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Niemals fühlte ich mich so verlassen und verloren, als da ich am Sonntag morgen auf dem Bahnsteig des Waterloobahnhofes stand und auf den Sonderzug nach Southampton wartete. Die Reisenden waren von einer großen Menschenmenge umdrängt, von Freunden und Verwandten, die Abschied nehmen wollten, die mir aber alle fremd waren und von denen viele in sonderbaren, mir unbekannten Zungen redeten. Die Gepäckträger waren zu sehr in Anspruch genommen, als daß sie mir hätten Aufmerksamkeit schenken können, auch mußte ich für Roy sorgen.
Der Hund war sehr widerspenstig, zerrte an seiner Kette und stieß häufig ein kurzes, ärgerliches Bellen aus, wobei er seine gefährlichen Zähne zeigte, so daß sich die Leute in achtungsvoller Entfernung von mir hielten. Was ich angefangen hätte, wenn sich nicht ein Mann, ein feiner Herr, der mit starker Yankeebetonung sprach, unser angenommen und uns Plätze besorgt hätte, kann ich wirklich nicht sagen. Er überredete den Schaffner, zu gestatten, daß Roy bei uns im Wagen blieb, und eine Zeitlang war der Hund auch ganz artig. Warum ich mir diese Last mit Roy aufgeladen hatte, weiß ich selbst nicht recht, aber ich klammerte mich verzweifelt an ihn an, wohl aus keinem andern Grunde, als weil er Willie gehörte und das einzige lebende Wesen war, das mich mit meinem lieben vermißten Freunde verband.
Unser neuer Bekannter, kaum mehr als ein Jüngling, trug einen Strohhut und einen hellen karrierten Anzug. Handschuhe verschmähte er, aber an einem Finger trug er einen Diamantring, und in der Halsbindennadel funkelte ebenfalls ein großer Brillant. Mit seinem sommersprossigen Gesicht, seinem roten Haar und den kleinen wieselartigen Augen konnte man ihn nicht hübsch nennen, eher das Gegenteil, und doch lag ein Ausdruck der Güte, des Wohlwollens und der Ritterlichkeit in seinen Zügen, um den ein Mann vornehmerer Herkunft ihn hätte beneiden können.
»Dies scheint Ihnen etwas Neues zu sein,« sagte er, als sich der Zug in Bewegung setzte. »Sind Sie noch nie drüben gewesen?«
Mutter sah mich aus ihrer Ecke mit gerunzelter Stirn an, als ob sie mich vor diesem dreisten Fremden warnen wolle, aber ich war so sicher, daß er es gut meinte, und so dankbar für seine Freundlichkeit, daß ich lächelte und ihn weiter reden ließ.
»Sehen Sie, es gibt eine Masse großer Kröten in dieser Pfütze, und wer sich nicht darin auskennt, mag sehen, wie er damit fertig wird. Wir haben eine vornehme Gesellschaft im Zuge – Herzoge und Herzoginnen, vor allen aber diesen Krösus von einem englischen Kapitän.«
Mein Herz schlug stürmisch, als er diese Titel nannte, denn ich wußte, daß es die der Verschwörer waren, und ich fragte ihn etwas ängstlich, ob er welche von diesen Leuten dem Ansehen nach kenne. Natürlich wagte ich nicht, ihm zu sagen, wie tief sie mich interessierten.
»O, gewiß. Die ganze Bande. Da ist zunächst die Herzogin von Buona Mano. Der Titel ist italienisch, und es steckt nicht viel dahinter, aber sie ist eine erstaunlich feine Dame, groß und schön. Damit wird –sie wohl auch den Herzog eingefangen haben. Früher war sie auf dem Brettl – in irgend einem Bostoner Tingeltangel. Der Herzog sieht wie eine vertrocknete Wurzel aus und so schwarz, wie Sarsaparilla.«
»Und der Millionär?«
»Wood? Von dem haben Sie doch schon gehört, nicht wahr? Der junge englische Kapitän, dem alle die Millionen M'Faughts in den Schoß gefallen sind. Zu zeigen brauche ich Ihnen den wohl nicht; Sie werden ihn wohl vom Ansehen kennen?«
Wie sollte ich diese verfängliche Frage beantworten? War sie in aller Unschuld gestellt worden, oder hatte dieser Mensch irgend einen Verdacht? Ich schaute in seine etwas blaßblauen Augen, aber sie zuckten nicht mit einer Wimper, und ich erwiderte, daß ich, wie alle Welt, Woods Geschichte gehört hätte.
»Nach was Besonderem sieht er nicht gerade aus, könnte man sagen, wenigstens nicht für einen englischen Offizier. Paßt nicht zu seinem Vermögen – nicht ganz. Dieses ist ganz enorm, und es gehört etwas dazu, ihm angemessen aufzutreten.«
Als der Zug in Southampton ankam und wir ausstiegen, um uns nach der Landungsbrücke zu begeben, wo der kleine Tender zur Ueberfahrt nach dem großen Dampfer bereit lag, zeigte uns Mr. Rossiter (das war der Name meines neuen Freundes) die Persönlichkeiten, von denen er gesprochen hatte. Wir waren jetzt auf einen engen Raum zusammengedrängt und saßen einander fast auf dem Schoße, so daß es leicht war, einzelne zu beobachten, und ich wußte bald alles, was ich zu wissen wünschte.
Da war zunächst der Erzbetrüger, der Schurke, der es wagte, meinen lieben Willie vorzustellen, ein kleiner, vierschrötiger Mensch von gemeinem Aussehen in auffallender Kleidung, der eine dicke Cigarre rauchte und seine Nase sehr hoch trug, als ob Anmaßung und Hochmut zu der Rolle gehörten, die er spielte. Seine beiden Gefährten, die einzigen Leute, mit denen er verkehrte, waren der Herzog und die Herzogin von Buona Mano, wie mir mein Freund ins Ohr flüsterte.
Mit großen Augen und wild klopfendem Herzen starrte ich sie an. Hätte ich nur gewußt, was sie wußten! Sie waren mit Willie zusammen gewesen – waren wahrscheinlich die, die ihn im Viktoria-Dock zuletzt gesehen hatten.
Der Mann, ein kleines, krummes, an eine Schlange erinnerndes giftiges Männchen, war ohne Zweifel der Rädelsführer, einer der Hauptmacher der Verschwörung. Als ich in sein düsteres, fahles, rohes, finsteres Gesicht mit den matten, wilden, blutunterlaufenen Augen sah, zitterte ich bei dem Gedanken, daß ich meine Kräfte vielleicht mit den seinen messen sollte – daß ich, ein schwaches, hilfloses Weib, wahrscheinlich dazu berufen war, ihm die Larve vom Gesicht zu reißen und ihn zur Rechenschaft zu ziehen.
Welche Aussichten hatte ich im Kampfe gegen diese gewissenlosen, mörderischen, ihre Thaten mit kalter Ruhe vorbereitenden Schurken?
Etwas ermutigt fühlte ich mich indes, als ich die Frau betrachtete. Herzogin oder nicht, Mitschuldige und Verbündete oder nur unglückliches – freiwilliges oder gezwungenes – Werkzeug: ich wußte, daß sie, soweit es ihr ihre geringen Mittel erlaubt hatten, gütig gegen Willie gewesen war und ihm geholfen haben würde, wenn sie dazu im stande gewesen wäre. Sie war nicht ganz schlecht, dessen war ich sicher. Unbestreitbar eine schöne Frau, sehr groß mit einer prächtigen Gestalt und einem reizenden Gesicht trotz des traurigen, kummervollen, müden Ausdrucks, das Gesicht eines Weibes, das das Leid kennen gelernt hatte. Wurde sie vielleicht von einer nicht wieder gut zu machenden Vergangenheit gequält und verfolgt, die ihr jetzt verhaßt und unerträglich war, die sie aber nicht mehr abzuschütteln vermochte? Sie und ihr Gatte konnten nur wenig gemein haben. Sie sprachen auch kaum miteinander, und wenn sie es thaten, so schien sie der Mann anzuknurren, und wenn sie antwortete, so machte sie es so kurz als möglich. Wenn der falsche Willie Wood sie anredete, was er von Zeit zu Zeit that, ließ sie sich überhaupt gar nicht zu einer Antwort herab, und es lag auf der Hand, daß die Verschworenen keine sehr glückliche Familie waren.
Während ich diese Leute mit der gespanntesten Aufmerksamkeit betrachtete und mich sehr ernsten Gedanken hingab, wurde ich von meiner Kammerjungfer gestört.
»Bitte, Miß Frida, dieser schreckliche Hund quält mich fast zu Tode. Wie Sie dazu gekommen sind, den mitzunehmen, ist mir ein Rätsel. Ich werde nicht länger mit ihm fertig,« sagte sie in verdrießlichem Tone.
Bis jetzt war Roy ziemlich fügsam gewesen, und so hatte ich ihn, als wir an Bord des Tenders gegangen waren, der Jungfer überlassen. Vom Zug bis zur Landungsbrücke war er auch ganz gehorsam gefolgt, aber seit wir an Bord waren, hatte er eine ganz unerklärliche Unruhe an den Tag gelegt. Er begann damit, auf dem Deck umherzustöbern, wobei er seine Hüterin hinter sich herzog, denn er war sehr stark, und außerdem knurrte er so bedrohlich, daß sie ihm nachgeben mußte und sich schließlich an mich um Hilfe wandte.
Indem ich ihr die Kette aus der Hand nahm, versuchte ich, ihn zu beruhigen. In der Regel wurde ich ganz gut mit ihm fertig, denn er hatte sich schon seit den ersten Tagen unsrer Bekanntschaft an mich angeschlossen, und jetzt, seit Willies Verschwinden, schien er seine Neigung auf mich übertragen zu haben. Allein nun war es, als ob ich meine Herrschaft über ihn völlig verloren hätte; er wollte nicht ruhig bleiben, geschweige denn, sich mir zu Füßen legen, sondern verweigerte einfach den Gehorsam. Alles Mögliche versuchte ich mit ihm: ich sprach ihm mit weicher, kosender Stimme zu, ich schalt und klapste ihn, aber es nützte alles nichts. Er entfernte sich so weit von mir, als es die Länge seiner Kette erlaubte, als ob wir einander völlig fremd wären und er nur daran denke, sich bei der ersten Gelegenheit ganz von mir loszumachen.
In dem Augenblick, als unser Tender am großen Dampfer anlegte und ich mit meiner Mutter und unsern Siebensachen beschäftigt war, riß er plötzlich an der Kette. Diese glitt mir durch die Hand, und er lief sofort nach dem Bug des Tenders, wo ich ihn mit lautem, freudigem Gebell wie verrückt zwischen den Leuten umherlaufen sah, als ob er eine Herde zerstreuter Schafe in der Gebirgsheimat seiner Vorfahren zusammentreibe.
Schließlich sah ich, wie er die für die Reisenden zweiter Klasse vom Vorderteil des Tenders nach dem Dampfer gelegte Laufbrücke überschritt. Sehr geräuschvoll bahnte er sich den Weg und er war einer der ersten an der Leiter, die er hinaufrannte, um sofort in dem großen Schiffe zu verschwinden.
Sowie ich es Mutter an einem guten Plätzchen im Musikzimmer bequem gemacht und meine Jungfer angewiesen hatte, auszupacken, machte ich mich auf den Weg, um Erkundigungen nach dem Hunde einzuziehen.
»Ein Hund, Miß?« fragte ein vorübergehender Aufwärter. »Gehört er einem Reisenden? Dann wird ihn wohl der Schlächter haben. Wenn er nicht zu den Reisenden gehört, so dürfte er jetzt bereits in Wurst verwandelt sein, denn der erste Offizier ist verpflichtet, ihn hängen zu lassen.«
»Ich habe eine Fahrkarte für ihn gelöst, und vielleicht haben Sie die Güte, mich zu bescheiden, wo ich den Schlächter finde,« antwortete ich scharf. »Ich will dafür sorgen, daß der Hund gut untergebracht wird.«
»Das wird er, Miß, darüber seien Sie nur ohne Sorge, wenn er friedfertig ist. Ist er das nicht, so hat Sam Mc Killop eine schwere Hand, wenn er ein Tauende schwingt.«
Voll Besorgnis für Roy, dessen störrisches Wesen ihn in Ungelegenheiten bringen konnte, ging ich in größter Hast über das Deck, wobei ich meinen Weg mit Sorgfalt wählen mußte, um nicht mit allen möglichen Arten von schmutzigen Gegenständen in unliebsame Berührung zu kommen, bis jemand »Sam Mc Killop«, einen großen, starken Mann mit einem zottigen Bart und kräftigen nackten Armen, herbeirief.
»Hier bin ich. Wer ruft Sam McKillop? Sind Sie es, Madame?«
»Ich möchte wegen meines Hundes mit Ihnen sprechen, Mr. McKillop,« sagte ich freundlich, »eines goldbraunen Collie. Hört auf den Namen Roy.«
»Ja, ich weiß schon. Aber sagten Sie, es sei Ihr Hund, Madame? Ich dachte, er gehöre einem andern Herrn – dem, der ihn hierhergebracht hat.«
»Ich weiß nicht, wer das gewesen sein könnte; jedenfalls steht er unter meiner Obhut, und ich wollte Sie bitten, ihn gut zu behandeln und Geduld mit ihm zu haben, denn er ist manchmal etwas ungebärdig. Ich hoffe, er wird Ihnen nicht zu viel Mühe machen,« schloß ich, indem ich ihm einen Sovereign gab.
»O nein, Mühe wird er mir nicht machen, da können Sie unbesorgt sein. Er ist ja auch ganz sanft und ruhig. Wie ein Lämmchen kam er hinter dem Manne her, der ihn mir brachte.«
»Glauben Sie, daß das jemand war, der ihn eingefangen hatte? Ich möchte das gern wissen.«
»Mag sein. Aber mir schien er eher sein Herr zu sein, denn das Tier schien sehr an ihm zu hängen und legte sich auf seinen Befehl sogleich hin, als ob es ein alter Freund wäre.«
»Hat wohl wie ein verständiges Tier eingesehen, daß er einen Fehler begangen, und daß es am besten sei, sich ruhig zu verhalten, bis er mich wiedergefunden hätte. Wenn es Ihnen nicht viel Mühe macht, Mr. McKillop, möchte ich ihn, bitte, sehen.«
»Da drüben in der Hütte liegt er ganz behaglich in seinem Stroh und schickt sich in die Umstände – ein unzufriedener Christenmensch könnte was von ihm lernen.«
Ich folgte der angedeuteten Richtung, und da lag Roy bequem ausgestreckt in seiner Hütte. Sein schöner Kopf ruhte auf den Vorderpfoten, und er sah vollkommen zufrieden und glücklich aus. Bei meiner Annäherung schlug er kaum seine großen, schläfrigen Augen auf, aber es erschien doch ein Ausdruck des Wiedererkennens in ihnen, das von einem durch das Wedeln seines gewichtigen Schweifes hervorgebrachten Rascheln im Stroh begleitet war.
Diese vollständige Umwandlung in seinem Benehmen war eine angenehme Ueberraschung für mich, die mir selbst zu erklären ich jedoch keinen Versuch machte. Nachdem ich ihm einige Worte der Ermutigung gesagt hatte, verließ ich ihn, denn dringlichere Angelegenheiten riefen mich nach dem Achterdeck. Der Dampfer war bereits über den Schutzbereich des Landes hinaus, und unter der Wirkung eines rasch auffrischenden Sommersturmes nahm die Wellenbewegung erheblich zu.
Unter diesen Umständen zog ich vor, meine Koje aufzusuchen, wo ich mich bald in einem Zustand befand, der mich für alle weltlichen Angelegenheiten und das Fliehen der Zeit unempfänglich machte. Von den nächsten drei Tagen weiß ich weiter nichts mehr, als daß ich schwer zu leiden hatte. Wir alle waren erbärmlich seekrank – meine arme liebe Mutter, die Jungfer selbstverständlich und auch ich, obgleich ich bisher die See geliebt hatte.
Daß ich so vollkommen zusammenbrach, war ohne Zweifel die Rückwirkung der quälenden Sorge und Aufregung der letzten Tage vor der Abreise, und diese Sorge war jetzt so schwer als nur je, aber als ich die lähmende Stumpfheit der Seekrankheit abschüttelte und an Deck kroch, um mich in der herrlichen, ozonreichen Lust des Atlantischen Ozeans zu erquicken, fühlte ich mich wie neugeboren und besser im stande, ihr ins Auge zu sehen.
Irgend jemand holte mir meinen Deckstuhl, und das war mein Freund, Mr. Rossiter; irgend jemand stellte ihn in ein geschütztes Eckchen – abermals Mr. Rossiter; irgend jemand holte Decken, ein Buch und einen Aufwärter mit einer Tasse kräftigender Fleischbrühe, und derselbe jemand ließ mich in Ruhe, damit ich Gesundheit und Kraft Wiedergewinne – immer Mr. Rossiter, und ich segnete im Herzen die gütige, rücksichtsvolle Ritterlichkeit des Amerikaners.
Während ich träge dalag, begann ich, die mir am Herzen liegende Angelegenheit etwas schärfer ins Auge zu fassen und zu überlegen, in welchem Maße ich der Sache durch meinen tollen Entschluß gedient und sie gefördert hatte.
Schon in Hinsicht auf die erste Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, die, die Verschwörer zu überwachen hatte ich einen Mißerfolg zu verzeichnen. Mehr als drei Tage lang hatte ich nichts von ihnen gesehen, ich wußte nicht mehr von ihnen, als in dem Augenblick, wo ich an Bord gekommen war, und ich hatte keine klare Vorstellung, wie ich nach meiner Ankunft in New York am zweckmäßigsten handeln solle und welche Folgen die Schritte, die ich etwa that, haben könnten. Verzweiflung und Verzagen bemächtigten sich meiner, ich war vollkommen hoffnungslos, fühlte mich nutzlos und machte mir schwere Vorwürfe.
Und doch war das Licht näher, als ich ahnte.
Meine Blicke fielen auf Mr. Rossiter, der, Roy an der Kette führend, auf mich zukam.
»Hier ist einer, den wiederzusehen, Ihnen vielleicht Freude macht,« hob er freundlich an. »Ich habe die Erlaubnis erhalten, einen kleinen Spaziergang mit ihm zu machen.«
»Ist das Ihr Hund? Was für ein prächtiges Geschöpf?« sagte eine an meiner Seite sitzende Dame, und als ich mich umwandte, sah ich zu meiner großen Ueberraschung, daß es die Herzogin von Buona Mano war. Roy, ein ungeheuer eitler Hund, verstand diese Schmeichelei sehr wohl. Es war einer von seinen artigen Tagen. Feierlich und selbstzufrieden setzte er sich hin, gab die Pfote und machte alle seine kleinen Kunststückchen fast ohne Aufforderung, während er sich von der Herzogin, ohne den geringsten Widerspruch zu erheben, liebkosen und bewundern ließ.
Jetzt beugte sich diese mit einer raschen Bewegung begreiflicher Neugier auf sein Halsband hinab, was wahrscheinlich eine höfliche Art war, meinen Namen zu ermitteln, allein die Wirkung war ein Schreck für uns beide, denn als sie mit einer Ueberraschung, die nicht frei von Bestürzung war, zurückfuhr, fiel mir ein, daß dieses Halsband noch die Aufschrift: »Kapitän W. A. Wood im –ten Infanterieregiment« trug.
»Wer sind Sie? Was bedeutet …?« begann sie hastig, allein sie faßte sich sogleich wieder. »Also kennen Sie auch einen Kapitän Wood?« fragte sie mit großer Selbstbeherrschung. » Wir haben nämlich auch einen Herrn dieses Namens an Bord. Ich möchte wohl wissen, ob die beiden verwandt sind. Sie müssen mir gestatten, ihn Ihnen vorzustellen; er reist in unsrer Gesellschaft.«
Bevor ich antworten konnte, war ein Mann vor uns getreten, und eine unangenehme Stimme rief die Herzogin mit ihrem Namen an, aber in einer Sprache, die ich nicht verstand. Mit bereitwilligem Gehorsam, den ich mir durch den Wunsch erklärte, ihrem Gatten (denn natürlich war es der Herzog) die gemachte Entdeckung so rasch als möglich mitzuteilen, erhob sie sich. Aber als sie zusammen weggingen, sprach nur er, und aus dem Klang seiner Stimme und den Gebärden, womit er seine Worte begleitete, zog ich den Schluß, daß er ihr heftige Vorwürfe mache.
»Ja, er schilt sie,« bemerkte Mr. Rossiter, »und ich glaube, nicht viele Amerikanerinnen würden es sich gefallen lassen, so von ihren Männern angefahren zu werden. Er sagt ihr, sie hätte sich nicht mit Ihnen einlassen dürfen, da er ihr doch ausdrücklich verboten habe, solche Zufallsbekanntschaften zu machen. – Das war doch eben eine komische Geschichte mit dem Hund.«
»Was wissen Sie denn von dem Hunde?« fragte ich ganz erschrocken.
»Alles, Miß Fairholme – sogar noch mehr als Sie, wie ich vermute,« antwortete er, leise lachend.
»Ein Freund. Aber hier, wo wir von jedermann gesehen werden, können wir nicht sprechen. Fühlen Sie sich kräftig genug zu einem Spaziergang übers Verdeck? Dort hinten sind wir sicher, und die Leute werden annehmen, wir wollten dem Hunde etwas Bewegung machen.«
Bereitwillig folgte ich ihm, und was er mir sagte, trug sehr zu meiner Beruhigung bei. Dieser Mr. Rossiter, der so aufmerksam gegen mich war, war Mr. Snuyzers Genosse und Vertreter, der von diesem beauftragt war, seine Stelle einzunehmen, falls er – Snuyzer – verhindert sein sollte, unsern Dampfer zu benutzen.
»Ich bin ebenfalls Beamter bei Saraband, wenn ich auch noch nicht eine so hohe Vertrauensstellung einnehme, wie Snuyzer. Der ist ein Haupthahn und hat sich seine Stellung durch viele mit ungewöhnlicher Geschicklichkeit durchgeführte schwierige Geschäfte erworben. Ich bin noch Anfänger, habe aber gute Aussichten. Unsre Angelegenheit ist jetzt im richtigen Fahrwasser, und bevor Sie dieses Schiff verlassen, vielleicht schon ehe noch viele Stunden vergehen, kann ich Ihnen einige ganz wunderbare Ueberraschungen versprechen, aber Sie müssen sich gedulden, bis der rechte Augenblick gekommen ist.«
Worte, ihm zu danken, fand ich nicht, und vor Erwartung bebend, aber doch geduldig, zufrieden und entschlossen, diesem neuen und höchst unerwarteten Bundesgenossen zu trauen, kehrte ich auf meinen Platz zurück.