Johann Wolfgang Goethe
Die Laune des Verliebten
Johann Wolfgang Goethe

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Fünfter Auftritt

Amine. Hernach Eridon

Amine.
O welche Zärtlichkeit, beneidenswürdges Glücke!
Wie wünscht ich – sollt es wohl in meinen Kräften stehn –
Den Eridon vergnügt, und mich beglückt zu sehn!
Hätt ich nicht so viel Macht ihm über mich gegeben,
Er würde glücklicher und ich zufriedner leben.
Versuch, ihm diese Macht durch Kaltsinn zu entziehn!
Doch, wie wird seine Wut bei meiner Kälte glühn!
Ich kenne seinen Zorn, wie zittr ich, ihn zu fühlen!
Wie schlecht wirst du, mein Herz, die schwere Rolle spielen!
Doch wenn du es so weit wie deine Freundin bringst,
Da er dich sonst bezwang, du künftig ihn bezwingst –
Heut ist Gelegenheit; sie nicht vorbei zu lassen,
Will ich gleich jetzt – Er kommt! Mein Herz, du mußt dich fassen.

Eridon gibt ihr Blumen.
Sie sind nicht gar zu schön, mein Kind! verzeih es mir,
Aus Eile nahm ich sie.

Amine.
Genug, sie sind von dir.

Eridon.
So blühend sind sie nicht, wie jene Rosen waren,
Die Damon dir geraubt.

Amine steckt sie an den Busen.
Ich will sie schon bewahren;
Hier, wo du wohnst, soll auch der Blumen Wohnplatz sein.

Eridon.
Ist ihre Sicherheit da –

Amine.
Glaubst du etwa? –

Eridon.
Nein!
Ich glaube nichts, mein Kind; nur Furcht ist's, was ich fühle.
Das allerbeste Herz vergißt bei muntrem Spiele,
Wenn es des Tanzes Lust, des Festes Lärm zerstreut,
Was ihm die Klugheit rät und ihm die Pflicht gebeut.
Du magst wohl oft an mich auch beim Vergnügen denken;
Doch fehlt es dir an Ernst, die Freiheit einzuschränken,
Zu der das junge Volk sich bald berechtigt glaubt,
Wenn ihm ein Mädchen nur im Scherze was erlaubt.
Es hält ihr eitler Stolz ein tändelndes Vergnügen
Sehr leicht für Zärtlichkeit.

Amine.
Gnug, daß sie sich betrügen!
Wohl schleicht ein seufzend Volk Liebhaber um mich her;
Doch du nur hast mein Herz, und sag, was willst du mehr?
Du kannst den Armen wohl mich anzusehn erlauben,
Sie glauben wunder –

Eridon.
Nein, sie sollen gar nichts glauben!
Das ist's, was mich verdrießt. Zwar weiß ich, du bist mein;
Doch einer denkt vielleicht, beglückt wie ich zu sein,
Schaut in das Auge dir und glaubt dich schon zu küssen
Und triumphiert wohl gar, daß er dich mir entrissen.

Amine.
So störe den Triumph! Geliebter, geh mit mir,
Laß sie den Vorzug sehn, den du –

Eridon.
Ich danke dir.
Es würde grausam sein, das Opfer anzunehmen;
Mein Kind, du würdest dich des schlechten Tänzers schämen;
Ich weiß, wem euer Stolz beim Tanz den Vorzug gibt:
Dem, der mit Anmut tanzt, und nicht dem, den ihr liebt.

Amine.
Das ist die Wahrheit.

Eridon mit zurückgehaltenem Spott.
Ja! Ach, daß ich nicht die Gabe
Des leichten Damarens, des Vielgepriesnen, habe!
Wie reizend tanzt er nicht!

Amine.
Schön! daß ihm niemand gleicht.

Eridon.
Und jedes Mädchen –

Amine.
Schätzt –

Eridon.
Liebt ihn darum!

Amine.
Vielleicht.

Eridon.
Vielleicht? Verflucht! Gewiß!

Amine.
Was machst du für Gebärden?

Eridon.
Du fragst? Plagst du mich nicht, ich möchte rasend werden!

Amine.
Ich? Sag, bist du nicht schuld an mein und deiner Pein?
Grausamer Eridon! wie kannst du nur so sein?

Eridon.
Ich muß; ich liebe dich. Die Liebe lehrt mich klagen;
Liebt ich dich nicht so sehr, ich würde dich nicht plagen!
Ich fühl mein zärtlich Herz von Wonne hoch entzückt,
Wenn mir dein Auge lacht, wenn deine Hand mich drückt,
Ich dank den Göttern, die mir dieses Glücke gaben;
Doch ich verlang's allein, kein andrer soll es haben.

Amine.
Nun gut, was klagst du denn? Kein andrer hat es nie.

Eridon.
Und du erträgst sie doch; nein, hassen sollst du sie.

Amine.
Sie hassen? und warum?

Eridon.
Darum! weil sie dich lieben.

Amine.
Der schöne Grund!

Eridon.
Ich seh's, du willst sie nicht betrüben.
Du mußt sie schonen; sonst wird deine Lust geschwächt,
Wenn du nicht –

Amine.
Eridon, du bist sehr ungerecht.
Heißt uns die Liebe denn die Menschlichkeit verlassen?
Ein Herz, das Einen liebt, kann keinen Menschen hassen.
Dies zärtliche Gefühl läßt kein so schrecklichs zu,
Zum wenigsten bei mir.

Eridon.
Wie schön verteidigst du
Des zärtlichen Geschlechts hochmütiges Vergnügen,
Wenn zwanzig Toren knien, die zwanzig zu betrügen!
Heut ist ein großer Tag, der deinen Hochmut nährt,
Heut wirst du manchen sehn, der dich als Göttin ehrt;
Noch manches junge Herz wird sich für dich entzünden,
Kaum wirst du Blicke gnug für alle Diener finden.
Gedenk an mich, wenn dich der Toren Schwarm vergnügt;
Ich bin der größte! Geh!

Amine für sich.
Flieh, schwaches Herz! Er siegt.
Ihr Götter! Lebt er denn, mir jede Lust zu stören?
Währt denn mein Elend fort, um niemals aufzuhören?
zu Eridon.
Der Liebe leichtes Band machst du zum schweren Joch,
Du quälst mich als Tyrann, und ich? ich lieb dich noch!
Mit aller Zärtlichkeit antwort ich auf dein Wüten,
In allem geb ich nach; doch bist du nicht zufrieden.
Was opfert ich nicht auf! Ach! dir genügt es nie.
Du willst die heutge Lust! Nun gut, hier hast du sie!
Sie nimmt die Kränze aus den Haaren und von der Schulter, wirft sie weg
und fährt in einem gezwungenen ruhigen Tone fort.

Nicht wahr, mein Eridon? So siehst du mich viel lieber,
Als zu dem Fest geputzt. Ist nicht dein Zorn vorüber?
Du stehst! siehst mich nicht an! Bist du erzürnt auf mich?

Eridon fällt vor ihr nieder.
Amine! Scham und Reu! Verzeih, ich liebe dich!
Geh zu dem Fest!

Amine.
Mein Freund, ich werde bei dir bleiben;
Ein zärtlicher Gesang soll uns die Zeit vertreiben.

Eridon.
Geliebtes Kind, geh!

Amine.
Geh! hol deine Flöte her.

Eridon.
Du willst's!


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