Johann Wolfgang von Goethe
Propyläen und Umkreis
Johann Wolfgang von Goethe

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Kurzgefaßte Miszellen

Aus Paris wird folgendes gemeldet: Der Bildhauer Tiek aus Berlin hat in diesen Tagen den Preis gewonnen, der alle Jahre, für die angehenden Maler, Bildhauer und Architekten ausgesetzt wird und ist in der letzten öffentlichen Sitzung des Nationalinstituts gekrönt worden.

 

Ein ungenannter Kunstfreund, der uns schon vor geraumer Zeit seine Bemerkungen über Herrn Hartmanns Preiszeichnung mitgeteilt, wird ersucht sich uns zu entdecken, indem wir ihm einiges zu eröffnen haben.

 

Die Cottaische Buchhandlung in Tübingen bietet Abgüsse von der Portraitbüste des Erzherzogs Karl K. H., die Herr Professor Dannecker in Stutgard gearbeitet, um billige Bedingungen an. Wir sahen das Werk noch unter den Händen des Künstlers und bemerkten mit Vergnügen daran die treue, bis ins zarteste Detail, mit ungemeinem Fleiß durchgeführte Nachahmung der Natur.

Aus Liebe zur Kunst muß man also wünschen, daß die Abgüsse dieses Werks im Publikum zahlreiche Liebhaber finden mögen, damit des Künstlers Talent nach Verdienst bekannt und geachtet werde.

 

In zwei neuen Holzschnitten übte Herr Unger in Berlin, mit glücklichem Erfolg, die Manier aus, deren sich die Engländer Bewick und Anderson bedient haben, von welchen wir im zweiten Stück des ersten Bandes der Propyläen Nachricht gegeben. Das eine der erwähnten Stücke ist eine kleine Vignette, vor dem siebenten Teil, der neuen Schriften des Herausgebers, das andere, etwas größer, mit mehreren allegorischen Figuren. Besonders ist die Ausführung des letztern musterhaft sauber geraten.

 

Nachstehendes Eingesendete machen wir dankbar bekannt.

Ew. werden mir erlauben, Ihnen eine Berichtigung einer Stelle des Aufsatzes über Oeser, in dem neuesten Stücke der Propyläen S. 128. mitzuteilen, welche den Urheber der Architektur-Verzierungen in der Nikolai-Kirche zu Leipzig betrifft. Diese Verzierungen werden unserm Oeser zugeschrieben und, unter andern, als ein Beweis von dem Umfange seiner Fähigkeiten angeführt. Allein das Lob, das ihnen beigelegt wird und das ihnen mit allem Rechte gebührt, kommt nicht Oesern zu, sondern dem Herrn Baudirektor Dauthe, der allein diese Verzierungen angegeben hat und unter dessen Aufsicht sie ausgeführt wurden. Da ich, mit beiden Künstlern sehr gut bekannt, oft Zeuge ihrer Arbeiten war und sie oft auf dem Gerüste besuchte, so weiß ich genau, was einem jeden gehört, dem Hrn. Dauthe die Angabe jener Verzierungen und überhaupt die ganze Dekoration der Kirche, Oesern aber die Gemälde.

Überdies war Oesers Geschmack in diesem Teile der Kunst nicht genug gebildet, er verwarf so leichte und gefällige Verzierungen wie die sind, welche die Nikolai-Kirche schmücken, und liebte das Schwere, die schwerfälligen Schnörkel und Festons im Geschmack des Blondel und la Fosse, wie verschiedene Säle beweisen, deren Dekoration er angegeben hat. Er hätte daher auch gern die Nikolai-Kirche in diesem Styl verziert gesehn, und er war mit der Anordnung des Hrn. Dauthe so wenig zufrieden, daß er sie nicht eher billigte, als bis das Ganze vollendet war, da ihm denn die gute Wirkung desselben nicht entgehen konnte.

Um nun einem jeden das Seine zu lassen und dem Hrn. Dauthe den Ruhm nicht zu entziehn, der ihm gebührt, bitte ich Ew. diese Berichtigung in dem nächsten Stücke der Propyläen bekannt zu machen.

(Zwei Landschaften von Philipp Hackert)

Vor einigen Tagen sind in Weimar zwei beträchtlich große, in Öl gemalte Landschaften, von Philipp Hackert angekommen, zur Verzierung des Fürstl. Schlosses bestimmt, deren Gegenstände interessant sind, und die Ausführung so vorzüglich ist, daß man sich verbunden glaubt, den Freunden der Kunst nähere Nachricht davon mitzuteilen.

Eins dieser Bilder zeigt, von der Höhe der Villa Madama herunter, die Aussicht über einen Teil der Campagna di Roma nach den Gebirgen des Sabinerlandes hin, welche im Schimmer des Abendlichts glühen; man sieht den Tiberstrom mit mannichfaltigen Wendungen die Ebne durchfließen, im Mittelgrund Ponte Mole, nebst einem Stücke der geraden, zur ehemaligen Porta Flaminia, jetzt del Popolo führenden Straße.

Das andere Gemälde stellt die nicht weniger merkwürdige Gegend um Florenz dar; in blauer Ferne ragen Gebirgsgipfel von Massa Carrara hervor; näher, der gegen Pisa und Livorno hin sich absenkende Teil der Appenninen: Rechts liegt Fiesole auf seinem lustigen Hügel, zur Linken die mit Landhäusern gekrönten Höhen bei Florenz; dazwischen die fruchtbare, vom Arno durchflossene Ebene gegen Prato und Pistoja hin.

Florenz selbst hat der Künstler hier so wenig, als auf dem vorigen Bilde Rom, gezeigt, der Beschauer hat dasselbe hinter den Bäumen des mit Vieh reich staffierten Vordergrundes zu suchen; der nicht weit von der Porta S. Frediano gelegene Monte Oliveto ist jedoch noch sichtbar. Eine belebtere, reichere, erfreulichere Gegend möchte wohl schwerlich gefunden werden; wenige auch, welche in Bezug auf Geschichte mehr Interesse haben dürften, denn in diesen lieblichen Gründen sind Künste und Wissenschaften der neuern Zeit zuerst wieder aufgegangen.

Gemälden, welche, so wie diese zwei Hackertischen Werke, treu nach der Natur gemalte Aussichten darstellen, würde großes Unrecht wiederfahren, wenn man sie nach dem Maßstabe beurteilen wollte, den der höchste Begriff von der Landschaftmalerei dem Kunstrichter an die Hand gibt. Im Allgemeinen gehören sie freilich mit zu diesem Fache, machen aber eine untergeordnete Art desselben aus. Wenn der Landschaftmaler, im edelsten Sinne, sich landschaftlicher Formen mit Freiheit bedient, um sein Gedicht darzustellen, und alle Springfedern der Kunst in Bewegung setzt, um durch Ton, Farbe, Beleuchtung, Anordnung u. s. w. ein schönes Ganzes zu erzielen: so unterwirft sich hingegen der Maler von Aussichten den Bedingungen gewissenhafter Treue, er behält keine andere Freiheit, als allenfalls die Wahl des Standpunkts und der Tageszeit, hat aber auch die übernommenen Pflichten erfüllt, sobald alle in seinem Gesichtskreis gelegenen Gegenstände mit möglichster Wahrheit dargestellt sind.

Wenn man jene gewiß billige Unterscheidung den erwähnten Gemälden Hackerts zu gute kommen läßt, und solche als Abbildungen der Gegend um Rom und Florenz betrachtet, so sind sie ungemein preiswürdig; ja, in so ferne bloß Wirklichkeitsforderungen befriedigt werden sollen, beinahe als Gipfel der Kunst anzusehen. Besonders gilt dieses von der Aussicht bei Florenz; man kann die zahlreichen Landhäuser, die Kirchen und Klöster alle wieder erkennen, jedem Pfad nachgehen, den Hügel von Fiesole besteigen, den Arno verfolgen, bis wo er sich ferne zwischen Höhen verbirgt, und nur noch aufsteigende Dünste seinen Lauf verraten. Alles dieses ist mit einer Kunstfertigkeit ausgeführt, die in Erstaunen setzt, bis ins kleinste Detail vollendet, doch weder mühsam noch trocken. Die vollkommen gelungenen Stellen gehen eigentlich, man erlaube uns den nicht gewöhnlichen aber hier passenden Ausdruck, etwa eine Meile in das Bild hinein erst an; von dort bis zu den fernsten Gebirgen, möchten wir in der Tat zweifeln, ob sich eine wahrhaftere Darstellung wirklicher Gegenstände dieser Art denken lasse. Der Vordergrund an sich betrachtet, befriedigt fast eben so sehr; Steine, Felsen, grasiger Boden, alles dieses ist vortrefflich, ausführlich behandelt, und charakteristisch dargestellt. Für die Wirkung des Ganzen dürfte es zwar besser gewesen sein, den Vordergrund weniger reich mit Vieh zu staffieren; man würde solches in Hinsicht der Bedeutung sogar verlangen können. Denn die Gegend um Florenz ist vornehmlich ergiebig an Öl und Wein, ernährt hingegen nur wenig Vieh, aber Hr. Hackert hat weder Weinranken noch Olivenbäume sehen lassen; doch wir bemerken eben, daß unsere Wünsche sich über die Grenzen der Aussichtsgemälde, in das Gebiet der höhern, dichterischen Landschaftmalerei verlieren, und wenden uns also zu dem ersterwähnten Gemälde, worauf die Gegend bei Rom abgebildet ist.

Mittelgrund und Ferne, so weit die Ebene reicht, können hier ebenfalls für beinahe unverbesserlich gelten; die Hügel bei Aqua acetosa sind wunderbar schön ausgeführt, mit wohlbeobachteter Übereinstimmung des Tons; und gleichwohl könnte ein jeder derselben für sich allein ein kleines herrliches Gemälde vorstellen. Die entfernten hohen Gebirge scheinen etwas zu Lackrot gefärbt, und gegen den mit Sonnenschein übergossenen Mittelgrund haben die Farben der nächsten Gegenstände nicht Glanz und Schimmer genug. Doch wir sind weit entfernt, solches dem Künstler zum Vorwurf machen zu wollen, sondern möchten vielmehr die Schuld der Palette beimessen, welche nicht hinreichende Mittel enthält, um das hohe Farbenspiel einer solchen Szene in allen Teilen genau der Natur nachzuahmen.

Aesop

So wie die Tiere zum Orpheus kamen um der Musik zu genießen, so zieht sie ein anderes Gefühl zu Aesop, das Gefühl der Dankbarkeit daß er sie mit Vernunft begabt.

Löwe, Fuchs, und Pferd nahen sich

Die Tiere nahen sich zu der Türe des Weisen ihn mit Binden und Kränzen zu verehren

Aber er selbst scheint irgend eine Fabel zu dichten, seine Augen sind auf die Erde gerichtet und sein Mund lächelt.

Der Maler hat sehr weislich die Tiere welche die Fabel schildert, vorgestellt und gleich als ob es Menschen wären führen sie einen Chor heran von dem Theater Aesops entnommen.

Der Fuchs aber ist Chorführer den auch Aesop in seinen Fabeln oft als Diener braucht, wie Lustspieldichter den Davus.

Denkmale

Da man in Deutschland die Neigung hegt, Freunden und besonders Abgeschiedenen Denkmale zu setzen, so habe ich lange schon bedauert, daß ich meine lieben Landsleute nicht auf dem rechten Wege sehe.

Leider haben sich unsere Monumente an die Garten- und Landschaftsliebhaberei angeschlossen und da sehen wir denn abgestumpfte Säulen, Vasen, Altäre, Obelisken und was dergl. bildlose allgemeine Formen sind, die jeder Liebhaber erfinden und jeder Steinhauer ausführen kann.

Das beste Monument des Menschen aber ist der Mensch. Eine gute Büste in Marmor, ist mehr wert als alles Architektonische was man jemanden zu Ehren und Andenken aufstellen kann; ferner ist eine Medaille von einem gründlichen Künstler nach einer Büste, oder nach dem Leben gearbeitet, ein schönes Denkmal, das mehrere Freunde besitzen können und das auf die späteste Nachwelt übergeht.

Bloß zu beider Art Monumenten kann ich meine Stimme geben, wobei denn aber freilich tüchtige Künstler vorausgesetzt werden. Was hat uns nicht das fünfzehnte, sechszehnte u. siebzehnte Jahrhundert für köstliche Denkmale dieser Art überliefert und wie manches schätzenswerte auch das achtzehnte. Im neunzehnten werden sich gewiß die Künstler vermehren, welche etwas vorzügliches leisten wenn die Liebhaber das Geld, das ohnehin ausgegeben wird, würdig anzuwenden wissen.

Leider tritt noch ein anderer Fall ein: Man denkt an ein Denkmal gewöhnlich erst nach dem Tode einer geliebten Person, dann erst wenn ihre Gestalt vorübergegangen und ihr Schatten nicht mehr zu haschen ist.

Nicht weniger haben selbst wohlhabende ja reiche Personen Bedenken hundert bis zweihundert Dukaten an eine Marmorbüste zu wenden da es doch das unschätzbarste ist was sie ihrer Nachkommenschaft überliefern können.

Mehr weiß ich nicht hinzuzufügen, es müßte denn die Betrachtung sein daß ein solches Denkmal überdies noch transportabel bleibt und zur edelsten Zierde der Wohnungen gereicht anstatt daß alle architektonische Monumente an den Grund und Boden gefesselt, vom Wetter vom Mutwillen, vom neuen Besitzer zerstört und so lange sie stehen durch das An- und Einkritzeln der Namen geschändet werden.

Alles hier gesagte könnte man an Fürsten und Vorsteher des gemeinen Wesens richten nur im höhern Sinne. Wie man es denn so lange die Welt steht nicht höher hat bringen können als zu einer ikonischen Statue.


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