Johann Wolfgang Goethe
Die Laune des Verliebten
Johann Wolfgang Goethe

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Achter Auftritt

Egle. Hernach Eridon mit einer Flöte und Liedern.

Egle.
Schon gut! Wir wollen sehn! Schon lange wünscht ich mir
Gelegenheit und Glück, den Schäfer zu bekehren.
Heut wird mein Wunsch erfüllt; wart nur, ich will dich lehren!
Dir zeigen, wer du bist; und wenn du dann sie plagst! –
Er kommt! Hör, Eridon!

Eridon.
Wo ist sie?

Egle.
Wie! du fragst?
Mit meinem Lamon dort, wo die Schalmeien blasen.

Eridon wirft die Flöte auf die Erde und zerreißt die Lieder.
Verfluchte Untreu!

Egle.
Rasest du?

Eridon.
Sollt ich nicht rasen!
Da reißt die Heuchlerin mit lächelndem Gesicht
Die Kränze von dem Haupt, und sagt: Ich tanze nicht!
Verlangt ich das? Und – O!
Er stampft mit dem Fuße und wirft die zerrissenen Lieder weg.

Egle in einem gesetzten Tone.
Erlaub mir doch zu fragen:
Was hast du für ein Recht, den Tanz ihr zu versagen?
Willst du denn, daß ein Herz, von deiner Liebe voll,
Kein Glück als nur das Glück um dich empfinden soll?
Meinst du, es sei der Trieb nach jeder Lust gestillet,
Sobald die Zärtlichkeit das Herz des Mädchen füllet?
Genug ist's, daß sie dir die besten Stunden schenkt,
Mit dir am liebsten weilt, abwesend an dich denkt.
Drum ist es Torheit, Freund, sie ewig zu betrüben;
Sie kann den Tanz, das Spiel und doch dich immer lieben.

Eridon schlägt die Arme unter und sieht in die Höhe.
Ah!

Egle.
Sag mir, glaubst du denn, daß dieses Liebe sei,
Wenn du sie bei dir hältst? Nein, das ist Sklaverei.
Du kommst: nun soll sie dich, nur dich beim Feste sehen;
Du gehst: nun soll sie gleich mit dir von dannen gehen;
Sie zaudert: alsobald verdüstert sich dein Blick;
Nun folgt sie dir, doch bleibt ihr Herz gar oft zurück.

Eridon.
Wohl immer!

Egle.
Hört man doch, wenn die Verbittrung redet.
Wo keine Freiheit ist, wird jede Lust getötet.
Wir sind nun so. Ein Kind ist zum Gesang geneigt;
Man sagt ihm: sing mir doch! Es wird bestürzt und schweigt.
Wenn du ihr Freiheit läßt, so wird sie dich nicht lassen;
Doch, machst du's ihr zu arg, gib acht, sie wird dich hassen.

Eridon.
Mich hassen!

Egle.
Nach Verdienst. Ergreife diese Zeit,
Und schaffe dir das Glück der echten Zärtlichkeit!
Denn nur ein zärtlich Herz, von eigner Glut getrieben,
Das kann beständig sein, das nur kann wirklich lieben.
Bekenne, weißt du denn, ob dir der Vogel treu,
Den du im Käfigt hälst?

Eridon.
Nein!

Egle.
Aber wenn er frei
Durch Feld und Garten fliegt, und doch zurücke kehret?

Eridon.
Ja! Gut! Da weiß ich's.

Egle.
Wird nicht deine Lust vermehret,
Wenn du das Tierchen siehst, das dich so zärtlich liebt,
Die Freiheit kennt, und dir dennoch den Vorzug gibt?
Und kommt dein Mädchen einst von einem Fest zurücke,
Noch von dem Tanz bewegt, und sucht dich; ihre Blicke
Verraten, daß die Lust nie ganz vollkommen sei,
Wenn du, ihr Liebling, du, ihr Einzger, nicht dabei –
Wenn sie dir schwört, ein Kuß von dir sei mehr als Freuden
Von tausend Festen – bist du da nicht zu beneiden?

Eridon gerührt.
O Egle!

Egle.
Fürchte, daß der Götter Zorn entbrennt,
Da der Beglückteste sein Glück so wenig kennt.
Auf! Sei zufrieden, Freund! Sie rächen sonst die Tränen
Des Mädchens, das dich liebt.

Eridon.
Könnt ich mich nur gewöhnen,
Zu sehn, daß mancher ihr beim Tanz die Hände drückt,
Der eine nach ihr sieht, sie nach dem andern blickt.
Denk ich nur dran, mein Herz möcht da vor Bosheit reißen!

Egle.
Eh! laß das immer sein! das will noch gar nichts heißen.
Sogar ein Kuß ist nichts!

Eridon.
Was sagst du? Nichts – ein Kuß?

Egle.
Ich glaube, daß man viel im Herzen fühlen muß,
Wenn er was sagen soll – Doch! willst du ihr verzeihen?
Denn wenn du böse tust, so kann sie nichts erfreuen.

Eridon.
Ach Freundin!

Egle schmeichelnd.
Tu es nicht, mein Freund; du bist auch gut.
Leb wohl!
Sie faßt ihn bei der Hand.
Du bist erhitzt!

Eridon.
Es schlägt mein wallend Blut –

Egle.
Noch von dem Zorn? Genug! Du hast es ihr vergeben.
Ich eile jetzt zu ihr. Sie fragt nach dir mit Beben;
Ich sag ihr: er ist gut, und sie beruhigt sich,
Ihr Herz wallt zärtlicher, und heißer liebt sie dich.
Sie sieht ihn mit Empfindung an.
Gib acht, sie sucht dich auf, sobald das Fest vorüber,
Und durch das Suchen selbst wirst du ihr immer lieber.
Egle stellt sich immer zärtlicher, lehnt sich auf seine Schulter.
Er nimmt ihre Hand und küßt sie.
Und endlich sieht sie dich! O welcher Augenblick!
Drück sie an deine Brust, und fühl dein ganzes Glück!
Ein Mädchen wird beim Tanz verschönert, rote Wangen,
Ein Mund, der lächelnd haucht, gesunkne Locken hangen
Um die bewegte Brust, ein sanfter Reiz umzieht
Den Körper tausendfach, wie er im Tanze flieht,
Die vollen Adern glühn, und bei des Körpers Schweben
Scheint jede Nerve sich lebendiger zu heben.
Sie affektiert eine zärtliche Entzückung und sinkt an seine Brust; er schlingt seinen Arm um sie.
Die Wollust, dies zu sehn, was überwiegt wohl die?
Du gehst nicht mit zum Fest, und fühlst die Rührung nie.

Eridon.
Zu sehr, an deiner Brust, o Freundin, fühl ich sie!
Er fällt Eglen um den Hals und küßt sie, sie läßt es geschehn.
Dann tritt sie einige Schritte zurück und fragt mit einem leichtfertigen Tone.

Egle.
Liebst du Aminen?

Eridon.
Sie, wie mich!

Egle.
Und kannst mich küssen?
O warte nur, du sollst mir diese Falschheit büßen!
Du ungetreuer Mensch!

Eridon.
Wie? glaubst du denn, daß ich –

Egle.
Ich glaube, was ich kann. Mein Freund, du küßtest mich
Recht zärtlich, das ist wahr. Ich bin damit zufrieden
Schmeckt dir mein Kuß? Ich denk's: die heißen Lippen glühten
Nach mehr. Du armes Kind! Amine, wärst du hier!

Eridon.
Wär sie's!

Egle.
Nur noch getrutzt! Wie schlimm erging es dir!

Eridon.
Ja, keifen würde sie. Du mußt mich nicht verraten.
Ich habe dich geküßt, jedoch was kann's ihr schaden,
Und wenn Amine mich auch noch so reizend küßt,
Darf ich nicht fühlen, daß dein Kuß auch reizend ist?

Egle.
Da frag sie selbst.


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