Franz Grillparzer
Das goldene Vließ
Franz Grillparzer

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Vierter Aufzug

Das Innere einer Höhle. Kurzes Theater. Im Vorgrunde rechts das Ende einer von oben herabführenden Treppe. In der Felsenwand des Hintergrunds ein großes, verschlossenes Tor.

Medea (steigt, in der einen Hand einen Becher in der andern eine Fackel die Treppe herab).
Komm nur herab! Wir sind am Ziel!

Jason (oben, noch hinter der Szene).
Hierher das Licht!

Medea (die Stiege hinaufleuchtend).
Was ist?

Jason (mit gezogenem Schwerte auftretend und die Stiege eilig herabsteigend).
        Es strich an mir vorbei! Halt! Dort!

Medea.
Was?

Jason.
        An der Pforte steht's den Eingang wehrend.

Medea (hinleuchtend).
Sieh, es ist nichts und niemand wehrt dir Eingang,
Wenn du nicht selbst.
(Sie setzt den Becher weg und steckt die Fackel in einen Ring am Treppengeländer.)

Jason.
        Du bist so ruhig.

Medea.
Und du bist's nicht!

Jason.
        Als es noch nicht begonnen
Als ich's nur wollte, bebtest du, und nun –

Medea.
Mir graut, daß du es willst, nicht daß du's tust.
Bei dir ist's umgekehrt.

Jason.
        Mein Aug ist feig,
Mein Herz ist mutig. – Rasch ans Werk! – Medea!

Medea.
Was starrst du ängstlich?

Jason.
        Bleicher Schatten, weiche!
Laß frei die Pforte, du hältst mich nicht ab.
(Auf die Pforte zugehend.)
Ich geh' trotz dir, durch dich zum Ziel – nun ist er fort!
Wie öffnet man das Tor?

Medea.
        Ein Schwerthieb an die Platte
Dort in der Mitte öffnet es.

Jason.
        Gut denn!
Du wartest meiner hier.

Medea.
        Jason!

Jason.
                Was noch?

Medea (weich und schmeichelnd).
Geh nicht!

Jason.
        Du reizest mich!

Medea.
                Geh nicht o Jason!

Jason.
Hartnäckige kann nichts dich denn bewegen,
Zu opfern meinem Entschluß deinen Wahn?

Medea.
Man ehrt den Wahn auch dessen, den man liebt.

Jason.
Genug nunmehr, ich will!

Medea.
        Du willst?

Jason.
                Ich will.

Medea.
Und nichts vermag dagegen all mein Flehn?

Jason.
Und nichts vermag dagegen all dein Flehn.

Medea.
Und auch mein Tod nichts?
(Sie entreißt ihm durch eine rasche Bewegung das Schwert.)
        Sieh! dein eignes Schwert
Gekehrt ist's gegen meine Brust. Ein Schritt noch weiter
Und vor dir liegt Medea kalt und tot.

Jason.
Mein Schwert!

Medea.
        Zurück! Du ziehst's aus meiner Brust!
Kehrst du zurück?

Jason.
        Nein!

Medea.
                Und wenn ich mich töte?

Jason.
Beweinen kann ich dich, rückkehren nicht.
Mein Höchstes für mein Wort und wär's dein Leben!
(Auf sie zugehend.)
Gib Raum, Weib, und mein Schwert!

Medea (indem sie ihm das Schwert gibt).
        So nimm es hin
Aus meiner Hand, du süßer Bräutigam!
Und töte dich und mich! – Ich halte dich nicht mehr!

Jason (auf die Pforte zugehend).
Wohlan!

Medea.
        Halt! Eins noch! Willst du jetzt schon sterben?
Das Vließ, am heiligen Baum
Ein Drache hütet's, grimm,
Unverwundbar seine Schuppenhaut,
Alldurchdringend sein Eisenzahn,
Du besiegst ihn nicht.

Jason.
Ich ihn, oder er mich.

Medea.
Grausamer, Unmenschlicher!
Oder er dich! und du gehst?

Jason.
Wozu die Worte?

Medea.
        Halt!
Den Becher hier nimm!
Vom Honig des Berges
Dem Tau der Nacht,
Und der Milch der Wölfin
Brauset drin gegoren ein Trank.
Setz' ihn hin wenn du eintrittst,
In der Ferne stehend.
Und der Drache wird kommen,
Nahrung suchend,
Zu schlürfen den Trank.
Dann tritt hin zum Baume
Und nimm das Vließ – Nein, nimm's nicht,
Nimm's nicht und bleib!

Jason.
Törin! Her den Trank! Gib!
(Er nimmt ihr den Becher aus der Hand.)

Medea (um seinen Hals fallend).
Jason! – So küss' ich dich und so, und so, und so!
Geh in dein Grab und laß auch Raum für mich!
Bleib!

Jason.
        Laß mich Weib! Mir schallt ein höhrer Ruf!
(Gegen die Pforte zugehend.)
Und bärgest du des Tartarus Entsetzen,
Ich steh' dir!
(Er haut mit dem Schwerte gegen die Pforte.)
        Tut euch auf, ihr Pforten! – – Ah!
(Die Pforten springen auf und zeigen eine innere schmälere Höhle, seltsam beleuchtet. Im Hintergrunde ein Baum. An ihm hängt hellglänzend das goldene Vließ. Um Baum und Vließ windet sich eine ungeheure Schlange, die beim Aufspringen der Pforte ihr in dem Laube verborgenes Haupt hervorstreckt und züngelnd vor sich hin blickt.)
(Jason fährt aufschreiend zurück und kommt wieder in den Vorgrund.)

Medea (wild lachend).
Bebst du? Schauert dir das Gebein?
Hast's ja gewollt, warum gehst du nicht?
Starker, Kühner, Gewaltiger!
Nur gegen mich hast du Mut?
Bebst vor der Schlange? Schlange!
Die mich umwunden, die mich umstrickt,
Die mich verderbt, die mich getötet!
Blick' hin, blick's an das Scheusal
Und geh und stirb!

Jason.
Haltet aus meine Sinne, haltet aus!
Was bebst du Herz? Was ist's mehr als sterben?

Medea.
Sterben? Sterben? Es gilt den Tod!
Geh hin mein süßer Bräutigam,
Wie züngelt deine Braut!

Jason.
Von mir weg, Weib, in deiner Raserei!
Mein Geist geht unter in des deinen Wogen!
(Gegen das Tor zu.)
Blick' nur nach mir; du findest deinen Mann!
Und wärst du zehnmal scheußlicher, hier bin ich!
(Er geht drauf los.)

Medea.
Jason!

Jason.
        Hinein!

Medea.
                Jason!

Jason.
                        Hinein!
(Er geht hinein, die Pforten fallen hinter ihm zu.)

Medea (schreiend an die nunmehr geschlossene Pforte hinstürzend).
                                Er geht! Er stirbt.

Jason (von innen).
Wer schloß die Pforte zu?

Medea.
        Ich nicht!

Jason.
                Mach' auf!

Medea.
Ich kann nicht. – Um aller Götter willen!
Setz' hin die Schale, zaudre nicht!
Du bist verloren wenn du zauderst.
– Jason! – Hörst du mich? – Setz' hin die Schale! –
Er hört mich nicht! – Er ist am Werk!
Am Werk! – Hilfe, Ihr dort oben!
Schaut herab auf uns, ihr Götter!
Doch nein, nein, schaut nicht herab
Auf die schuldige Tochter,
Der Schuldigen Gemahl;
Ich schenk' euch die Hilfe, ihr mir die Rache!
Kein Götteraug seh' es,
Dunkel hülle die Nacht
Unser Tun und uns!
Jason lebst du? – Antwort gib!
Gib Antwort! – Alles stumm
Alles tot! – Ha? – Er ist tot!
Er spricht nicht, ist tot. – tot.
(Sie sinkt an der Türe nieder.)
Liegst du mein Bräutigam? Laß Raum,
Raum für die Braut!

Jason (inwendig, schreckhaft).
Ah!

Medea (aufspringend).
        Das war seiner Stimme Klang! Er lebt!
Ist in Gefahr! Zu ihm! Auf, Pforte, auf!
Wähnst du zu widerstehn? Ich spotte dein!
Auf!
(Sie reißt mit einem Zuge gewaltsam beide Torflügel auf.)

Jason stürzt wankend heraus, das Vließ als Banner auf einer Lanze tragend.

Medea.
Lebst du?

Jason.
Leben? – Leben? – Ja! – Zu! zu da!
(Er schließt ängstlich die Pforte zu.)

Medea.
Und hast das Vließ?

Jason (es weit von sich weghaltend).
        Berühr's nicht! Feuer! Feuer!
(Seine Rechte mit ausgestreckten Fingern hinhaltend.)
Sieh hier die Hand – wie ich's berührt – verbrannt!

Medea (seine Hand nehmend).
Das ist ja Blut!

Jason.
        Blut?

Medea.
                Auch am Haupte Blut.
Hast dich verletzt?

Jason.
        Weiß ich's? – Nun komm! Nun komm!

Medea.
Hast du's vollführt, wie ich's gesagt?

Jason.
        Ja wohl.
Die Schale stellt' ich hin, mich selber seitwärts
Und harrte schnaufend. Rufen hört' ich, doch
Nicht zu erwidern wagt' ich vor dem Tier.
Das hob sich blinkend auf und, und schon wähnt' ich
Auf mich hin schieb' es rauschend seine Ringe;
Allein der Trank war's, den das Untier suchte,
Und weit gestreckt in durstig langen Zügen
Sog, meiner nicht mehr achtend, es den Trank.
Bald, trunken oder tot lag's unbeweglich.
Ich rasch hervor vom marternden Versteck,
Zum Baum hin und das Vließ – hier ist's – Nun fort!

Medea.
So komm, und schnell!

Jason.
        Als ich's vom Baume holte,
Da rauscht' es auf, wie seufzend, durch die Blätter
Und hinter mir riefs: Wehe!
        Ha? – Wer ruft?

Medea.
Du selbst!

Jason.
        Ich?

Medea.
                Komm!

Jason.
                        Wohin?

Medea.
                                Fort!

Jason.
                                        Fort, ja fort!
Geh du voran, ich folge mit dem Vließ
Geh nur! Geh, zaudre nicht! Voraus! Voran!
(Beide ab, die Treppe hinauf.)

Freier Platz vor der Höhle. Im Hintergrunde die Aussicht aufs Meer, die auf der rechten Seite durch einen am Ufer liegenden Hügel verdeckt wird, hinter dem, nur mit den Masten und dem Vorderteile sichtbar, das Schiff der Argonauten liegt.

Milo, Argonauten, teils mit Arbeiten des Einschiffens beschäftigt, teils als Wachen und ruhend gruppiert.

Milo.
Das Schiff ist hergezogen. Gut. Doch hört!
Nicht Anker ausgeworfen! Hört ihr? Nicht!
Der Augenblick kann uns die Abfahrt bringen
Und ob's zum lichten Zeit dann, weiß ich nicht.
(Auf und ab gehend.)
Er kommt noch immer nicht. Daß er ihr traute!
Ich hab' ihn wohl gewarnt. Doch hört er Warnung?
Sonst ja, daheim, da horcht' er meiner Rede
Und tat auch was ihm riet mein treuer Mund
So folgsam, so ein Kind, und doch ein Mann.
Doch hier ist er verwandelt ganz und gar
Verwandelt gleich – uns allen, sagt' ich schier,
Vom gift'gen Anhauch dieses Zauberbodens.
O dieses Weib! Mir graut denk' ich an sie.
Wie sie so dastand mit den dunkeln Brauen
Gleich Wetterwolken an der finstern Stirn,
Das Augenlid gesenkt, im düstern Sinnen:
Nun hob sich's und wie Wetterleuchten fuhr
Der Blick hervor und faßt' und schlug und traf. –
Ihn traf er! – Nu die Götter mögen's wenden.

Was bringen dort die Beiden. Griechen sind's.
Ein Weib! Gebunden! Memmen ihr! – Holla!


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