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Es liegt eine Krone im tiefen Rhein ... Die ganze Nacht will mir dieser seltsam wehmütige, lockende, verheißende Klang aus einem bekannten Lied nicht aus dem Sinn. Über den Brenner und durch Vorarlberg von Italien kommend, bin ich im kleinen Lindau am Bodensee in einem alt-einfachen Gasthof auf gut Glück abgestiegen. Der Gasthof heißt »zur Krone«, und eine große, goldig angestrichene Eisenkrone, besetzt mit farbigen Steinen, hängt an weit ausholender Stange über der Tür in die schmale, altertümliche Gasse.
Mir ist Herz und Sinn noch voll vom Südland und von den Bergen, Burgen und Gewässern Tirols. Und doch hab' ich mit wunderbarer Freude des Wiedersehens das weithin aufschimmernde Schwäbische Meer begrüßt, als unser Zug aus dem Gebirge kam, als eine Gewitterwolke sprühend über dem See stand, als die Schneegipfel der Alpen blendend in schrägen Abendstrahlen aufglühten.
Hier ist das Sammelbecken, der Kraftbehälter unsres vielumfochtenen, uralt-heiligen Rheinstroms. Lange bin ich am Abend draußen am Hafen auf und ab gewandelt, habe mit erstaunten Blicken die hellfenstrigen, Streifen ziehenden Dampfer weit in die Seenacht hinaus verfolgt, habe den Drehungen des Leuchtturm-Lichtes zugesehen und der leise gurgelnden, anrauschenden Brandung gelauscht, dort auf dem Steindamm, wo der bayrische Löwe trotzt. Und die Stimmung all dieser Tage drängte sich an diesem Maienabend in eine innere Melodie zusammen, in ein seltsam-schönes Nachleuchten, in ein verwundert Horchen und Träumen.
Und in der Nacht dieses ersten deutschen Abends weckte mich durch das offene Fenster her eine äußere Melodie: das leise Geräusch eines gleichmäßigen Regenfalls, der den abendlichen Rauschegruß des Schwäbischen Meeres fortsetzte. »Es liegt eine Krone im tiefen Rhein« ...
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Ich hatte unterwegs, wenn das Auge vom Schauen ermüdet war, teils in Schiller-Körners bekanntem Briefwechsel, teils im »Buch der Kindheit« des verschollenen Bogumil Goltz gelesen.
Dabei war mir aufs neue aufgefallen, was wir Heutigen, die wir vorzugsweise der Schillerschen Ideenwelt unsere Achtung zollen, nicht gebührend in Betracht ziehen: Schillers Herz. Mit welchen stürmischen Empfindungen wirft er sich Körner an die Brust, und wie impulsiv antwortet diesen Empfindungen der kerntüchtige Körner! »Ich habe keine Seele hier,« klagt Schiller aus Mannheim, »keine einzige, die die Leere meines Herzens füllte, keine Freundin, keinen Freund ... Oh, meine Seele dürstet nach neuer Nahrung -- nach beßren Menschen -- nach Freundschaft, Anhänglichkeit und Liebe. Ich muß zu Ihnen, muß in Ihrem näheren Umgang, in der innigsten Verkettung mit Ihnen mein eigenes Herz wieder genießen lernen und mein ganzes Dasein in einen lebendigeren Schwung bringen ... O meine Besten, ich werde glücklich sein. Ich war's noch nie. Weinen Sie um mich, daß ich ein solches Geständnis tun muß. Ich war noch nicht glücklich, denn Ruhm und Bewunderung und die ganze übrige Begleitung der Schriftstellerei wägen auch nicht einen Moment auf, den Freundschaft und Liebe bereiten -- das Herz darbt dabei!« Und nach einer warmen Antwort Körners schlägt Schiller freudig in die dargebotene Hand ein: »Glück zu also, Glück zu dem lieben Wandrer, der mich auf meiner romantischen Reise zur Wahrheit, zum Ruhme, zur Glückseligkeit so brüderlich und treu begleiten will! Verbrüderung der Geister ist der unfehlbarste Schlüssel zur Weisheit. Was existiert im unermeßlichen Reich der Wahrheit, worüber Menschen wie wir, verbrüdert wie wir, nicht endlich Meister werden sollten? Danken Sie dem Himmel für das beste Geschenk, das er Ihnen verleihen konnte, für das glückliche Talent zur Begeisterung. Sehen Sie, bester Freund, unsere Seele ist für etwas Höheres da, als bloß den uniformen Takt der Maschine zu halten. Tausend Menschen gehen wie Taschenuhren, die die Materie aufzieht, der Körper usurpiert sich eine traurige Diktatur über die Seele; aber sie kann ihre Rechte reklamieren, und das sind dann die Momente des Genius und der Begeisterung!« Und Körner in einem gleichzeitigen Briefe, der sich mit dem Schillerschen kreuzte: »Nur spät entstand bei mir der Gedanke, daß Kunst nichts anderes ist als das Mittel, wodurch eine Seele besserer Art sich andren versinnlicht, sie zu sich emporhebt, den Keim des Großen und Guten in ihnen weckt, kurz alles veredelt, was sich ihr nähert.« Hier ist das Programm des deutschen Idealismus in Worte gefaßt, gleichzeitig, von zwei jungen Deutschen des Jahres 1785, die sich persönlich noch gar nicht kannten. »Licht und Wärme ist das höchste Ideal der Menschheit«, ruft Körner noch knapper und gedrängter im Antwortschreiben auf Schillers »seelenvollen Brief«. Und Schillers Schaffen, Schillers Vergeistigungskampf mit der Materie hat Wort gehalten ein ganzes Leben lang, ebenso wie diese Freundschaft angehalten hat, die auch im Kleinkram der persönlichen Nähe Stich hielt und erst mit Schillers Tod ein irdisch Ende nahm.
Es ist ein sinnreich Zusammentreffen, daß ich mir diese Maienbriefe gerade in den Tagen vergegenwärtigte, in denen mir die zu schaffende Auswahl aus den Schriften des deutschen Herzensidealisten und Sonderlings Bogumil Goltz durch den Kopf ging. Unsere obigen Betrachtungen haben uns keineswegs von unserem Ziel entfernt. Jener deutsche Idealismus, der seine weltberühmte literarische Prägung zu Weimar erhalten hat, nahm auch bei Schiller und Körner seinen Ausgang vom schöpferischen Herzen. Von da aus baute sich dann erst ihre Gedankenwelt empor. Aus dem feinen Gefühl für das, was den Nebenmenschen fördert, »gut und groß und glücklich macht« (Schiller), baute sich ihr Instinkt organisch eine Ideenwelt. Diese Ideenwelt ist also geworden und gewachsen, hat festen Boden, ist Erlebnis und darum Realität.
Man lasse darum endlich von dem modernen Herabsehen auf jene Lebensanschauung, als wäre sie überwundenes Pathos. »Überwunden« ist dieser Zustand nur für den, der nicht mehr den Gefühlswert und das lebendige Gewicht der Schillerschen Worte herauszufühlen vermag. Die Sache selbst ist ewig -- so ewig wie der deutsche Geist, der ein saftiger Zweig ist am lebendigen Baum der Menschheit.
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Bogumil Goltz ... Wir sind bereits unwillkürlich mitten in die Gedankenführung dieses Zeitpredigers eingetreten. Es ist in diesem schriftstellerischen und rednerischen Original, der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts viel von sich reden machte, eine überfließende Fülle von schöpferischer Herzenskraft und daraus entspringenden Phantasien, Einfällen und Fühlungen. Aber es fehlte dem fruchtbaren Schriftsteller, um das gleich zu sagen, die gedankliche Strenge. Der innere Reichtum, den er in seinen Prosaschriften heraussprudelte, ist zugleich seine Gefahr geworden. Es fehlte das künstlerische Ziel und die künstlerische Zucht.
Dieser körperlich und geistig hochaufgeschossene Westpreuße -- als einen »starkknochigen, etwas hageren Mann mit durchdringenden Augen« kennzeichnet ihn Hebbel --, verwandt mit Naturen wie Hamann, Herder und Hippel, ging durch jene kritische Verstandeskultur, wie sie nach Goethes Tod in den Tagen Jungdeutschlands anbrach, und schalt mit mächtiger Stimme, mahnte mit reichlichen Worten, suchte zu begeistern, fügte sich nicht in die übliche Literatur -- kurz, beanspruchte mit allem Nachdruck das Unzeitgemäßeste, was es damals gab: das Recht des naturfrischen Herzens.
Damals?
Bogumil Goltz ist in seinen besten Abschnitten ganz erstaunlich unveraltet. Man jauchzt oft ordentlich auf, so unmittelbar berührt uns manche einsichtige Bemerkung und mancher treffende Wurf. Wir wenigen von heute suchen genau dasselbe, was diese einzelnen damals vermißt haben -- damals, als die moderne Hast, der Industrieaufschwung, die wissenschaftlichen Umwälzungen allenthalben auf Kosten des Innenlebens einsetzten. Wir unsererseits haben über die Errungenschaften der Gegenwart freilich ruhiger und gerechter denken gelernt; ja, wir halten es auch von uns aus mit einem entschiedenen Vorwärts. Aber die Forderungen des Gemütes und des Charakters sind darüber nicht verstummt, sind vielmehr mit naturhafter Gewalt unter der lauten Oberfläche angewachsen: sie müssen und werden sich wieder durchsetzen.
So empfinde ich denn Bogumil Goltz ohne weiteres als einen Bundesgenossen. Nicht sein Schelten soll in diesem Buche vorwiegend mitgeteilt werden. Er hatte Freude an ergiebigen Schelt- und Fremdwörtern, das ist wahr, und erging sich mit stürmendem Behagen -- nicht eigentlich bitter, sondern mehr kraftfroh -- in Laienpredigten wider die Verständelei und Entartung seiner und unserer Tage. Aber dieser verkappte Dichter hat auch eine Menge Positives zu bieten, so daß sich ein prächtiger Band herstellen läßt, von dem ich wünsche, daß ihn unser Volk weit und breit lese -- lese im stillen Familienkreise oder im noch stilleren Waldwinkel. Man wird mir sicherlich Dank wissen und diesen Vergessenen als eine kleine Entdeckung empfinden.
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Der Schriftsteller Bogumil Goltz ist nun freilich weder »Talent« noch »Künstler«; aber er ist mehr als das. Er ist das, was Goethe einmal, in feiner Unterscheidung, zu Eckermann als eine » Natur« bezeichnete. Er ist genial, ursprünglich, unmittelbar, berauscht vom Lebenswein, erfüllt vom Wunder des Lebens, so daß er allen Menschen davon künden muß. Was er einmal von seiner Jugend sagt (Buch der Kindheit, S. 117), gilt für sein ganzes Leben: »Es war eine heilige Lebensinbrunst, die mit mir als mit einem prophetisch Verzückten ihren himmlischen Spuk trieb; ich liebte das Leben in mir selbst wie in aller Kreatur; ich mußte zuzeiten stille stehen und mich betasten, mich im Quell bespiegeln und dann jauchzen, daß ich lebendig war. Das Wunder des Daseins machte mich immer wieder nachdenklich, träumerisch und wie berauscht.« Und so blieb er, obwohl er über viel Dinge fühlend dachte, und zwar tiefdeutig dachte, doch sein Leben lang mehr Natur als Kultur und Schule. Sein Stil, seine Sprache quillt sozusagen aus dem ganzen Nervensystem in uns über, nicht gesiebt und geklärt vom tüchtigen Kulturverstande. Er macht reichlich viel überflüssige Worte, häuft gleichbedeutende Wendungen, ist gespickt mit Fremdwörtern.
Man könnte ihn demnach am ehesten mit Jean Paul vergleichen, von dem er gelernt hat; doch ist er kein Humorist im großgeistigen Stil dieses dichterisch-formlosen Denkers. Noch weniger hat er es zu irgendwelchem geschlossenen Dichterwerk gebracht: und doch flutet Poesie durch seine ganze Erscheinung, quillt und sickert zwischen den Worten hindurch, weht aus der Aura, dem Hauch, der ihn einhüllt. Manchmal verdichtet sich auch ein Stück davon, so in seinen entzückend frischen Schilderungen aus der Jugendzeit. Auch ist er kein abgeklärter oder gar systematischer Denker: und doch ist er unablässig in Gedankenarbeit, in einem Phantasieren und Fabulieren gleichsam des sinnenden Gemütes. Man kann ihn in dieser Hinsicht des dichterischen und empfindenden Denkens mit dem an deutschem Gemütsgeist erzogenen Carlyle oder mit Whitman vergleichen; Richard M. Meyer hat ihn auch in der Tat als »kleinen, sehr kleinen Carlyle« ironisiert (Wiener »Zeit« 1901). Aber wozu diese abtrumpfende, ausspielende Art des Vergleichs, die -- wie Goethe betont hat -- immer nach einer der beiden Seiten hin ungerecht berühren und kränken muß? Wir holen unsererseits diese verschiedenen Schriftsteller nur heran, um sein besonders gewachsenes Wesen daran zu erläutern, nicht eigentlich abzuschätzen. Denn Bogumil Goltz ist eine Erscheinung für sich.
Für mein Gefühl insbesondere quillt und treibt in diesem Wildgewächs jene üppige Stimmungskraft, die zuerst mit Klopstock in Erscheinung getreten, die wir auch im bedeutenden Herder, in Jacobi, Jean Paul, Eichendorff bemerken, und die in der Romantik teilweise Blüten trieb. Es ist eine Richtung dichterischen Gemüts- und Phantasielebens, die uns eigentlich wenig gut geformte oder bleibende Werke geschaffen hat, weil sie gar sehr zu zerfließender Überschwenglichkeit neigte. Aber sie ist gleichwohl von ganz unschätzbarer Wichtigkeit: denn sie hat zur Bereitung einer allgemein-dichterischen Atmosphäre Ausgezeichnetes beigetragen.
Gelingt es uns, mit dem herberen Ton, der sich heute herausgebildet hat, etwas von dem Gemütsreichtum dieser so recht eigentlich heimischen Poesie, die noch in Richters Bildern und Mörikes Liedern herzige Idyllen schuf, wieder in unser Empfinden einzuführen und mit der edlen Geisteszucht unsrer Großen von Weimar zu vermählen: so werden wir auf dem Wege zur längst gesuchten Nationalliteratur ein Stück weiterkommen.
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Ich sagte schon: der gleichgestimmte Leser wird erstaunt zugeben, daß sich die vorliegende Auswahl geradezu als neues Buch darstellt, ja, als ein rechtes Gegenwartbuch. Und zwar durch eigentlich einfache Mittel: durch die Art der Gruppierung, der Auswahl, der Zusammenstellungen, der Umstellungen und gelegentlich auch durch kleine Striche oder Verdeutschung veralteter Fremdwörter. So hat sich eine Reihe von Essays, von Bildern und Betrachtungen geformt, die meines Erachtens so lebendig wie nur möglich wirken. Die einzelnen Titel sind zum Teil vom Herausgeber, doch mit Benützung von Goltzschen Wendungen. Manche Stücke wurden aus zwei oder drei verschiedenen Büchern zusammengetragen, was bei der sprunghaften und aphoristischen Schreibweise des Verfassers ganz zwanglos möglich war. In drei Hauptbüchern (Buch der Kindheit, Buch der Gesellschaft, Buch der Ewigkeit) habe ich das Ganze untergebracht.
Die Bücher dieses formlosen Plauderers wären ja, als Ganzes betrachtet, für die Gegenwart jedenfalls verloren, wie er selber verschollen ist. Ich bin überzeugt, der größte Teil der Leser dieser Zeilen kennt nicht einmal seinen Namen. Ich will daher mit einigen Worten noch auf sein äußeres Leben hinweisen.
Bogumil Goltz ist geboren am 20. März 1801 zu Warschau, wo sein Vater preußischer Staatsgerichtsdirektor war. Im Besitze seines Vaters war ein kleines Gut bei Thorn, welches frühe unserem nicht eben praktisch veranlagten Dichter zur Bewirtschaftung zufiel. In Breslau genoß der junge Goltz etwas Philosophie und Theologie, wirtschaftete dann einige Jahre, kam aber zu nichts Rechtem, gab 1846 den Ackerbau auf und siedelte sich in Thorn an. Jetzt ergoß er endlich all die aufgehäuften Gefühle und Gedanken in schriftstellerische Werke und erwarb sich mit seinen ersten Büchern (»Buch der Kindheit«, »Jugendleben«) schnell einen Namen. Danach unternahm er Reisen durch Europa (1849 nach Ägypten), schrieb Bücher und hielt Vorträge, wobei er durch sein geistvolles Plaudern seine zahlreichen Zuschauer verblüffte und hinriß. Er starb, nach langen körperlichen Leiden, am 12. November 1870. Seine hauptsächlichsten Werke, meist bei Otto Janke, Berlin, erschienen, sind folgende: »Zur Geschichte und Charakteristik des deutschen Genius« (Berlin 1864), »Typen der Gesellschaft« (1866), »Zur Naturgeschichte und Charakteristik der Frauen« (5. Aufl. 1874), »Ein Kleinstädter in Ägypten« (3. Aufl. 1877), »Des Menschen Dasein in seinen weltewigen Zügen und Zeichen« (2. Aufl. 1868). -- Wie ich nachträglich höre, wird von Janke eine ausführliche Biographie dieses eigengearteten Mannes geplant, was sehr dankenswert wäre. An eine Wiederbelebung des gesamten Goltz vermag ich jedoch nicht zu glauben.
»Bogumil Goltz« -- so schrieb seinerzeit der Wiener Kritiker Ferdinand Kürnberger unter dem Eindruck seiner dortigen Vorträge -- »wirkt mit seiner ungeheuren Naturkraft nur rhapsodisch, fragmentarisch ... Es ist erstaunlich, welche Stärke er in der Auffindung und welche Schwäche er in der Bearbeitung von Gedanken hat. Daher geschieht es, daß seine Bücher zugleich bezaubern und ermüden ... Während er mit Feuer und Schwert sein Naturevangelium predigt -- oft als Apostel, aber noch öfter als Kapuziner -- werden wir aufs eindringlichste belehrt, wie nackt die Natur ist ohne Kunst und Erziehung. Er erlaubt uns nicht entfernt, an Namen zu denken wie Voltaire, Lessing, Herder: Bildner, die ihm zwar sicher nicht an Geist und Gefühl überlegen waren, aber -- an Schule.«
Dies ist richtig. Richtig ist aber auch, was Dr. Rudolf Brohm, der dem Verstorbenen im Kopernikusverein zu Thorn die Gedächtnisrede hielt (Grenzboten 1871), über den Freund äußerte: »Bogumil Goltz war als Schriftsteller ein Original, das seinesgleichen nicht hat, ein Autor, welchen keine der zurzeit geltenden Praktiken und Literatur-Theorien sich unterfangen sollte in eine ihrer engen Kategorien zu bringen. Nur ein Verkennen seiner innersten Natur konnte den Vorwurf gegen ihn erheben, den tiefen Ideen und Tendenzen der Zeit hätte er fremd gegenübergestanden. Es ist wahr, Goltz vermochte nicht, sich zu erfreuen an der Vielgeschäftigkeit unserer Zeit, die dem Leben der Seele Licht und Luft entzieht; er vermochte auch nicht, sich sofort zu begeistern für jede neue Erfindung und Einrichtung, die als weltbeglückendes Kulturelement angepriesen und von anderen wieder verdrängt ward: aber alles Wahre und Reine in der Geisterbewegung der Neuzeit, alles, was in der Entwicklung der Menschheit der heiligen Weltordnung Gottes gemäß war, das erkannte er, würdigte es in vollem Umfang und begrüßte mit freudigem Herzen jeden Fortschritt des wahren Menschentums.«
Wir sind uns der Grenzen dieses herrlich reinen und gehaltvollen dichterischen Denkers bewußt. Gibt er uns aber einige gute, wärmende Gemütsworte mit auf den Weg -- uns, die wir die versunkene Krone heimischen Volksgemüts der Kultur der Gegenwart aufs Haupt setzen möchten, -- so ist das genug, und wir sind ihm herzlich dankbar.
Mai 1904.