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Zwanzigstes Kapitel. Käthi macht einen entschiedenen Fortschritt, beginnt Unterhandlungen, übernimmt eine Gesandtschaft

Ungsinnet kam ihr der Johannes heim, nicht geheilt, bloß mit dem Troste, er solle nur Geduld haben, es werde schon noch bessern; die Wirkungen eines Bades kämen erst hintenher, akkurat wie das Gras nach einem Regen. Ach, was die gute Käthi für ein Mitleid hatte mit dem Sohne, was er werde ausgestanden haben, wie schlecht er aussehe; aber das dünke sie nicht anders, man lebe da unten so schlecht, sie hätte gehört, da habe man nichts zu essen als abgeschweizte Rüben und gekochte Kabisstorzen. Johannes war wohl, daheim zu sein, rühmte, wie es ihm da unten nicht schlimm ergangen, nicht halb so bös, als die Mutter denke. So in einem Bade kämen gar viele Menschen zusammen, sagte er, von den Vornehmsten, wo man finden wolle, daß alles um und um glitzere von Gold und Seide. Aber er hätte nicht geglaubt, daß unter ihnen noch so viel Vernünftige wären, welche sich darum kümmerten, wie es anderen Menschen sei, und die sich nicht für zu vornehm hielten, nachzufragen. Ein alter Herr mit einem grauen Schnauz hätte sich viel mit ihm abgegeben und ihn gebraucht. Da habe er verdient, daß es ihm nicht übel gegangen sei und ohne Geld er nicht heimkomme, so daß die Mutter einstweilen nicht zu kummern brauche wegen der Erdäpfel, mit welchen es so schlecht stehe. Johannes war ganz verwundert, als er die Mutter das Ding so halb und halb leichtfertig nehmen sah und sie nicht recht an die Krankheit glauben wollte.

Johannes wunderte sich über die Redeweise der Mutter. Er dachte, sie werde sich Zwang antun seinetwillen, um ihm mit Kummern seine Lage nicht peinlicher zu machen. Er sagte, er sei müde, und ging zu Bette, weil es ihn jammerte, so ohne Aussicht wieder dazusein. Käthi wars nicht recht, daß der Johannes schon zu Bette wollte; das Bubi schlief, und spät wars nicht. Indessen, Käthi ließ ihn gehen.

Am nächsten Morgen besichtigten sie die Pflanzungen, und es war der Johannes, welcher über das Abdorren der Erdäpfelstauden am meisten jammerte. Das werde bös kommen, sagte er, es sei an allen Orten gleich schlimm, bis in die höchsten Bergtäler hinauf.

»Du mußt nicht jammern, Johannes«, sagte die Mutter, »der alte Gott lebt noch, und hat er bis hierher geholfen, so wird er weiter auch helfen; ungsinnet kann er einen darausnehmen, wenn man am tiefsten darin ist. Sieh, wir haben schönen Flachs, bsunderbar schönen, man sieht nicht schönern. Morgen wollen wir ihn ziehen, und geht nichts darüber, so gibt das eine schöne Handvoll Geld, daß der Hauszins uns wenig Kummer machen soll. Und dann ist noch was begegnet, während du fort warst. Ich wollte es dir schon gestern erzählen, aber du wolltest zu Bette, du kannst nicht erraten was.« »Wie sollte ich, Mutter«, sagte Johannes. »Denk«, sagte sie, »deine Meisterfrau hat geschickt. Sie hatte nicht gewußt, wie übel es dir gegangen. Die Beselise hat es ihr gesagt. Da sandte sie auf der Stelle eine Jungfrau mit einem Säcklein voll Sachen und zwei Fünfunddreißiger in einem Papier, denk, zwei; ich will sie dir zeigen, wenn wir heimkommen, ich habe sie in den Strumpf getan. Ich habe mich schämen müssen gar erschrecklich, daß ich mich so an der Frau versündigt habe und gemeint, wie das eine Wüste und eine Böse sei. Du mußt auch im Fehler gewesen sein, Johannes, und geredet haben, was nicht recht war.« »Ja, Mutter«, sagte Johannes. »Aber sie hätte witziger sein sollen, und ich wollte nicht, daß es anders gegangen wäre. Ich habe viel gelernt unterdessen, und wäre ich Euch nicht zur Last gewesen, so wollte ich sagen, es sei recht gut gegangen. Es gingen mir hier über manches die Augen auf, was ich sonst wahrscheinlich nicht gesehen hätte. Und wenn es nur Gottes Wille wäre, daß ich wieder verdienen könnte, so wollte ich von Herzen zufrieden sein. Aber jetzt muß gsinnet werden, was ich anfangen soll, so kann das nicht gehen. Wer weiß, wie lang es geht, bis ich den Arm wieder ordentlich brauchen kann wie ehedem, doch wahrscheinlich nie mehr.«

»Ja, du kommst mir gerade recht, ich wollte noch was mit dir reden, ich habe unterdessen auch gsinnet und gedacht an dich«, sagte Käthi und erzählte nun Johannes von der Jungfrau, welche das Geschenk gebracht, wie die ihr so ausnehmend wohl gefallen von wegen der Hübschi und der Manierlichkeit und wie sie doch so ehrbar dahergekommen, sie könne gar nicht sagen, wie. Das Mädchen habe ein schön Vermögen, fünfzig Taler, und sie glaube nicht, daß es gelogen, daneben könne man so etwas bestimmter vernehmen. Nun hätte sie gedacht, er solle das Meitschi heiraten, sie glaube, es nehme ihn, und dann das Korben lernen. Fünfzig Taler seien ein schöner Anfang; wenn sie je so viel gehabt, es wüßte niemand, wie weit sie es damit gebracht hätten. Die Frau könnte ihm helfen oder aber die Körbe vertragen. Hier seis der beste Ort für das Korben, hier am Schachen, wo Weiden genug seien, dann könnte er auch die obrigkeitlichen empfangen der Straße nach. Das sei eine Arbeit unterm Dache, welche er vertragen möchte, und schon mancher Korber sei zu Geld gekommen und hätte keinen solchen Anfang gehabt. »Und du glaubst gar nicht, was das für ein Meitschi ist, es wollte mir seither gar nicht aus dem Sinn.«

»Aber Mutter«, meinte Johannes, »wenn das Meitschi ist, wie Ihr sagt, so nimmt sie mich nicht; herrje, das muß ein anderer Kerli sein! Das Korben aber wär nicht das Dümmste, es gefiele mir nicht übel, und ganz unbekannt ists mir nicht. Ich habe in den langen Wintern gar manchen Korb gemacht, die feinsten nicht aber sie hielten doch, und das ist die Hauptsache; das andere, wenn es sein muß, ist dann bald gelernt.« »Wegem Meitschi habe nicht Kummer«, sagte Käthi, »das ist gar nicht wie ein anderes, sondern ganz anders.« »Mutter, wenn das Meitschi ist, wie Ihr sagt, so muß das was Wurmstichiges sein, sonst hätte es ja längst einen Mann und wäre nicht mehr Jumgfere.«

»Gerade solche«, sagte Käthi eifrig, »bleiben am längsten ledig; die tun nicht so nötlich, wie wenn es nur heute gut wäre und sonst nie mehr. Die wollen auslesen, und es pressiert ihnen nicht; die denken, sie fänden immer noch einen Mann, wenn es sein müßte. So eine Hübsche mit einem solchen Vermögen – denk, Johannes! Und vielleicht gibt es noch mehr, einen Deut davon ließ sie fallen.« »Mutter, die nimmt mich nicht«, sagte Johannes, »Körbe und Besen tragen tut keine, wenn sie es anders machen kann.« »Körb und Bese trage ist keine Schande«, sagte Käthi unwillig. »Was fragt die übrigens Körb und Bese nach! Der Mann ist dere die Hauptsache, glaubs doch, Johannes! Das ist eine ganz Andere als die anderen, nicht so ein eitel, gedankenlos Ding, wie man sie sonst hat! Geh selbst und schaus, das ist das Best. Du kannst zu gleicher Zeit der Frau danken für ihre Guttaten, und wenn es dir befällt, so redet sie dir noch z'best beim Meitschi.« »Nein, Mutter«, sagte Johannes, »das mache ich nicht, der Frau darf ich einstweilen noch nicht unter die Augen, mag mich nicht vom andern Gesinde auslachen lassen, und mit dem Meitschi ist es nichts, zähl darauf! Möchte mir keinen Korb holen, daß ich zu allem Unglück noch zum Gespött würde. Aber wenn Ihr meint, es schicke sich, wenn man gehe und der Frau danke, so geht Ihr, ich will gaumen. Ihr seht dann selbst am besten, wie die Sachen stehn, ohne daß Ihr mit dem Holzschlegel an die Wände zu schlagen braucht.«

Johannes wollte nicht den Namen haben, aber der Funke hatte doch gezündet, das Mädchen stach ihm im Kopfe. Wenn alles so war, wie die Mutter sagte, so hätte er wirklich lieber heute angebissen als morgen. Aber er wollte den Schein nicht haben, er hatte es wie hie und da Söhne, welche die Mütter verheiraten möchten. Die Mutter werde schon reden, dachte Johannes, und wenn es fehle oder ihm allfällig nicht gefalle, so könne ihn niemand hineinziehen und ihm was anhängen.

Der Mutter dagegen war dieser Gedanke, dieser Plan so in den Kopf gewachsen, daß sie sich wirklich zu der Reise entschloß, man denke! Doch wollte sie ohne Johannesli gehen und nicht an einem Sonntage. Die Tage seien lang, sagte sie. Zeitlich am Morgen sei sie dort, könne vor dem Mittagessen wieder fort, damit die Frau nicht meine, sie komme deswegen. Was sein solle, das müsse sein, und wenn es morgen schön Wetter sei, so mache sie sich auf die Beine, aber dem Bubi müsse man nichts sagen, sonst wolle der mit.

Am andern Morgen war es wirklich schön Wetter, und Käthi machte sich auf in aller Kühle. Junge, lustige Gedanken sind Flügel sie tragen alte Beine davon, als ob es junge wären. Und was gibt es in eines Weibes Herz für lustigere Gedanken als Heiratsgedanken, absonderlich in einem Mutterherz!

Käthi war des Glaubens voll, fehlen könne es nicht. Das Mädchen, wenn es das sei, wofür sie es ansehe, werde mit beiden Händen nach dem Johannes greifen, dachte sie. Aber wie bei der Bäurin einrücken: mit der Tür ins Haus oder hintenum? Das beschäftigte die gute Käthi stark, denn auf die Manier kommt gar viel an, das wissen die Diplomaten gut und müssen sich manchmal fast den Kopf zerbrechen, um die beste herauszukriegen, besonders wenn sie was Krummes gerade machen sollen.

Käthi erwog die Gedankenreihe sehr, welche sie bei der Bäurin in Worte kleiden wollte. Erst kam natürlich der Dank, dan frug es sich: sollte sie so hintenum nach dem Mädchen sich erkundigen oder geradezu die Frau um Rat und Fürsprache ersuchen usw.? Käthi neigte sich zur feinen Manier, zum Hintenum. Käthi kriegte Anfälle von Mucken und dachte, sie wolle schon herauslocken, was sie möchte, ohne daß die Bäurin was merke. Indessen war Käthi doch noch nicht zu einem festen Entschluß gekommen, als sie schon am Ziel ihrer Wanderschaft war. Sie traf es sehr gut. Die Bäurin war alleine daheim, besorgte die Haushaltung, rüstete eben Bohnen auf der Bank vor dem Hause. Käthi ward alsbald erkannt, freundlich empfangen und konnte nicht anders als sagen, sie sei expreß gekommen, um zu danken. Es hätte sie und den Johannes gedünket, es hätte keine Art, wenn nicht eins von ihnen den Weg unter die Füße nehme, um zu sagen, wie groß ihr Dank sei und wie das Geschenk viel zu groß gewesen; sie hätte sich verköstigt, daß es über alles Maß gehe. Der Johannes wäre selbst gekommen, aber das Bad hätte ihn angegriffen, und weit laufen dürfe er nicht. Nun erzählte sie von Johannes, wie er sich geändert und jetzt so gut sei gegen sie, ihr alles tue, was er ihr an den Augen absehen könne, er sei gar nicht mehr der Gleiche.

»Und was will er jetzt anfangen?« frug die Frau. »Das ists eben«, sagte Käthi, »was uns Kummer macht und viel zu sinnen gibt. Es kam mir in Sinn, er sollte das Korben lernen und weiben, und ihm gefällt es auch nicht übel. Korben ist eine gute Profession und er kann sie verrichten, und Körbe sind Sachen, welche man immer braucht; die Frau könnte helfen und die Körbe vertragen, ich will die Haushaltung machen und pflanzen, und wenn so alles einander hülfe und die Frau Vermögen hätte zum Anfangen, so könnte man es weit bringen.« »So«, sagte die Bäurin, »meinst? Habt ihr eine im Spiel?« Ja, da war die Diplomatik aus, das Hintenum und das unvermerkte Ausfragen, und stotternd anfangs rückte Käthi mit der Hauptsache heraus. »Eben deretwegen bin ich eigentlich gekommen, darfs aber schier nicht sagen. Das Meitschi, welches die Sache brachte, dein Jungfräuli, hat mir bsunderbar wohl gefallen, so ein Manierlichs und Ehrbars ist mir lange nicht vor die Augen gekommen; dem sieht man es von weitem an, daß es von rechten Leuten herkommt, und scheint arbeitsam zu sein und anschlägig, und wie es gesagt hat, hat es ein schön Vermögen. Fünfzig Taler, hat es gesagt, habe es, und vielleicht könne es noch erben, hat es gesagt, aber bestimmt sei es nicht, und ich kann nicht glauben, daß das Meitschi gelogen hat.« Da hielt Käthi an, eine Antwort gewärtigend.

Als die gute Frau Käthis Projekt hörte, Bäbeli zur Korberin zu machen und Hausiererin, da hatte sie ein Lachkrampf ergriffen, der sie fast von der Bank aufhob und in einen Husten überging, der sie hochrot im Gesichte machte, daß Käthi lange auf eine Antwort warten mußte, denn allemal, wenn sie ein Wort sagen wollte, kam der Husten wieder. Endlich sagte sie: »Eher mehr als weniger; aber rede nur, es kam mir was in den Hals.« »Besser als mit dem Johannes kann es das Meitschi nicht machen«, fuhr Käthi fort. »Ein Hübscher ist er immer noch, ein Guter dazu, und wenn er einmal was ergriffen hat, so ist er bald darin Meister. Und gut hätte es eine bei uns, hundertmal besser als so bei einem Schuldenbäuerlein. Sein Geld brächte die Sach in Gang. Der Gemeinde hat Johannes vier Taler zu zahlen, zehn brauchte er als Lehrgeld, ein Vierteljahr müßte er doch noch zu einem Meister, mit vier oder fünf Talern könnte man ein zweiräderig Handwägelein anschaffen, daß das Fraueli die Körbe leichter fortbrächte« (die Bäurin hustete gräßlich, zum Ersticken); dann blieben immer noch dreißig Taler übrig. Sie sei gut dafür, wenn Gott sie gesund ließe, so gehe nicht manch Jahr vorbei, so hätten sie ein Vermögen beisammen, sie gäben es nicht um hundert Taler. Aber Johannes sage, »das Geld sei gut, aber nicht alles, und wenns ein Mädchen sei, wie ich sage, so sei vielleicht was Wurmstichiges da, sonst hätte es bereits einen Mann. Ich habe ihm gesagt, gerade solche Meitschi blieben am längsten ledig, weil sie nicht so nötlich täten und ohne alles Bedenken jedem Mannebein nachspringen.« Aber er sei wunderlich darin, und sie könne es ihm nicht übel nehmen, gebrannte Kinder fürchteten das Feuer. Da habe sie gedacht, die Bäurin könnte am besten darüber Auskunft geben; wenn was Schlechtes an ihm wäre, so hätte die das Meitschi sicher nicht ins Haus genommen.

»Was das betrifft«, sagte die Bäurin in Absätzen, »so braucht da niemand Kummer zu haben; wenn sie alle wären wie das, so müßte das nichtsnutzige Mannevolk sich bessern oder hängen, eins von beiden.« »He nun, so dann«, sagte Käthi, »ich dachte es doch, es gefiel mir nicht bald ein Weibervölkli besser als das. Ich muß fragen: wäre es erlaubt, mit ihm zu reden? Ich mag nicht warten, bis ich die Sache richtig habe, dann will ich gerne sterben.« Die Bäurin hustete wieder, doch nicht ganz in gleichem Tone, dann sagte sie: »Es ist mir leid, heute gibt es sich nicht, ich habe das Meitschi fortgesandt, mir was zu verrichten; es kommt erst spät abends wieder, und das wird dir zu lange gehen, um zu warten. Aber wenn du willst, so will ich mit ihm reden und kann dann Bescheid machen. Allweg wird es den Johannes erst sehen wollen, so die Katz im Sack wird ein Meitschi wie Bäbeli und mit fünfzig Talern Vermögen (da kam der Frau das Husten wieder an) nicht kaufen wollen.« »Das wird sein«, sagte Käthi, »aber was meinst du, nimmt es ihn, oder hats vielleicht schon einen andern? Ich hätte es nicht meinen sollen, so wie es getan.« »Ja«, sagte die Bäurin, »da hast du zu viel gefragt. Du weißt, solche Meitscheni sagen es nicht zu allererst der Meisterfrau, wenn sie einen haben; gemerkt habe ich nichts. Im Gegenteil, es tut, als wenn ihm Sterben und Heiraten auf eins herauskäme. Aber du weißt, gerade solchen ist am wenigsten zu trauen, und wenn ihnen der Rechte vor die Augen kommt, so nimmt es sie wie die Fliegen.« »Selb hast recht, man kann sich oft gar nicht auf sie verstehen. Aber es wäre mir an der Sache grausam gelegen, und wenn du ein gut Wort einlegen kannst, so machs doch recht; du weißt ja, mit einem guten Worte kann man oft viel machen, und wenn du z'best redst, so tuts das Meitschi.« »Weiß nit, weiß nit«, sagte die Bäurin. »Meitscheni tun oft das am liebsten, was man ihnen am meisten wehrt. Einreden will ich darum nicht. Aber reden will ich mit dem Meitschi, wenns heimkommt. Es kann sich die Sache überschlagen, und wenn es weiß, was es will, so soll es dir Bescheid machen. Aber so geschwind geht es nicht, darauf zähle! Habe also nicht Langeweile und denke, ich habe es dir versprochen, daß du es vernehmen sollest.«

»Wie du meinst«, sagte Käthi, »und Dank sollst du haben für den guten Bescheid. Aber pressieren täte es mir doch, von wegen, wenn Johannes das Korben lernen will, so sollte er diesen Herbst daran hin. Du weißt, das Korben geht im Herbst am besten, es kostet auch am wenigsten Lehrlohn.« »Wie gesagt«, sagte die Bäurin, »du sollst Bescheid haben; aber gar zu nötlich darf man dem Mädchen doch auch nicht tun, es faßt sonst Verdacht und meint, es sei was Besonderes dahinter.« »Hast wohl recht«, sagte Käthi, »aber kannst ihm ja sagen, was es sei, und vorstellen, wie gut es es haben werde.« Das sei alles gut, sagte die Frau, und sie wolle es ausrichten, und möglich sei es, daß dem Meitschi die Sache gefalle; daneben wisse sie es nicht, und zu stark dareinmischen tue sie sich nicht, Käthi hätte gehört warum. »He ja«, sagte Käthi, »aber mit einem Worte kann man manchmal sehr viel machen.« »Allweg«, sagte die Bäurin, »aber komme jetzt hinein, du wirst hungrig und durstig sein, und halte es nicht für ungut, daß ich dich nicht früher kommen hieß, aber ich mußte fertig machen.« Wie Käthi sich sträubte, die Bäurin blieb Meister und bewirtete Käthi brav, doch mit einem gewissen Wesen, welches eben nicht langes Säumen zuließ und welches, wo es sich zeigt, immer sehr fühlbar wird.

Als sie abgegessen hatte, konnte Käthi nicht anders als Abschied nehmen, und die Frau hielt sie nicht. Es wurmte Käthi zwar etwas, zu gehen, ehe das Volk vom Felde kam, denn das übliche Mißtrauen wollte sich in ihr regen, das Mädchen könnte doch daheim sein, die Bäurin sie nur abschüsseln wollen, damit sie nicht zusammenkämen. Beinahe wäre sie hinterm nächsten Zaune liegen geblieben und hätte gelauert, bis das Volk zum Essen kam. Käthi jedoch tat es nicht, und wenn sie es getan hätte, so würde sie wirklich gesehen haben, daß das Meitschi nicht da war, die Frau insoweit die Wahrheit geredet hatte.

Als Käthi fort war, wußte die Bäurin wirklich nicht, sollte sie lachen oder weinen, denn gar zu merkwürdig kam ihr die Sache vor. Sie dachte an das Sprichwort, daß wenn es geordnet sei, daß zwei zusammenkommen, weder Berg noch Tal, weder Mensch noch Teufel es hindern könnten. Es sei vom Meitschi eine strenge Sache, zu meinen, es müsse ein halblahm Knechtlein haben, welches es nur einmal gesehen habe. Das Meitschi hat bös, lieb hats niemand, niemand gönnt ihm was, am wenigsten einen Mann, hätten es am liebsten im Kirchhof und sein Geld im Sack. Und wenn einer von weitem dem Hause nahekommt, so wird er geplagt, in den Brunnen geworfen oder ins Mistloch, so daß das Meitschi ganz verlassen ist, und dazu ist der Bruder noch sein Vormund. Natürlich ist, daß ein Meitschi lieber heiraten will als eingemetzget werden, und er wird ihm gefallen haben, als es mit ihm tanzte; er wird ihm anständig und manierlich gewesen sein, und von ihm wäre es schon selbmal nicht gelaufen, wenn es nicht Angst gehabt hätte vor dem Bruder oder dessen Weib, dem Hagels Strohstuhl. So viel könne sie dem Meitschi nicht dawider haben; fange es es nicht auf diesem Wege an, so komme es zu keinem Manne. Es wäre möglich, wenn sie in ähnlichem Falle gewesen wäre, sie hätte es längst so gemacht. Was Teufels hätte man am Ende von der Vornehmheit, wenn man nur halb genug zu essen hätte und alles mit Mißgunst gesalzen und Mißgönnen gepfeffert! Nun, Korben ist nicht nötig, wenn es was aus der Sache gibt, die Sache läßt sich anders machen. Groß ist das Vermögen nicht, aber wenn beide gut tun, so kriegen sie schönen Handel bei einer Arbeit, ihrem Stande und Kräften gemäß, ohne Korben und Hausieren, deren ich übrigens keines verachte.

Aber, was machen jetzt? Nichts, denk ich, sagte die Frau. Steckt das Ding dem Meitschi noch im Kopf, war es nicht bloß so ein Wind, der vorüberweht, so kommt es zu mir und möchte was vernehmen. Freilich wird es nicht sagen, es komme deswegen, es wird wegen Blumen kommen oder einem Muster zu irgend was oder einer Person nachfragen, die weder im Himmel noch auf der Erde ist, an welche es dergleichen Dinge zu verrichten hätte. Kurz, es wird kommen, und dann kann man weiter sehen, und wenns nicht kommt, he nun, so ist die Sache vorbei, wies öfters der Fall ist. So kalkulierte die Bäurin.

Käthi hatte nicht daran gedacht, so früh wieder heimzugehen. Sie hatte nichts anderes geglaubt, als das Mädchen anzutreffen, die Sache mit demselben richtig zu machen, was ja leicht bis auf den Abend dauern könnte, wenn auch an einem anderen Orte als bei der Bäurin; dann hätte sie am liebsten das Mädchen gleich wieder mit sich heimgenommen. Jetzt war Käthi fast wie sturm, wußte nicht recht, welchen Weg, hätte sich gerne irgendwo gesäumt, noch was ausgekundschaftet über der Bäurin Jungfrauen. Aber die gute Käthi war zum Kundschafter so wenig als zum Diplomaten auserkoren, zudem sorgte Gott, daß sie auch nicht in die geringste Versuchung geführt wurde, denn auf der ganzen Straße regte sich nichts Lebendiges, weder Mann noch Maus, selbst die Spatzen ließen den Abfall auf der Straße unbeachtet und machten es sich behaglich im grünen Zaun.

Käthi ward recht ärgerlich und hätte für ihren Lebtag gerne gleich getan, sich an ein schattiges Plätzchen hingesetzt und ein gut Schläfchen gehalten. Allein sie traute nicht an der Straße, sie traute nicht in des Waldes tiefen Gründen. Alle Geschichten, welche sie je gehört, wie es schlafenden Reisenden ergazgen, fielen ihr ein, vertrieben ihr den Schlaf gründlich und machten ihr rasche Beine. Das waren ganz andere Gedanken, als sie gehabt beim Hingehen. Es ist aber auch sehr merkwürdig, wie die Seele zu jeder Tageszeit Neigung zu anderen Gedanken hat; sie hat es fast wie die Erde, welche zu jeder Tageszeit eine andere Färbung hat, eine andere am Morgen, eine andere am Mittag, eine andere am Abend, Nebel und Regen, Winter und Sommer nicht einmal gerechnet.

Dem Johannes kam das Benehmen der Bäurin merkwürdig vor, er wurde mißtrauischer als die Mutter. Dahinter stecke was, sagte er.

Tag um Tag verging, und Tag um Tag gingen die Ansichten der Mutter und des Sohnes weiter auseinander. Der Sohn behauptete immer bestimmter, die Bäurin hielte sie zum Besten und wolle nichts von der Sache, vielleicht habe sie mit dem Mädchen nicht einmal davon gesprochen. Die Mutter dagegen behauptete immer bestimmter, wenn nichts wäre, so hätte die Frau was sagen lassen und hielte sie nicht so hin, und weil sie nichts sagen ließe, so werde jemand kommen und guten Bericht bringen; aber einen so weiten Weg zu machen, schicke sich einem nicht alle Tage. So kann man halt die gleiche Sache nicht nur ungleich ansehen, sondern das Gegenteil daraus schließen. Endlich wurden sie einig, bis zum nächsten Sonntag zu warten; wenn dann niemand komme, so müsse etwas geschehen. Was, darüber sprachen sie sich noch nicht aus. Am nächsten Sonntag kam jemand, aber nicht Bäbeli, sondern eine ganz andere.


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