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Drei Tage nach diesem Gespräch gingen sie früh morgens die große Straße entlang, Schulter an Schulter, und Salakin sagte lebhaft zu seinem Genossen, während er ihm in die Augen blickte:
»Verstehst du – vor allen Dingen zünden wir die Scheune an . . . Und wenn sie dann brennt, – dann werden sie alle zum Feuer laufen, und er auch – der Matwé . . . Er läuft hin, und wir – in seine Wohnung! Und die räumen wir ihm aus, wie nichts . . .«
»Und wenn sie uns fangen?« fragte Wanjuschka nachdenklich.
»Das giebt's ja gar nicht!« sagte Salakin. »Wer soll uns fangen?«
Und in strengem Ton fügte er hinzu:
»Das Feuer müssen sie löschen, nicht Diebe fangen! Verstanden?«
Wanjuschka nickte zustimmend mit dem Kopf.
Man schrieb Anfang März. Weicher flaumiger Schnee schwebte in schweren Flocken vom unsichtbaren Himmel nieder und füllte schnell die Spuren der Leute aus, die die Straße entlang gingen, zwischen zwei Reihen Birken mit abgebrochenen Ästen.
»Ach, wenn es nur gelingt!« sagte Wanjuschka mit einem schweren Seufzer.
»Du wirst sehen, wie es gelingt!« versprach ihm Salakin zuversichtlich.
»Gott geb' es! Das heißt, wenn es glückt . . . Bei Gott! Nie wieder würde ich sowas probieren! . . .«
Die beiden gingen schnell, weil sie sehr dürftig bekleidet waren – Salakin in seinem Weiberleibchen, das eine Menge Löcher hatte, aus denen die schmutzige Watte hervorguckte, seine Füße schlorrten in großen Filzgalloschen, und über seinen Kopf hatte er eine altersgraue Mütze gezogen. Wanjuschka hatte sich zum Ersatz für seinen Kaftan eine braune Tuchjacke zugelegt, aber der rechte Ärmel der Jacke war, weiß Gott, warum, schwarz. Wanjuschka sah in seinen Bastschuhen, in seiner Mütze mit dem zerrissenen Schirm und mit dem Strick, den er als Gürtel umgebunden hatte, eher wie ein verkommener Arbeiter aus, nicht wie ein Bauer.
Tags vorher war es Salakin geglückt, irgendwo eine kupferne Kasserolle und ein Bügeleisen mitgehen zu lassen, die er dann für achtzig Kopeken bei einem Alteisenhändler losgeschlagen hatte. Und jetzt hatte er einen halben Rubel in der Tasche.
Wenn wir unterwegs irgend jemand mit einem Schlitten treffen, könnte er uns mitnehmen . . .« sagte Salakin. – »Sonst kommen wir bis heute nacht vielleicht nicht hin . . . Es sind gut vierzig Werst! Man könnte ihm sogar einen Fünfer pro Schnauze geben, wenn er uns mitnimmt . . .«
Der Schnee häufte sich auf ihren Köpfen, glitt ihre Wangen hinunter, verklebte ihnen die Augen, legte weiße Epauletten auf ihre Schultern, ballte sich an ihren Füßen zu Klumpen. Rund um sie herum und über ihnen brodelte eine Art von weißem Brei, und sie konnten gar nicht vor sich sehen. Wanjuschka ging schweigend, den Kopf gesenkt, wie eine alte, kranke Mähre, die zum Schinder geführt wird, aber der lebhafte, redselige Salakin schaute um sich und schwätzte, ohne müde zu werden.
»Wie weit wir schon gegangen sind, wie weit wir noch haben – man weiß gar nichts! Verdammter Schnee . . . Aber vielleicht kommt uns der Schnee grade zupaß – man sieht keine Spur . . . Wenn es nur immer so weiter schneit. Aber dabei Feuer anlegen, das wird auch wieder nicht so einfach sein . . . Da sieht man's wieder, es giebt nichts auf der Welt, was von jeder Seite – so und so – gut wäre . . .«
Die Schneeflocken begannen kleiner, trockener zu werden und fielen nicht mehr gerade und langsam zur Erde, sondern fingen sich in der Luft unruhig, gleichsam geschäftig zu drehen an – und dabei wurden sie noch dichter, plötzlich tauchte vor den beiden Wanderern als eine schwere dunkle Masse seitwärts vom Wege ein Haus auf, das buchstäblich in den Boden gedrückt zu werden schien von der schweren Schneelast auf seinem Dache.
»Das sind die Fokin-Höfe,« sagte Salakin, »hör' mal, wir kehren in der Wirtschaft ein und trinken ein Gläschen . . .«
»Das müssen wir,« sagte Wanjuschka, der am ganzen Leibe zitterte.
Vor der Wirtschaft standen, vor zwei Lastschlitten gespannt, regungslos zwei Pferde. Sie waren klein und zottig und schauten mit sanften Augen trübselig vor sich hin, von Zeit zu Zeit blinzelten sie, um den Schnee von ihren Wimpern zu schütteln. Die ungestrichenen Krummhölzer waren mit einer schwarzen Staubschicht überzogen.
»Aha, ein Köhler!« sagte Salakin, »na ja, wenn er denselben Weg hat . . .«
Und richtig, in der Schenkstube, hinter dem Tisch am Fenster, saß ein junger Bursche und trank Bier. Wanjuschka fiel eine lange, komische Nase in einem hageren, geschwärzten Gesicht in die Augen. Der Köhler saß mit wichtiger Miene, zurückgelehnt und mit gespreizten Beinen am Tische und trank mit kleinen Schlucken aus seinem Glase, aber als er damit fertig war, kam er ins Husten, bespritzte sich von oben bis unten und büßte so mit einem Ruck seine ganze Wichtigkeit ein.
Wanjuschka trat ans Büffett, goß ein Glas wohlriechenden und bitteren Branntwein hinunter und blinzelte Salakin mit einem Blick auf den Köhler zu.
»Fährst du in die Stadt, Nachbar?« fragte Salakin und näherte sich dem Köhler.
Der sah ihn an und erwiderte mit dumpfer Stimme:
»Wir fahren nicht mit leerem Schlitten in die Stadt . . .«
»Also kommst du aus der Stadt?«
»Was geht das dich eigentlich an?«
»Na ja, mein Freund und ich wollen nach Borissowo . . . Wir haben uns da zum Buttern verdungen . . . Nimm uns ein bißchen mit, wenn's ja doch auf deinem Weg liegt?«
Der Bursche musterte Salakin, dann Wanjuschka, goß sich sein Glas voll und antwortete kurz, während er mit dem Finger ein Stückchen Korken aus dem Glas fischte:
»Nein, ich mag nicht . . .«
»Nimm uns mit, sei mein Freund! Wir geben dir jeder einen Fünfer . . .«
»Haben wir gar nicht nötig,« sagte der Bursche, ohne Salakin anzusehen.
»Um Christi willen, nimm uns mit!« sagte Wanjuschka leise und angstvoll.
Der Bursche sah ihn an, runzelte die Brauen und schüttelte den Kopf.
»So ein Kerl bist du!« rief Salakin, »dir ist wohl alles ganz egal? Wir haben einen weiten Weg, wir sind müde – und unsere Kleider – schau sie dir nur an, wie sie aussehen . . .«
»Hättet ihr euch halt wärmer angezogen,« sagte der Köhler mit einem spöttischen Lachen.
»Aber wenn wir nichts haben!« sagte Wanjuschka eindringlich, »Siehst du, wir sind arme Teufel . . .«
»Warum seid ihr arm?« fragte der Köhler gleichmütig und trank wieder einen Schluck Bier.
Wanjuschka tauschte einen Blick mit seinem Genossen, beide waren sie verstummt und standen barhäuptig vor dem Köhler.
Da begann die alte Schankwirtin:
»Mach doch nicht solche großen Geschichten, Nikolai, du kannst sie doch mitnehmen. Was hast du davon, wenn das Pferd ganz umsonst läuft? . . . Und sie, sie wollen dir ja jeder einen Fünfer geben. Laß dir das Geld vorausgeben, und laß sie in Gottes Namen aufsteigen.«
Der Köhler betrachtete sich die beiden Kumpane aufs neue, einen nach dem andern. Dann seufzte er und sagte:
»Also, schön!« rief Salakin und machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. »Da . . . Wohl bekomm's!«
»Sieh dir das Geld nur ordentlich an,« riet die Wirtin.
Der Köhler warf Salakins Zwanziger auf den Tisch und horchte auf den Klang, dann probierte er ihn mit den Zähnen, ging zum Ladentisch, warf das Geldstück wieder hin und sagte zur Wirtin:
»Ich zahle mein Bier.«
»So ein Hund!« flüsterte Salakin Wanjuschka zu.
»Du setzt dich in den leeren Schlitten,« sagte der Köhler zu Wanjuschka, als er von der Wirtin herausbekommen hatte, »und du, du setzst dich zu mir . . .«
»Schön!« erwiderte Salakin. »Aber können wir denn nicht zusammen . . .?«
»Warum wollt ihr denn zusammen . . .?« fragte der Köhler mißtrauisch.
»Wir hätten's wärmer . . .«
»So, so!« lachte der Köhler spöttisch, »nein, thu nur, was ich dir sage. Weißt du, und wenn dein Freund es probiert, mit meinem Pferd durchzubrennen, hau' ich dir eins mit meinem Totschläger auf's Dach . . . und binde dich . . . und . . .«
Ohne seine Rede zu Ende zu führen, lachte er auf, und dann fing er zu husten an und hustete lange und schwer . . .