / so kan ich sie euch wohl zukommen lassen / allein könte sie mir die gegenwärtige nicht versprechen / weil sie allbereit jhren Butter hinein gewickelt hätte / welche sie darbey lassen müste / damit jhn die Leuth so ihr abkieffen / desto besser tragen könten und die Händ nicht damit beschmirten / was Raths? gedachte ich / es taugt gleichwohl ein Theil ohne daß ander nichts; wurde derowegen mit der Meüder deß Kauffs eins umb allen jhren Butter den sie bey sich hatte doch mit dem geding / daß sie mir denselben auß sieden und in einen Hafen zusammen giessen solte / zu welchem Ende ich mit jhr uff ihren Hoff gehen: und warten wolte biß solche Arbeith geschehen wäre;
Also zotten wir mit einander dahin / und als wir die Pfund und halbe Pfund fein ordentlich mit einander in einen Kessel zehleten / hube ich die Blätter dieses Calenders fleissig zusammen und fande von der Vorrede an / die Simplicissimus an seinen Sohn den jungen Simplicium geschrieben / biß in den halben Februarium alles complet und nichts darvon verlohren; jch fragte gleich nach dem Rest / welchen mir die Altmeuder alsobald hervor gab; da ich nun dergestallt daß gantze Werck zusammen brachte / also daß nur noch der Titul darzu mangelte / fieng ich an mit der Meuder darumb zu marcken / und wurde endlich mit jhr eins / daß ich jhr vor alles vnd alles ein Duckhoten geben solte damit wir beyde dannwohl zufrieden; darauff fragte ich nach jhrem Mann und dem Jungen Simplicio, umb zusehen ob der Alte auch ein solche grosse Wartzel wie ein Horn uff der Stirn hätte / als jhn Simplicissimus beschrieben; und ob an dem jungen etlicher massen abzunehmen; wie sein Vatter ausgesehen haben möchte / als welchem er allerdings von Angesicht ähnlich seyn soll: vom Alten sagte sie mir / er wäre nicht anheimisch / sondern mit einer Fuhr nach Straßburg / den Puppenmachern einen Wagen voll fichtene Mißel zubringen: vom jungen Simplicio aber / daß jhn seine Vögt zu einem Barbierer verdingt hätten / das Handtwerck bey jhm zulernen: Ey / sagte ich ich hätte sie beyde wohl gern sehen mögen; Sie antwortet / daß ist nichts newes / GOtt geb wer hieher kombt verlangt solches / sie sein aber gemeiniglich wohl zufriden / wann ich an statt deß jungen Simplici jhnen seines Vattern Gunterfet weise; habt jhr das / fragte ich / freylich antwortet sie / es hat mir newlich ein grosser vornehmer Herr 6. Duckhoten drumb geben wollen / aber ich vnd mein Mann woltens jhm nit lassen / doch liessen wir zu daß ers dieser Tagen hat abmahlen lassen / welches uns seither sehr gerewet / dann zuvor kahmen viel Herrn her / das Gunterfeth etwann umb ein Trinckgelt zubeschawen / nun aber so sie dergleichen eins im Sawrbrunnen haben / so lang der Mahler darinn ist / fragt niemand mehr darnach; Welches uns dann manchen Schilling schadet; doch ligt nit viel daran / ich wolt gern unser Gunterfeth auch manglen / wann wir den Sohn selbst wider hätten / weil aber solches / wie wir von vielen Leuthen täglich hören / schwerlich mehr geschehen wird / so frewen wir uns indessen wann wir beyde alte Leut nur sein Bildnuß haben und täglich vor Augen sehen mögen.
Under wehrendem diesem unserem Discurs wurde mein Schmaltz gesotten / welches mir die Alt-Meuder den andern Tag / weil es zuvor gestehen und erkalten müsten / in Sawrbrun brachte; dasselbe verhandelt ich der Wirthin widerumb / ob ich gleich ein halben Thaler daran einbüste; dann als ich solchen kauffte / war mirs nicht umb den Butter / sonder umb diesen Calender zuthun / welchen der Leser gleich in Händen: oder doch vffs wenigst vor jhm ligen hat.
Denselben übersahe ich obenhin / und weil ich noch ein grosses Spacium darinn lehr fande / nemblich dieses / darinn jetzt diese Erzehlung stehet / und warinn vielleicht Simplicissimus noch mehr Discursen so zwischen jhm und seinen beyden Alten vorgangen / oder ich weiß nit was sonsten / vffzuzeichnen gesinnet gewesen / als habe ich dahin gesetzt / was der Leser bereits verstanden vnd noch vernehmen wird / nemblich daß jenige so hernach folgt / und ich mir hin und wider von den Leuthen so mit Simplicissimo bekandt gewesen / erzehlen lassen; darauß abzunehmen / daß er Simplicissimus von zimblicher Conversation: unnd ein gantz Apophtegmatischer Mensch gewesen seyn muß.
Folgen nun seine Stück soviel ich deren erfahren.