Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Italien und Rom.
Italien stand anfangs in einem ebenso untergeordneten Verhältniß zu Rom, wie das der Provinzen ihm gegenüber ein weniger begünstigtes war. Erst nach den blutigsten Kriegen waren durch die Lex Julia und Plautia Papiria (in den Jahren 90 und 89 v. Chr.) die italischen Städte in den Bürgerverband Roms aufgenommen worden. Augustus hatte dem wirtschaftlichen Verfall und der Entvölkerung des Landes abzuhelfen gesucht, indem er 28 Colonien einrichtete und ganz Italien in elf Regionen einteilte. Der Grundcharakter Italiens blieb die freie Städteverfassung.Savigny, R. Gerichtsv. II, 16 f. Volk und Senat waren die politischen Bestandteile in seinen Municipien und Colonien. Das oberste Amt bekleidete ein Duumvir oder Quatuorvir gleich einem Consul ein Jahr lang. Er hatte die Civil- und Criminaljustiz, doch konnte der Verurteilte an die Comitien und später, als sich seit Hadrian die Rechtslage der italienischen Städte änderte, an die kaiserlichen Beamten appelliren. Die Kaiser selbst nahmen bisweilen das Ehrenamt städtischer Magistrate an.Ganz dasselbe thaten im Mittelalter die Päpste, welche sich zu Podestaten in Städten des Kirchenstaats wählen ließen. So war Hadrian Demarch in Neapel, Quinquennalis in Hadria, Dictator, Aedil und Duumvir in Städten Latiums und Prätor in Etrurien.Spart, c. 19.
Allmälig zehrte die Monarchie die Selbständigkeit des italienischen Gemeindewesens auf, welche das Gesetz Cäsars, die Lex Julia municipalis gewährleistet hatte; der Kaiser bemächtigte sich des Einflusses auf die Gemeindeverwaltung. Hadrian veränderte sogar die ganze Stellung der Städte Italiens, indem er auch dieses bevorzugte Mutterland Roms den Provinzen gleichstellte; denn er teilte Italien in vier Districte und übergab in diesen die Rechtspflege, welche den Communalmagistraten genommen wurde, vier Consularen. Ausgenommen war nur der District, worin Rom lag; er blieb wie bisher unter der Gerichtsbarkeit des Prätor Urbanus.Spart, c. 22. Jul. Capitolin., Anton. Pius c. 2. Appian, Hist. Rom. I, 38. Marc Aurel machte aus den vier hadrianischen Districten mehrere und ersetzte die Consularen durch Juridici von prätorischem Range.Jul. Capitolin., M. Antonin, phil. c. 11. Orelli 1178. 3148. Gruter 1090, 13. Dadurch wurde die städtische Jurisdiction sehr beschränkt und endlich, wie in den Provinzen, den Statthaltern untergeordnet, ohne daß an der herkömmlichen Municipalverfassung etwas Wesentliches geändert wurde. Kaiserliche Curatoren beaufsichtigten schon seit Nerva die Gemeindekasse.Kuhn II, 29, 217.
Auch die Stadt Rom erlitt ein ähnliches Schicksal, denn schon mit Augustus hörte ihr großes politisches Leben auf. Die Monarchie setzte an die Stelle der Rechte des Volks die nur scheinbar zwischen Senat und Princeps geteilte, in Wahrheit im Alleinherrscher vereinigte Staatsgewalt. Der fortdauernde Ausstrom der Lebenskräfte Roms in die Welt hatte das Bürgertum der Hauptstadt erschöpft und der Zustrom der Provinzen ihr Volk erneuert. Es war römisch, weil es die Stadt bewohnte, aber als ein Auszug so vieler Nationen, Sprachen und Religionen stellte es das in einen Ramen gefaßte Totalbild der Monarchie dar. Die Majestät der Stadt spiegelte sich noch in allen andern Städten des Reiches wieder, und die ausgelebten Formen der republikanischen Vergangenheit waren noch die Stempel der Gesetzmäßigkeit, welche sie der Welt aufdrückte. Wenn die Kaiser Städten im Reich das Bürgerrecht verliehen, wurden diese noch immer einer der Tribus Roms zugeteilt.Die Kaiser ließen neue Bürger und mit der Civitas begabte Städte in die Tribus einschreiben, welcher sie selbst angehörten, so die Flavier in die Quirina, Trajanus in die Papiria, Hadrian in die Sergio. Kubitschek, De romanar. tribuum orig. et propagat. in Abhandl. des arch.-epigr. Seminars der Univers. Wien, S. 78. Die Tribus, so schrieb Ammianus Marcellinus im 3. Jahrhundert, sind längst müßig, die Centurien sind schlafen gegangen und die Wahlkämpfe haben aufgehört; aber so weit die Erde reicht, wird Rom als Gebieterin und Herrin betrachtet und der Name des römischen Volkes verehrt.L. XIV, 477.
Die Stadt Rom war noch als Kaisersitz das Centrum aller das Reich regierenden Gewalten, der Sammelplatz und Markt aller Schöpfungen der gebildeten Menschheit. Ihre Einwohnerzahl hat wol unter Hadrian und den Antoninen die höchste Ziffer erreicht, aber sie läßt sich nur annähernd auf 1½ Millionen angeben.Friedländer (I, 51) bekennt, daß die Frage nach der Einwohnerzahl Roms mit den jetzt bekannten Daten nur hypothetisch beantwortet werden kann. Pietro Castiglioni (Della popolazione di Roma, Monograf. della Città di Roma 1878, II, 251) nimmt unter Claudius an 950,000 Freie und bis 350,000 Sclaven. Wenn man von dieser Summe die Peregrinen und die Sclaven abzieht, deren Masse mehr als den dritten Teil ausgemacht haben muß, so bleibt die römische Bürgerschaft mit ihren drei Classen zurück, dem Stadtvolk, den Rittern und Senatoren. Da sich diese beiden Stände im Besitze der Staatsämter und auch der Landgüter befanden, und die bürgerlichen Erwerbsquellen durch die Sclavenarbeit geschmälert wurden, sank ein großer Teil des Stadtvolks in den schmachvollen Zustand des auf Staatskosten gefütterten Proletariats herab. Schon Cäsar hatte die Zahl der Getreideempfänger auf 150,000 herabgesetzt, doch stieg sie noch höher.Unter Augustus 210,000, unter Septim. Severus 160,000 Bürger und 40,000 Prätorianer. Die wichtigste Angelegenheit der Stadt war daher ihre Versorgung durch die Getreideflotten von Africa, Aegypten, Sicilien, Sardinien und Gallien. Der praefectus annonae war einer der angesehensten Beamten des Reichs. O. Hirschfeld, die Getreideverwaltung in der röm. Kaiserzeit, Philol. XXIX.
Wie jeder andre Kaiser, hat auch Hadrian den römischen Pöbel mit Brod und Spielen beschwichtigt. Er ist freilich mit öffentlichen Lustbarkeiten nicht so verschwenderisch gewesen wie Caligula und Domitian oder wie der siegestrunkene Trajan, aber er hat doch bisweilen 100 und selbst 1000 wilde Thiere jagen lassen. Er warf bei Spielen die herkömmlichen Geschenke unter das Volk aus. Trajan zu Ehren ließ er, was übrigens sehr gewöhnlich war, Balsam und Crocus von den Stufen des Theaters fließen. Der Matidia und Plotina hielt er eine großartige Leichenfeier. Er liebte Schauspiele aller Art und Gladiatorengefechte. Nie verbannte er aus Rom einen Thierjäger oder einen Schauspieler, und wo gab es sonst eine bedeutende Stadt, in welcher er nicht Festspiele veranstaltete? Kein Kaiser hat deren so viele ins Leben gerufen oder erneuert. Seine Olympien bezeugen es. Mit dem Recht sie zu feiern hat er Städte in Griechenland und Asien begabt. Da diese Spiele mit dem Kultus seiner eigenen Göttlichkeit zusammenhingen, so sind sie zugleich die stärksten Zeugnisse der grenzenlosen Eitelkeit Hadrians. In Rom sind solche Olympien nicht gefeiert worden.
Das römische Volk behandelte Hadrian aus demselben Gesichtspunkt wie Trajan, und von diesem hat Fronto so geurteilt: »Ich halte es für eine weise Politik, daß der Fürst weder Schauspiele noch Circus und Arena vernachlässigte, weil er wol wußte, daß die Römer besonders durch zwei Dinge, die Getreideausteilung und die Spiele, gekirrt werden; daß die Vernachlässigung des Wichtigen großen Schaden, des Frivolen größeren Haß bringt; daß die Menge hungriger ist nach Spielen als nach Brod, weil durch Congiarien nur der berechtigte Getreidepöbel, durch Schauspiele aber die ganze Masse zur Ruhe gebracht wird.«Fronto, Princ. Hist., S. 249 (ed. Niebuhr). Diese Ansicht erinnert an das Wort, welches ein Pantomime dem Augustus sagte: »Wisse, Cäsar, daß es für dich sehr wichtig ist, wenn sich das Volk mit mir und mit Bathyllus beschäftigt.« Es ist gezeigt worden, wie Hadrian das Heer durch ungewöhnliche Spenden, das Volk im Ganzen durch den großen Schuldenerlaß zu gewinnen gesucht hat. Auch die milden Stiftungen des Nerva und Trajan für Knaben und Mädchen hat er erweitert, indem er befahl, daß jene bis zum 18., diese bis zum 14. Jahre verpflegt werden sollten.Digest. XXXIV, 1. 14. Die Zeit dieses Erlasses ist ungewiß. Ein praefect. aliment. verbunden mit der Wegecuratel zuerst unter Hadrian C. I. L. II, 4310 f. Als allgemeine Behörde beginnen diese Präfecten wahrscheinlich erst unter Commodus. Hirschfeld, Unters. auf dem Gebiet der röm. Verwalt. I, 114 f. – Ueber jene Stiftungen Henzen, Tab. aliment. Baeb. in Annal. d. Inst. 1845.
Die Liberalitas, welche auf Kaisermünzen prangt, ist nur zu oft die verlarvte Dienerin der Despotie gewesen und immer das Zeugniß einer zu ungleichen Verteilung der irdischen Güter. Aus dem Staate Platons würde sie zu allererst ausgewiesen worden sein. Indeß wenn auch die Mittel, welche die besten Kaiser Roms zur Tilgung des öffentlichen Elends anwendeten dieses nicht heilen konnten, so bewiesen sie doch eine wachsende Humanität bei wachsender Erkenntniß, daß es die Pflicht des Regierers ist, die Leiden der Menschen zu mindern.