Franz Grillparzer
Das goldene Vließ
Franz Grillparzer

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Milo.
        Nein! 's ist unrecht sag' ich,
Ich sollt' der Klügre sein, ich bin der Ältre.
Hättst du mich hingeführt, wohin auch immer,
Nur nicht in dieses gottverlaßne Land.
Kommt irgend sonst ein Mann in Fährlichkeit,
Nu Schwert heraus und Mut voran. Doch hier
In dieses Landes feuchter Nebelluft
Legt Rost sich, wie ans Schwert, so an den Mut.
Hört man in einem fort die Wellen brausen,
Die Fichten rauschen und die Winde tosen,
Sieht kaum die Sonne durch der dichten Nebel
Und rauhen Wipfel schaurigen Versteck,
Kein Mensch rings, keine Hütte, keine Spur,
Da wird das Herz so weit, so hohl, so nüchtern
Und man erschrickt wohl endlich vor sich selbst.
Ich, der als Knabe voll Verwundrung horchte,
Wenn man erzählte, 's gäb' ein Ding
Die Furcht genannt, hier seh' ich fast Gespenster
Und jeder dürre Stamm scheint mir ein Riese
Und jedes Licht ein Feuermann. 's ist seltsam.
Was unbedenklich sonst, erscheint hier schreckhaft
Und was sonst greulich wieder hier gemein.
Nur kürzlich sah ich einen Bär im Walde,
So groß vielleicht als keinen ich gesehn
Und doch kams fast mir vor, ich sollt' ihn streicheln,
Wie einen Schoßhund streicheln mit der Hand,
So klein, so unbedeutend schien das Tier
Im Abstich seiner schaurigen Umgebung.
Du hörst nicht?

Jason (der indes den Turm betrachtet hat).
        Ja ich will hinein!

Milo.
                Wohin?

Jason.
Dort in den Turm.

Milo.
        Mensch, bist du rasend? (Ihn anfassend). Höre!

Jason (sich losmachend und das Schwert ziehend).
Ich will, wer hält mich? Hier mein Schwert! Es schützt mich
Vor Feinden wie vor überläst'gen Freunden.
Die erste Spur von Menschen find' ich hier
Ich will hinein. Mit vorgehaltnen Eisen
Zwing' einen ich von des Gebäuds Bewohnern,
Zu folgen mir, zu führen unsre Schar
Auf sichern Pfad aus dieses Waldes Umfang,
Wo Hunger sie und Feindeshinterhalt
Weit sichrer trifft als mich hier die Gefahr.
Sprich nicht! Ich bin entschlossen. Geh zurück
Ermutige die Schar. Bald bring' ich Rettung!

Milo.
Bedenk'!

Jason.
        Es ist bedacht! Wer kann hier weilen
Im kleinen Hause, wüst und abgeschieden?
Ein Haushalt von Barbaren und was mehr?
Ich denk' du kennst mich! Hier ist nicht Gefahr
Als im Verweilen. – Keine Worte weiter!

Milo.
Doch wie gelangst du hin?

Jason.
        Siehst du dort drüben
Gähnt weit ein Spalt im alternden Gemäuer.
Das Meer leiht seinen Rücken bis da hin
Und leicht erreich' ich's schwimmend.

Milo.
        Höre doch!

Jason.
Leb' wohl!

Milo.
        Laß mich statt dir!

Jason.
                Auf Wiedersehn!
(Springt von einer Klippe ins Meer)

Milo.
Er wagt es doch! – Dort schwimmt er! – Tut es doch,
Und läßt mich schmälen hier nach Herzenslust!
Ein wackres Herz, doch jung, gewaltig jung!
Hier will ich stehn und seiner Rückkehr harren:
Und geht's auch schief, wir hauen uns heraus.
(Er lehnt sich an einen Baum.)

Ein düsteres Gewölbe im Innern des Turms. Links im Hintergrunde die Bildsäule eines Gottes auf hohem Fußgestell, im Vorgrunde rechts eine Felsenbank.

Jungfrauen mit Fackeln bringen einen kleinen Altar und Opfergefäße und stellen alles ordnend umher.

Eine Jungfrau tritt ein und spricht an der Türe:

Jungfrau.
Genug! Es naht Medea! Stört sie nicht!
(Alle ab mit den Lichtern.)

Jason tritt durch einen Seiteneingang links auf mit bloßem Schwerte.

Jason.
Ein finsteres Gewölb'. – Ich bin im Innern!
Mehr Menschen faßt das Haus, scheint's, als ich glaubte,
Doch immerhin! wird nur mein Ziel erreicht.
Behutsam späh ich, bis ein Einzelner
Mir aufstößt, dann das Schwert ihm auf die Brust
Und mit mir soll er, will er nicht den Tod.
(Er späht mit vorgehaltenem Schwerte umher.)
Ist da kein Ausgang? – Halt! – Ein Block von Stein
Das Fußgestell wohl eines Götterbildes.
Ehrt man hier Götter und verhöhnt das Recht?
Doch horch! – ein Fußtritt! – Bleiche Helle gleitet
Fortschreitend an des Ganges engen Bogen.
Man kommt! – Wohin – ? – Verbirg mich dunkler Gott!
(Er versteckt sich hinter die Bildsäule.)

Medea kommt, einen schwarzen Stab in der Rechten, eine Lampe in der Linken.

Medea.
Es ist so schwül hier, so dumpf!
Feuchter Qualm drückt die Flamme der Lampe,
Sie brennt ohne zu leuchten.
(Sie setzt die Lampe hin.)
– Horch! – Es ist mein eignes Herz,
Das gegen die Brust pocht mit starken Schlägen!
Wie schwach, wie töricht! – Auf Medea!
Es gilt des Vaters Sache, der Götter!
Sollen die Fremden siegen, Kolchis untergehn?
Nimmermehr! Nimmermehr!
Ans Werk denn!
Seid mir gewärtig Götter, höret mich,
Und gebt Antwort meiner Frage!
(Mit dem Stabe Zeichen in die Luft machend.)
Die ihr einhergeht im Gewande der Nacht
Und auf des Sturmes Fittigen wandelt
Furchtbare Fürsten der Tiefe,
Denen der Entschluß gefällt
Und die beflügelte Tat,
Die ihr bei Leichen weilt
Und euch labt am Blut der Erschlagnen,
Die ihr das Herz kennt und lenkt den Willen,
Die ihr zählt die Halme der Gegenwart
Sorglich bewahrt des Vergangenen Ähren
Und durchblickt der Zukunft sprossende Saat,
Euch ruf' ich an!
Gebt mir Kunde, sichere Kunde
Von dem was uns droht, von dem was uns lacht!
Bei der Macht, die mir ward,
Bei dem Dienst, den ich tat,
Bei dem Wort, das ihr kennt
Ruf' ich euch,
Erscheinet, erscheint!
(Pause.)
Was ist das? – Alles schweigt!
Sie zeigen sich nicht?
Zürnt ihr mir, oder betrat ein Fuß,
Eines Frevlers Fuß
Die heilige Stätte?
Angst befällt mich, Schauer faßt mich!
(Mit steigender Stimme.)
Allgewaltige! Lauscht meinem Rufen,
Hört Medeens Stimme!
Eure Freundin ist's die ruft.
Ich fleh' ich verlang' es
Erscheinet, erscheint!

Jason springt hinter der Bildsäule hervor.

Medea (zurückfahrend).
Ha!

Jason.
Verfluchte Zauberin, du bist am Ende,
Erschienen ist, der dich vernichten wird.
(Indem er mit vorgehaltenem Schwerte hervorspringt verwundet er Medeen am Arme.)

Medea (den verwundeten rechten Arm mit der linken Hand fassend).
Weh mir!
(Stürzt auf den Felsensitz hin, wo sie schwer atmend leise ächzt.)

Jason.
Du fliehst? Mein Arm wird dich ereilen!
(Im Dunkeln herum blickend.)
Wo ist sie hin!
(Er nimmt die Lampe und leuchtet vor sich hin.)
        Dort! – Du entgehst mir nicht!
(Hinzutretend.)
Verruchte!

Medea (stöhnend).
        Ah!

Jason.
                Stöhnst du? Ja zittre nur!
Mein Schwert soll deine dunkeln Netze lösen!
(Sie mit der Lampe beleuchtend).
Doch seh' ich recht? Bist du die Zauberin,
Die dort erst heischre Flüche murmelte?
Ein weiblich Wesen liegt zu meinen Füßen,
Verteidigt durch der Anmut Freiheitsbrief,
Nichts zauberhaft an ihr, als ihre Schönheit.
Bist du's? – Doch ja! Der weiße Arm, er blutet,
Verletzt von meinem mitleidslosen Schwert!
Was hast du angerichtet? Weißt du wohl,
Ich hätt' dich töten können, holdes Bild,
Beim ersten Anfall in der dunkeln Nacht?
Und Schade wär's, fürwahr, um so viel Reiz!
Wer bist du, doppeldeutiges Geschöpf?
Scheinst du so schön und bist so arg, zugleich
So liebenswürdig und so hassenswert,
Was konnte dich bewegen, diesen Mund,
Der, eine Rose, wie die Rose auch
Nur hauchen sollte süßer Worte Duft,
Mit schwarzer Sprüche Greuel zu entweihn?
Als die Natur dich dachte, schrieb sie: Milde
Mit holden Lettern auf das erste Blatt
Wer malte Zauberformeln auf die andern?
O geh! ich hasse deine Schönheit, weil sie
Mich hindert deine Tücke recht zu hassen!
Du atmest schwer. Schmerzt dich dein Arm? Ja, siehst du
Das sind die Früchte deines argen Treibens!
Es blutet! Laß doch sehn!
(Nimmt ihre Hand.) Du zitterst, Mädchen,
Die Pulse klopfen, jede Fiber zuckt.
Vielleicht bist du so arg nicht, als du scheinst,
Nur angesteckt von dieses Landes Wildheit,
Und Reue wohnt in dir und fromme Scheu.
Heb auf das Aug und blicke mir ins Antlitz,
Daß ich die dunkeln Rätsel deines Handelns
Erläutert seh' in deinem klaren Blick. –
Du schweigst! – O wärst du stumm, und jene Laute,
Die mir ertönten, fluchenswerten Inhalts,
Gesprochen hätte sie ein andrer Mund,
Der minder lieblich, Mädchen, als der deine.
Du seufzest! – Sprich! – Laß deine Worte tönen;
Vertrau' den Lüften sie, als Boten, an,
Sonst holt mein Mund sie ab von deinen Lippen.
(Er beugt sich gegen sie.)
(Man hört Waffengeklirr und Stimmen in der Ferne.)

Horch! – Stimmen!
(Er läßt sie los.)         Näher!
(Medea steht auf.)                 Deine Freunde kommen
Und ich muß fort. Des freuest du dich wohl?
Allein ich seh' dich wieder, glaube mir!
Ich muß dich sprechen hören, gütig sprechen,
Und kostet' es mein Leben! – Doch man naht.
Glaub' nicht, daß ich Gefahr und Waffen scheue,
Doch auch ein Tapfrer weicht der Überzahl,
Und meiner harren Freunde. – Leb' denn wohl.

Er geht dem Seiteneingange zu, durch den er gekommen ist. Aus diesem, so wie aus dem Haupteingange stürzen Bewaffnete herein, mit ihnen Absyrtus.

Absyrtus.
Zurück!

Jason.
        So gilt's zu fechten! – Gebet Raum!

Absyrtus.
Dein Schwert!

Jason.
        Dir in die Brust, nicht in die Hand!

Absyrtus.
Fangt ihn!

Jason (sich in Stellung werfend).
        Kommt an! Ihr alle schreckt mich nicht!

Absyrtus.
Laß uns versuchen denn!
(Stürzt auf Jason los.)

Medea (macht eine abhaltende Bewegung gegen ihn).

Absyrtus (zurücktretend).
        Was hältst du mich Schwester?

Jason.
Du sorgst um mich? Hab' Dank, du holdes Wesen,
Nicht für die Hilfe, ich bedarf sie nicht,
Für diese Sorge Dank. Leb' wohl, o Mädchen,
(Sie bei der Hand fassend und rasch küssend.)
Und dieser Kuß sei dir ein sichres Pfand,
Daß wir uns wiedersehn! – Gebt Raum!
(Er schlägt sich durch.)

Absyrtus.
        Auf ihn!
(Jason durch die Seitentüre fechtend ab.)

Absyrtus.
Ihm nach! Er soll uns nicht entrinnen!
(Eilt Jason nach mit den Bewaffneten.)

Medea (die unbeweglich mit gesenktem Haupt gestanden, hebt jetzt Kopf und Augen empor).
Götter!
(Ihre Jungfrauen stehen um sie.)

Der Vorhang fällt.


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