Nikolai Gogol
Abende auf dem Vorwerke bei Dikanjka und andere Erzählungen
Nikolai Gogol

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Die Nacht vor Weihnachten

Der letzte Tag vor Weihnachten war zu Ende. Eine klare Winternacht brach an; die Sterne erstrahlten am Himmel; der Mond erhob sich majestätisch, um den guten Menschen und der ganzen Welt zu leuchten, damit jeder recht lustig die KoljadaliederSo heißen die Lieder, die bei uns am Vorabend des Weihnachtsfestes vor den Fenstern gesungen werden. Den Singenden pflegt die Hausfrau, oder der Hausherr, oder wer gerade zu Hause geblieben ist, eine Wurst, ein Brot oder eine Kupfermünze, je nach seinem Vermögen, zuzuwerfen. Man sagt, daß es einmal einen Götzen Koljada gegeben habe, den die Menschen für einen Gott hielten, und daß die Koljadalieder aus jener Zeit herrühren. Wer kann das wissen?
Wir, einfache Leute, sind nicht berufen, darüber zu urteilen. Im vorigen Jahre hat P. Ossip die Koljadalieder zu verbieten versucht, weil das Volk auf diese Weise dem Satan diene. Aber in diesen Liedern kommt, die Wahrheit zu sagen, kein Wort von Koljada vor. Man besingt meistens die Geburt Christi und wünscht zum Schluß dem Hausherrn, der Hausfrau, den Kindern und dem ganzen Hause Gesundheit.
Anmerkung des Bienenzüchters
singe und den Heiland preise.

Der Frost hatte seit dem Morgen zugenommen; dafür war es aber so still, daß man das Knirschen des gefrorenen Schnees unter den Stiefeln eine halbe Werst weit hören konnte. Noch war keine einzige Gesellschaft von Burschen unter den Fenstern erschienen; nur der Mond allein blickte verstohlen in die Stuben, als wolle er die sich putzenden Mädchen rufen, damit sie schneller auf den knirschenden Schnee hinauslaufen. Da stieg aus dem Schornstein eines Hauses eine dichte Rauchwolke empor, und zugleich mit dem Rauch fuhr eine Hexe auf einem Besenstiel in die Höhe.

Wäre um diese Zeit der Assessor von Ssorotschinzy mit einer Troika von Bürgerpferden, in seiner mit Lammfell besetzten, nach Muster der Ulanenmützen gearbeiteten Mütze, in seinem blauen, mit schwarzem Schaffell gefütterten Pelz, mit seiner teuflisch geflochtenen Peitsche, mit der er seinen Kutscher anzutreiben pflegte, vorübergefahren, so hätte er sie ganz gewiß bemerkt, denn dem Assessor von Ssorotschinzy kann keine Hexe in der Welt entgehen. Er weiß ganz genau, wie viele Ferkel das Schwein einer jeden Frau wirft, wieviel Leinwand sie in der Truhe liegen hat und welche Kleidungs- oder Wirtschaftsgegenstände der brave Mann am Sonntag in der Schenke versetzt. Aber der Assessor von Ssorotschinzy kam nicht vorbei; was gehen ihn auch fremde Angelegenheiten an: er hat ja seinen eigenen Bezirk. Die Hexe stieg indessen so hoch hinauf, daß sie nur noch als ein kleiner schwarzer Fleck zu sehen war. Wo sich aber dieser Fleck nur zeigte, dort verschwand ein Stern nach dem anderen. Die Hexe hatte bald ihrer einen ganzen Ärmel voll. Drei oder vier funkelten noch am Himmel. Plötzlich zeigte sich an der entgegengesetzten Seite ein anderes Fleckchen; es wurde größer, nahm an Breite zu und war bald kein bloßer Fleck mehr. Ein Kurzsichtiger hätte sogar die Räder vom Kommissärswagen statt einer Brille auf die Nase setzen können, aber auch dann würde er nicht erkennen, was das war. Von vorn besehen, sah es ganz wie ein DeutscherEinen Deutschen (Njemez) nennt man bei uns einen jeden, der aus einem fremden Lande stammt; einen Franzosen, einen Kaiserlichen, einen Schweden alle nennt man Deutsche.
Anmerkung Gogols
aus: eine schmale Schnauze, die sich fortwährend bewegte und alles beschnüffelte, worauf sie stieß, lief wie bei unseren Schweinen in ein rundes Fünfkopekenstück aus; die Beine waren so dünn, daß der Amtmann von Jareskow sie schon beim ersten Sprunge im Kosakentanz gebrochen haben würde, wenn er sie hätte. Von rückwärts sah es dafür ganz wie der Gouvernementsanwalt in Uniform aus, denn es hatte hinten einen spitzen und langen Schwanz hängen, wie ihn ein moderner Uniformfrack hat; nur an dem Bocksbart unter der Schnauze, an den kleinen Hörnchen auf dem Kopfe und daran, daß es nicht weißer war als ein Schornsteinfeger, könnte man erkennen, daß es weder ein Deutscher noch der Gouvernementsanwalt, sondern einfach der Teufel war, dem nur diese letzte Nacht blieb, in der er sich auf der Welt herumtreiben und die guten Menschen zur Sünde verführen durfte. Morgen schon mußte er beim ersten Glockenschlage der Frühmesse mit eingezogenem Schwanz schleunigst in sein Loch fahren.

Der Teufel schlich sich indessen leise an den Mond heran und streckte schon die Hand aus, um ihn zu packen, zog sie aber gleich wieder zurück, als ob er sich verbrannt hätte, sog an den Fingern und zappelte mit einem Bein. Dann lief er an den Mond von einer anderen Seite heran, sprang aber wieder weg und zog die Hand zurück. Trotz dieser Mißerfolge ließ der schlaue Teufel von seinen Streichen nicht ab. Er lief wieder an den Mond heran, packte ihn mit beiden Händen zugleich und warf ihn, wie ein Bauer, der Feuer für seine Pfeife mit bloßen Händen holt, Grimassen schneidend und fortwährend blasend, aus der einen Hand in die andere; schließlich steckte er ihn schnell in die Tasche und rannte weiter, als wäre nichts geschehen.

In Dikanjka merkte niemand, daß der Teufel den Mond gestohlen hatte. Allerdings hatte der Gemeindeschreiber, als er auf allen vieren aus der Schenke kam, gesehen, daß der Mond am Himmel plötzlich tanzte, was er auch unter Schwüren dem ganzen Dorfe versicherte; aber die Bürger schüttelten die Köpfe und lachten ihn sogar aus. Was mochte aber den Teufel zu so einer gesetzwidrigen Tat bewogen haben? Das hatte folgenden Grund: er wußte, daß der reiche Kosak Tschub vom Küster zu KutjaKutja – eine mit Honig zubereitete Reisspeise – wird am heiligen Abend gegessen.
Anmerkung des Übersetzers
eingeladen war, welchem Schmause außerdem der Amtmann, ein mit dem Küster verwandter bischöflicher Chorsänger, der einen blauen Rock trug und eine tiefere Stimme hatte als der tiefste Baß, der Kosak Swerbygus und noch manche andere Gäste beiwohnen sollten; außer der Kutja würde es auch noch einen süßen Fruchtschnaps, einen Safranschnaps und viele andere Speisen geben. Indessen sollte die Tochter Tschubs, das schönste Mädel im ganzen Dorfe, zu Hause bleiben, und zu dieser Tochter würde sicher der Schmied kommen, ein kräftiger Bursche, der dem Teufel noch unangenehmer war als die Predigten des P. Kondrat. Der Schmied befaßte sich in seiner freien Zeit mit Malen und galt als der beste Maler in der ganzen Gegend. Selbst der Hauptmann L–ko, der damals noch lebte, ließ ihn einmal eigens nach Poltawa kommen, um einen Bretterzaun an seinem Hause anzustreichen. Alle Schüsseln, aus denen die Kosaken von Dikanjka ihre Rübensuppe aßen, waren von diesem Schmied bemalt. Der Schmied war ein gottesfürchtiger Mann und malte oft Heiligenbilder; auch jetzt noch kann man in der Kirche von T. seinen Evangelisten Lucas sehen. Doch der Triumph seiner Kunst war das von ihm an der Wand der rechten Vorhalle der Kirche gemalte Bild, auf dem er den heiligen Petrus dargestellt hatte, wie er am Tage des Jüngsten Gerichts, mit den Schlüsseln in der Hand, den bösen Geist aus der Hölle vertreibt; der erschrockene Teufel wirft sich, sein Ende ahnend, hin und her, während ihn die bis dahin eingekerkerten Sünder mit Peitschen, Holzscheiten und allem, was ihnen in die Hände fällt, schlagen und hinausjagen. Als der Maler an diesem Bilde arbeitete und es auf einem großen Brette malte, hatte sich der Teufel alle Mühe gegeben, ihn zu stören: er stieß ihn unsichtbar an der Hand und holte aus der höllischen Esse Asche und streute sie aufs Bild; das Bild wurde aber trotz alledem vollendet, das Brett in die Kirche gebracht und an der Wand der Vorhalle befestigt, und der Teufel hatte seitdem geschworen, sich am Schmied zu rächen.

Nur eine Nacht noch durfte er sich auf Gottes Welt herumtreiben; aber auch in dieser Nacht suchte er ein Mittel, um seinen Zorn an dem Schmied auszulassen. Zu diesem Zweck entschloß er sich, den Mond zu stehlen, wobei er seine Hoffnung darauf setzte, daß der alte Tschub faul und schwerfällig war und daß er gar nicht nahe vom Küster wohnte; der Weg führte hinter dem Dorfe an den Mühlen und am Friedhof vorbei und machte einen Bogen um einen Graben. In einer Mondnacht hätte sich Tschub vielleicht noch vom Fruchtschnaps und vom Safranschnaps verlocken lassen können, aber bei dieser Finsternis würde es wohl kaum jemand gelingen, ihn von seinem Ofen herunterzuschleppen und aus dem Hause zu bringen. Der Schmied, der mit ihm seit längerer Zeit verfeindet war, würde es trotz seiner Kraft nicht wagen, in Tschubs Anwesenheit das Töchterchen aufzusuchen.

Als der Teufel also den Mond in die Tasche gesteckt hatte, wurde es in der ganzen Welt plötzlich so finster, daß nicht jeder den Weg zur Schenke, geschweige denn zum Küster gefunden hätte. Die Hexe, die sich plötzlich im Dunkeln sah, schrie auf. Der Teufel tänzelte auf sie zu, faßte sie unterm Arm und begann ihr dasselbe ins Ohr zu flüstern, was man den Weibern gewöhnlich zuzuflüstern pflegt. Wunderlich ist es in unserer Welt eingerichtet! Alles, was da lebt, ist bemüht, einander alles abzugucken und sich gegenseitig nachzuäffen. Einst pflegten in Mirgorod nur der Richter und der Stadthauptmann im Winter mit Tuch überzogene Pelze zu tragen, während die niedere Beamtenschaft ungedeckte Nacktpelze trug; jetzt haben sich sogar der Assessor und der Unterrendant neue Pelze aus bestem Lammfell mit Tuchüberzug geleistet. Der Kanzlist und der Gemeindeschreiber hatten sich vor zwei Jahren blauen Baumwollstoff zu sechzig Kopeken den Arschin gekauft. Der Kirchendiener hat sich für den Sommer eine Pluderhose aus Nanking und eine Weste aus gestreiftem Kammgarn machen lassen. Mit einem Worte, alles will nach was aussehen! Wann werden die Menschen einmal aufhören, den Nichtigkeiten dieser Welt nachzugehen! Ich wette, es wird vielen merkwürdig vorkommen, daß der Teufel die gleichen Wege geht. Das Ärgerlichste aber ist, daß er sich wohl für einen schönen Mann hält, während man sich schämen muß, seine Fratze auch nur anzusehen. Er hat eine hundsgemeine Fratze, wie Foma Grigorjewitsch zu sagen pflegt, und doch versucht auch er, einer Hexe den Hof zu machen! Aber am Himmel und unter dem Himmel war es so finster geworden, daß man gar nichts sehen konnte, was zwischen den beiden sich weiter abspielte.

»Du bist also noch nicht beim Küster in seinem neuen Hause gewesen, Gevatter?« fragte der Kosak Tschub, aus seinem Hause tretend, einen langen Bauern in kurzem Schafspelz und mit einem dichten Bart, der davon zeugte, daß ihn das gebrochene Sensenstück, mit dem sich die Bauern in Ermangelung eines Rasiermessers zu rasieren pflegen, seit mehr als zwei Wochen nicht berührt hatte. »Dort wird es einen schönen Schmaus geben!« fuhr Tschub schmunzelnd fort. »Daß wir nur nicht zu spät kommen!«

Bei diesen Worten rückte Tschub den Gürtel zurecht, der seinen Pelz fest umspannte, drückte sich die Mütze tiefer ins Gesicht, nahm die Peitsche, den Schrecken und die Furcht aller zudringlichen Hunde, blickte aber nach oben und hielt inne . . . »Zum Teufel! Schau! . . . Schau, Panas! . . .«

»Was?« fragte der Gevatter und hob ebenfalls seinen Kopf.

»Du fragst noch? Der Mond ist weg!«

»Verdammt! Der Mond ist wirklich weg.«

»Das ist es eben, daß er weg ist!« sagte Tschub etwas ärgerlich über die unerschütterliche Gleichgültigkeit des Gevatters. »Du kümmerst dich wohl nicht darum.«

»Was soll ich denn machen?«

»Mußte sich da ein Teufel einmischen der Hund soll nicht erleben, am Morgen ein Glas Schnaps zu trinken! . . . Es ist wie ein Spott! . . . Als ich noch in der Stube saß, sah ich eigens zum Fenster hinaus: eine wunderbare Nacht! Ganz hell war es, der Schnee glänzte im Mondlichte, und alles war so klar zu sehen wie bei Tage. Kaum bin ich aber aus der Stube getreten, so ist es so finster geworden, daß man die Hand vor den Augen nicht sieht!« – Mag er sich alle Zähne an einem harten Buchweizenkuchen ausbrechen! –

Tschub brummte und fluchte noch lange, überlegte sich aber zugleich, wozu er sich entschließen solle. Gar zu gern hätte er beim Küster über allerlei Unsinn geschwatzt; der Amtmann, der zugereiste Baß und der Teerbrenner Mikita, der alle zwei Wochen zum Markt nach Poltawa fuhr und solche Witze zu machen pflegte, daß die Bürger sich den Bauch vor Lachen hielten, waren schon sicher da. Tschub sah schon in Gedanken den süßen Fruchtschnaps auf dem Tische stehen. Das alles war allerdings verlockend; aber die Dunkelheit der Nacht weckte in ihm die Faulheit, die alle Kosaken so lieben. Wie schön wäre es jetzt, mit eingezogenen Beinen auf dem Ofen zu liegen, ruhig die Pfeife zu rauchen und im süßen Schlummer die Lieder lustiger Burschen und Mädchen zuhören, die sich in Scharen vor den Fenstern drängen! Er hätte sich ohne Zweifel für das letztere entschieden, wenn er allein gewesen wäre; aber zu zweit war es nicht so langweilig und schrecklich, durch die finstere Nacht zu gehen; auch wollte er nicht vor den anderen faul und feige erscheinen. Als er mit dem Schimpfen fertig war, wandte er sich wieder an den Gevatter.

»Der Mond ist also weg, Gevatter?«

»Er ist weg.«

»Wirklich seltsam! Gib mir mal eine Prise! Du hast einen feinen Tabak, Gevatter! Wo hast du ihn her?«

»Was, zum Teufel, fein?!« erwiderte der Gevatter und klappte die aus Birkenrinde angefertigte und mit einem Stichmuster verzierte Dose zu. »Nicht mal eine alte Henne würde von diesem Tabak niesen!«

»Ich kann mich noch erinnern«, fuhr Tschub in demselben Tone fort, »der selige Schenkwirt Susulja hat mir einmal einen Tabak aus Njeschin mitgebracht. Ach, war das ein Tabak! Ein guter Tabak war das! Was fangen wir nun an, Gevatter? Es ist ja dunkel.«

»Bleiben wir vielleicht zu Hause?« sagte der Gevatter, nach der Türklinke greifend.

Hätte der Gevatter das nicht gesagt, so würde sich Tschub wohl entschlossen haben, zu Hause zu bleiben; jetzt aber stieß ihn etwas, dem Gevatter zu widersprechen. »Nein, Gevatter, wollen wir gehen! Es ist nicht anders möglich, wir müssen gehen!«

Als er das gesagt hatte, ärgerte er sich schon gleich über seine Worte. Es war ihm sehr unangenehm, sich in einer solchen Nacht hinzuschleppen, aber ihn tröstete der Gedanke, daß er es selbst so gewollt hatte und anders handelte, als man ihm geraten hatte.

Der Gevatter zeigte als ein Mann, dem es ganz gleich war, ob er zu Hause saß oder sich draußen herumtrieb, nicht den leisesten Verdruß; er sah sich um, kratzte sich mit dem Peitschenstiel die Achseln, und die beiden Gevattern machten sich auf den Weg.

 

Nun wollen wir sehen, was die schöne Tochter allein treibt. Oksana war noch nicht siebzehn Jahre alt, als schon beinahe in der ganzen Welt, wie diesseits von Dikanjka, so auch jenseits von Dikanjka, die Leute von nichts anderem sprachen als von ihr. Die Burschen erklärten einstimmig, daß es ein schöneres Mädel im ganzen Dorfe niemals gegeben habe und auch niemals geben werde. Oksana wußte und hörte alles, was über sie gesprochen wurde, und war so launisch, wie es einem schönen Mädchen geziemt. Hätte sie nicht den Rock und die Jacke einer Bäuerin, sondern irgendein städtisches Morgenkleid getragen, so würde bei ihr wohl keine einzige Zofe aushalten können. Die Burschen liefen ihr scharenweise nach; sie verloren aber die Geduld, verließen einer nach dem anderen die eigensinnige Schöne und wandten sich anderen, weniger launischen Mädchen zu. Nur der Schmied allein war eigensinnig und gab seine Bemühungen nicht auf, obwohl sie ihn nicht besser als die anderen behandelte. Als der Vater gegangen war, putzte und zierte sich Oksana noch lange vor dem kleinen Spiegel im Zinnrahmen und konnte sich gar nicht genug bewundern.

»Warum ist es den Leuten bloß eingefallen, zu verbreiten, daß ich hübsch sei?« sagte sie gleichsam zerstreut, nur um über irgendwas mit sich selber zu plaudern. »Die Leute lügen, ich bin gar nicht hübsch.«

Aber das frische, lebhafte, kindlich jugendliche Gesicht mit den glänzenden schwarzen Augen und dem unsagbar angenehmen Lächeln, das die Seele versengte, bewies ihr plötzlich das Gegenteil.

»Sind denn meine schwarzen Brauen und Augen«, fuhr die Schöne fort, ohne den Spiegel fortzulassen, »wirklich so schön, daß es nicht ihresgleichen auf der Welt geben soll? Was ist denn an dieser Stumpfnase so hübsch? Was an den Wangen, an den Lippen? Sind denn meine schwarzen Zöpfe wirklich so schön? Ach, man könnte vor ihnen am Abend erschrecken: sie winden sich wie lange Schlangen um meinen Kopf. Jetzt sehe ich, daß ich gar nicht hübsch bin!« Sie rückte den Spiegel etwas von sich fort und rief: »Nein, ich bin schön! Ach, wie schön! Wunderbar! Welch eine Freude bringe ich dem, dessen Frau ich werde! Wie wird mich mein Mann bewundern! Er wird vor Freude ganz außer sich sein! Er wird mich zu Tode küssen.«

»Ein wunderliches Mädel!« flüsterte der Schmied, der leise eingetreten war. »Sie ist so gar nicht eitel! Eine ganze Stunde steht sie vor dem Spiegel, kann sich gar nicht sattsehen und rühmt sich dabei ganz laut!«

»Ja, ihr Burschen, passe ich denn zu euch? Schaut mich nur an«, fuhr die hübsche Kokette fort. »Wie schwebend ist mein Gang. Mein Hemd ist mit roter Seide gestickt. Und was für Bänder habe ich auf dem Kopfe! Euer Lebtag werdet ihr keine so schönen Tressen sehen. Das alles hat mir mein Vater gekauft, damit mich der schönste Bursche der Welt heiratet.« Sie lächelte, drehte sich um und erblickte den Schmied . . .

Sie schrie auf und blieb mit strenger Miene vor ihm stehen.

Der Schmied ließ seine Hände sinken.

Es läßt sich schwer sagen, was das braune Gesicht des herrlichen Mädchens ausdrückte: es war Strenge darin, und durch die Strenge hindurch ließ sich auch ein eigentümlicher Hohn über den verblüfften Schmied erkennen; auch hatte der Verdruß ihr Gesicht mit kaum wahrnehmbarer Röte gefärbt, und alles zusammen war so unbeschreiblich schön, daß man sie eine Million mal küssen könnte: das wäre das beste, was man hätte tun können.

»Warum bist du hergekommen?« begann Oksana. »Möchtest du denn, daß ich dich mit der Schaufel hinausjage? Ihr versteht es alle gut, euch an uns heranzumachen. Ihr wittert es gleich, wenn die Väter nicht zu Hause sind. Oh, ich kenne euch! Ist mein Koffer fertig?«

»Er wird fertig, mein Herzchen, nach den Feiertagen wird er fertig. Wenn du nur wüßtest, wieviel ich an ihm herumgearbeitet habe: zwei Nächte habe ich meine Schmiede nicht verlassen. Dafür hat auch keine Popentochter so einen Koffer. Zu den Beschlägen nahm ich ein Eisen, wie ich es nicht mal zum Wagen des Hauptmanns genommen habe, als ich bei ihm in Poltawa arbeitete. Und wie schön er bemalt sein wird! Du kannst mit deinen weißen Füßchen die ganze Gegend durchlaufen und wirst keinen ähnlichen Koffer finden! Über den ganzen Grund werden rote und blaue Blumen verstreut sein. Es wird leuchten wie Feuer. Sei mir also nicht böse! Laß mich wenigstens mit dir sprechen, dich wenigstens anschauen!«

»Wer verbietet dir das? Sprich und schau!«

Sie setzte sich auf die Bank, blickte wieder in den Spiegel und begann ihre Zöpfe auf dem Kopfe zu ordnen. Sie blickte auf ihren Hals, auf das neue, mit Seide gestickte Hemd, und ein leises Gefühl von Selbstzufriedenheit spiegelte sich auf ihren Lippen, auf den frischen Wangen und leuchtete aus ihren Augen.

»Erlaube mir, daß ich mich neben dich setze!« sagte der Schmied.

»Setz dich«, versetzte Oksana, den gleichen Ausdruck auf den Lippen und in den selbstzufriedenen Augen bewahrend.

»Wunderbare, herrliche Oksana, erlaube, daß ich dich küsse!« sagte der Schmied ermutigt und drückte sie an sich, mit der Absicht, einen Kuß zu erwischen. Aber Oksana zog ihre Wangen, die sich schon in nächster Nähe der Lippen des Schmiedes befanden, zurück und stieß ihn von sich. »Was möchtest du noch? Wenn er Honig hat, muß er auch gleich einen Löffel haben! Geh weg, deine Hände sind härter als Eisen. Auch du selbst riechst nach Rauch. Ich glaube, du hast mich ganz mit Ruß beschmiert.«

Sie nahm wieder den Spiegel vor und begann sich von neuem zu putzen.

– Sie liebt mich nicht! – dachte der Schmied bei sich und ließ den Kopf sinken. – Für sie ist alles eine Spielerei, ich stehe aber vor ihr wie ein Narr und kann von ihr kein Auge wenden! Ein wunderliches Mädel! Was gäbe ich nicht alles darum, zu erfahren, was sie im Herzen hat und wen sie liebt. Aber nein, sie kümmert sich um niemand. Sie bewundert nur sich selbst; sie quält mich Armen, und ich kann vor Trauer die Welt nicht sehen. Ich liebe sie aber so, wie noch kein Mensch auf der Welt geliebt hat oder lieben wird. –

»Ist es wahr, daß deine Mutter eine Hexe ist?« fragte Oksana und lachte. Der Schmied fühlte, wie in seinem Innern alles zu lachen anfing. Dieses Lachen hallte plötzlich in seinem Herzen und in den leise erzitternden Adern wider; gleich darauf spürte er aber wieder Ärger, daß es nicht in seiner Gewalt war, dieses so hübsch lachende Gesicht zu küssen.

»Was geht mich meine Mutter an? Du bist mir Mutter und Vater und alles, was mir auf der Welt teuer ist. Wenn mich der Zar zu sich riefe und mir sagte: ›Schmied Wakula, bitte mich um alles, was es in meinem Zarenreiche Schönes gibt, ich will dir alles geben. Ich werde dir eine goldene Schmiede bauen lassen, und du wirst mit silbernen Hämmern schmieden.‹ – ›Ich will nicht‹, würde ich dem Zaren sagen, ›ich will weder Edelsteine, noch eine goldene Schmiede, noch dein ganzes Zarenreich. Gib mir lieber meine Oksana!‹«

»Siehst du, was du für einer bist: Aber mein Vater ist auch nicht so dumm. Paß auf, er wird noch deine Mutter heiraten!« sagte Oksana mit schelmischem Lächeln. »Aber warum kommen die Mädchen nicht . . . Was soll das bedeuten? Es ist schon längst Zeit, vor den Fenstern Weihnachtslieder zu singen, mir wird es langweilig!«

»Denk nicht an sie, meine Schöne!«

»Warum nicht gar! Mit ihnen werden wohl auch die Burschen mitkommen. Da wird es einen Ball geben. Ich stelle mir vor, was für spaßige Geschichten sie erzählen werden!«

»Es ist dir also lustig mit ihnen?«

»Jedenfalls lustiger als mit dir. Ah! Jemand klopft; es sind sicher die Mädchen mit den Burschen.«

 

– Was soll ich noch länger warten? – sagte der Schmied zu sich selbst. – Sie macht sich über mich lustig. Ich bin ihr ebensoviel wert wie ein verrostetes Hufeisen. Wenn dem aber wirklich so ist, so soll wenigstens kein anderer über mich lachen. Wenn ich nur sicher merke, daß ihr ein anderer besser gefällt als ich, so will ich es ihm schon austreiben . . .

Ein Klopfen an der Tür und ein scharf in der kalten Luft klingender Ruf »Mach auf!« unterbrachen seine Gedanken.

»Wart, ich mache selbst auf«, sagte der Schmied und trat in den Flur mit der Absicht, dem ersten besten, der ihm vor die Augen kam, die Rippen einzuschlagen.

 

Der Frost nahm zu, und oben in der Höhe wurde es so kalt, daß der Teufel von einem Huf auf den anderen sprang und sich in die Faust blies, um seine erfrorenen Hände ein wenig zu erwärmen. Es ist auch kein Wunder, wenn es einen fror, der sich Tag für Tag in der Hölle herumtrieb, wo es bekanntlich nicht so kalt ist wie bei uns im Winter, und wo er mit einer weißen Mütze auf dem Kopfe wie ein Koch vor dem Herde stand und die Sünder mit solchem Vergnügen briet, wie ein Weib zu Weihnachten eine Wurst brät.

Die Hexe spürte auch den Frost, obwohl sie warm gekleidet war; darum hob sie die Arme in die Höhe, schob ein Bein zurück, nahm die Haltung eines auf Schlittschuhen dahinsausenden Menschen ein und fuhr, ohne ein Glied zu rühren, durch die Luft, wie einen steilen Eisberg hinunterfahrend, in einen Schornstein.

Der Teufel folgte ihr auf die gleiche Weise. Da aber dieses Vieh flinker ist als mancher Geck in Strümpfen, so ist es kein Wunder, daß er gleich an der Mündung des Schornsteins seiner Geliebten an den Hals fuhr; so befanden sich die beiden auf einmal in einem geräumigen Ofen zwischen den Töpfen.

Die heimgekehrte Reiterin machte leise das Ofentürchen auf, um zu sehen, ob ihr Sohn Wakula keine Gäste in die Stube geladen hätte; als sie aber sah, daß niemand da war außer einigen Säcken, die mitten in der Stube lagen, kam sie aus dem Ofen gekrochen, warf den warmen Pelz ab, zupfte ihre Kleider zurecht, und niemand hätte ihr ansehen können, daß sie vor einer Minute auf einem Besen geritten war.

Die Mutter des Schmiedes Wakula war nicht mehr als vierzig Jahre alt. Sie war weder schön noch häßlich. Es ist auch schwer, in diesem Alter schön zu sein. Doch verstand sie es, die gesetztesten Kosaken (die sich, nebenbei bemerkt, wenig um die Schönheit kümmerten) so an sich zu fesseln, daß selbst der Amtmann, der Küster Ossip Nikiforowitsch (natürlich wenn die Küsterin nicht zu Hause war), der Kosak Kornij Tschub und der Kosak Kaßjan Swerbygus sie aufzusuchen pflegten. Zu ihrer Ehre muß gesagt werden, daß sie mit ihnen vorzüglich umzugehen verstand: keinem von ihnen kam es in den Sinn, daß er einen Nebenbuhler habe. Ging ein frommer Bauer oder ein Edelmann, wie die Kosaken sich selbst nennen, in seinem Mantel mit der Kapuze am Sonntag zur Kirche, oder, bei schlechtem Wetter, in die Schenke, wie sollte er da nicht bei Ssolocha einkehren, um ein paar fette Quarkkuchen mit Sahne zu essen und ein wenig mit der gesprächigen und gefälligen Hausfrau in der warmen Stube zu schwatzen? Der Edelmann machte zu diesem Zweck einen großen Umweg, ehe er die Schenke erreichte, und das nannte er »unterwegs einkehren«. Und wenn Ssolocha mal an einem Feiertag in ihrem grellen Rock und Nankingjacke und dem blauen, mit goldenen Streifen benähten Überrock in die Kirche kam und sich direkt neben dem rechten Chor aufstellte, so mußte der Küster unbedingt hüsteln und unwillkürlich nach jener Seite hinüberblinzeln; der Amtmann strich sich den Schnurrbart, wickelte sich seinen Kosakenzopf ums Ohr und sagte zu dem neben ihm stehenden Nachbarn: »Ach, ist das ein feines Frauenzimmer! Ein Teufelsweib!« Ssolocha grüßte jeden Menschen, und jeder glaubte, sie grüße ihn allein.

Aber jeder, der Lust hat, sich in fremde Angelegenheiten zu mischen, könnte sofort merken, daß Ssolocha den Kosaken Tschub am freundlichsten behandelte. Tschub war Witwer. Vor seinem Hause standen immer acht Schober Getreide. Zwei Paar kräftige Ochsen streckten ihre Köpfe aus dem Flechtwerk des Stalles auf die Straße hinaus und brüllten, sooft sie die Gevatterin – die Kuh, oder den Gevatter – den dicken Stier, kommen sahen. Ein bärtiger Ziegenbock stieg sogar aufs Dach hinauf und meckerte mit einer so schrillen Stimme wie der Stadthauptmann, um die im Hofe herumspazierenden Truthennen zu necken, und kehrte den Rücken, wenn er seine Feinde, die Jungen, erblickte, die sich über seinen Bart lustig machten. In den Truhen Tschubs gab es viel Leinwand, teure Kaftans und altertümliche Röcke mit goldenen Tressen: seine verstorbene Frau hielt viel auf Putz. In seinem Gemüsegarten wurden außer Mohn, Kohl und Sonnenblumen alljährlich auch zwei Beete Tabak gesät. Ssolocha hielt es für gar nicht so ohne, dies alles mit ihrer eigenen Wirtschaft zu vereinigen und malte sich schon im voraus aus, welche Ordnung in der Wirtschaft herrschen würde, wenn sie in ihre Hände käme; darum verdoppelte sie ihr Wohlwollen gegen den alten Tschub. Damit aber ihr Sohn Wakula sich nicht an Tschubs Tochter heranmache, alles einheimse und ihr die Möglichkeit nehme, sich in etwas einzumischen, griff sie nach dem üblichen Mittel aller vierzigjährigen Weiber: sie bemühte sich, den Schmied mit Tschub so oft als möglich zu entzweien. Vielleicht waren diese schlauen Ränke und ihre Gewandtheit schuld daran, daß die alten Weiber manchmal, besonders wenn sie bei einer lustigen Versammlung etwas zu viel getrunken hatten, davon redeten, Ssolocha sei wahrlich eine Hexe; der Bursche Kisjakolupenko habe bei ihr hinten einen Schwanz von der Größe einer Weiberspindel gesehen; erst am letzten Donnerstag sei sie in Gestalt einer schwarzen Katze über die Straße gelaufen; zu der Popenfrau sei aber einmal eine Sau gekommen, die wie ein Hahn gekräht, den Hut des P. Kondrat aufgesetzt habe und wieder weggelaufen sei . . .

Einmal traf es sich, daß, als die alten Weiber darüber redeten, ein gewisser Kuhhirt Tymisch Korostjawyj herbeikam. Er unterließ es nicht, zu erzählen, wie er im Sommer, kurz vor den Petrifasten, sich im Stalle schlafen gelegt und ein Bündel Stroh unter den Kopf gelegt habe und wie er mit eigenen Augen gesehen hätte, daß die Hexe mit aufgelöstem Zopf, in bloßem Hemd angefangen habe, die Kühe zu melken; er hätte sich gar nicht rühren können, so behext sei er gewesen; auch hätte sie ihm die Lippen mit etwas so Abscheulichem beschmiert, daß er nachher den ganzen Tag spucken mußte. Das alles war jedoch zweifelhaft, da doch nur der Assessor von Ssorotschinzy allein eine Hexe zu sehen vermag. Darum wehrten sich alle angesehenen Kosaken gegen dieses Gerücht. »Sie lügen, die Hundeweiber!« war ihre gewöhnliche Antwort.

Als Ssolocha aus dem Ofen gekrochen war und ihre Kleider zurechtgezupft hatte, fing sie als gute Hausfrau an, die Stube aufzuräumen und alles auf seinen Platz zu stellen; aber die Säcke rührte sie nicht an: »Wakula hat sie gebracht; soll er sie auch selbst hinaustragen!« Der Teufel hatte sich indessen, als er in den Schornstein hineinflog, zufällig umgeschaut und Tschub Arm in Arm mit dem Gevatter schon recht weit vom Hause erblickt. Er fuhr sofort aus dem Ofen, lief ihnen über den Weg und begann die Haufen des gefrorenen Schnees auf allen Seiten aufzuwühlen. Es erhob sich ein Schneegestöber. Die ganze Luft wurde weiß. Der Schnee wirbelte so, daß man ein weißes Netz zu sehen glaubte, und drohte die Augen, Münder und Ohren der Fußgänger zuzukleben. Der Teufel flog wieder in den Schornstein hinein, fest davon überzeugt, daß Tschub mit dem Gevatter heimkehren, den Schmied bei sich antreffen und ihn sicherlich so traktieren würde, daß er lange Zeit nicht mehr imstande sein werde, einen Pinsel in die Hand zu nehmen und verletzende Karikaturen zu malen.

 

Und in der Tat, kaum hatte sich das Schneegestöber erhoben und der Wind angefangen, ihn in die Augen zu stechen, äußerte Tschub schon Reue; er zog sich die Kapuze tiefer über die Ohren und fluchte auf sich selbst, den Gevatter und den Teufel. Sein Ärger war übrigens geheuchelt. Tschub war über den Schneesturm sehr froh. Bis zum Hause des Küsters hatten sie etwa achtmal so weit zu gehen, als sie schon zurückgelegt hatten. Die Wanderer kehrten um. Der Wind blies ihnen jetzt in den Nacken, aber durch das Schneegestöber war nichts zu sehen.

»Halt, Gevatter! Ich glaube, wir sind auf einem falschen Wege«, sagte Tschub, nachdem sie eine kurze Strecke gegangen waren. »Ich sehe kein einziges Haus. Ach, dieser Schneesturm! Bieg doch etwas seitwärts ab, Gevatter, vielleicht findest du einen Weg; ich will indessen hier suchen. Was für ein Teufel treibt uns auch bei solchem Unwetter aus dem Hause! Vergiß nicht, zu schreien, wenn du den Weg gefunden hast. Ach, was für einen Haufen von Schnee hat mir der Satan in die Augen gejagt!«

Vom Wege war aber nichts zu sehen. Der Gevatter, der seitwärts abgebogen war, irrte in seinen langen Stiefeln hin und her und stieß schließlich auf die Schenke. Dieser Fund hatte ihn dermaßen erfreut, daß er alles vergaß, den Schnee von sich abschüttelte und in den Flur trat, ohne sich im geringsten um den auf der Straße zurückgebliebenen Gevatter zu kümmern. Tschub kam es indessen vor, daß er den Weg gefunden habe. Er blieb stehen und schrie aus vollem Halse; als er aber sah, daß der Gevatter nicht kam, entschloß er sich, allein weiterzugehen. Als er eine kurze Strecke gegangen war, erblickte er sein eigenes Haus. Ganze Berge von Schnee lagen vor dem Hause und auf dem Dache. Er schlug die von Kälte erstarrten Hände gegeneinander und fing dann an, an die Tür zu klopfen und seiner Tochter gebieterisch zuzurufen, daß sie aufmachen solle.

»Was suchst du hier?« schrie ihn streng der Schmied an, der aus dem Hause trat.

Als Tschub die Stimme des Schmiedes erkannte, trat er einige Schritte zurück. – Nein, das ist nicht mein Haus –, sagte er sich, – in mein Haus wird sich der Schmied nicht verirren. Und wenn ich es genau anschaue, so ist es auch nicht das Haus des Schmiedes. Wessen Haus mag es wohl sein? Jetzt weiß ich es, wie hab' ich es nur nicht gleich erkannt?! Das ist das Haus des lahmen Ljewtschenko, der sich neulich ein junges Weib genommen hat. Nur sein Haus sieht dem meinigen ähnlich. Darum kam es mir eben so merkwürdig vor, daß ich so schnell heimgekommen war. Aber Ljewtschenko sitzt beim Küster, das weiß ich bestimmt. Was hat dann hier der Schmied zu suchen? . . . He, he, he! Er besucht seine junge Frau. So ist es! Schön! Jetzt weiß ich alles. –

»Wer bist du und was treibst du dich an den Türen herum?« sagte der Schmied noch strenger und kam noch näher.

– Nein, ich will ihm nicht sagen, wer ich bin –, dachte sich Tschub. – Der Verdammte könnte mich noch prügeln! – Er verstellte seine Stimme und antwortete: »Das bin ich, guter Mann! Ich bin gekommen, um euch zum Vergnügen einige Koljadalieder vor den Fenstern zu singen.«

»Scher dich zum Teufel mit deinen Koljadaliedern!« schrie Wakula wütend. »Was stehst du noch da? Hörst du! Scher dich auf der Stelle!«

Tschub hatte auch selbst diese vernünftige Absicht gefaßt, aber es ärgerte ihn, daß er dem Befehle des Schmiedes gehorchen mußte. Es war, als ob ihn ein böser Geist reize und nötige, dem Schmied zu widersprechen. »Warum schreist du so!« sagte er mit der gleichen Stimme. »Ich will Koljadalieder singen und basta!«

»Aha, ich sehe, mit Worten kann ich dich nicht zur Vernunft bringen!« Gleich nach diesen Worten fühlte Tschub einen recht schmerzvollen Schlag auf der Schulter.

»Ich glaube gar, du fängst zu hauen an!« sagte er, ein wenig zurückweichend.

»Geh, geh!« schrie der Schmied und versetzte Tschub einen zweiten Schlag.

»Was hast du nur!« rief Tschub mit einer Stimme, welche Schmerz, Ärger und Furcht ausdrückte. »Wie ich sehe, haust du wirklich, und zwar so, daß es weh tut!«

»Geh, geh!« schrie der Schmied und schlug die Tür zu.

»Seh' ihn nur einer an, wie tapfer er ist!« sagte Tschub, als er allein auf der Straße geblieben war. »Versuch's nur, komm mal näher! Was bist du für einer! Vielleicht ein großes Tier? Du glaubst wohl, daß ich keinen Richter finde? Nein, mein Lieber, ich gehe, ich gehe direkt zum Kommissär. Du sollst was erleben! Ich gebe nichts drauf, daß du Schmied und Maler bist. Aber ich möchte mir mal meinen Rücken und meine Schultern ansehen: ich glaube, es werden blaue Flecke da sein. Wahrscheinlich hat er mich ordentlich verprügelt, der Teufelssohn. Schade, daß es so kalt ist und ich den Pelz nicht gern ausziehen möchte. Warte nur, du Satansschmied, der Teufel wird schon dich und deine Schmiede kaputt schlagen, du wirst mir schon tanzen! So ein verfluchter Galgenstrick! Doch halt, er ist jetzt nicht zu Hause. Ssolocha sitzt wohl allein da. Hm! . . . Das ist ja gar nicht so weit – warum soll ich nicht einkehren? . . . Es ist jetzt so eine Zeit, daß uns wohl niemand erwischen wird. Vielleicht gelingt es mir auch, mit ihr . . . Wie tüchtig er mich verprügelt hat, der verdammte Schmied!«

Tschub kratzte sich den Rücken und ging in die entgegengesetzte Richtung. Das Vergnügen, das ihn bei Ssolocha erwartete, linderte ein wenig seinen Schmerz und machte ihn sogar gegen den Frost unempfindlich, der auf allen Straßen knirschte und nicht mal vom Heulen des Schneesturms übertönt wurde. Auf seinem Gesicht, dessen Bart und Schnurrbart vom Schneesturme schneller eingeseift worden waren, als es jeder Barbier fertigbringt, der sein Opfer tyrannisch an der Nase packt, zeigte sich ab und zu eine sauersüße Miene. Wenn der Schnee nicht so vor den Augen herumwirbelte, hätte man noch lange sehen können, wie Tschub immer wieder stehenblieb, sich den Rücken kratzte, dabei sagte: »Er hat mich ordentlich verprügelt, der verdammte Schmied!« und seinen Weg fortsetzte.

 

Als der flinke Stutzer mit dem Schwanz und dem Ziegenbart aus dem Schornstein flog und wieder in den Schornstein fuhr, blieb seine Tasche, die an seiner Seite hing und in die er den gestohlenen Mond gesteckt hatte, zufällig im Ofen hängen und ging auf, und der Mond benutzte die Gelegenheit und flog aus dem Schornsteine Ssolochas in den Himmel hinauf. Alles wurde sofort hell. Der Schneesturm war sofort vergessen. Der Schnee funkelte als ein großes silbernes Feld, von Kristallsternen übersät. Der Frost schien nachgelassen zu haben. Scharen von Burschen und Mädchen mit Säcken in der Hand zeigten sich auf den Straßen. Die Lieder erklangen, und es gab fast kein Haus, vor dem sich nicht die Sänger drängten.

Wunderbar leuchtet der Mond! Es ist schwer zu beschreiben, wie schön es ist, sich in einer solchen Nacht unter den Scharen der lachenden und singenden Mädchen und Burschen zu tummeln, die zu allen Späßen und Streichen zu haben sind, die eine so lustig lachende Nacht nur eingeben kann. Unter dem dicken Pelz ist es warm; vor Frost glühen die Wangen noch lebhafter, und der Teufel selbst scheint die Jugend zu tollen Streichen anzustiften.

Scharen von Mädchen mit Säcken brachen in Tschubs Haus ein und umringten Oksana. Das Schreien, Lachen und Schwatzen betäubte den Schmied. Alle beeilten sich, der Schönen etwas Neues zu erzählen, luden ihre Säcke aus und prahlten mit den Kuchen, Würsten und Krapfen, die sie für ihren Gesang schon bekommen hatten. Oksana schien sehr vergnügt und froh, schwatzte bald mit der einen, bald mit der anderen und lachte ohne Ende.

Mit Neid und Ärger sah der Schmied diese Heiterkeit und verfluchte diesmal die Koljadalieder, obwohl er auf sie sonst ganz versessen war.

»Ach, Odarka!« sagte die lustige Schöne, sich zu einem der Mädchen wendend, »du hast ja neue Schuhe. Ach, wie schön die sind! Mit Gold verziert! Du hast es gut, Odarka, du hast einen Menschen, der dir alles kauft, aber ich habe niemand, der mir so hübsche Schuhe schenkt.«

»Gräm dich nicht, meine herrliche Oksana!« fiel ihr der Schmied ins Wort. »Ich will dir solche Schuhe verschaffen, wie sie nicht jedes Edelfräulein trägt.«

»Du?« sagte Oksana und streifte ihn mit einem schnellen und hochmütigen Blick. »Ich will mal schauen, wo du mir solche Schuhe verschaffst, die ich anziehen könnte. Höchstens bringst du mir die Schuhe, die die Zarin trägt.«

»Seht einmal, was sie für Schuhe möchte!« schrie lachend die ganze Mädchenschar.

»Ja!« fuhr die Schöne stolz fort. »Ihr sollt alle meine Zeugen sein: wenn der Schmied Wakula mir die Schuhe bringt, die die Zarin trägt, so gebe ich mein Wort darauf, daß ich sofort seine Frau werde.«

Die Mädchen führten die launische Schöne mit sich fort.

»Lach nur! Lach!« sagte der Schmied, gleich nach ihnen aus der Stube tretend. »Ich lache auch selbst über mich! Ich zerbreche mir den Kopf, wo ich nur meinen Verstand habe. Sie liebt mich nicht, soll sie nur gehen! Als ob es in der ganzen Welt nur die eine Oksana gäbe. Gott sei Dank, es gibt auch noch andere hübsche Mädchen im Dorfe. Was ist auch diese Oksana? Aus ihr wird niemals eine gute Hausfrau werden: sie versteht sich nur auf Putz. Nein, es ist genug! Es ist Zeit, diese Kindereien aufzugeben.«

Aber gerade in demselben Augenblick, als der Schmied sich vornahm, fest zu sein, führte ihm irgendein böser Geist Oksanas lachendes Bild vor Augen, wie sie höhnisch sagte: »Schmied, hol mir die Schuhe der Zarin, dann werde ich deine Frau!« Alles geriet in ihm in Aufruhr, und er dachte nur noch an Oksana.

Die Scharen der Singenden, die Burschen und Mädchen getrennt, liefen aus der einen Straße in die andere. Der Schmied schritt aber dahin, ohne etwas zu sehen und ohne an der Lustbarkeit teilzunehmen, die er einst mehr als alle anderen geliebt hatte.

 

Der Teufel war indessen bei Ssolocha im Ernst zärtlich geworden: er küßte ihr die Hand mit denselben Grimassen, mit denen der Assessor der Popentochter die Hand küßt, drückte seine Hand aufs Herz, stöhnte und sagte geradeheraus, wenn sie nicht seine Leidenschaft befriedigen und ihn, wie es üblich ist, belohnen würde, er zu allem fähig wäre: er würde ins Wasser gehen und seine Seele direkt in die Hölle schicken. Ssolocha war nicht so grausam; außerdem steckte sie ja bekanntlich mit dem Teufel unter einer Decke. Sie liebte es wirklich, die Scharen der ihr nachlaufenden Verehrer zu sehen, und war selten ohne Gesellschaft. Diesen Abend glaubte sie aber allein verbringen zu müssen, da alle angesehenen Bürger beim Küster zur Kutja eingeladen waren. Aber es kam anders: kaum hatte der Teufel seine Forderung ausgesprochen, als sich plötzlich das Klopfen und die Stimme des dicken Amtmanns vernehmen ließen. Ssolocha lief zur Tür, um ihn hereinzulassen, und der flinke Teufel kroch in einen der Säcke.

Nachdem der Amtmann den Schnee von seiner Kapuze abgeschüttelt und ein Glas Schnaps, das ihm Ssolocha reichte, ausgetrunken hatte, erzählte er, er sei nicht zum Küster gegangen, weil sich ein Schneesturm erhoben habe; da er aber in ihrem Hause Licht gesehen habe, sei er bei ihr eingekehrt, um den Abend mit ihr zu verbringen.

Der Amtmann hatte kaum Zeit gehabt, dies zu sagen, als vor der Tür das Klopfen und die Stimme des Küsters erklangen. »Versteck mich irgendwo«, flüsterte der Amtmann, »ich habe jetzt keine Lust, mit dem Küster zusammenzutreffen.«

Ssolocha dachte lange nach, wo sie einen so beleibten Gast verstecken könnte; endlich wählte sie den größten Kohlensack, schüttete die Kohlen in einen Zuber, und der dicke Amtmann kroch mit Schnurrbart, Kopf und Kapuze in den Sack.

Der Küster kam ächzend und die Hände reibend in die Stube und berichtete, daß zu ihm niemand gekommen sei und daß er herzlich froh sei über diese Gelegenheit, sich bei ihr ein wenig zu »vergnügen«. Selbst der Schneesturm hätte ihn davon nicht abhalten können. Nun kam er näher auf sie zu, hüstelte, lächelte, berührte mit seinen langen Fingern ihren bloßen vollen Arm und fragte mit einer Miene, in der zugleich Schlauheit und Selbstzufriedenheit lagen: »Was habt Ihr da, herrliche Ssolocha?« Und als er das sagte, sprang er etwas zurück. »Was wird es denn sein? Ein Arm, Ossip Nikiforowitsch!« antwortete Ssolocha.

»Hm! Ein Arm! He, he, he!« sagte der mit diesem Anfang herzlich zufriedene Küster und ging einmal durch die Stube.

»Und was habt Ihr hier, teuerste Ssolocha?« fragte er mit der gleichen Miene, wieder an sie herantretend, leicht ihren Hals berührend und wieder zurückspringend.

»Als ob Ihr es nicht seht, Ossip Nikiforowitsch!« antwortete Ssolocha. »Es ist ein Hals, und am Halse ein Halsband!«

»Hm! Am Halse ein Halsband! He, he, he!« Der Küster ging wieder durch die Stube und rieb sich die Hände.

»Und was habt Ihr hier, unvergleichliche Ssolocha? . . .«

Es ist unbekannt, was der lüsterne Küster jetzt mit seinen langen Fingern berührt hätte, wenn sich nicht in diesem Augenblick das Klopfen und die Stimme des Kosaken Tschub hätten vernehmen lassen.

»Ach Gott, ein Fremder!« rief der Küster erschrocken.

»Wenn man eine Person meines Standes hier antrifft, was dann? . . . Das wird auch Pater Kondrat zu Ohren kommen . . .«

Aber die Befürchtungen des Küsters waren anderer Natur: er fürchtete mehr, seine Ehehälfte könnte das erfahren, die mit ihrer starken Hand seinen dicken Zopf schon ohnehin zu einem ganz dünnen gemacht hatte. »Um Gottes willen, tugendhafte Ssolocha!« sprach er, am ganzen Leibe zitternd: »Eure Güte, wie es im Evangelium Lucä steht, Kapitel dreiz . . . dreiz . . . Man klopft, bei Gott, man klopft! Ach, versteckt mich doch irgendwo!«

Ssolocha schüttete die Kohlen aus einem andern Sack in den Zuber, und der nicht allzu umfangreiche Küster kroch hinein und setzte sich ganz auf den Boden, so daß man auf ihn noch einen halben Sack Kohlen hätte schütten können.

»Guten Tag, Ssolocha!« sagte Tschub, in die Stube tretend. »Du hast mich vielleicht nicht erwartet? Du hast mich doch wirklich nicht erwartet? Vielleicht habe ich gestört? . . .« fuhr Tschub fort und zeigte eine lustige und vielsagende Miene, an der man erkennen konnte, daß sein schwerfälliger Kopf sich bemühte und anschickte, einen recht spitzen und schlauen Witz loszulassen. »Vielleicht hast du dich hier schon mit jemand vergnügt? . . . Vielleicht hast du schon jemand versteckt, wie?« Entzückt über diese Bemerkung, lachte Tschub auf, innerlich darüber triumphierend, daß er allein die Gunst Ssolochas genieße. »Nun, Ssolocha, gib mir jetzt einen Schnaps. Ich glaube, mir ist die Kehle von dem verfluchten Frost eingefroren. Mußte auch Gott zu Weihnachten eine solche Nacht schicken! Wie der Schneesturm ausbrach . . . Ssolocha . . . Die Hände sind mir ganz erstarrt: ich bringe den Pelz gar nicht auf! Wie der Schneesturm ausbrach . . .«

»Mach auf!« ertönte von der Straße her eine Stimme, von einem Schlag gegen die Tür begleitet.

»Jemand klopft!« sagte Tschub und hielt plötzlich inne.

»Mach auf!« schrie die Stimme noch lauter.

»Das ist der Schmied!« sagte Tschub, nach seiner Kapuze greifend. »Hörst du, Ssolocha: versteck mich, wo du willst; ich will um nichts in der Welt dieser verfluchten Mißgeburt vor die Augen kommen, sollen diesem Teufelssohn unter den Augen Blasen wachsen, eine jede so groß wie ein Heuschober!«

Ssolocha, die gleichfalls erschrocken war, rannte wie verrückt umher und machte in ihrer Zerstreutheit Tschub ein Zeichen, er solle in den gleichen Sack hineinkriechen, in dem schon der Küster saß. Der arme Küster konnte nicht einmal durch Husten oder Ächzen seinen Schmerz zeigen, als sich der schwere Mann ihm fast auf den Kopf setzte und ihm seine hartgefrorenen Stiefel gegen die beiden Schläfen preßte.

Der Schmied trat ein und fiel fast, ohne ein Wort zu sagen und ohne die Mütze abzunehmen, auf eine Bank nieder. Man konnte ihm ansehen, daß er sehr schlechter Laune war.

Während Ssolocha die Tür hinter ihm schloß, klopfte schon wieder jemand. Das war der Kosak Swerbygus. Diesen könnte sie unmöglich in einem Sack verstecken, denn einen solchen Sack gibt es gar nicht. Er war dicker als selbst der Amtmann und länger als Tschubs Gevatter. Darum führte ihn Ssolocha in den Gemüsegarten, um dort von ihm alles zu hören, was er ihr sagen wollte.

Der Schmied blickte zerstreut in alle Ecken seiner Stube und horchte von Zeit zu Zeit auf die Koljadalieder, die über das ganze Dorf klangen; schließlich heftete er seinen Blick auf die Säcke.

»Warum liegen diese Säcke hier? Es ist längst Zeit, sie wegzuräumen. Wegen dieser dummen Liebe bin ich ganz närrisch geworden. Morgen ist Feiertag, und in der Stube liegt noch allerlei Kehricht herum. Ich will sie in die Schmiede tragen!«

Der Schmied hockte sich neben den großen Säcken hin, band sie fest zu und wollte sie auf seine Schultern heben. Aber seine Gedanken weilten offenbar ganz wo anders; sonst hätte er hören müssen, wie Tschub zischte, als er mit dem Strick, mit dem er den Sack zuband, auch sein Haar einklemmte, und wie der dicke Amtmann ziemlich laut aufschluckte.

– Will mir denn diese nichtsnutzige Oksana gar nicht aus dem Kopf? – sagte der Schmied zu sich selbst. – Ich will an sie gar nicht denken, und doch denke ich wie zum Trotz nur an sie. Warum kommt mir dieser Gedanke gegen meinen Willen immer wieder in den Sinn? Verdammt! Die Säcke scheinen schwerer geworden zu sein. Es liegt sicher auch etwas anderes drin außer der Kohle. Ein Narr bin ich! Ich habe ja ganz vergessen, daß mir jetzt alles schwerer vorkommt. Einst konnte ich mit einer Hand ein kupfernes Fünfkopekenstück oder ein Hufeisen zusammenbiegen und wieder geradebiegen, und jetzt kann ich nicht mehr einige Kohlensäcke heben. Bald wird mich noch der Wind umwerfen . . . Nein! – rief er, nach kurzem Besinnen, neuen Mut fassend. – Bin ich denn ein Weib! Ich werde niemand erlauben, über mich zu lachen! Und wenn es auch zehn solche Säcke sind, ich hebe alle auf! – Und er lud sich rüstig alle Säcke, die auch zwei starke Männer nicht hätten tragen können, auf die Schultern. – Ich nehme auch diesen mit –, fuhr er fort, den kleinsten Sack hebend, auf dessen Boden zusammengerollt der Teufel lag. – Ich glaube, ich habe darin mein Werkzeug liegen. – Mit diesen Worten verließ er die Stube, das Liedchen vor sich hinpfeifend:

»Laßt euch nicht mit Weibern ein . . .«

 

Immer lauter und lauter klangen auf den Straßen die Lieder, das Lachen und Schreien. Die sich drängenden Scharen vergrößerten sich durch den Zufluß von Leuten aus den Nachbardörfern. Die Burschen tollten und tobten nach Herzenslust. Bald erklang zwischen den Koljadaliedern ein lustiges Lied, das einer der jungen Kosaken auf der Stelle verfaßt hatte; bald brüllte jemand in der Menge statt eines Koljadaliedes das Silvesterlied:

»Will mein Glück versuchen:
Gebt mir einen Kuchen,
Auch ein Häuflein Brei,
Eine Wurst, ein Ei!«

Lautes Lachen belohnte den Spaßvogel. Die kleinen Fenster gingen in die Höhe, und alte Frauen (die allein mit den gesetzten Vätern zu Hause geblieben waren) streckten ihre dürren Hände mit einer Wurst oder einem Stück Kuchen aus dem Fenster. Die Burschen und die Mädchen hielten um die Wette ihre Säcke unter und fingen die Beute auf. An einer Stelle hatten die Burschen einen ganzen Haufen von Mädchen umringt: da gab es Lärm und Geschrei; der eine warf einen Schneeball, der andere raubte einen mit allerlei Sachen angefüllten Sack. An einer anderen Stelle lauerten die Mädchen einem Burschen auf, stellten ihm ein Bein, und er flog mit dem Sack zu Boden. Es sah so aus, als ob sie die ganze Nacht sich so vergnügen wollten. Und die Nacht war wie zum Fleiß so hell und mild! Und das Mondlicht schien im Glanze des Schnees noch weißer!

Der Schmied blieb mit seinen Säcken stehen. Er glaubte im Haufen der Mädchen die Stimme und das feine Lachen Oksanas zu hören. Ein Zittern lief ihm durch alle Adern; er warf die Säcke zu Boden, so daß der Küster, der sich auf dem Boden des einen befand, vor Schmerz aufstöhnte und der Amtmann aus vollem Halse aufschluckte, und ging mit dem kleinen Sacke über der Schulter dem Haufen der Burschen nach, die einem Haufen von Mädchen folgten, unter denen er die Stimme Oksanas gehört zu haben glaubte.

– Ja, sie ist es! Sie steht wie eine Zarin da und läßt ihre schwarzen Augen funkeln. Der hübsche Bursche erzählt ihr etwas; es ist wohl etwas Lustiges, denn sie lacht. Aber sie lacht ja immer. – Der Schmied drängte sich unwillkürlich, ohne es selbst zu merken, durch die Menge und stand neben ihr.

»Ach, Wakula, du bist hier? Guten Abend!« sagte die Schöne mit dem Lächeln, das Wakula fast verrückt machte. »Nun, hast du mit deinem Singen viel verdient? Gott, was für ein kleiner Sack! Und hast du mir die Schuhe, die die Zarin trägt, verschafft? Bringe mir die Schuhe, und ich heirate dich! . . .« Sie lachte und lief mit dem Haufen der Mädchen davon.

Wie angewurzelt stand der Schmied auf einem Fleck. – Nein, ich kann nicht mehr, es geht über meine Kraft . . . –, sagte er endlich. – Mein Gott, warum ist sie so teuflisch schön? Ihr Blick, ihre Rede, alles versengt mich durch und durch . . . Nein, ich kann mich nicht mehr beherrschen. Es ist Zeit, allem ein Ende zu machen. Mag meine Seele zugrunde gehen! Ich geh' und ertränke mich im Eisloch, und niemand sieht mich mehr! –

Er ging mit festen Schritten voraus, holte die Mädchenschar ein, erreichte Oksana und sagte mit fester Stimme: »Leb wohl, Oksana! Such dir einen Bräutigam, wie du ihn willst, halte zum Narren, wen du willst, mich aber wirst du auf dieser Welt nicht mehr erblicken.«

Die Schöne schien erstaunt, sie wollte etwas sagen, aber der Schmied winkte mit der Hand ab und lief davon.

»Wo willst du hin, Wakula?« schrien die Burschen, als sie den Schmied so laufen sahen.

»Lebt wohl, Brüder!« rief ihnen der Schmied zu. »Wenn Gott will, sehen wir uns in jener Welt wieder; auf dieser Welt werden wir uns nicht mehr gemeinsam vergnügen! Lebt wohl! Behaltet mich in gutem Andenken! Sagt dem Pater Kondrat, er möge eine Messe für meine sündige Seele lesen. Die Kerzen vor den Bildern des Wundertäters und der Mutter Gottes habe ich Sünder nicht bemalt: so verstrickt war ich in irdische Dinge. Meine ganze Habe, die sich in meiner Truhe findet, gehört der Kirche. Lebt wohl!«

Nach diesen Worten lief der Schmied mit dem Sack auf dem Buckel weiter.

»Er ist verrückt!« sagten die Burschen.

»Eine verlorene Seele!« murmelte fromm eine vorübergehende Alte. »Ich will mal gleich hingehen und den Leuten erzählen, wie der Schmied sich erhängt hat!«

 

Nachdem Wakula durch einige Straßen gelaufen war, blieb er endlich stehen, um Atem zu holen. – Wo laufe ich denn wirklich hin? – fragte er sich. – Als wenn schon alles verloren wäre. Ich will noch ein Mittel versuchen und zum dicken Saporoger Pazjuk gehen. Man sagt, daß er alle Teufel in der Welt kennt und alles machen kann, was er will. Ich geh' zu ihm hin, meine Seele geht doch sowieso zugrunde. –

Der Teufel, der lange unbeweglich im Sack gelegen hatte, begann bei diesen Worten vor Freude zu tanzen; aber der Schmied glaubte, daß er den Sack irgendwie selbst mit der Hand gestoßen hatte, schlug mit seiner kräftigen Faust darauf, schüttelte ihn auf den Schultern und ging zum dicken Pazjuk.

Dieser dicke Pazjuk war einst wirklich Saporoger gewesen; niemand wußte, ob man ihn aus der SsjetschSsjetsch – autonome Niederlassung der Saporoger Kosaken am Dnjepr.
Anmerkung des Übersetzers
vertrieben hatte oder ob er von selbst weggelaufen war. Er lebte schon seit langem, seit zehn, vielleicht auch seit fünfzehn Jahren in Dikanjka; anfangs lebte er wie ein echter Saporoger: er arbeitete nicht, schlief drei Viertel des Tages, aß wie sechs Erntearbeiter und trank auf einen Zug einen ganzen Eimer; das alles fand in ihm auch Platz, denn Pazjuk war zwar klein von Wuchs, aber von einem sehr beträchtlichen Umfang. Auch trug er so weite Pluderhosen, daß seine Beine, so große Schritte er auch machen mochte, überhaupt nicht zu sehen waren und man den Eindruck hatte, als ob ein Branntweinfaß auf der Straße daherrolle. Vielleicht hieß er nur deswegen der Dicke. Es waren kaum einige Wochen nach seiner Ankunft im Dorfe vergangen, als schon alle wußten, daß er ein Hexenmeister sei. Wenn jemand an etwas erkrankte, so ließ er gleich den Pazjuk kommen; Pazjuk brauchte nur einige Worte zu flüstern, und die Krankheit war wie weggeblasen. Es kam vor, daß einem hungrigen Edelmann eine Fischgräte im Halse stecken blieb; Pazjuk verstand ihm so geschickt mit der Faust auf den Rücken zu klopfen, daß die Gräte sofort den vorgeschriebenen Weg einschlug, ohne der adligen Kehle irgendeinen Schaden zuzufügen. In der letzten Zeit sah man ihn selten. Der Grund davon war vielleicht seine Faulheit, vielleicht auch der Umstand, daß es ihm von Jahr zu Jahr schwerer fiel, durch die Türen zu kommen. Nun mußten die Bürger, die von ihm etwas wollten, sich selbst zu ihm bemühen.

Der Schmied öffnete nicht ohne Furcht die Tür und sah Pazjuk nach türkischer Sitte mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden vor einem kleinen Fasse kauern, auf dem eine Schüssel mit Klößen stand. Diese Schüssel stand wie mit Absicht in der Höhe seines Mundes. Ohne einen Finger zu rühren, hielt er den Kopf über die Schüssel geneigt, schlürfte die Brühe und packte ab und zu mit den Zähnen einen Kloß.

– Nein –, dachte sich Wakula, – dieser ist noch fauler als Tschub: jener ißt wenigstens mit einem Löffel, aber dieser will nicht mal eine Hand heben! –

Pazjuk war wohl von seinen Klößen ganz in Anspruch genommen und schien das Eintreten des Schmiedes gar nicht bemerkt zu haben, welcher sich vor ihm schon an der Schwelle tief verbeugte.

»Ich komme zu deiner Gnaden, Pazjuk!« sagte Wakula und verbeugte sich wieder.

Der dicke Pazjuk hob den Kopf und fing wieder an, die Klöße zu verschlingen.

»Die Leute sagen, nimm es nicht übel . . .«, sagte der Schmied, sich zusammennehmend. »Ich sage das, nicht um dich irgendwie zu beleidigen – die Leute sagen, du seist ein bißchen verwandt mit dem Teufel.«

Als Wakula diese Worte gesprochen hatte, erschrak er gleich, weil er dachte, er hätte es zu geradeheraus gesagt und die derben Worte nicht genügend gemildert; er erwartete, daß Pazjuk nun das Fäßchen mit der Schüssel packen und ihm an den Kopf werfen würde; darum neigte er sich ein wenig auf die Seite und hielt sich die Hand vor, damit ihm die heiße Brühe nicht das Gesicht bespritze.

Aber Pazjuk sah ihn an und fuhr fort, die Klöße zu verschlingen.

Der Schmied fühlte sich ermutigt und entschloß sich, fortzufahren. »Ich komme zu dir, Pazjuk. Gott gebe dir alles Gute und auch Brot in Proportion!« (Der Schmied verstand manchmal auch ein neumodisches Wörtchen zu gebrauchen; dies hatte er sich in Poltawa angewöhnt, als er dem Hauptmann den Bretterzaun anstrich.) »Ich Sünder muß zugrunde gehen! Nichts in der Welt kann mir helfen! Komme, was kommen mag. Nun muß ich den Teufel selbst um Hilfe bitten, Pazjuk«, sagte der Schmied, als er Pazjuks beharrliches Schweigen sah, »was soll ich machen?«

»Wenn du den Teufel brauchst, so geh zum Teufel!« antwortete Pazjuk, ohne ihn anzublicken und fortwährend seine Klöße verschlingend.

»Darum komme ich ja auch zu dir«, antwortete der Schmied mit einer Verbeugung. »Ich glaube, außer dir weiß niemand den Weg zu ihm.«

Pazjuk sagte kein Wort und verschlang die letzten Klöße.

»Erweise mir die Gnade, guter Mensch, schlag es mir nicht ab!« drang der Schmied in ihn. »Wenn du Schweinefleisch brauchst, oder Würste, oder Buchweizenmehl, oder sagen wir mal Leinwand, Hirse oder dergleichen . . . wie es unter guten Menschen üblich ist . . . so werde ich nicht geizen. Sag mir wenigstens, beispielsweise, wie man den Weg zu ihm findet?«

»Der braucht nicht weit zu gehen, der den Teufel auf dem Buckel hat«, sagte Pazjuk gleichgültig, ohne seine Stellung zu ändern.

Wakula starrte ihn an, als stünde auf seiner Stirn die Erklärung dieser Worte geschrieben. – Was sagt er? – fragte stumm seine Miene, während sein halbgeöffneter Mund bereit war, das erste Wort wie einen Kloß zu verschlingen.

Aber Pazjuk schwieg.

Da merkte Wakula, daß vor Pazjuk nun weder Klöße standen noch ein Faß; dafür befanden sich auf dem Boden vor ihm zwei Holzschüsseln: die eine mit Quarkkuchen, die andere mit Sahne gefüllt. Seine Gedanken und Augen richteten sich unwillkürlich auf diese Speisen: – Wir wollen mal sehen –, sagte er zu sich selbst, – wie Pazjuk die Quarkkuchen essen wird. Er wird sich wohl nicht bücken wollen, um sie wie die Klöße zu essen; auch ist es nicht so einfach: man muß ja erst den Quarkkuchen in die Sahne tunken. –

Kaum hatte er sich das gedacht, als Pazjuk den Mund öffnete, die Quarkkuchen ansah und den Mund noch weiter aufsperrte. Ein Quarkkuchen sprang aus der Schüssel, fiel klatschend in die Sahne, drehte sich auf die andere Seite um, hüpfte in die Höhe und flog ihm in den Mund. Pazjuk verzehrte ihn und machte wieder den Mund auf; ein zweiter Quarkkuchen wanderte ihm auf die gleiche Weise in den Mund. Ihm selbst blieb nur die Mühe, zu kauen und zu schlucken.

– Welch ein Wunder! – dachte der Schmied und riß vor Erstaunen weit den Mund auf; im gleichen Augenblick merkte er, daß auch ihm ein Quarkkuchen in den Mund hereinspringen wollte und seine Lippen schon mit Sahne beschmiert hatte. Der Schmied stieß den Quarkkuchen von sich, wischte sich den Mund ab und vertiefte sich in Gedanken darüber, was für Wunder es doch in der Welt gäbe und was für Kunststücke der Teufel dem Menschen beibringen könne; dabei dachte er sich wieder, daß Pazjuk allein ihm helfen könne.

– Ich will mich vor ihm noch einmal verbeugen . . . soll er es mir ordentlich erklären . . . Aber, verflucht! Heute ist ja Fasttag, und er ißt Quarkkuchen! Was bin ich doch wirklich für ein Narr: ich stehe da und nehme die Sünde in mich auf! Zurück! . . . – Und der fromme Schmied lief Hals über Kopf aus dem Hause.

Aber der Teufel, der im Sacke saß und sich schon im voraus freute, konnte es nicht verschmerzen, daß ihm eine so treffliche Beute entgehen sollte. Kaum hatte der Schmied den Sack heruntergelassen, als er heraussprang und sich ihm rittlings auf den Nacken setzte.

Den Schmied überlief es kalt; er erschrak, erbleichte und wußte nicht, was er tun sollte; er wollte schon ein Kreuz schlagen . . . Aber der Teufel beugte seine Hundeschnauze rasch zu seinem rechten Ohr und sagte: »Das bin ich, dein Freund; für meinen Freund und Kameraden will ich alles tun! Ich gebe dir Geld, so viel du willst!« piepste er ihm ins linke Ohr. »Oksana wird heute noch unser sein«, flüsterte er ihm wieder ins rechte Ohr.

Der Schmied stand nachdenklich da.

»Gut«, sagte er schließlich. »Um diesen Preis bin ich bereit, dir zu gehören!«

Der Teufel schlug die Hände über dem Kopfe zusammen und fing vor Freude an, auf dem Nacken des Schmiedes zu galoppieren. – Jetzt bist du hereingefallen, Schmied! – dachte er sich. – Jetzt will ich mich an dir für alle deine Malereien und Lügen, die du den Teufeln andichtest, rächen! Was werden meine Kameraden sagen, wenn sie erfahren, daß der frömmste Mann des Dorfes in meinen Händen ist! –

Hier lachte der Teufel vor Freude beim Gedanken, wie er in der Hölle das ganze geschwänzte Geschlecht necken würde, wie sich der lahme Teufel, der unter ihnen als der erfindungsreichste galt, ärgern würde.

»Nun, Wakula!« piepste der Teufel, immer noch auf dem Nacken des Schmiedes hockend, als fürchte er, daß jener ihm entwischen könne. »Du weißt, daß ohne einen Vertrag nichts gemacht wird.«

»Ich bin bereit!« sagte der Schmied. »Ich habe gehört, daß man bei euch die Verträge mit Blut unterschreibt; wart, ich will mal einen Nagel aus der Tasche holen!« Er langte mit der Hand nach hinten und packte den Teufel am Schwanze.

»Du Spaßvogel!« schrie der Teufel lachend. »Laß los, genug gescherzt!«

»Wart einmal, Liebster!« rief der Schmied. »Und wie gefällt dir so was?« Bei diesem Worte schlug er ein Kreuz, und der Teufel wurde so sanft wie ein Lamm. »Wart«, sagte er, indem er ihn am Schwanze zu Boden zerrte, »ich werde dich lehren, ehrliche Leute und brave Christen zur Sünde zu verleiten!«

Der Schmied setzte sich auf ihn rittlings und hob die Hand, um wieder ein Kreuz zu schlagen.

»Hab Erbarmen, Wakula!« stöhnte der Teufel jämmerlich. »Ich tue alles, was du willst. Laß nur meine Seele frei, damit ich Buße tue. Lege nicht das furchtbare Zeichen des Kreuzes auf mich!«

»Jetzt singst du schon ganz anders, verfluchter Deutscher! Nun weiß ich, was ich zu tun habe. Trage mich sofort auf deinem Rücken! Hörst du? Fliege wie ein Vogel!«

»Wohin?« fragte der Teufel traurig.

»Nach Petersburg, geradeswegs zu der Zarin!« Und der Schmied erstarrte vor Schreck, als er sich in die Luft emporgehoben fühlte.

 

Lange stand Oksana da und dachte über die seltsamen Worte des Schmieds nach. In ihrem Innern raunte ihr schon etwas zu, daß sie ihn grausam behandelt habe. – Was, wenn er sich wirklich zu etwas Schrecklichem entschließt? Das ist doch sehr leicht möglich! Vielleicht wird er sich aus Kummer in eine andere verlieben und sie aus Ärger für die Schönste im Dorfe erklären? – Aber nein, er liebt mich doch. Ich bin doch so schön! Er wird mir keine andere vorziehen; er scherzt nur und verstellt sich. Es werden keine zehn Minuten vergehen, und er kommt sicher wieder, um mich zu sehen. Ich bin in der Tat streng. Ich muß ihm einmal erlauben, mir gleichsam gegen meinen Willen einen Kuß zu rauben. Wie wird er sich da freuen! – Und die wetterwendische Schöne scherzte schon wieder mit ihren Freundinnen.

»Wartet mal«, rief die eine von ihnen, »der Schmied hat seine Säcke liegengelassen; seht nur, was es für merkwürdige Sachen sind! Er hat wohl für sein Singen ganz andere Gaben bekommen als wir; ich glaube, in jedem steckt ein ganzes Viertel von einem Hammel und dazu noch Würste und Brote ohne Zahl. Herrlich! Man kann die ganzen Feiertage schlemmen.«

»Sind das die Säcke des Schmieds?« fiel ihr Oksana ins Wort. »Wollen wir sie schnell zu mir in die Stube schleppen und nachschauen, was alles drinliegt.« Alle billigten lachend diesen Vorschlag.

»Wir können sie aber nicht aufheben!« schrie die ganze Schar plötzlich, indem sie sich bemühte, die Säcke von der Stelle zu rücken.

»Wartet einmal«, sagte Oksana, »wir wollen einen Schlitten holen und sie auf dem Schlitten zu mir schleppen.«

Und die ganze Schar machte sich auf, um einen Schlitten zu holen.

Den Gefangenen wurde es indessen recht langweilig, in den Säcken zu sitzen, obwohl der Küster in den seinigen mit dem Finger ein recht großes Loch gebohrt hatte. Wenn keine Leute dabei gewesen wären, so hätte er vielleicht ein Mittel gefunden, sich aus dem Sacke zu befreien; aber aus dem Sacke in Gegenwart aller herauszukriechen und sich lächerlich zu machen . . . das hielt ihn zurück; er entschloß sich, zu warten, und ächzte nur leise unter den unhöflichen Stiefeln Tschubs. Tschub selbst dürstete nicht weniger nach Freiheit, da er unter sich etwas liegen fühlte, worauf es furchtbar unbequem zu sitzen war. Als er aber den Entschluß seiner Tochter hörte, beruhigte er sich und wollte nicht mehr herauskriechen, da er sich sagte, daß er bis zu seinem Hause noch mindestens hundert Schritte und vielleicht auch zweihundert zu gehen hätte; wäre er aber jetzt herausgekrochen, so müßte er sich erst schütteln, den Pelz zuknöpfen und den Gürtel zuziehen – welche Arbeit! Außerdem war auch seine Mütze bei Ssolocha geblieben. Sollten ihn schon lieber die Mädchen mit dem Schlitten nach Hause fahren.

Es kam aber ganz anders, als Tschub erwartet hatte. Während die Mädchen nach dem Schlitten liefen, kam der hagere Gevatter verstört und schlechter Laune aus der Schenke. Die Schenkwirtin hatte sich nicht entschließen wollen, ihm etwas auf Pump zu geben. Er wollte schon in der Schenke warten, ob nicht ein frommer Edelmann kommen und ihn freihalten würde; aber alle Edelleute waren wie zum Trotz zu Hause geblieben und aßen als ehrliche Christen ihre Kutja im Familienkreise. Indem der Gevatter nun über die allgemeine Sittenverderbnis und das hölzerne Herz der Jüdin, die den Schnaps ausschenkte, nachdachte, stieß er auf die Säcke und blieb erstaunt stehen. »Schau, was für Säcke jemand auf der Straße liegengelassen hat«, sagte er, sich nach allen Seiten umsehend. »Es ist wohl auch Schweinefleisch drin. Wer war so glücklich, eine solche Menge von Sachen für seinen Gesang zu bekommen!? Was für Riesensäcke! Wenn ich annehme, daß sie bloß mit Buchweizenbroten und Weizenfladen gefüllt sind, so wäre das schon gut; und selbst einfaches Brot wäre gar nicht übel: die Jüdin gibt für jedes Brot ein Achtel Schnaps. Ich will sie schnell wegschleppen, daß es nur niemand sieht.«

Mit diesen Worten lud er sich den Sack mit Tschub und dem Küster auf den Buckel, fühlte aber, daß er zu schwer war.

»Nein, allein kann ich ihn nicht tragen«, sagte er. »Da kommt aber wie gerufen der Weber Schapowalenko. Guten Abend, Ostap!«

»Guten Abend«, sagte der Weber und blieb stehen.

»Wohin gehst du?«

»Ich gehe bloß, wohin mich die Füße tragen.«

»Hilf mir mal, guter Mann, die Säcke tragen! Jemand hat sie mit den Gaben, die er für sein Singen bekam, auf der Straße liegengelassen. Das Gut wollen wir unter uns teilen.«

»Säcke? Was ist in den Säcken: Weißbrot oder Schwarzbrot?«

»Ich glaube, es ist von allem da.«

Sie rissen schnell zwei Stangen aus dem Zaun, legten einen Sack darauf und trugen ihn auf den Schultern fort.

»Wohin tragen wir ihn? In die Schenke?« fragte der Weber unterwegs.

»Ich habe es mir auch gedacht, ihn in die Schenke zu tragen, aber die verdammte Jüdin wird's ja nicht glauben, sie wird sich denken, daß wir ihn irgendwo gestohlen haben; außerdem komme ich ja eben aus der Schenke. Wir wollen ihn in mein Haus tragen. Dort wird uns niemand stören: mein Weib ist nicht daheim.«

»Ist sie wirklich nicht daheim?« fragte der vorsichtige Weber.

»Ich bin ja, Gott sei Dank, noch nicht ganz verrückt«, antwortete der Gevatter. »Auch der Teufel würde mich nicht dorthin bringen, wo sie jetzt ist. Ich glaube, sie wird sich mit den Weibern bis morgen früh herumtreiben.«

»Wer ist da?« rief die Frau des Gevatters, als sie den Lärm im Flur hörte, den die beiden Freunde mit ihrem Sack machten, und öffnete die Tür.

Der Gevatter erstarrte.

»Da haben wir es!« sagte der Weber und ließ die Hände sinken.

Die Frau des Gevatters war ein Juwel, wie man es nicht oft auf der Welt findet. Ebenso wie ihr Mann, war sie fast niemals zu Hause und trieb sich fast den ganzen Tag bei allerhand Basen und reichen alten Weibern herum, denen sie schmeichelte und bei denen sie mit großem Appetit aß; mit ihrem Mann prügelte sie sich nur am frühen Morgen, da sie ihn nur um diese Zeit manchmal zu sehen bekam. Ihr Haus war doppelt so alt als die Pluderhose des Gemeindeschreibers. Das Dach war an manchen Stellen ganz von Stroh entblößt. Vom Zaune waren nur noch Überreste zu sehen, weil kein Mensch, der sein Haus verließ, einen Stock zur Abwehr der Hunde mitzunehmen pflegte, in der Hoffnung, am Gemüsegarten des Gevatters vorbeizugehen und eine beliebige Stange aus dem Zaune herausreißen zu können. Der Ofen wurde oft drei Tage nicht geheizt. Alles, was die zärtliche Gattin bei den guten Leuten erbettelte, pflegte sie möglichst gut vor ihrem Mann zu verbergen und nahm ihm auch oft seine Beute ab, wenn er noch nicht Zeit gehabt hatte, sie in der Schenke zu vertrinken. Der Gevatter gab ihr trotz seiner ständigen Gleichgültigkeit nicht gern nach und verließ daher das Haus fast immer mit einigen Beulen unter den Augen, während seine bessere Hälfte sich ächzend zu ihren alten Weibern begab, um über die Rauflust ihres Mannes und die Mißhandlungen, die sie erlitten, zu berichten.

Man kann sich nun leicht vorstellen, wie verblüfft der Weber und der Gevatter durch ihr unerwartetes Auftreten waren. Sie ließen den Sack auf den Boden nieder, stellten sich vor ihn hin und deckten ihn mit ihren Rockschößen zu; aber es war schon zu spät, die Frau des Gevatters konnte mit ihren alten Augen zwar nur schlecht sehen, bemerkte aber den Sack doch. »Das ist schön!« sagte sie mit einer Miene, in der etwas wie die Freude eines Habichts lag. »Das ist schön, daß ihr euch so viel zusammengesungen habt! So machen es die guten Leute immer; aber ich glaube, ihr habt es irgendwo stibitzt. Zeigt mir sofort, hört ihr, zeigt mir sofort euren Sack!«

»Der kahle Teufel wird dir was zeigen, aber nicht wir«, sagte der Gevatter und nahm eine stolze Haltung an.

»Was geht es dich an?« sagte der Weber. »Wir haben es zusammengesungen, und nicht du.«

»Nein, du wirst es mir zeigen, du nichtsnutziger Trunkenbold!« schrie das Weib, indem sie dem langen Gevatter einen Schlag unters Kinn versetzte und sich an den Sack heranmachte.

Aber der Gevatter und der Weber verteidigten den Sack tapfer und zwangen sie zum Rückzug. Sie hatten aber kaum Zeit, sich zu besinnen, als die Gevatterin mit dem Schürhaken in der Hand in den Flur herauslief. Sie schlug ihrem Mann mit dem Schürhaken flink auf die Hände, dem Weber auf den Rücken und stand schon neben dem Sack.

»Warum haben wir sie herangelassen?« sagte der Weber, als er wieder zu sich gekommen war.

»Ja, warum haben wir sie herangelassen? Sag, warum hast du sie herangelassen?« fragte der Gevatter kaltblütig.

»Euer Schürhaken ist wohl aus Eisen!« sagte der Weber nach kurzem Schweigen, sich den Rücken kratzend. »Meine Frau hat im vorigen Jahr auf dem Jahrmarkte einen Schürhaken gekauft, hat einen Viertelrubel dafür bezahlt: der ist nicht so übel . . . tut gar nicht weh . . .«

Die triumphierende Hausfrau stellte indessen das Talglämpchen auf den Boden, band den Sack auf und blickte hinein. Aber ihre alten Augen, mit denen sie den Sack so gut erspäht hatte, täuschten sie diesmal. »He, da liegt ja ein ganzer Eber!« rief sie, vor Freude in die Hände klatschend.

»Ein Eber! Hörst du: ein ganzer Eber!« sprach der Weber und stieß den Gevatter in die Seite. »Du allein bist schuld!«

»Was ist da zu machen!« sagte der Gevatter achselzuckend.

»Was da zu machen ist? Warum stehen wir so da? Nehmen wir ihr den Sack weg! Pack an!«

»Geh weg, geh weg! Der Eber gehört uns!« schrie der Weber, vorrückend.

»Geh, geh, du Teufelsweib! Es ist nicht dein Gut!« schrie der Gevatter, sich ihr nähernd.

Die Gattin griff wieder zum Schürhaken. Aber Tschub kam in diesem Augenblick aus dem Sacke gekrochen, pflanzte sich mitten im Flur hin und reckte sich, wie ein Mensch, der soeben aus einem langen Schlaf erwacht ist.

Die Frau des Gevatters schrie auf, schlug sich mit den Händen auf die Hüften, und alle sperrten unwillkürlich die Mäuler auf.

»Warum sagt das dumme Weib, es sei ein Eber! Es ist doch gar kein Eber!« meinte der Gevatter, die Augen aufreißend.

»Sieh nur, was für ein Mensch in den Sack geraten ist!« sagte der Weber, vor Angst zurückweichend. »Du kannst sagen, was du willst, aber hier ist sicher der Teufel im Spiele. Der kann ja nicht mal durch ein Fenster kriechen!«

»Das ist ja mein Gevatter!« rief der Gevatter, ihn erkennend.

»Und was glaubtest du?« fragte Tschub mit einem Lächeln. »Was, habe ich euch nicht einen feinen Streich gespielt? Ihr wolltet mich schon wie Schweinefleisch aufessen? Wartet, ich will euch noch eine Freude machen: im Sacke liegt noch etwas, wenn auch kein Eber, so doch sicher ein Ferkel oder sonst was Lebendiges. Unter mir hat sich fortwährend etwas bewegt.«

Der Weber und der Gevatter stürzten sich über den Sack, die Hausfrau klammerte sich an ihn an der anderen Seite, und die Schlägerei wäre wohl wieder losgegangen, wenn nicht der Küster, welcher jetzt einsah, daß er sich nirgends mehr verstecken konnte, von selbst aus dem Sack herausgekommen wäre.

Die Frau des Gevatters erstarrte vor Schreck und ließ den Fuß los, an dem sie den Küster aus dem Sacke herauszerren wollte.

»Da ist noch einer!« rief der Weber erschrocken. »Der Teufel weiß, wie es jetzt in der Welt zugeht . . . Der Kopf dreht sich einem im Kreise . . . Man wirft jetzt weder Würste noch Brote, sondern Menschen in die Säcke!«

»Das ist ja der Küster!« sagte Tschub, der mehr erstaunt war als die anderen.

»Da haben wir's! Ei, diese Ssolocha! Einen Menschen in einen Sack zu tun . . . Darum sah ich auch bei ihr die Stube voller Säcke . . . Jetzt weiß ich alles: sie hatte in jedem Sack zwei Menschen sitzen. Und ich glaubte, daß sie mir allein . . . So ein Weib ist also diese Ssolocha!«

 

Die Mädchen waren etwas erstaunt, als sie den einen Sack nicht mehr vorfanden.

»Nichts zu machen, wir müssen mit diesem einen fürliebnehmen«, stammelte Oksana.

Alle packten den Sack und luden ihn auf den Schlitten.

Der Amtmann entschloß sich, zu schweigen, denn er sagte sich, daß, wenn er schriee, man solle den Sack aufbinden und ihn herauslassen, die dummen Mädchen auseinanderlaufen würden: sie würden glauben, daß im Sacke der Teufel sitze; so würde er vielleicht bis morgen auf der Straße bleiben müssen.

Die Mädchen faßten sich indessen bei den Händen und sausten wie der Wind mit dem Schlitten über den knirschenden Schnee. Viele von ihnen setzten sich zum Spaß auf den Schlitten, manche stiegen sogar auf den Amtmann. Der Amtmann entschloß sich, alles zu ertragen. Endlich waren sie am Ziel, machten die Türen im Flur und in der Stube weit auf und schleppten den Sack mit Gelächter hinein.

»Wir wollen mal sehen, was drin ist«, riefen sie alle und begannen, den Sack eilig aufzubinden.

Da wurde aber das Schlucken, das den Amtmann während seines ganzen Aufenthalts im Sacke gequält hatte, so unerträglich, daß er aus vollem Halse zu schlucken und zu husten begann.

»Ach, da sitzt ja wer!« schrien alle und rannten erschrocken zur Tür.

»Zum Teufel! Wohin rennt ihr denn wie Verrückte?« fragte Tschub, in die Tür tretend.

»Ach, Vater!« sagte Oksana, »im Sacke sitzt wer!«

»Im Sacke? Wo habt ihr diesen Sack her?«

»Der Schmied hat ihn mitten auf der Straße liegengelassen«, antworteten alle zugleich.

– Ja, so ist es: hab' ich's nicht gesagt? dachte Tschub bei sich . . . »Was seid ihr so erschrocken? Schauen wir mal nach. – Nun, guter Mann, nimm mir's nicht übel, daß ich dich nicht bei deinem Namen und Vaternamen rufe, komm mal aus dem Sack.«

Der Amtmann kroch heraus.

»Ach!« schrien die Mädchen.

– Auch der Amtmann war also in einem Sack –, sagte sich Tschub erstaunt und maß ihn vom Kopfe bis zu den Füßen.

»So, so! . . . He!. . .« Mehr konnte er nicht sagen.

Der Amtmann war selbst nicht weniger verlegen und wußte nicht was zu sagen.

»Es ist wohl recht kalt draußen?« fragte er, sich an Tschub wendend.

»Ein schönes Frostwetter«, antwortete Tschub. »Erlaube mir die Frage: Womit schmierst du dir die Stiefel: mit Schmalz oder mit Teer?« Er wollte gar nicht das sagen; er wollte eigentlich fragen: »Wie kommst du in diesen Sack, Amtmann?«, aber er konnte selbst nicht begreifen, warum er etwas ganz anderes gesagt hatte.

»Mit Teer ist es besser«, antwortete der Amtmann. »Nun leb wohl, Tschub!« Er zog sich die Kapuze über den Kopf und verließ die Stube.

»Warum habe ich ihn so dumm gefragt, womit er seine Stiefel schmiert?« sagte Tschub mit einem Blick auf die Tür, durch die der Amtmann gegangen war. »Ei, diese Ssolocha! So einen Menschen in einen Sack zu stecken! . . . Dieses Teufelsweib! Und ich Dummkopf . . . Wo ist er aber, der verfluchte Sack?«

»Ich habe ihn in die Ecke geworfen, es ist nichts mehr drin«, antwortete Oksana.

»Ich kenne diese Scherze, nichts drin! Gebt ihn mir mal her, da sitzt noch einer drin! Schüttelt ihn ordentlich . . . Was, nichts drin? Das verdammte Weibsbild! Und wenn man sie anschaut, ist sie wie eine Heilige, als hätte sie nie was anderes als Fastenspeisen im Munde gehabt! . . .«

Aber lassen wir Tschub in Muße seinem Ärger Luft machen und wenden wir uns wieder dem Schmied zu, denn die Uhr geht schon sicher auf neun.

 

Anfangs war es Wakula ganz unheimlich zumute, besonders als er von der Erde in eine solche Höhe stieg, daß er unten nichts mehr unterscheiden konnte und er wie eine Fliege dicht unter dem Monde vorbeiflog, so daß er, wenn er sich nicht etwas gebückt hätte, ihn mit seiner Mütze gestreift haben würde. Aber etwas später faßte er Mut und fing sogar an, sich über den Teufel lustig zu machen. Es amüsierte ihn außerordentlich, wie der Teufel, sooft er sein Kreuz aus Zypressenholz vom Halse nahm und ihm hinhielt, nieste und hustete. Er hob absichtlich die Hand, um sich den Kopf zu kratzen, aber der Teufel glaubte, daß er ihn bekreuzigen wolle, und flog noch rascher. In der Höhe war alles hell. Die von einem leichten silbernen Nebel erfüllte Luft war durchsichtig. Alles war deutlich zu sehen, und man konnte sogar erkennen, wie ein Hexenmeister, im Topfe sitzend, wie ein Wirbelwind an ihnen vorbeiflog; wie die Sterne, sich zu einem Haufen drängend, Blindekuh spielten; wie etwas abseits eine ganze Schar von Geistern schwärmte; wie ein im Mondscheine tanzender Teufel die Mütze zog, als er den dahersprengenden Schmied erblickte; wie ein Besen, auf dem wohl eine Hexe soeben irgendwohin geritten war, allein heimflog . . . Noch viele andere üble Dinge sahen sie unterwegs. Beim Anblick des Schmieds machte alles für einen Augenblick halt, flog dann weiter und setzte sein Tun fort; der Schmied flog immer weiter, und plötzlich erstrahlte unter ihm in einem Feuermeer Petersburg. (Es gab da gerade aus irgendeinem Grunde eine Festbeleuchtung.) Der Teufel verwandelte sich, als er den Schlagbaum passiert hatte, in ein Pferd, und der Schmied sah sich auf einmal auf einem guten Renner mitten auf der Straße.

Mein Gott! Ein Lärm, ein Dröhnen, ein Leuchten; zu beiden Seiten ragten vierstöckige Mauern; das Stampfen der Hufe und das Dröhnen der Räder hallte an vier Seiten wider; die Häuser schienen auf Schritt und Tritt zu wachsen und aus der Erde emporzusteigen; die Brücken zitterten; die Kutschen flogen; die Kutscher und die Vorreiter schrien; der Schnee knirschte unter den Tausenden der von allen Seiten fliegenden Schlitten; die Fußgänger drängten sich längs der mit Lämpchen übersäten Häuser, und ihre riesigen Schatten huschten über die Mauern und erreichten mit den Köpfen die Schornsteine und die Dächer.

Der Schmied sah sich erstaunt nach allen Seiten um. Es war ihm, als hätten alle diese Häuser auf ihn ihre zahllosen Feueraugen gerichtet und schauten ihn an. Er sah so viel Herren in mit Tuch gedeckten Pelzen, daß er gar nicht mehr wußte, vor wem er die Mütze ziehen sollte. – Mein Gott, wieviel Herrschaften es hier gibt! – dachte sich der Schmied. – Ich glaube, jeder, der hier in einem Pelze über die Straße geht, ist ein Assessor! Und die, die in diesen herrlichen Wagen mit den Glasscheiben herumfahren, sind, wenn nicht Stadthauptleute, so doch sicher Kommissäre und vielleicht noch mehr. – Seine Gedanken wurden durch eine Frage des Teufels unterbrochen: »Soll ich direkt zur Zarin laufen?« – Nein, ich fürchte mich –, dachte sich der Schmied. »Hier sind irgendwo, ich weiß nicht wo, die Saporoger abgestiegen, die im Herbst durch Dikanjka kamen. Sie fuhren aus der Ssjetsch mit Papieren zu der Zarin; mit ihnen sollte ich mich eigentlich beraten. He, Satan! Kriech mir mal in die Tasche und führe mich zu den Saporogern!«

Der Teufel magerte in einem Augenblick ab und wurde so klein, daß er dem Schmied ohne Mühe in die Tasche kriechen konnte. Und ehe sich Wakula umsah, stand er schon vor einem großen Hause, stieg die Treppe hinauf, öffnete eine Tür und taumelte ein wenig zurück, als er vor sich ein prächtig geschmücktes Zimmer erblickte; aber er faßte Mut, als er die gleichen Saporoger erkannte, die durch Dikanjka gekommen waren und jetzt mit ihren geteerten Stiefeln auf seidenen Sofas saßen und den stärksten Tabak rauchten, den man Stengeltabak nennt.

»Grüß Gott, meine Herren! Helf euch Gott, so sehen wir uns wieder!« sagte der Schmied, näher herantretend und sich bis zur Erde verbeugend.

»Was ist das für ein Mann?« fragte einer, der dicht vor dem Schmied saß, einen anderen, der etwas weiter saß.

»Habt ihr mich denn nicht erkannt?« sagte der Schmied. »Ich bin es, der Schmied Wakula! Als ihr im Herbst durch Dikanjka kamt, wart ihr, Gott gebe euch jegliche Gesundheit und ein langes Leben, fast zwei Tage bei mir zu Gast. Ich habe euch damals das vordere Rad eures Wagens mit einem neuen Reifen beschlagen!«

»Aha!« sagte der gleiche Saporoger. »Es ist derselbe Schmied, der so fein malt. Guten Abend, Landsmann! Was hat dich Gott hergebracht?«

»Nun, ich wollte mir anschauen . . . man sagt . . .«

»Nun, Landsmann«, sagte der Saporoger, eine stolze Miene annehmend; er wollte zeigen, daß er auch RussischSonst sprechen sie alle Ukrainisch (Kleinrussisch).
Anmerkung des Übersetzers
zu sprechen verstand. »Eine große Stadt, nicht wahr?«

Der Schmied wollte sich nicht blamieren und als Neuling erscheinen; außerdem verstand auch er, wie wir es schon oben sahen, gebildet zu sprechen. »Eine respektable Gouvernementsstadt!« antwortete er gleichgültig. »Das muß ich sagen: die Häuser sind mächtig, und bedeutende Gemälde hängen darin. Viele Häuser sind mit Lettern aus Blattgold außerordentlich fein bemalt. Das muß man zugeben, eine wunderbare Proportion!«

Als die Saporoger hörten, wie frei sich der Schmied ausdrückte, gewannen sie von ihm einen für ihn sehr günstigen Eindruck. »Später wollen wir mit dir mehr reden, Landsmann. Jetzt müssen wir aber gleich zur Zarin.«

»Zur Zarin? Seid doch so freundlich, meine Herren, nehmt mich mit!«

»Dich?« sagte der Saporoger mit einer Miene, mit der ein Erzieher zu seinem vierjährigen Zögling spricht, wenn ihn dieser bittet, ihn auf ein echtes, großes Pferd zu setzen. »Was willst du dort? Nein, es geht nicht.« Dabei nahm er eine wichtige Miene an. »Wir werden mit der Zarin von unseren Angelegenheiten reden, Bruder.«

»Nehmt mich mit!« beharrte der Schmied. »Bitte sie!« flüsterte er dem Teufel zu, indem er mit der Faust auf die Tasche schlug.

Kaum hatte er das getan, als ein anderer Saporoger sagte: »Nehmen wir ihn doch mit, Brüder!«

»Gut, nehmen wir ihn mit!« sagten die anderen.

»Zieh die gleichen Kleider an, wie wir sie tragen.«

Der Schmied beeilte sich, einen grünen Kaftan anzuziehen, als die Tür plötzlich aufging und ein Mann mit Tressen meldete, daß es Zeit sei, zu fahren.

Es kam dem Schmied so wunderlich vor, als er in einer riesigen Kutsche dahinfuhr, die sich auf den Federn wiegte, als zu beiden Seiten die vierstöckigen Häuser zurückliefen und das Pflaster dröhnend wie von selbst unter die Hufe der Pferde zu rollen schien.

– Mein Gott, welch ein Licht! –, dachte der Schmied. – Bei uns ist es nicht mal am Tage so hell. –

Die Kutschen hielten vor dem Schlosse. Die Saporoger stiegen aus, traten in einen prächtigen Flur und gingen eine glänzend erleuchtete Treppe hinauf. »Was ist das für eine Treppe!« flüsterte der Schmied vor sich hin. »Es ist wirklich schade, sie mit Füßen zu treten. Diese Verzierungen! Man sagt, daß die Märchen lügen! Zum Teufel, sie lügen gar nicht! Mein Gott! Dieses Geländer! Was für eine Arbeit! Das Eisen allein hat wohl an die fünfzig Rubel gekostet!«

Die Saporoger stiegen die Treppe hinauf und durchschritten den ersten Saal. Scheu folgte ihnen der Schmied, der bei jedem Schritt fürchtete, auf dem Parkett auszugleiten. Sie durchschritten drei Säle, und der Schmied kam noch immer nicht aus dem Staunen heraus. Als sie in den vierten Saal kamen, ging er unwillkürlich auf ein Bild zu, das an der Wand hing. Es war die Heilige Jungfrau mit dem Kinde auf dem Arm.

»Was für ein Bild! Was für eine herrliche Malerei!« sagte er. »Man glaubt, sie wolle sprechen! Sie lebt förmlich! Und das Heilige Kind! Es faltet die Händchen und lächelt, das Arme! Und die Farben! Mein Gott, diese Farben! Ich meine, man hat hier auch nicht für eine Kopeke Ocker gebraucht, es ist lauter Karmin und Kupfergrün. Und das Blau leuchtet einfach! Eine herrliche Arbeit. Der Grund ist wohl mit dem teuersten Bleiweiß angelegt. Wie wunderbar diese Malerei auch ist, aber dieser Messinggriff«, fuhr er fort, an die Tür tretend und das Schloß betastend, »dieser Messinggriff ist noch mehr der Bewunderung wert. Diese saubere Arbeit! Ich denke, das haben alles deutsche Schmiede für viel Geld gemacht . . .«

Vielleicht hätte der Schmied noch viele Betrachtungen angestellt, wenn ihn nicht ein betreßter Lakai an den Arm gestoßen und ermahnt hätte, daß er nicht hinter den anderen zurückbleiben solle.

Die Saporoger durchschritten noch zwei Säle und blieben stehen. Hier wurden sie angewiesen, zu warten. Im Saale drängten sich mehrere Generäle in goldgestickten Uniformen. Die Saporoger verbeugten sich nach allen Seiten und stellten sich in einer Gruppe auf.

Eine Weile später trat in den Saal, von einem ganzen Gefolge begleitet, ein ziemlich stämmiger Mann von majestätischem Wuchs, in Hetmanuniform und in gelben Stiefeln. Seine Haare waren zerzaust, das eine Auge schielte etwas, das Gesicht drückte Hochmut und Erhabenheit aus, und alle Bewegungen zeugten von der Gewohnheit, zu befehlen. Alle Generäle, die bis dahin recht stolz in ihren goldenen Uniformen herumgegangen waren, gerieten in Unruhe und begannen unter tiefen Verbeugungen jedes seiner Worte, selbst seine leiseste Bewegung gleichsam aufzufangen. Aber der Hetman schenkte dem allen gar keine Beachtung, nickte kaum mit dem Kopfe und ging auf die Saporoger zu.

Die Saporoger verneigten sich vor ihm bis zur Erde.

»Seid ihr alle hier?« fragte er gedehnt und ein wenig durch die Nase.

»Ja, alle, Väterchen!« antworteten die Saporoger und verbeugten sich wieder.

»Vergeßt nicht, so zu reden, wie ich es euch gelehrt habe!«

»Nein, Väterchen, wir vergessen es nicht.«

»Ist das der Zar?« fragte der Schmied einen der Saporoger.

»Ach was, Zar! Es ist Potjomkin«, antwortete jener.

Im Nebenzimmer ließen sich Stimmen vernehmen, und der Schmied wußte nicht, wohin er seine Augen wenden sollte: eine solche Menge von Damen in Atlaskleidern mit langen Schleppen und von Höflingen in goldgestickten Röcken mit Zöpfen im Nacken trat in den Saal. Er sah nur ein Leuchten und weiter nichts.

Die Saporoger fielen plötzlich sämtlich zu Boden und schrien wie aus einem Munde: »Gnade, Mutter, Gnade!« Der Schmied, der nichts mehr sah, streckte sich gleich den anderen eifrig auf dem Boden aus.

»Steht auf!« erklang über ihnen eine gebieterische, aber zugleich angenehme Stimme. Einige Höflinge taten sehr geschäftig und stießen die Saporoger an.

»Wir stehen nicht auf, Mutter! – Wir stehen nicht auf! Wir sterben lieber, aber wir stehen nicht auf!« riefen die Saporoger.

Potjomkin biß sich auf die Lippen. Schließlich trat er selbst zu ihnen und flüsterte dem einen Saporoger gebieterisch etwas zu. Die Saporoger erhoben sich.

Nun wagte es auch der Schmied, den Kopf zu heben, und er erblickte eine nicht sehr große, sogar etwas beleibte Frau mit gepudertem Haar, blauen Augen und mit jener majestätisch lächelnden Miene, die es so gut verstand, sich alles untertan zu machen, und die nur einer Herrscherin angehören konnte.

»Seine Durchlaucht hat mir versprochen, mich heute mit einem meiner Völker bekannt zu machen, das ich bisher noch nicht gesehen habe«, sagte die Dame mit den blauen Augen, indem sie die Saporoger neugierig musterte. »Seid ihr hier gut untergebracht?« fuhr sie fort und trat näher.

»Danke, Mutter! Der Proviant ist gut, obwohl die Hammel hier lange nicht so sind wie bei uns daheim – weshalb sollten wir nicht irgendwie leben können? . . .«

Potjomkin verzog das Gesicht, als er merkte, daß die Saporoger etwas ganz anderes sagten, als was er sie gelehrt hatte . . .

Einer der Saporoger trat nun mit stolzer Miene vor: »Wir bitten dich, Mutter! Womit hat dich dein treues Volk erzürnt? Haben wir es denn mit den heidnischen Tataren gehalten? Haben wir je Hand in Hand mit den Türken gehandelt? Haben wir dir mit einer Tat oder mit einem Gedanken die Treue gebrochen? Warum diese Ungnade? Erst hörten wir, daß du überall Festungen gegen uns bauen läßt; dann hörten wir, daß du aus uns Karabinerschützen machen lassen willst; jetzt hören wir von neuen Strafen. Was hat das Heer der Saporoger verbrochen? Vielleicht, daß es deine Armee über den Perekop geführt und deinen Generälen geholfen hat, die Tataren der Krim niederzumetzeln? . . .«

Potjomkin schwieg und putzte mit einem kleinen Bürstchen lässig die Brillanten, mit denen seine Finger besät waren.

»Was wollt ihr also?« fragte Katharina besorgt.

Die Saporoger sahen einander bedeutungsvoll an.

– Jetzt ist's Zeit! Die Zarin fragt, was wir wollen! – sagte der Schmied zu sich selbst und stürzte plötzlich zu ihren Füßen nieder.

»Eure zarische Majestät, laßt mich nicht strafen, erweist mir Eure Gnade! Woraus, nehmt es mir nicht übel, sind die Schuhe gemacht, die Eure zarische Gnaden an den Füßen haben? Ich glaube, kein Schuster in keinem Lande der Welt versteht solche Schuhe zu machen. Mein Gott, wenn meine Frau solche Schuhe anziehen könnte!«

Die Kaiserin lachte. Auch die Höflinge fingen zu lachen an. Potjomkin blickte finster drein und lächelte zugleich. Die Saporoger begannen den Schmied an den Arm zu stoßen, denn sie glaubten, er sei verrückt geworden.

»Steh auf!« sagte die Kaiserin freundlich. »Wenn du durchaus solche Schuhe haben willst, so ist das leicht gemacht. Bringt ihm sofort die kostbarsten mit Gold bestickten Schuhe! Diese Einfalt gefällt mir wirklich! Da habt Ihr«, fuhr die Kaiserin fort, indem sie einen Herrn mit einem vollen, aber etwas bleichen Gesicht anblickte, der etwas abseits von den anderen stand und dessen bescheidener Rock mit den großen Perlmutterknöpfen zeigte, daß er nicht zu den Höflingen gehörte, »da habt Ihr ein Eurer geistreichen Feder würdiges Thema!«

»Eure kaiserliche Majestät sind zu gnädig. Dazu bedarf es wenigstens eines Lafontaine!« antwortete der Mann mit den Perlmutterknöpfen mit einer Verbeugung.

»Auf Ehre, ich muß sagen, daß ich von Eurem ›Brigadier‹ noch immer hingerissen bin. Ihr lest wunderbar vor! Aber ich hörte«, wandte sich die Kaiserin an die Saporoger, »daß man bei euch in der Ssjetsch niemals heiratet.«

»Was sagst du bloß, Mutter! Du weißt doch selbst, daß kein Mann ohne Frau auskommen kann«, antwortete derselbe Saporoger, der früher mit dem Schmied gesprochen hatte, und der Schmied wunderte sich, als er hörte, wie dieser selbe Mann, der so gut gebildet zu sprechen verstand, mit der Zarin wie absichtlich in der gröbsten Bauernsprache redete. – Schlaue Leute! –, dachte er sich, – das tut er sicher nicht ohne Absicht. –

»Wir sind keine Mönche«, fuhr der Saporoger fort, »sondern sündige Menschen. Wie die ganze ehrliche Christenwelt sind wir auf Fleischspeisen versessen. Es sind nicht wenige unter uns, die Frauen haben, nur leben sie nicht mit ihren Frauen in der Ssjetsch. Manche haben ihre Frauen in Polen; andere haben ihre Frauen in der Ukraine; und andere haben ihre Frauen in der Türkei.«

In diesem Augenblick brachte man dem Schmied die Schuhe.

»Mein Gott, was für ein Schmuckstück!« rief er freudig und ergriff die Schuhe. »Eure zarische Majestät! Wenn Ihr solche Schuhe anhabt und wenn Ihr mit ihnen, Euer Wohlgeboren, aufs Eis geht, wie müssen dann die Füßchen selbst sein? Ich meine, die sind mindestens aus reinstem Zucker.«

Die Kaiserin, die wirklich die schlanksten und reizendsten Füßchen hatte, mußte lächeln, als sie dieses Kompliment aus dem Munde eines einfältigen Schmiedes hörte, welcher trotz seines braunen Gesichts in seiner Saporogerkleidung als schöner Mann gelten konnte.

Erfreut durch diese wohlwollende Aufmerksamkeit, wollte der Schmied die Zarin schon ordentlich über alles ausfragen: ob es wahr sei, daß die Zaren nichts als Honig und Speck äßen, und dergleichen mehr; da er aber fühlte, daß die Saporoger ihn in die Seiten stießen, entschloß er sich, zu schweigen. Als die Kaiserin sich an die älteren Leute wandte und sie auszufragen begann, wie sie in der Ssjetsch lebten und was für Sitten sie da hätten, trat der Schmied zurück, beugte sich zu seiner Tasche, sagte leise: »Trage mich sofort von hier weg!« und befand sich plötzlich hinter dem Schlagbaum.

 

»Ertrunken! Bei Gott, ertrunken! Ich will nicht mehr vom Fleck kommen, wenn er nicht ertrunken ist!« stammelte die dicke Webersfrau, in einem Haufen der Weiber von Dikanjka mitten auf der Straße stehend.

»Bin ich denn eine Lügnerin? Habe ich jemand eine Kuh gestohlen? Habe ich jemand mit dem bösen Blick behext, daß man mir nicht glauben will?« schrie ein Weib in einem Kosakenkittel, mit einer violetten Nase, mit den Armen fuchtelnd. »Ich will nie wieder Wasser trinken wollen, wenn die alte Perepertschicha nicht mit eigenen Augen gesehen hat, wie der Schmied sich erhängt hat!«

»Der Schmied hat sich erhängt? Eine schöne Geschichte!« sagte der Amtmann, der gerade von Tschub kam. Er blieb stehen und drängte sich an die sprechenden Weiber näher heran.

»Sag lieber, du willst keinen Schnaps mehr trinken, du alte Säuferin!« antwortete die Webersfrau. »Man muß schon so verrückt sein wie du, um sich erhängen zu können! Er hat sich ertränkt! Er ist im Eisloch ertrunken! Das weiß ich so sicher, wie daß du soeben in der Schenke gewesen bist.«

»Schamlose! Was sie mir vorzuwerfen hat!« antwortete zornig das Weib mit der violetten Nase. »Hättest du doch lieber geschwiegen, du Nichtsnutzige! Weiß ich denn nicht, daß zu dir jeden Abend der Küster kommt?«

Die Webersfrau fuhr auf.

»Was, Küster? Zu wem kommt der Küster? Was lügst du?«

»Der Küster?« kreischte die Küsterin, die sich in ihrem mit blauem Nanking bezogenen Hasenpelz unter die Schreienden drängte. »Ich werde euch den Küster zeigen! Wer sprach eben vom Küster?«

»Zu dieser da kommt der Küster auf Besuch!« sagte das Weib mit der violetten Nase, auf die Webersfrau zeigend.

»Du bist es also, Hündin!« sagte die Küsterin, indem sie auf die Webersfrau losging. »Du bist also die Hexe, die ihn benebelt und mit ihren Teufelskräutern behext, daß er zu ihr kommt?«

»Laß mich in Ruhe, du Satan!« sagte die Webersfrau zurückweichend.

»Du verdammte Hexe, du sollst deine Kinder nicht wiedersehen! Nichtsnutzige! Pfui!« Und die Küsterin spuckte der Webersfrau gerade in die Augen. Die Webersfrau wollt es ihr mit dem gleichen vergelten, spuckte aber statt dessen auf den rasierten Kopf des Amtmanns, der, um alles besser zu hören, ganz dicht an die Streitenden getreten war.

»Gemeines Frauenzimmer!« rief der Amtmann, indem er sich das Gesicht mit dem Rockschoße abwischte und die Peitsche erhob. Diese Bewegung zwang alle, unter Fluchen nach allen Seiten auseinanderzugehen. »Diese Gemeinheit!« wiederholte der Amtmann, sich noch immer das Gesicht abwischend. »Der Schmied hat sich also ertränkt! Mein Gott! Was für ein guter Maler ist er aber gewesen! Was für feste Messer, Sicheln und Pflugscharen verstand er zu schmieden! Was für eine Kraft steckte in ihm! Ja«, fuhr er nachdenklich fort, »solche Menschen haben wir nicht viel im Dorf. Darum fiel es mir noch im Sacke auf, daß der Ärmste so übel gelaunt war. Da haben wir den Schmied! Eben lebte er noch, und nun ist er nicht mehr! Ich wollte gerade meine scheckige Stute beschlagen lassen! . . .« Von solchen christlichen Gedanken erfüllt, ging der Amtmann langsam heim.

Oksana verlor die Fassung, als diese Gerüchte sie erreichten. Sie traute zwar wenig den Augen der Perepertschicha und dem Gerede der Weiber: sie wußte, daß der Schmied gottesfürchtig genug war, um nicht seine Seele ins Verderben zu stürzen. Was aber, wenn er wirklich mit der Absicht weggegangen war, nie wieder ins Dorf zurückzukehren? So einen prächtigen Burschen wie diesen Schmied findet man aber auch an einem anderen Orte nicht wieder. Er hat sie doch so geliebt! Er hat länger als alle ihre Launen ertragen . . . Die Schöne wälzte sich die ganze Nacht unter ihrer Decke von der rechten Seite auf die linke und von der linken auf die rechte und konnte nicht einschlafen. Bald lag sie in bezaubernder Nacktheit, die das Dunkel der Nacht auch vor ihr selbst verhüllte, und schimpfte fast laut über sich selbst; bald wurde sie still und entschloß sich, an nichts mehr zu denken, und dachte dennoch. Sie glühte und war am Morgen schon bis über die Ohren in den Schmied verliebt.

Tschub äußerte weder Freude noch Trauer über das Schicksal des Schmiedes. Seine Gedanken waren nur mit dem einen beschäftigt: er konnte unmöglich die Treulosigkeit der Ssolocha vergessen und fuhr, so verschlafen er auch war, fort, laut auf sie zu schimpfen.

Der Morgen brach an. Die Kirche war schon vor Tagesanbruch voller Menschen. Die älteren Frauen in weißen Kopftüchern und weißen Tuchkitteln bekreuzigten sich andächtig an der Kirchtür. Die Edelfrauen in grünen und gelben Jacken, einige sogar in blauen Überkleidern, mit goldenen Streifen auf dem Rücken, standen vor ihnen. Die Mädchen, die auf den Köpfen ganze Kaufläden von Bändern und am Halse eine Menge von Perlenbändern, Kreuzen und Dukaten trugen, bemühten sich, so nahe als möglich an die Heiligenwand zu kommen. Ganz vorn standen aber die Edelleute und die einfachen Bauern mit Schnurrbärten, Schöpfen, dicken Hälsen und frischrasiertem Kinn, fast alle in Mänteln, unter denen weiße und bei manchen auch blaue Kittel hervorguckten. Auf allen Gesichtern, wohin man auch blickte, spiegelte sich die Feiertagsstimmung. Der Amtmann leckte sich schon die Lippen beim Gedanken an die Wurst, die er nach Beendigung des Fasttages essen würde; die Mädchen dachten daran, wie sie mit den Burschen auf dem Eise laufen würden; die alten Frauen flüsterten die Gebete andächtiger als je. Man hörte in der ganzen Kirche, wie der Kosak Swerbygus sich mit der Stirn bis zum Boden verbeugte. Nur Oksana allein stand wie geistesabwesend da: sie betete und betete auch nicht. In ihrem Herzen drängten sich viele verschiedene Gefühle, eines ärgerlicher und trauriger als das andere, so daß ihr Gesicht nur eine starke Erregung ausdrückte; in ihren Augen zitterten Tränen. Die Mädchen konnten den Grund nicht verstehen und ahnten nicht mal, daß der Schmied schuld daran war. Aber Oksana war nicht die einzige, die an den Schmied dachte. Alle Leute merkten, daß der Feiertag kein richtiger Feiertag war, daß gleichsam etwas fehlte. Zum Unglück war der Küster infolge seiner Reise im Sack heiser geworden und sang kaum hörbar mit zitternder Stimme; der zugereiste Sänger hatte zwar eine prächtige Baßstimme, aber es wäre doch unvergleichlich besser, wenn auch der Schmied dabei gewesen wäre, der, sooft man das »Vaterunser« oder »Und die Cherubime« sang, auf den Chor zu steigen und die Weise anzustimmen pflegte, die man in Poltawa singt. Außerdem war er der einzige, der das Amt eines Kirchenvorstands versah. Die Frühmesse war schon zu Ende, nach der Frühmesse kam das Hochamt . . . Wo war nun in der Tat der Schmied hingeraten?

Der Teufel flog während des Restes der Nacht mit dem Schmied auf dem Rücken noch schneller zurück, und Wakula befand sich im Nu neben seinem Hause. In diesem Augenblick krähte ein Hahn.

»Wohin?« schrie der Schmied, den Teufel, der davonlaufen wollte, am Schwanze packend. »Wart mal, Freund, das ist noch nicht alles, ich hab' mich bei dir noch nicht bedankt.«

Und er ergriff einen ordentlichen Stecken, versetzte ihm drei Hiebe, und der arme Teufel lief so schnell davon wie ein Bauer, dem der Assessor ordentlich eingeheizt hat. So war der Feind des Menschengeschlechts, statt andere Menschen zu foppen, zu verführen und zu narren, selbst genarrt worden.

Nun trat Wakula in den Flur, vergrub sich ins Heu und schlief bis zum Mittag durch. Als er erwachte und sah, daß die Sonne schon hoch am Himmel stand, erschrak er.

»Ich habe ja die Frühmesse und das Hochamt verschlafen!«

Und der gottesfürchtige Schmied versank in Trauer, da er sich sagte, Gott habe wohl zur Strafe für seinen sündigen Vorsatz, seine Seele zu verderben, den Schlaf über ihn geschickt, der ihn davon abhielt, an diesem hohen Feiertage zur Kirche zu gehen. Aber er beruhigte sich bald, indem er sich vornahm, in der folgenden Woche die Sünde dem Popen zu beichten und von diesem Tage an ein ganzes Jahr lang täglich fünfzig Kniefälle zu machen. Er blickte in die Stube hinein, es war aber niemand da: Ssolocha war wohl noch nicht heimgekommen.

Behutsam holte er aus dem Busen die Schuhe und wunderte sich wieder über die kostbare Arbeit und das wunderbare Erlebnis der letzten Nacht; er wusch sich, kleidete sich, so gut er konnte, an, zog die Kleider an, die er von den Saporogern bekommen hatte, holte aus der Truhe eine neue Lammfellmütze mit blauem Tuch, die er noch niemals aufgesetzt hatte, seit er sie in Poltawa gekauft; holte auch einen neuen Gürtel in allen Farben; tat das alles zusammen mit einer Kosakenpeitsche in ein Tuch und ging geradeswegs zu Tschub.

Jener sperrte die Augen auf, als der Schmied zu ihm kam, und wußte nicht, worüber er mehr staunen sollte: darüber, daß der Schmied von den Toten auferstanden war, daß er es gewagt hatte, zu ihm zu kommen, oder daß er sich wie ein Saporoger aufgeputzt hatte. Noch mehr staunte er aber, als Wakula das Tuch aufband, vor ihn eine nagelneue Mütze und einen Gürtel, wie man ihn im Dorfe noch niemals gesehen hatte, auf den Tisch legte, ihm zu Füßen fiel und mit flehender Stimme sagte: »Hab Erbarmen, Väterchen! Zürne nicht! Hier hast du eine Peitsche: schlage, so viel deine Seele verlangt. Ich liefere mich dir selbst aus und bekenne alles; schlag zu, aber zürne nicht. Du und mein verstorbener Vater wart ja einst wie zwei Brüder, ihr habt zusammen gegessen und getrunken.«

Tschub sah nicht ohne heimliche Freude, wie der Schmied, der sich sonst um keinen Menschen im Dorfe kümmerte, der mit der Hand Hufeisen und Fünfkopekenstücke wie Buchweizenfladen zusammendrückte, wie dieser selbe Schmied zu seinen Füßen lag. Um seine Würde zu wahren, nahm Tschub die Peitsche und schlug ihn dreimal auf den Rücken. »Nun, das genügt, steh auf! Hör stets auf alte Leute! Wir wollen alles vergessen, was zwischen uns war. Nun, sag jetzt, was du willst!«

»Gib mir Oksana zur Frau, Väterchen!«

Tschub dachte eine Weile nach und betrachtete die Mütze und den Gürtel: die Mütze war wunderbar, der Gürtel stand ihr nicht nach; er dachte an die treulose Ssolocha und sagte entschlossen: »Gut! Schicke deine Brautwerber her!«

»Ach!« schrie Oksana auf, über die Schwelle tretend und den Schmied erblickend, und richtete auf ihn erstaunt und freudig ihre Blicke.

»Schau nur, was ich dir für Schuhe mitgebracht habe!« sagte Wakula. »Es sind dieselben, die die Zarin trägt.«

»Nein, nein! Ich brauche keine Schuhe!« sagte sie, mit den Händen fuchtelnd und ihn unverwandt anblickend. »Ich will auch ohne die Schuhe . . .« Sie kam nicht weiter und errötete.

Der Schmied trat näher heran und ergriff ihre Hand; die Schöne schlug sogar die Augen nieder. Noch nie war sie so wunderbar schön gewesen. Der entzückte Schmied küßte sie still, ihr Gesicht erglühte in einem noch tieferen Rot, und sie wurde noch schöner.

 

Der Bischof, seligen Angedenkens, kam einmal durch Dikanjka, lobte die schöne Lage und hielt, als er durch die Straße fuhr, vor einem neuen Hause.

»Wem gehört dieses bemalte Haus?« fragte Seine Eminenz die hübsche Frau, die mit einem Kinde auf dem Arme vor der Tür stand.

»Dem Schmied Wakula!« antwortete ihm mit einer Verbeugung Oksana, denn sie war es.

»So schön! Eine schöne Arbeit!« sagte Seine Eminenz, die Türen und Fenster betrachtend. Die Fenster waren aber ringsherum mit roter Farbe gestrichen, und auf den Türen waren überall reitende Kosaken mit Pfeifen in den Zähnen dargestellt.

Noch mehr lobte aber Seine Eminenz Wakula, als sie erfuhr, daß er die Kirchenbuße eingehalten und die ganze linke Chorseite in der Kirche unentgeltlich mit grüner Farbe und roten Blumen bemalt hatte. Das ist aber noch nicht alles. An die Wand neben dem Kircheneingang malte Wakula den Teufel in der Hölle, einen so abscheulichen Teufel, daß alle, die vorbeigingen, ausspuckten; und die Weiber trugen ihre Kinder, wenn sie auf dem Arme zu weinen anfingen, an dieses Bild und sprachen: »Schau, was für ein Scheusal da hingemalt ist!« Und das Kind hielt seine Tränen zurück, schielte nach dem Bilde und schmiegte sich an die Brust seiner Mutter.


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