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Titelblatt

I. Heft.
Eckensteher

Mit einem colorierten Titelkupfer

Zehnte durchaus veränderte und vermehrte Auflage.

Leipzig, 1845.

Verlag von Ignaz Jackowitz.

Berliner Eckensteher

Berliner Eckensteher

 

Warnung!

Eine große Anzahl deutscher Zeitschriften hat es sich zur Pflicht gemacht, ihren Lesern Mittheilungen aus diesen Heften zu liefern. An die Redacteure und Verleger wenden wir uns mit der Bitte: rechtlich zu handeln, und, wenn es durchaus sein muß, nur Einzelnes und mit genauer Angabe der Quelle abdrucken zu lassen. Die Namen derjenigen Redacteure und Verleger aber, welche sich nicht schämten, den vollständigen Inhalt dieser Hefte nachzudrucken, sogar mit Abbildung des Kupfers und ohne Angabe des Originals, werden wir öffentlich bekannt machen, sobald sie dergleichen Betrügereien wiederholen sollten.

Ad. Brennglas.
Ign. Jackowitz.

 

Vorwort
zur zehnten Auflage.

In grenzenloser Demuth und ganz außergewöhnlicher Bescheidenheit wage ich es, dem weisen Publicum die zehnte Auflage dieser kleinen Lebensbilder vorzulegen.

Es würde mir sehr angenehm sein, und meinem Herrn Verleger noch angenehmer, wenn sich jedes Gottesgeschöpf, dem das Glück zu Theil wurde, in dem freien Deutschland geboren zu sein, dies und die nachfolgenden Hefte des »Berlin, wie es ist und – trinkt« käuflich zueignen wollte.

Solche Dedication erfüllte einen Zweck. Denn hätte ich in Frankreich oder England Schriften herausgegeben, denen so viel Beifall wie den vorliegenden geworden wäre: ich könnte längst ein Rittergut besitzen, eine Marquise souteniren, in glänzender Equipage durch die Straßen der Residenz fahren, und mich nicht nur von denjenigen armen Menschen bewundern und beneiden lassen, die ich hier gezeichnet, sondern von viel besser gekleideten und dummeren. – Statt dessen erlauben es mir meine Verhältnisse sehr selten, eine Flasche Champagner auf das Wohl der erhabenen deutschen Landesväter und der Bundesversammlung zu trinken.

Die Kritik für mich und diese launigen Volks-Charaktere einzunehmen, bezweckt dieses Vorwort durchaus nicht. Wenn England oder Frankreich zuerst die arbeitende Menschenklasse in der Literatur emancipirt hätte, so würde die gelehrte deutsche Michel-Kritik ein groß Geschrei erheben. Das Deutsch-Populäre verachtet sie wie – wir Productiven sie verachten.

Und da ich auch weder Orden noch Titel haben will, so sehe ich nicht ein, warum dies Vorwort hier nicht beendet sein sollte. Allenfalls könnte ich noch alle fröhliche, gescheidte Menschen herzlich grüßen, und die lächerlichen Wichtigthuer auf diesem Staubkorne des Weltalls auslachen.

Neustrelitz, im Mai 1845.
Ad. Brennglas.

 

Berliner Eckensteher.

Unter allen Plebejern des stolzen Berlins verdienen sie als die zahlreichste und merkwürdigste Klasse zuerst genannt zu werden; wer je durch die großen und schönen Straßen der preußischen Residenz gewandelt ist, dem wird gewiß diese komische Nation aufgefallen sein, die sich durch ihre Sitten, durch ihren immerwährenden Durst, durch ihre Faulheit und ihre grenzenlose Gleichgültigkeit gegen Alles, was in ihnen und um sie vorgeht, (mit Ausnahme von Prügeleien) und durch einen handfesten Witz auszeichnen.

Sie sind bei Alt und Jung unter dem Namen »Eckensteher« bekannt; Spötter nennen sie auch Sonnenbrüder, weil sie – wenn sie nicht zufällig einen Gang, etwa in die Destillations-Anstalt, haben – mehrere Stunden lang in der Sonne sitzen bleiben, ohne sich irgend anders zu beschäftigen, als durch eine Prise nehmen oder Schlafen. – Seitdem ihnen von Obrigkeits wegen ein Schild mit einer Nummer gegeben ist, heißen Sie auch Schildkröten. Nur Geheime-Räthinnen – diejenigen Damen, welche in Berlin den Uebergang vom Bürgerstande zum Adel bilden, – nennen sie Lazzaroni, und zwar nur aus dem einzigen Grunde, weil dies Wort ein fremdes ist. Damen von Stande finden die deutsche Sprache für viele Bezeichnungen nicht poetisch genug und gebrauchen sie mehr als Faden, mit welchem sie die verschiedenen Flicken der italienischen, französischen und englischen Sprache zusammennähen, und auf diese Weise die Narrenjacke ihrer Unterhaltung vollenden. Doch – wir hatten etwas Wichtigeres vor; wir sprachen von Eckenstehern und nicht von den Damen von Stande.

Die Kleidung dieser Straßen-Beamten ist höchst einfach und zerrissen; sie tragen gewöhnlich eine Jacke die löcherlich ist, ja man sieht sogar welche, die barwade (Göthe sagt: barhaupt) gehen. Auf dem linken Arm hat jeder ein Schild mit einer Nummer – damit man sie im Falle des Greifens bei der Polizei fassen kann – über ihren Schultern hängt eine Hilfe (hilflos sind wenige), und ihre Kopfbedeckung ist eine Mütze, auf welche die wechselnden Farben des Schicksals so viel Eindrücke gemacht haben, daß man ihre ursprüngliche Farbe selten erkennen kann. Die Schildkröten stehen oder sitzen vielmehr an einer Straßenecke, von der ein Branntweinsladen nicht fern ist. Ihr Charakter ist menschenfreundlich, unbescheiden und standhaft; sie tragen Alles mit Geduld und fordern hernach 10 bis 15 Silbergroschen. Das Nebengeschäft dieser Leute ist Meubel karren und Wäsche rollen, zu ihren Hauptgeschäften gehört: Müßiggang, Schnapstrinken und – Prügeln.

Letzteres ist ihr größtes Vergnügen. Kein Fest, es mag einen Namen haben, welchen es will, endigt sich ohne Prügelei – fügt das Schicksal nicht die aufgeregten Gemüther zusammen, so rufen sie den Schlachtengott selbst herbei. Da sitzen sie des Abends in der elenden Schnapsstube und rauchen gemüthlich aus der kurzen Pfeife den vaterländischen Knaster, der, beiläufig gesagt, schon selbst zu Stänkereien Anlaß giebt; da sitzen sie mit übereinander geschlagenen Beinen und schauen sich in die von der Sonne gelbgebrannten Gesichter, und plaudern entweder von dem letzten Treffen bei Wisotzky's oder Nünnike's, wo dieser oder jener noch bedeutende Documente am Kopfe trägt; oder sie politisiren.

Schlägt nun endlich die Stunde, in der sie sich gewöhnlich zu trennen pflegen, so erinnern die Schläge auch sie an diejenigen, welche sie vertheilen oder empfangen wollen. – Selten lacht der heitere Himmel der Eintracht in ihren Unterhaltungen, ist dies aber wirklich einmal der Fall, so rufen sie selbst einige trübe Wölkchen der Zwietracht herbei, die sich nach und nach aufthürmen und endlich durch ein fürchterliches Gewitter zertheilen. Es muß ein organischer Fehler in dem zarten Nervensystem der Eckensteher sein, aber: ohne Prügel können sie nun einmal nicht schlafen, und sollte es, vermöge der herbeieilenden Polizei, auf dem harten Brette der Wachtstube sein: nur dann schließen sich ihre Augenlider, wenn ihre Rippen weich geworden sind – höchstens begnügen sie sich mit einer stolzen Beule, die sich an ihrem Kopfe breit macht. – Hat nichts Veranlassung zu Streit gegeben, so nimmt irgend Einer das unschuldigste Wort übel und rächt sich zuvörderst durch einen: »Ochse! Esel!« oder sonst durch andere Benennungen aus dem weiten Kreise des Thierreiches gegriffen. Dieser, die Ehre eines Eckenstehers im Leibe und empört über das Verkennen seiner Persönlichkeit, erwiedert den Gruß des Gegners auf dieselbe Weise, trägt aber wo möglich noch etwas stärker auf. – Haben sie endlich das mächtige Reich der Verbal-Injurien erschöpft, so gehen sie zu den Real-Injurien über, die in sogenannten Katzenköpfen, Maulschellen, Ohrfeigen, Knuffen, Buffen oder ähnlichen Variationen über das Thema: » Hiebe« bestehen. Aber sie sollen nicht die Einzigen sein, die genießen! Die Fackel der Zwietracht ist einmal in die durch den Spiritus leicht entzündbaren Gemüther geworfen, und das Feuer greift um sich. Dieser geht zu jener Parthei über, jener zu dieser – und nun geht's los! Stöcke werden aus allen Winkeln gesucht; unschuldige Dinge, die nie einen solchen Beruf geahnt haben, werden zu Waffen gestempelt; aus den Schemeln werden die Beine gerissen, und was irgend nur Faust heißt, fällt auf irgend einen Theil des nebenmenschlichen Körpers dermaßen nieder, daß verschiedene Oeffnungen entstehen, welche das erhitzte Blut auf die theilnahmlosen Kleider abkühlen lassen.

So verstreicht der Abend unter fröhlichen Genüssen aller Art, von denen das Finale der schönste wat. Sind die zärtlichen Eindrücke der Freundschaft vorüber, so reichen sich unsere Helden die Hande, gehen ruhig nach Hause oder in die Wache, und sitzen am andern Morgen auf der steinernen Treppe eines Eckhauses; nehmen aus der Seitentasche ihr Stück Brod, einen Schnitt Speck und die Schnapsflasche hervor, und frühstücken.

Vermöge ihrer Faulheit sitzen sie ganz ruhig, wenn Jemand naht und einen von ihnen dingen will; pomadig warten sie es ab, welchen der Fremde vorziehen wird, und beneiden den Gewählten auch dann noch nicht, wenn er mit dem verdienten Gelde heimkehrt; denn sie haben sich ja, wahrend er tragen mußte, von ihrem Nichtsthun – ausruhen können.

Auch für die Liebe ist das Herz des Eckenstehers ganz abgestumpft. Wenn jeder gemeine Soldat, jeder Hausknecht, jeder Handlanger in Berlin sein Liebchen hat, das sich des Abends vom Heerde losreißt, um ein Stündchen mit dem Liebsten zu schwatzen und zu kosen, und um ihm vielleicht mit dem erübrigten Braten u. s. w. eine seltene Mahlzeit zu machen, so wird man nie einen Eckensteher sehen, der auch nur mit einem Mädchen spricht, viel weniger kos't. – Darin liegt eine eigene Charakteristik dieser Leute. Ihr Herz ist nicht mehr weich genug für die höheren Güter der Erde; durch eine niedere Erziehung, durch immerwährende Knechtschaft, und durch frühere Ausschweifungen ist ihr Herz rauh und kalt geworden, und Freundschaft und Liebe ziehen spurlos vorüber. Nichts als die Prügel und der Schnaps vermag einen Eindruck auf sie zu machen, und ohne Hoffnung, ja ohne den Willen, je ein besseres Loos zu erringen, verleben sie ihre Tage in ewiger Gleichheit.

Gegenwärtig ist dieser berühmte Stand todt. Ihren Untergang besingt meine Tragödie: »Nante Nantino, der letzte Sonnenbruder«, das XIX. Heft dieser Lebensbilder.

 

Gespräche.


Gleiche Gesinnung.

(Zwei Eckensteher kommen aus einem Schnapsladen, in welchem sie politisirt haben.)

L. Hör mal, Bendemann, dhu mir'n Jefallen.

B. Mal raus damit!

L. Sei liberal.!

B. Liberal? Wat is denn det, Ludewsky?

L. Wat det is? Det weeßt de nich? Seh' mal – liberal, det is so – na, wie soll ick sagen? Det is so wenn man – wenn man liberal is!

B. Ach so!

L. Ja, – Na willst De liberal sind, Bendemann?

B. (giebt ihm die Hand). Soll mir nich druf ankommen.

(Ein Dritter tritt hinzu.)

L. und B. Jun Dag, Nudelwitz!

N. Jun Dag!

L. Sag mal, wat bist Dun?

N. Wie denn?

L. Ick meene, wie Du jesinnt bist? Du bist woll servile?

N. (sieht ihn groß an) Servile? – Ja!

L. (giebt ihm eine Ohrfeige).

N. (giebt ihm wieder eine).

L. Det wollt ick man wissen! Siehst De, det De nich servile bist!

N. Wat bin ick denn?

L. Liberal bist De!

N. Liberal? Ooch jut! (Pause.)

L. Sag' mal, willst Du Preßfreiheit, Nudelwitz?

N. Nee!

L. Du ooch nich, Bendemann?

B. Nee!

L. Ick ooch nich.

      (Ein Vierter tritt hinzu.)

Z. Woll'n wir'n Kimmel drinken?

Alle Drei. O ja, Zimpel!

(Sie gehen in den Schnapsladen und politisiren.)


Das ist auch darnach.

A. Du hast ja woll en klenen Jungen jekrigt?

B. Ja!

A. Wo läßten immer doofen?

B. In de Jeorjen Kirche.

A. Wat mußten da jeben?

B. En Dahler un fünf Silberjroschen.

A. Dunnerwetter, dets ville! Da komm nach de Spittelkirche; da doofen se Dir den schönsten Jungen vor sechszehn Jroschen!

B. (achselzuckend). Vor sechszehn Jroschen Doofen? Na, det wird ooch danach sind!


Die Sandalen.

(Mehrere Leute stehen vor dem Laden der Herren Treu und Ruglisch und besehen das Gemälde, die Flora darstellend.)

L. Sag' mal, Kinauer; det soll doch woll ne Jettin sind?

K. Det versteht sich, se fliegt ja!

L. Ja fliejen dhut se. Ick möchte aberscht man wissen, worum se Schlorren unter de Beene anhat?

K. Dösel! Se werden in Himmel doch nich mit blooße Beene jehen.

L. Det werden se jrade!

K. Det werden se nich! Wat hätten denn de Schuhmachers zu dhun, die in Himmel kommen?

L. Ach Du bist besoffen! Weeßt De denn nich, det de Körpersch hier bleiben un det blos de Jeister rufkommen? Na! un en Jeist kann doch keen Schumacher nich sind!

K. Nee!

L. Na siehst De woll! Also bejreife ick doch nich, worum die Jettin Schlorren drägt.

Ein Fremder. Sie haben recht; es ist auch gar nicht motivirt, daß die Flora Sandalen trägt.

L. (sieht ihn von oben bis unten an). Wat sagt er? Flora? Sandalen? Motivirt? Hör er mal, nu pack' er sich, sonst wer ick ihm demotiviren! –


Die Vernünftigen.

Kippel und Spieß (sie gehen Arm in Arm und turkeln).

K. Nich wahr, Bruder? Wir sind so nüchtern wie ne junge Katze?

S. Alle mal! Ick weeß man jar nich, worum ick nich mehr Herr über meine Beene bin, die Kreeten jehen immer wohin se wollen. Oben int Hauptquartier, da is mir't jrade recht, wenn et ooch en bisken illum'nirt is, sehen kann ick doch. (Er rennt gegen einen Laternenpfahl.) Na, zum Dunnerwetter, wat soll'n det? Hat denn der Schaafskopp keene Oojen! Will er woll aus den Weje jehen, er besoffner Dämel

K. Lassen doch, Spieß! Sehst De denn nich wie er immer hin und her turkelt? Ick jlobe jar et sind Zwee! Det siehst De doch woll, det der Kerl besoffen is un uf Krakeel ausjeht.

S. Uf Krakeel? Na laßen man kommen, ick weren schonst! Komm mal her, wenn De Kurage hast! Komm mal her – ick wer Dir eene Bremse stechen, det de Deinen Kopp unter de Hundebrücke suchen sollst.

K. Du – et jiebt ja keene Hundebrücke mehr. Komm, Bruder –der Vernünftje jeht den Besoffenen aus den Weje.

S. Jut jesagt, Bruder? (indem er sich an ihn anklammert) Nich wahr, wir sind de Vernüntijen?

K. Ja det sind wir. Du, tritt aber en bisken leichter uf, der Fußboden scheint mir hier nich sicher zu sind, det schwankt immer hin un her unter meine Füße – det wir man nich noch uf die Nase fallen!

S. Uf de Nase? Du bist nicht recht bei Troste! Een düchtjer Hieb fällt nich uf den ersten Kerl!

K. Wat sagst De da? Du willst sagen: Een erster Kerl fällt nich uf en düchtjen Hieb.

S. Na Du bringst nu erscht schönet Zeich heraus. – Een erster Hieb – willst De sagen – fällt nich uf den düchtjen Kerl. Sichst De, ick habet raus!

K. Dreck hast De! Ick will et Dir jetzt sagen: En düchtjer... en düchtjer...

S. Ja en düchtjer – na laßt man jut sind, wir kriejent heute nu eenmal nich los.

K. Wir müssent los kriejen, bet wär' schlimm. Siehst De, jetzt hab' ickt! En düchtjer Kerl fällt nich... (sie stolpern über einen Eckstein und fallen Beide zu Boden.)

 

Ein Leib und eine Seele.

K. Hör mal, Stipper, wie ick höre: bist Du anjetzt verhelrath't?

St. Ja, ick habe mir die Rike von de Bude in de Poststraße jenommen.

K. Die? Herjee! Die is ooch nich mehr von jestern.

St. Nee, et is en altet Fell.

K. Haste se schonst jekeilt?

St. Erscht zweemal.

K. Det jeht an – lebst De sonst jlücklich mit ihr?

St. Ja! Wird hun jejenseitig nischt, wat der Andere nich will. (Er trinkt aus der Schnapsflasche.) Aberscht wat mir von unsern Predjer bei de Traue is ufjefallen – der meinte: Mann un Frau sollte een Leib un eene Seele sind. – Nu bitt ick Dir!

K. Det jetzt nich.

St. Nee, siehst De, des meen ich ooch! Wie kann denn det jehen? Wie kann denn der Mann mit de Frau een Leib un eene Seele sind? Seh' mal, wenn ick zum Exempel mit meine Frau een Leib un eene Seele wäre, so .... Du verstehst mir doch.

K. Ja! man zu!

St. Na siehste de! Nu wollt ick Dir man sagen, wenn ick un meine Frau een Mann un .... ne! wenn ick un mein Mann eene Frau, ne! wenn ick un meine Frau een Leib un eene Seele wäre, un ick nehme ne Prise – siehste, Kittelbock, denn müßte sie doch niesen.

K. Ja! un wenn Du zu ville Kimmel drinkst, denn werd sie besoffen.

St. Ja! un wenn ick int Wasser falle, denn müßte sie ersaufen.

K. Ja! un – un – un wenn sie sich beit Kochen verbrennt, denn müßtet Dir ja weh dhun?

St. Ja! weh müßt et mir dhun. Ja, un wenn sie jestohlen hat, denn muß ick sitzen!

K. Ja! un sie muß aber ooch sitzen.

St. (verwundert). Sie ooch? Ne! Wie so muß sie denn ooch sitzen, wenn ick sitze?

K. Na, det's doch klar! – Sie hat jestohlen, sie muß also ooch sitzen!

St. Ne, det hat se nich nöthig!

K. Ja jrade!

St. Du bist en Schaafskopp! Se braucht nich, wenn se nich will!

K. Wat versteht denn so'n Dämel wie Du vont Sitzen! (mit Verachtung) Du hast vielleicht noch jar nich jesessen.

St. (achselzuckend). Nich jesessen? Na höre mal, so ofte wie Du ooch noch!

 

Politisirende Eckensteher.

L. (hat die Voßische Zeitung in der Hand und wirft dann und wann einen Blick hinein). Da haben wirt – der König von Spanien is dot! Siehst De woll, Schuüpickel, ick habet immer jesagt, det der ooch noch mal sterben würde.

Sch. (zieht die Stirn kraus und macht sich wichtig). Det is ooch wieder vor de Liberalen nich jut!

B. Wie soden? Sag mal Du – wat is denn det eijentlich vor Eener, son Liberaler?

Sch. Det is Eener, der lieber Alle hat, als wie Eeenen!

B. So! Un sag mal, worum heeßen denn die Andern Servile?

Sch. (nimmt aus einer Kork-Dose eine Prise). Weil et davon sehr viele jibt.

B. Ach so. Sag mal, hast Dun Anis bei Dir?

Sch. Wui!

B. Wui? det's woll französisch?

Sch. Wui! (Sie trinken Beide.)

Sch. (zieht den Mund, al« ob's ihm nicht geschmeckt hätte). Nu wird et ooch woll bald Kriech jeben.

B. Wir Kriech? Na det möcht ick wissen, wo der herkommen sollte! Wir un Kriech! (er zuckt die Achseln.)

S. Schaafskopp! Jrade kriejen wir Kriech! Seh mal, worum keilt sich denn der Pedro mit den Mijuel? weil die Portujaller ihm uf den Thron haben wollen!

Nu stirbt Fernand; nu kommt Frankreich un jibt ooch seinen Senf zu – un wenn erscht Frankreich über de Pireneen is, denn jetzt et los! – Denn separiren sich die beeden, Pedro un Mijuel wieder zusammen un jehen zusammen uf Frankreich los. Nu kommt England un sagt: wenn Ihr nich andersch wollt, denn werd' ick ooch neitral un kündje Euch den Kriech an. Un nu jetzt et los! Nu kommen wir Preußen un dhuen ooch unsere Schuldigkeet – (er nimmt einen tüchtigen Schluck aus der Flasche) un det weeßt De doch woll noch von 13 her, wenn de Preußen kommen, denn heeßt et – na (er nickt sich beifällig mit dem Kopfe) det kannst Du jloben – die fressen wir noch Alle zusammen, wie ne Nudel.

B. Na hör mal, die Franzosen sind doch ooch keen Hund nich! – Unter Boneparten! Dunnerwetter! det waren doch höllische Kerrels.

Sch. Ja, dunnemals is nich jetzt! Seh mal de Alten sind tod – na! un de Jungen – det is Allens nich det mehr, wat et war. Na, un seh mal, Preußen hat jitzt den Rhein, na .... (Pause.)

B. Ja, det is richtig! (Pause.) Hör mal: ick möchte vor 10 Dhaler nischt andersch sind, wie en Preuße. Seh mal son Oestreicher un son Frankreicher – det is Alles so weit von hier: det is ....

Sch. (sieht nach der rechten Seite hin und stößt seinen Freund mit der Schulter an). Du – da jetzt Kibitzer, den wollen wir uns mal koofen.

 

Die blutige Nase.

(Ein Eckensteher ist vor Gericht gefordert, weil er einem Andern die Nase blutig geschlagen hat; als ihn der Auskultator vernehmen will, erzählt er Folgendes:)

Eckensteher. Ja sehn Se, Herr Kultater, es war jrade an einen Sonntag, undt war en starker Nebel, so steh ick in mein Logis un denke vor mir: Kielmeyer, denk ick, wo dämeltsten heute hin? Na, denk ick, Du wirscht rausdämeln vor's Oranienburjer-Dhor zu Rennebohmen. Jut. Jesagt, jedhan! Ick seh aus't Fenster raus; ick denke: ziehste De Dir Deine bunte Kartun'ne an, oder nich? Na, denk ick, det Wetter is halweje, et fallen keene Camisbrodte von Himmel, Du wirscht Dir Deine Kartun'ne anziehen. Jut! – Wie ick runter komme un bin kaum ne Ecke jejangen, so drippelt's. Schwerebrett! denk ick, Du kannst doch woll nich in Deine Jacke jehen, Du wirscht Dir Deinen blauen Rock anziehen – det heeßt nich den hellblauen, sondern den, den ick in de Reezenjasse von Abrammen jekooft habe, det heeßt cijentlich von Eva'n, denn er war nich zu Hause – un sehn Se, Herr Kultater, ick kehre richtig um un ziehe mir meinen Rock an.

Auskultator (unwillig). Zum Teufel, weiter! Das gehört ja nicht zur Sache!

Eckensteher. Ja woll, Herr Kultator! Ick kann doch nich ohne Rock jehen? Also ick jehe nu mit meinen blauen un komme richtig raus zu Rennebohmen, un falle bei ihm rinn. Ick sage zu ihm: »Jun Dag, Rennebohm!« sag' ick. – »Jun Tag, Kielmeyer!« sagt er. »Wie jeht's Dir?« frage ich ihm. – »Ich danke Dir!« sagt er, »un Dir?« – »O ich danke Dir!« sagte ich. Darauf sagte Rennebohm: »kann ich dir vielleicht mit einen Bittern aufwarten?« – »Ne,« sagt ich, »ich danke Dir, ich habe mich einen Anies mitjebracht.« Darauf jreiff ich in de Rocktasche un hole meine Carline raus un jieße einen hinter de Binde. »Er schmeckt Dir woll?« sagt er. »Ja!« sage ich. Rennebohm nimmt also: ooch einen, ich nehme ooch noch einen, und Rennebohm nimmt ooch noch einen. Des is jut! – Nu jesellte sich da ein Mensch zu uns, der nimmt ooch einije; wir unterhalten uns, wir kommen in Streit, un der Mensch schimpft mir in der Hitze des Jesprächs: » Fanschon!« Nu sehn Se, Herr Kultater – ick bin ein Mensch wie ein Kind; wenn mir Eener int Jesichte spuckt un sagt: et rejent! so jlob ick't; wenn aber Eener Fanschon zu mir sagt, so steigt mir die Jalle int Jeblüte un ick werde ärjerlich; denn sehn Se, Herr Kultater, Fanschon des is ein Hundename; denn ick habe mal bein Commerschenrath jearbeet't, un der hatte einen Hund, un dieser Hund, dec hieß: Fanschon. Und ein Hund, Herr Kultater, das ist eine Thöle – und ich kann doch unmöglich keine Thöle nich sind! – Ick jeh allo auf den Menschen, der mir Fanschon jeschumpfen hat, druf zu, un frage ihm: »Haben Sie uf mir Fanschon jesagt?« – »Wie so?« sagt er. Also nu werd ick unanjenehm un steche ihm eine. Er stecht mir wieder eine; darauf stech' ich ihm noch eine, und darauf stecht er mir ooch noch eine, un wie wir so in besten Stechen sind, so kommt mein Freund Rennebohm und stecht uns alle Beede eine, un fuhrwerkt mit uns vor de Thüre raus, so deß wir uns verheddern, un jrade in den Rennsteen turkeln. – Nu kommt der Mensch zufällig unten zu liejen un ich auf ihm druf, un wir liejen ooch jar nich lange, so kommt ein Gend'armerie un frägt: »Kroopzeug! was macht Ihr da?« – »Entschuld'jen Se, Herr Gend'armerie!« sagte ich, »ich bin kein Kroopzeug! Des hier unten is mein Freund, un ich habe ihm was zu sagen.« Un der Gend'armerie verzieht sich und verschwind't. Nu wird der Mensch aber da unten unruhig, un nimmt seine Fäuste un alkst mir int Jesichte. – Ick denke: warte! Ick jreife also in den Rennsteen un breche mir da son kleen Steeneken von en Pfundner sechszehn los, un quetsche ihm des uf de Nese. Nu muß die Nese woll einen Springs oder eine Borschte jekricht haben, oder se hat ooch woll schonst eine jehat, det will ick unjesagt lassen – nu soll ick davor hier unschuldije Keile kriejen. (Pause.) Nu will ick ihnen mal was sagen, Herr Kultater, ich habe einen guten Freund, der Mensch is auch Eckensteher von Profeschion und hat einen sehr vernünftijen Charakter – et is Nr. 237. Wenn ich den sechs Jroschen Cou .... (er erschrickt und verbessert sogleich) sieben un en halben Silberjroschen jebe, so nimmt er die janze Keile uf sich. Nu will ick Ihnen wat im Vertrauen sagen, Herr Kultater, ick werde Ihnen die sieben un en halben Silberjroschen jeben – nich etwa, als ob Sie die Keule uf sich nehmen sollten, ne – damit Sie den Menschen die Keile davor zukommen lassen können.

Auskultator. Schon gut! schon gut! (er schreibt) Jnkulpat gesteht ein, dem pp. die Nase blutig geschlagen zu haben ...

Eckensteher (schnell einfallend). Na, sehn Se woll, Herr Kultater! Des sag' ich ja: een Kulpat is es jewesen; (unwillig) un nu wollen Se mir hier keilen!

 

Britzke vor dem Polizei-Commissarius.

Commissarius. Komm mal näher, du betrunkener Kerle! Du hast also schon wieder stehlen wollen, he? Wie bist Du zu diesem Paraplüie gekommen?

Britzke. Stehlen wollen? Ne, Herr Kumzarjus, da dhun Se mir unrecht. Ick bin zwarscht nur en simpler Mann, aber da dhun Se mir doch unrecht. Sehn Se, Herr Kumzarjus, es war in de Mohrenstraße, da jeh ich. Auf einmal fall ick rin bei Heimburjern in'n Laden un fordre mich nach meiner jewöhnlichen Art vor einen Sechser, denn mehr drink ich nie. Jut! Wie ich den runter habe, so will ick eben raus jehen aus den Laden, so fällt mich ein, deß ich noch einen drinken konnte. – Des dhu ich. Nu dauert's jar nich lange, so lieg' ich draußen vor de Thüre an den Ecksteen un übersinne mir, deß ich woll muß zu ville jedrunken haben und deß ich uf diese Weise da niederjekommen war. – Nu lieg' ich da an de Ecke, Herr Kumzarjus, so kommt ein jroßer Hund, un hält mir für den Ecksteen un will da! – So wie er also will – so nehm' ick meine Pote, die ooch nich vor de Langeweile is, un stoße ihm so vor de Seite, deß er orndtlich »Au« schreit. Nu looft der Hund wech un sieht mir immer dabei an; un nu kommt eine Köchen, die drächt einen jroßen Korb mit Jemüse un Fleesch un sieht sich nich vor, un stolpert über den Hund un fällt mit sammt den Korb hin. Des is jut! Nu mußte der Hund woll Lunte jerochen haben; denn er jing janz sachte ran an den Korb; schnüffelte erscht son bisken rum un – rutsch! faßt er det Stück Fleesch un kratzt mit aus. Derweile hatte sich die Köchen uffgerappelt und packte wieder Allens zusammen – außer det Fleesch, denn det hatte der Hund mitjenommen, un ick lag noch immer da un sah mir des bequem mit an. Mit eenmal fällt mir in: Hör mal, Britzke, det Stück Fleesch kannst De doch den Hund unmöchlich lassen, Du willst mal en bisken ufstehen, villeicht bejejenste ihn in eine andre Straße wieder. Also jut! So wie ick aber ufstehe, so fängt et an zu rejen, un det bauert ooch nich lange, so jießt et wie mit Mollen. Ick jeh also son bisken an de Häuser lang, so stoßt mir wat int Jesichte – ick seh' nach, is et een Parrezoll! I! denk ick, det is doch unrecht, det der hier in solchen Rejen hängt; ick seh' mir also um, ob Keener da is, un zieh ihn runter von de Strippe, un spann' ihm uf, bloß in der Meinung, deß ich villeicht noch den Hund bejejne, damit ick ihm det Stück Fleesch wieder abnehmen kann. Un richtig! Des dauert ooch nich lange, so kommt ein Hund; bloß deß er kein Fleesch in de Schnauze hatte und auch nicht der nehmlichte Hund war. – Wie ich noch so drüber nachdenke, so kommt Jemand von hinten auf mir zu un bufft mich in's Jenicke. Ick dreh' mir also um un frage ihm: ob er mir villeicht was zu sagen hätte? »Ja!« sagte er, »er niederträchtjer Kerl hat mir einen Schirm jestohlen!« – »Wat?«' sagte ich, »jestohlen?« Un so will ick ihm – verstehn Se, Herr Kumzarjus – eine ochsije Bremse stechen. Aber, wie man jrade so Unjlück hat, da wurde nischt draus, sondern ick krichte eine von ihm. Des is jut! Nu kommt Ihr Scherschant vorbei, Herr Kumzarjus, un jlobt den Mann, un hält mir vor einen Spitzbuben, bloß weil er mir eine Bremse jejeben hat; denn hätte ich ihm eine....

Commissarius. Ruhig! Du wirst wieder Deine gehörige Zeit sitzen müssen, Britzke!

Britzke. Na 't is jut, Herr Kumzarjus, ick will sitzen; aber det sag ick Ihnen jleich, wenn ick den Hund mal wieder zu sehen krieje, den tret ick dot; det Biest is an Allens Schuld.

 

Richtige Bemerkung.

(B. und G. sitzen vor einer Wechselhandlung auf einer steinernen Treppe.)

B. Du, Jrünthaler, weeßt De schonst, die beeden Dienersch von hier oben, die wohnen jetzt drüben bei de Hemmerlinken Schamberjarnie?

G. Beede zusammen?

B. Ja! Der Eene wohnt Schamber und der Andre Jarnie!

G. Na höre, Bleiweiß, wenn den Witz der Brennjlas jehört hätte, denn stünden wir alle Beede morjen in det kleene Buch, da kannst De Jift druf nehmen!

 

Aufgefundener Brief.

(Treu copirt.)

Liber Kizzel! Wolgeboren.

Et is mich lib, Det ik an Dir schreiben kann, weil Du in Schöneberch wohnst. Die Rike wird woll balde kommen, un wenn se mit det Milchrumdragen fertig is, denn muß ik Jr den Brif gäben, weil sie sonst wider raus fert nach Schöneberch, un bet Mächen hat flinke beene, un wenn sie an den Brunnen geplumbt hat, denn geht et hast De nich gesehn Trepe ruf Trepe run, un ehr mann sicht verseht is se wider da un wekkt iren Hunt vor den kleenen, Eenspenner wider uf un denn gehts wider raußer nach Schöneberch. Nu muß ik aber man schlisen, sonst verpaß ik de Rike un fährt allene wider raus nach Schöneberch, weil ik ihr verpaßt habe, un zwarscht ohne den Brif an Dir, unt Du willst et doch gerne, det ik an Dir über das und genes schreiben dhue. Nu ik kann et ja ooch, denn et kost nischt, denn ob de Rike so raus fert nach Schöneberch, Oder se fert mit den Brif raus; das ist eingal. aber ha Seh ik se kommen, nu muß ik zumachen sonst schappirt Se mir un fert mir raus nach Schöneberch, ohne daß Du den Brif krist. der ich bin

Dein Freint und Bruder
Sebastjahn Schtubenrooch.

Berlin den 15ten. 1833.

 

Lied der Eckensteher.

(Nach bekannter Melodie.)

Det beste Leben hab' ick doch;
Ick kann mir nich beklagen,
Pfeist ooch der Wind durch's Aermelloch,
Det will ick schonst verdragen.

Det Morsens, wenn mir hungern dhut,
Eß ick 'ne Butterstulle,
Dazu schmeckt mir der Kimmel jut,
Aus meine volle Pulle.

Ick sitz' mit de Kam'raten hier,
Mit alle, jroß un kleene;
Beleidigt ooch mal eener mit,
So stech' ick ihm jleich eene!

Und drag' ich endlich mal wat aus,
So kann ick Jroschens kneifen,
Hol' wieder meine Pulle 'raus
Un dhue eenen pfeifen.

 

Anekdoten.


Er besinnt sich.

Zwei Eckensteher prahlten neulich mit ihrer Stärke, und die Prahlerei endigte sich mit einer Wette, daß der Eine den Andern in seinem Tragkorbe eine lange Leiter bis zur Dachspitze des Hauses nicht hinauftragen könnte. Er that es indeß wirklich, und der Andere mußte bezahlen. »Hm!« sagte dieser seufzend, indem er das Geld hinzählte, »det is wahr, rufjedrajen hast De mir – aber et is doch schade: wie De drei Stock hoch warscht, da fingst De an zu wackeln, da hofft ick schonst, ....« Hier schwieg er.


Er hätte nachgesehen.

Ein anständiger Mann fragte neulich einen Eckensteher, ob er nicht wüßte, wie viel die Uhr wäre? »Haben Se eene bei sich?« fragte dieser. »Nein! ich habe meine Uhr vergessen!« – »Det thut mir leed,« antwortete der Eckensteher, »sonst hätt' ick mal nachjesehen! Denn ick habe keene Uhr nich.«


Der machts klüger.

In einer Schnapsstube saßen mehrere Schildkröten und tranken. »Det is doch närrsch!« sagte Lude, »wenn ick mir bedrunken habe un will zu Hause jehen, so turkle ick un falle jedesmal in den Rennsteen.« – »Da bin ick doch ville klüjer,« sagte ein Anderer, »denn wenn ick besoffen bin, so jeh ick direkte in den Rennstehn; wenn ick denn turkle, so fall' ick wieder raus.«


Der Grund.

Zwei dieser Leute standen neulich auf dem Schloßplatz und betrachteten den schönen Gaslaternen-Pfahl. »Sage mal, Pipenbrink,« fragte der Eine den Andern, »wozu sind denn hier sonne Menge Laternen?« – »Nu!« antwortete der Gefragte, »et sind jrade neune; viere müssen immer brennen, damit man die andern fünwe sehen kann.«


Speculation.

In einer Destillations-Anstalt hatte der Wirth aus wohlberechneter Industrie eingeführt, daß Jeder, der drei Glas Schnaps trank, das vierte umsonst bekam, und so tranken denn Viele, statt ihrer gewöhnlichen zwei Glas, oftmals vier. Eines Tages trat ein Eckensteher in den Laden und sagte zum Wirthe: »Schenken Se mir mal eenen in; aber jleich den vierten!«


Alt und neu.

Ein Eckensteher hatte bei einem Juden einen alten Rock gekauft, kam bei einem Fleischscharren vorbei und wollte eine Kalbskeule eben so vortheilhaft einhandeln. »Wie dheuer is de Keile?« fragte er. – »Zwee Dhaler!« – »Oho! det is ville zu ville! davor krieg ick ja ne janze neie


Der gute Rath.

Ein Handwerksbursche fragte in der breiten Straße einen Sonnenbrater, wie er wohl zunächst nach der Stadtvoigtei käme? »Gehen Se man hier in den Laden da drüben, un stehlen Se een Pack seidene Dücher!« war die Antwort.


Wozu der Streit?

Drei Eckensteher hatten in einer Schenkstube so viel Kümmel getrunken, daß zwei sich mit vieler Mühe noch auf den Beinen hielten, der Dritte aber bereits unter dem Tische lag und sich nicht mehr rühren konnte. »Wat sind wir nu schuldig?« fragte einer der Taumelnden. »Sie haben 47,« antwortete der Wirth, »à 6 Pfennige – macht 23½ Sgr.« – »Alle Hajel, nich noch eens! Da wären wir doch besser jefahren, wenn wir uns Quartweise jekooft hätten!« – »Freilich wären Sie Quartweise vortheilhafter weggekommen,« sagte der Wirth, »als bei so vielen Einzelnen, aber dafür kann ich doch nicht ...« Da guckte der total Besoffene unter dem Tische hervor und lallte: »Na, wat streit Ihr Euch denn? det können wir ja noch!«


Der Springbrunnen.

Als der Springbrunnen im Lustgarten zuerst nicht gehen wollte, standen auch zwei Schildkröten und warteten mit Ungeduld darauf, den großen Wasserstrahl zu sehen. »Du,« sagte der Eine, »ick möchte man wissen, worum der Springbrunnen nich jeht – weeßt Du't nich?« – »Et wird en Fehler in de Repratur sind!« antwortete der Andere und machte eine gelehrte Miene.


Definition.

Die weniger gebildeten Berliner beginnen alle ihre Definitionen mit »Wenn«. Vor Kurzem fragte der Straßenbeamte Jonich seinen Collegen Grünthaler: »Sag' mal Du, ick lese da immer in de Zeitung von neutral, wat is'n det neutral?« – »Neutral,« antwortete Grünthaler, »det is zum Beispiel: wenn Polen sich von Rußland losmachen will un Rußland führt Krieg, un Preußen hätte denn nischt jejen de Polen un vor (für) Rußland jedhan – det is neutral.«


Der schwangere Staat.

»Ick weeß nich, wie det alleweile is!« sagte neulich ein Sonnenbruder zu einer um ein Talglicht versammelten Gesellschaft seiner Kameraden. »Allens klagt über die unjeheure Noth in Berlin un in Preußen un die Zeiten bleiben wie se sind, un was noch mehr is, se jeht sogar zurück, wat eejentlich uf de Uhr unmöglich is. Denn seh' mal, in September, bei de Einholung, da war det Land in juter Hoffnung, un alleweile is et noch nich in jesejenten Umständen.«


Großer Unterschied.

G. Sage mal, Wesecker, weeßt Du den Unterschied zwischen en Zwieback un en Jarde-Leutnamt?

W. Ne!

G. Denn will ick'n Dir sagen: en Zwieback, der is zwee Mal in Feuer jewesen, un en preußscher Jardeleutnant noch jar nich.«


Die Nachricht.

Jemand hatte schon durch mehrere Anzeigen in den Zeitungen einen Reisegesellschafter gesucht, und war sehr betrübt, keinen zu finden. In einer Nacht, als er eben süß träumte, klopfte man an seiner Thür und begehrte Einlaß. »Mein Gott!« rief der Erschreckte, »wer ist da?« – »Sie suchen ja woll eenen Reisejesellschafter? Lassen Se mir jeschwind rin!« – Der Mann im Zimmer rieb sich die Augen, sprang aus dem Bette, zog geschwind den Schlafrock an und öffnete die Thür. »Jun Abend! Sie sind et also, der en Reisejesellschafter sucht? Ick wollte Ihnen man sagen: det ick nich kann.« Dabei drehte sich der Eckensteher um und ließ den Verblüfften stehen.


Die Theilung.

Als man in Berlin allgemein davon sprach, daß die Oper: »Robert der Teufel« von Meyerbeer zu lang wäre und den Zuhörer ermüdete, standen zwei Eckensteher vor dem Opernhause und unterhielten sich. »Du!« sagte der Eine, »hast De schonst jehört, die neie Oper soll ville zu lang sind, un nu wollen se an eenen Abend den Roberten jeben un an andern den Deibel.« – »I Jott bewahre! Det jeht nich!« antwortete der Andere, »denn müßten de Leute ooch bloß an eenen Abend den Meyern rausrufen, un an andern den Bären


Druck von Bernh. Tauchnitz jun.


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