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3. Kapitel
Die Autosuggestion.

Wenn wir uns der Beispiele erinnern, die wir bei der Besprechung der Suggestion im gewöhnlichen Leben gebracht haben, so haben wir bei ihnen die Suggestion, die Beinflussung, die Eingebung von Dingen sowohl wie von Personen auf uns feststellen können. Wir durften mit vollem Rechte sagen: das und das, der und der hat die Suggestion auf den und den in der und der Weise ausgeübt. Aber wir hatten an jener Stelle unserer Erörterungen keinen Anlaß, näher auf die jetzt zu besprechende unumstößliche Tatsache einzugehen, daß die Suggestion des Alltags in der Seele des Empfangenden stets einen mehr oder weniger vorbereiteten Boden vorfinden muß. Nur dann nämlich gestaltet sich diese Eingebung im täglichen Leben so wirksam, wenn die Seele willig ist, sie aufzunehmen. Selbst die unwillkürlichen Suggestionen, von denen wir an einer früheren Stelle sprachen (Ladenbetrachtung, Bildeinfluß, Zitronenbiß, Gähnenansteckung) sind nicht unmittelbare Wirkungen der dabei in Betracht kommenden Dinge auf uns – etwa wie ein Wasserstrahl auf die Hautoberfläche – sondern werden von uns erst umgesetzt in Vorstellungen und diese Vorstellungen erst erzeugen die eigentliche Wirkung. Also zum Beispiel der weit geöffnete Schlund eines gähnenden Tieres macht uns erst dann mitgähnen, wenn in uns die Vorstellung des Müdeseins, des die Müdigkeit auslösenden, kennzeichnenden Gähnens lebendig ist, wenn wir einer unbewußt in uns schlummernden Vorstellung der Behaglichkeit des Ausruhenkönnens eben durch das Mitgähnen Ausdruck geben. Und bei der leckeren Speise, die auf einmal eine Begierde nach ihr in uns erweckt, haben wir zwar bewußt unmittelbar vorher keinen Hunger nach ihr gehabt, aber der Appetit auf sie war unterbewußt in uns rege. Der Anblick brachte das Verborgene auf verborgene Weise herbei (siehe oben die Deutung suggerieren) und nun auf einmal wandelte sich das unterbewußte Begehren in ein sehr bewußtvolles. Wir können die Gegenprobe von der Notwendigkeit des vorbereiteten Bodens sofort erleben, wenn wir den gleichen Anblick in Augenblicken anderweit starker Erregung haben – da zeitigt kein Tierrachen, keine Fleischladenauslage, kein Zitronenbeißen die angedeuteten suggestiven Wirkungen. – Was geschieht nun mit dem suggestiven Befehle – mag es sich nun um das suggestive Anherrschen des Untersuchungsrichters, um das demonstrative Weiterspielen der Künstler bei anscheinender Feuersgefahr oder um sonst welchen Fall immer handeln – in der Seele des Suggestionierten? (Wir sagen in der »Seele«, wir könnten ebenso gut sagen »Bewußtsein« besser noch »Unterbewußtsein«, doch wir wollen erst an anderer Stelle darüber genauer sprechen.) Nun, der suggestive Befehl wird durch die Seele, die gleichsam den Vollzugsbeamten für den Auftrag des fremden Willens darstellt, in einen Auftrag an sich selbst umgewandelt. Aus der fremden Suggestion wird eine Suggestion an sich, in sich selbst, oder wie es zum feststehenden Ausdruck in der Wissenschaft geworden ist, eine Autosuggestion Die frierenden Bureaubeamten – um auf unser früheres Beispiel zurückzukommen – übertragen die suggestive Wirkung der Äußerung des Chefs »Ei, hier ist es aber hübsch mollig warm« innerlich in einen Befehl an ihre Empfindungssphäre, an ihr Gefühl, ihre Auffassung, ihren Intellekt oder an alles zusammen, es nunmehr doch wärmer zu empfinden als vorher. Gehen wir ruhig einmal dem Gedanken näher nach. Der Chef, dessen Autorität sowieso schon jedem seiner Worte den Stempel des Überzeugungsvollen aufdrückt, sagte: »Hier ist es hübsch warm«. Zwar fanden das die Angestellten soeben noch nicht, aber der eine sagt sich: »Allerdings, es könnte noch kälter sein, es ist überhaupt gar nicht so kalt.« Der andere wird bei dem fröhlichen Händereiben, behaglichen Sichstrecken des Chefs an die Empfindung angenehmen Wärmegefühls so sehr erinnert, daß er sich selbst von dem Wärmegefühl durchströmt fühlt. Und nun, indem er jetzt autosuggestiv sich zu der Ueberzeugung zwingt, daß es in der Tat gar nicht so kalt sei, beginnt die unbeabsichtigte Suggestionshandlung des eintretenden Chefs zu wirken.

Autosuggestion ist also gewissermaßen die Macht über sich selbst, die Fähigkeit, an sich selbst Eingebungen gelangen zu lassen, denen darnach durch entsprechende Handlungen gewillfahrt wird. »Handlungen« natürlich hier in einem sehr weiten Sinne gefaßt. Es klingt nur sehr seltsam, wenn wir von einer »Macht über sich selbst« sprechen, in einem Falle, wo wir doch gerade meist unter einem unwiderstehlichen Zwange stehen. Nun, wir werden gleich schärfere Unterscheidungen treffen, die uns auf die Begriffe »freier Wille« und »Zwangshandlungen« bringen.

Die Macht über uns selbst betätigen wir, indem wir unsere Handlungen vernunftgemäß einrichten, unsere Leidenschaften zügeln, unserem Willen möglichst die Kraft sich durchzusetzen verleihen. Die fortgesetzten Beeinflussungen durch Eltern, Lehrer, Vorgesetzte, kurz das Leben und die Selbstzucht lehren uns, in diesem Sinne uns zu Willensmenschen zu erziehen. Aber der kategorische Imperativ »Du sollst!« gelangt erst dann zur Umsetzung in ein wirklich stolzes, förderliches »Ich will!«, wenn wir die Erkenntnis der Berechtigung des »Du sollst!« gewinnen, es der bloßen herrischen Gewaltsamkeit entkleiden, nicht als Sklaven des »Du mußt!« den Befehl ausführen, sondern eben gehorchen, weil wir wollen, nicht, weil wir müssen. Nun reichen in vielen Fällen des Lebens Einsicht und Vernunft nicht aus, in uns den Willen zum Gehorchen zu stärken, auch leben Hemmungen in uns, die sich der Ausführung des Befehles entgegenstellen. Wir haben alle in jüngeren Jahren selbst bei Lernfächern, deren Bedeutsamkeit für das spätere Dasein unbedingt feststand, zuzeiten jungenhaft gefaulenzt und gern gefaulenzt, bis Einsicht uns erkennen ließ, daß das »Ich will!« das einzig richtige Wort auf das uns so fatale »Du sollst!« war. Wir haben Arbeiten im späteren Leben vollführen müssen, die uns widerwärtig, langweilig, unangenehm waren; es drängten sich zwischen die Arbeitspflichten Begehrlichkeiten nach Genüssen, die schlechterdings mit einem arbeitsreichen Tagewerk nicht zu vereinen waren – aber wir lernten uns dem »Du mußt!« beugen, indem wir uns aller Gründe entsannen, die es schließlich doch uns vorteilhafter erscheinen ließen, unser Gelüste zugunsten unserer Pflichten zurückzustellen.

Bei alledem nahmen wir eben aber nicht nur die kühle, rein verstandesmäßige Erkenntnis, nicht bloße logische Auffassung zur Hilfe, sondern wir bedienten uns – bewußt oder unbewußt – des Mittels der Autosuggestion. Aus freiem Willen, wie wir dabei uns einbildeten, aber doch schon gezwungen von allen Besonderheiten unserer seelischen und charakterlichen Anlagen, die für sich allein nicht mehr ausreichten, uns ans Ziel zu führen. Gezwungen von den Umständen außer uns, in erster Linie von dem Befehle irgendwelcher Autorität, dann von der Übergewalt des klar erkannten eigensten Interesses und schließlich eben noch von der Erkenntnis, eben nur auf diese Weise, nämlich durch Autosuggestion, die uns gestellte Aufgabe erfüllen zu können. Also der freie Wille, ein Ding, das überhaupt nicht existiert – denn jede unserer Handlungen und Unterlassungen, jeder unserer Gedanken ist ursächlich genau bedingt, eingeschmiedet in das ganze Netzwerk unseres Gesamtorganismus – hat mit der Suggestion an und für sich nichts zu tun. Der freie Wille, d. h. naturwissenschaftlich vom Standpunkte des Determinismus, der Lehre der Bedingtheit alles Geschehens, aus betrachtet, existiert nun allerdings nicht, aber wir wollen gleichwohl mit dem wirtschaften, was wir im menschlich-alltäglichen Sprachgebrauchs den freien Willen nennen. Dieser Wille, diese in uns lebende Zielrichtung besteht. Ihn durchzusetzen, können wir das Mittel der Autosuggestion benutzen.

In diesem Zusammenhange ist der Wille das Fundament, auf dem wir alle unsere Lebenserfolge aufbauen. Ihn zu stärken, bedeutet, die persönliche Geltung erst so recht durchzusetzen. Es gibt über diesen Gegenstand ein vorzügliches Werk, nämlich Legels »Die Macht der Persönlichkeit«, das mit gutem Grunde die wahre Schule der Willenskunst genannt worden ist. Wir machen den Leser ausdrücklich auf dieses Werk aufmerksam (Näheres im Anzeigenteil am Schluß dieses Buches.).

Wer andere beherrschen, wer Suggestionen erfolgreich ausführen will, muß sich selbst beherrschen können. Denn nur von einem in sich gesammelten Willen kann die Gewalt ausstrahlen, die sich dann in hypnotischen Experimenten manifestieren soll. Wenn man gesagt hat, man solle, um andere hypnotisieren zu können, vorher erst beweisen, daß man sich selbst in Hypnose versetzen kann, so ist das natürlich falsch. Einer derartigen Beweisführung bedarf es nicht nur nicht, sie würde sogar nicht einmal eine Gewähr für erfolgreiche Suggestion bei anderen darstellen. Denn dann müßte man ja zu dem Schlusse kommen, daß derjenige der beste Hypnotiseur wäre, der sich selbst am leichtesten und schnellsten in Hypnose versetzen kann. Das ist natürlich geradezu Unsinn.

Aber kennen soll man den Zustand der Autosuggestion, klar soll man sein über ihre Ursachen, Bedingungen und Auswirkungen. Und zwar lediglich deshalb, um das Wesen der Suggestion und der Hypnose scharf erfassen zu können.

Die Autosuggestion ist – angegliedert an die Schmidkunzsche Definition vom Gesetze der Suggestion – eine solche Einwirkung auf die eigene Seele, daß sich die ihr beigebrachte Vorstellung eines Phänomens in dieses selbst umsetzt.

Greifen wir zu Beispielen von nicht experimentellen Autosuggestionen aus dem alltäglichen Leben. Zunächst einige Beispiele unwillkürlicher Autosuggestionen. Es hat jemand eine treffliche Fleischspeise vorgesetzt bekommen. Hinterher – es hat ihm vorzüglich geschmeckt – wird ihm gesagt: das war Pferdefleisch. Die bloße Vorstellung, Pferdefleisch sei etwas ekelerregendes, setzt sich nachträglich in das Phänomen des wirklich erregten Ekels um. Oder im rollenden Eisenbahnzuge sitzt jemand, der an einer bestimmten Streckenstelle zwar ein merkwürdiges Knacken im Wagen verspürt, aber nicht weiter darauf achtet. Am Ziele bald danach angekommen, wird ihm mitgeteilt, daß kurz nach dem Passieren des Zuges jene lange Eisenbahnbrücke eingestürzt sei. Die Erkenntnis, in welch gefahrvoller Lage der Reisende dabei also gewesen ist, setzt sich nachträglich in eine Schreck- und Furcht-Suggestion – jetzt gar nicht mehr sachlich begründet – um, die die Begleiterscheinung von starkem Schrecken erzeugt. Den Reisenden umfängt nachträglich eine Ohnmacht. Solche ohne unser Dazutun eintretende zwangsläufige Autosuggestionen gestalten sich leicht zu ausgesprochenen Zwangsvorstellungen, die auf dem Boden eines tief berührenden Erlebnisses gewachsen und mit zufälligen gleichzeitigen Empfindungen verwoben sind. Da hat man z. B. als 13 jähriger Junge den schreckensvollen Anblick gehabt, wie ein kleiner Knirps von 8 Jahren mit grüner Botanisiertrommel unter einen Lastwagen geriet und dabei schrecklich verstümmelt wurde. Der jugendliche Zuschauer erlitt nahezu einen Nervenschock. Die unmittelbaren Folgen schwanden natürlich mit der Zeit, aber noch weit ins spätere Mannesalter hinein kam ihm beim Anblicke jedes kleinen Jungen, der eine grüne Botanisiertrommel umgehängt hatte, mit autosuggestiver Gewalt die Erinnerung an jenen Unglücksfall. Ein starker Beweis für die Gewalt einer unwillkürlichen, zwangsläufig sich auswirkenden Autosuggestion ist das bekannte »Versehen« der Frauen. Man versteht darunter die Wiederkunft besonderer Merkmale, Erscheinungsformen, von denen Schwangere lebhaft beeindruckt worden sind, dann später bei den Neugeborenen. Angenehme Eindrücke erwecken die Wunsch-Suggestion: »So möchte mein Kind werden!«, unangenehme die Furcht-Suggestion: »O weh, sicherlich wird mein Kind auch dies Merkmal erhalten!« Beide Autosuggestionen üben – ganz entsprechend der oben gegebenen Definition – eine solche Einwirkung auf die eigene Seele, daß sich die ihr beigebrachte Vorstellung eines Phänomens in dieses selbst umsetzt. In diesem Falle wirkt sich die ideoplastische Gestaltungskraft der Seele in dem Wiedererscheinen des betreffenden Merkmals beim Neugebornen aus. Hinsichtlich jener gewaltigsten Autosuggestionen aber, die unser Triebleben gestalten, die uns zu den mitunter seltsamsten Zwangshandlungen veranlassen und dann meist auch einen mehr oder minder krankhaften Charakter annehmen, verweisen wir wieder auf das schon Seite 19 empfohlene Werk.

Ein Schauspieler, der zum ersten Male in einer größeren Rolle auftritt, und ganz überzeugt ist von der Unübertrefflichkeit seiner Rollenauffassung und Darstellung, suggeriert sich am Abend seines Auftretens einen großen Erfolg. Er ist so sicher in dieser Erwartung, daß er weder Lampenfieber kennt, noch ein Steckenbleiben in der Rolle. Demzufolge spielt er sicher wie ein alterfahrener Schauspieler und – nach seinen Mitteln – gut. Die Autosuggestion: »Du wirst und mußt Erfolg haben!« hat gewirkt. Ähnlich so der Redner. Oder der Rechtsanwalt, der nach einer durchspielten Nacht ein schwieriges Plaidoyer in einer großen Strafsache vor sich hat. Er suggeriert sich durch zwingenden Befehl (»Fort damit!«) die Zwangsgedanken an das für ihn verlustreich gewesene Spiel der letzten Nacht weg, er versetzt sich nochmals in die Verhältnisse des Klienten, in die Tat, ihre psychologischen Hintergründe hinein, er stellt sich vor, wie er reden würde und müßte, wenn er Zeuge der Tat gewesen wäre. Diese Vorstellung wird so gewaltig in ihm, daß er förmlich dabei gewesen zu sein glaubt. Jetzt kommt sein Plaidoyer. Wie weggewischt sind alle Spuren des nächtlichen Zeitvertreibes, er steht da, der glänzende Verteidiger, schneidig, frisch, geistesgewandt und durch die Gewalt seiner Rede so rührend wie nur je. Voller Erfolg! – Autosuggestion! Denken wir an einen großen Schauspieler, der in und mit seiner Rolle lebt. Paul Lindau beschreibt das einmal glänzend von einem Schauspieler, der die Rolle als König Lear (Shakespeare) zu spielen hatte. Erschütternd stellt er den alten verzweifelten König dar, seine gewaltigen Klagen durchbeben das Haus, Tränen rinnen ihm in den angeklebten Bart, echte Tränen! Und selbst nach seinem Abgang von der Szene schreitet er, kollegialen Begrüßungen gegenüber taub, noch lange Zeit hinter den Kulissen königlichen Ganges mit verfinsterter Miene einsam und verschlossen aus und ab, immer noch der alte König Lear. Woher dies alles? Weil er sich in die Rolle hineinversetzte, so in ihr aufging, daß er den König nicht mehr bewußt »spielte«, sondern der König zu sein glaubte. Diese Autosuggestion gab ihm die Kraft, so rührend gewaltig auf das Publikum zu wirken, aber sie wirkte zugleich auch auf ihn selbst unwiderstehlich zurück. Lindau stellt, nebenbei bemerkt, diesem vom »Geist« besessenen Schauspieler die andere Spielart des künstlerisch natürlich durchaus gleichwertigen reinen Artisten gegenüber, der allezeit bewußt der Held seiner Rolle bleibt, mit kaltem klaren Verstande wirklich nur spielt und unmittelbar nach dem Verlassen der Szene wieder der nüchterne Alltagsmensch oder überhaupt wieder zu der allen wohl bekannten mehr oder minder scharf umrissenen Individualität als Herr Müller oder Knorr usw. wird.

Wir sehen ferner die Autosuggestion mächtig in allen Menschen, die auf der Lebensbühne sich einen vollen Erfolg, rauschenden Beifall und schließlich einen guten Abgang erspielen. Daß der »Erfolgreiche« samt seiner ganzen Machterringung bei alledem mitunter eine taube Nuß sein kann und seine sogenannten Erfolge bloß grobstofflichster, materiellster Art, daß seine Geltung bloß seiner persönlichen Aufgeblasenheit und der törichten Einschätzung eines solchen Wichtigtuers durch urteilslose Geister zuzuschreiben ist – wer hätte das nicht schon erlebt! Wie oft tritt in eine Bank, eine Aktiengesellschaft, eine Fabrik ein gut protektionierter Neuling ein, der wenig kann und wenig weiß, der aber durch sein dreistbestimmtes Benehmen, dem Chef zu imponieren, bescheidene Tüchtigkeit, die sich nicht hervordrängt, an die Wand zu quetschen versteht, der auf seinem Streberpfade durch keine Herzempfindung gehemmt, durch stete Verfolgung seines Vorteils, des kleinsten wie des größten, aber ständig gefördert wird. Stammt so ein Protektionsherrlein noch dazu aus allzu schnell reich gewordener Familie, die der wirklichen geistigen Kultur entbehrt, so ist ihm oft neben intellektuellen Mängeln noch die ganze Aufgeblasenheit, der kastengeistige Hochmut der Emporkömmlinge eigen. Meist gesellt sich noch zu alledem rücksichtslose Herzenskälte und Raffgier, die, wenn sie sich an leitender Stelle austoben können, später oder früher das ganze Unternehmen antisozial verpesten. Auch so ein Erfolgreicher hat seine Erfolge – nämlich den unverdient raschen Aufstieg und ungerechtfertigt hohe Einnahmen und Machtbefugnisse – durch die eine gewaltige Autosuggestion erzielt: »Du sollst und mußt vorwärtskommen!« Selbstverständlich stehen diesem einen Beispiele viele hundert andere gegenüber, wo wahre Tüchtigkeit, gepaart mit sozialem Verständnis, persönlich sympathischem Benehmen nach oben und unten, mit dem gleichen Autosuggestionsmotto auf wohlverdiente Daseinshöhe gelangt.

Die Autosuggestion wird im täglichen Leben auch sehr häufig und mit großem Erfolge in negativem Sinne angewendet. »Tu das nicht!« ist der suggestive Befehl, den man sich dann zuruft. »Fürchte das nicht!« Vor dem Zahnarzt, vor dem Examinator, vor dem hohen Herrn Minister (wenn der letztere freilich vor kurzem noch in derselben Fabrik wie der Bittsteller Zigarren gewickelt hat, mindert sich die Furcht), vor allen Menschen, von denen man etwas erwarten darf oder fürchten muß, haben wir Angst. Diese wegzusuggerieren durch den einfachen Gegenbefehl: »Habe keine Angst! Die Sache ist ja gar nicht so schlimm!« ist eine der häufigsten Autosuggestionen, die mit Erfolg ausgeübt werden. – Der Bejaher des Lebens, der Liebe und der Ehe kann auf die Autosuggestion des Hagestolzes mit mißbilligendem Bedauern hinweisen, der sich einbildet, die Nachteile der Ehe seien so große, daß sich das Alleinbleiben verzinst. Und der Pessimist wiederum meint, nur eine starke Autosuggestion müsse bei so manchem Glücklich-Unglückseligen obgewaltet haben, den die warnenden Schicksale von Millionen Leidensgefährten nicht von dem verhängnisvollen Gange zum Standesamt abgehalten haben! Wie sehr muß er – so urteilt der Ehefeind – im letzten entscheidenden bitteren Augenblicke vorm lebenslänglichen Freiheitsverluste den Glauben an ein erhofftes Lebensglück sich selbst suggeriert haben!

Die experimentelle Autosuggestion ist natürlich nichts anderes wie die Vornahme einer Suggestion überhaupt, nur mit der eigenen Person als Objekt. Sie zu beschreiben erscheint hier überflüssig. Wir kommen auf sie ausreichend in dem Kapitel »Die Eignung zum Hypnotisieren« und im ersten Experimentiervortrag der Abteilung »Die praktische Ausübung der Hypnose« zu sprechen.

Der Vornahme ausgesprochener Autohypnose – mit Schlafzustand – können wir nicht das Wort reden. Denn wenn man erst einmal das Vermögen, sich selbst in hypnotischen Schlaf zu versetzen, entdeckt und mehrfach ausgenutzt hat, kann sich leicht eine derartige Autosuggestibilität einstellen, wie sie der Vornahme von Hypnosen an anderen Personen nicht zuträglich ist. Denn dann kann es vorkommen, daß der Hypnotisierende über dem Anstarren seines Objektes selbst in einen Suggestionszustand gerät. Es erscheint aber völlig unerfindlich, wie ein derartig disponierter Mensch die Willenskraft und vor allem die geistige und sittliche Überlegenheit aufbringen soll, anderen seinen selbst so leicht irritierten Willen auch nur zu verlautbaren, geschweige denn ihn auf andere energisch zu übertragen.


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