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Die Sarazenen, Franken und Griechen in Italien. – Erste Taten und Niederlassung der Normannen. – Charakter und Eroberungen Robert Guiscards, Herzogs von Apulien. – Befreiung von Sizilien durch seinen Bruder Roger. – Siege Roberts über die Kaiser des Ostens und Westens. – Roger, König von Sizilien, bricht in Afrika und Griechenland ein. – Der Kaiser Manuel Komnenus. – Kriege der Griechen und Normannen. – Erlöschen der Normannen
Die drei großen Nationen der Welt, die Griechen, Sarazenen und Franken stießen bei ihren Eroberungskämpfen in Italien gegeneinander. Die südlichen Provinzen, die später das Königreich Neapel bildeten, waren größtenteils den langobardischen Herzögen und Fürsten von Benevent unterworfen, die so mächtig waren, daß sie kurze Zeit Karl dem Großen widerstanden und so freigebig, daß sie in ihrer Hauptstadt eine Schule unterhielten, in der zweihundertdreißig Philosophen und Grammatiker lehrten. Durch Teilung dieses blühenden Staates entstanden die einander befehdenden Fürstentümer Benevent, Salerno und Capua. Von einem ehrgeizigen oder rachedürstenden Mitbewerber um einen Thron wurden die Sarazenen aufgefordert nach Italien zu kommen, und diese vernichteten das gemeinsame Erbe. Während zweihundert Jahren wurde Italien so verheert, daß auch die folgende Zeit der Ruhe die Wunden nicht zu heilen vermochte. Die Geschwader der Sarazenen liefen häufig, ja fast jährlich aus dem Hafen von Palermo aus und wurden mit zu großem Entgegenkommen von den Christen aufgenommen. Die starken Kriegsflotten der Sarazenen wurden in Afrika ausgerüstet, und selbst die Araber Andalusiens ließen sich zuweilen verleiten, gegen die Muselmanen einer feindlichen Sekte zu kämpfen oder ihnen beizustehen. Die italienische Geschichte zeigt eine Wiederholung früherer Ereignisse: ein Hinterhalt wurde in den kaudinischen Pässen gelegt, auf den Gefilden Cannäs wurde zum zweiten Male das Blut der Afrikaner vergossen, der Souverän von Rom griff abermals Capua und Tarent an oder verteidigte diese Städte. Eine Sarazenenkolonie war nach Bari verpflanzt worden, das die Einfahrt des Adriatischen Meerbusens beherrscht, und ihre gegen jedermann gerichteten Seeräuberfahrten reizten beide Kaiser und förderten deren Vereinigung. Es wurde ein Angriffsbündnis zwischen Basilius dem Makedonier, dem Ersten seiner Dynastie, und Ludwig, dem Urenkel Karls des Großen, geschlossen, und jeder lieferte dem anderen, was ihm mangelte. Es wäre von dem byzantinischen Monarchen unklug gewesen, seine in Asien stehenden Truppen nach Italien zu senden. Die Heere der Lateiner hätten jedoch nicht ausgereicht, wenn seine überlegene Flotte nicht die Einfahrt in den Meerbusen besetzt hätte. Die Festung Bari wurde von dem Fußvolk der Franken, der Reiterei und den Galeeren der Griechen eingeschlossen. Nach vierjähriger Verteidigung unterwarf sich der arabische Emir Ludwig, der die Belagerung in Person leitete. Die wichtige Eroberung war durch die Eintracht des Ostens und Westens ermöglicht worden, aber die Freundschaft wurde bald durch Eifersüchteleien und Stolz getrübt und verbittert. Die Griechen schrieben sich die Eroberung zu und veranstalteten einen Triumphzug. Sie verhöhnten die Unmäßigkeit und Trägheit der Handvoll Barbaren, die unter der Fahne des Karolingerfürsten gefochten hatten. Dessen beredte Antwort zeigt seine Entrüstung und die Wahrheit. »Wir anerkennen die Größe eurer Rüstungen«, sagte der Urenkel Karls des Großen, »eure Truppen waren in der Tat so zahlreich wie eine Schar Heuschrecken im Sommer, die die Sonne verfinstern, mit den Flügeln flattern und nach kurzem Fluge müde und atemlos zur Erde taumeln. Gleich ihnen sänket ihr nach kurzer Anstrengung dahin, wurdet von eurer eigenen Feigheit besiegt und verließet den Kampfplatz, um unsere christlichen Untertanen an der slawischen Küste zu mißhandeln und zu berauben. Unsere Zahl war klein, aber warum war sie klein? Weil ich nach langem Harren auf euch mein Heer entlassen und nur eine Schar auserlesener Krieger zurückbehalten habe, um die Blockade der Stadt fortzusetzen. Wenn sie sich angesichts des Todes an gastlichen Gelagen erfreuten, verhinderten etwa die Gelage ihre Taten? Wurden die Mauern Baris durch euer Fasten erstürmt? Haben nicht diese tapferen Franken, so zusammengeschmolzen sie auch durch die Kämpfe waren, die drei mächtigsten Emire der Sarazenen aufgehalten und besiegt? Hat deren Niederlage nicht den Fall der Stadt beschleunigt? Bari ist gefallen, Tarent zittert, Kalabrien wird befreit werden, und wenn wir die See beherrschen, wird die Insel Sizilien den Ungläubigen entrissen werden. Mein Bruder (ein die eitlen Griechen in hohem Maße beleidigender Titel) beschleunige deine Hilfe zur See, ehre deinen Bundesgenossen und mißtraue den Schmeichlern.«
Die stolzen Hoffnungen erloschen schnell mit dem Tode Ludwigs und dem Verfall des karolingischen Hauses. Wem immer die Ehre des Sieges gebührte, verstanden es doch die griechischen Kaiser, Basilius und sein Sohn Leo, die Früchte des Kampfes zu ernten. Die Italiener von Apulien und Kalabrien wurden überredet oder gezwungen, ihre Oberhoheit anzuerkennen. Der größte Teil des Königreiches Neapel, vom Berge Garganus bis zur Bai von Salerno, geriet unter die Herrschaft des morgenländischen Reiches. Die Herzogtümer oder Republiken von Amalfi und Neapel, die immer treu geblieben waren, freuten sich, daß ihr rechtmäßiger Souverän die Nachbargebiete beherrschte. Amalfi wurde reich, indem es Europa mit den Produkten und Fabrikaten von Asien versah. Aber die lombardischen Fürstentümer Benevent, Salerno und Capua wurden wider Willen von der lateinischen Welt getrennt, und die geschworenen Eide wurden nur zu oft gebrochen und der Tribut verweigert. Die Stadt Bari wurde als Hauptstadt der neuen Theme oder Provinz Lombardei reich und groß. Der oberste Statthalter erhielt den Patriziertitel und später den sonderbaren Namen Katapan. Politik und Religion des Staates wurden von der Regierung von Konstantinopel geregelt und geleitet. So lange die Fürsten von Italien um das Zepter kämpften, blieb es bei matten und unglücklichen Versuchen, die Griechen widerstanden den Streitkräften Deutschlands, die unter der kaiserlichen Fahne der Ottonen über die Alpen gezogen waren, entweder oder wichen ihnen aus. Der erste und größte dieser sächsischen Fürsten wurde gezwungen, die Belagerung von Bari aufzuheben; der zweite konnte sich mit Ehren aus der Schlacht von Crotona retten, in der er seine Bischöfe und Barone verloren hatte. Den Erfolg dieses Tages entschieden die tapferen Sarazenen. Diese Seeräuber waren allerdings von den byzantinischen Flotten aus den Festungen und von den Küsten Italiens vertrieben worden, aber das Interesse war mächtiger als Aberglaube und Groll. Der Kalif von Ägypten hatte vierzigtausend Muselmanen seinen christlichen Bundesgenossen zu Hilfe gesandt. Die Nachfolger des Basilius glaubten, daß die Eroberung der Lombardei ihren Ministern, ihren Gesetzen und dem dankbaren Volk, das sie aus Anarchie und Unterdrückung erlöst hatten zu verdanken sei und ihre Herrschaft nun andauern würde. Verschiedene Aufstände hätten diesen Glauben eigentlich erschüttern müssen, und die von den Schmeichlern getäuschten Kaiser hätten durch die leichte und schnelle Eroberung der Normannen eines besseren belehrt werden können.
Die Veränderungen der Zeiten hatten in Apulien und Kalabrien einen traurigen Gegensatz zwischen dem Zeitalter des Pythagoras und dem zehnten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung geschaffen. Zu jener Zeit befanden sich an den Küsten Großgriechenlands (wie es damals hieß) zahlreiche freie und reiche Städte. Diese Städte waren mit Kriegern, Künstlern und Philosophen bevölkert, und die Streitkräfte von Tarent, Sybaris oder Krotona standen denen eines mächtigen Königreiches nicht nach. Im zehnten Jahrhundert waren diese Provinzen von einem unwissenden Volke bewohnt, durch Tyrannen ausgesogen und von barbarischen Kriegen verheert. Ein Zeitgenosse sagt, daß ein schönes großes Land in eine Öde verwandelt worden ist. Aus den Kriegen der Araber, Franken und Griechen werde ich zwei oder drei Episoden erzählen, die für die Sitten der Nationen bezeichnend sind. 1. Es gewährte den Sarazenen Vergnügen, die Kirchen und Klöster zu entweihen und zu plündern, und auf den Altartischen wurden die furchtbarsten Orgien gefeiert. Bei einer solchen Gelegenheit wurde ein Emir durch einen fallenden Balken getötet, und man schrieb diese Tat Christo zu. 2. Die Sarazenen belagerten die Städte Benevent und Capua; nachdem die Bevölkerung vergeblich bei den Nachfolgern Karls des Großen um Hilfe gebeten hatte, wandten sich die Langobarden an den griechischen Kaiser um Hilfe. Ein unerschrockener Bürger ließ sich von der Mauer herab, schlich sich durch die Verschanzungen und erfüllte seine Sendung, wurde aber von den Barbaren gefangengenommen, als er mit willkommener Nachricht zurückkehrte. Sie verlangten von ihm, daß er ihnen durch Täuschung seiner Landsleute beistehen solle und versprachen ihm in diesem Falle Reichtum und Ehren. Sollte er sie aber hintergehen, so würden sie ihn augenblicklich töten. Er stellte sich an, als würde er ihrem Verlangen nachgeben, war aber kaum in Hörweite der Christen auf den Wall gebracht worden, als er mit lauter Stimme rief: »Freunde und Brüder, harret bei der Verteidigung der Stadt aus, euer Souverän kennt eure Not, eure Befreier sind nahe. Ich kenne mein Schicksal und bitte euch für mein Weib und Kind zu sorgen.« Die Wut der Araber war groß; er wurde sogleich von hundert Lanzen durchbohrt. Das Andenken dieses hochherzigen Mannes verdiente es, bewahrt zu werden; die Wiederholung dieser Geschichte zu anderen Zeiten macht es jedoch zweifelhaft, ob sie sich wirklich ereignet hat. 3. Die Erzählung eines dritten Vorfalls dürfte ein Lächeln erregen. Theobald, Markgraf von Camerino und Spoleto, unterstützte die Rebellen von Benevent, und seine Grausamkeit war in jenen Tagen nicht unvereinbar mit Heldenmut. Seine Gefangenen, die der griechischen Nation oder Partei angehörten, wurden ohne Erbarmen entmannt und die Verstümmelung durch den grausamen Scherz verbittert, er wolle dem Kaiser Eunuchen schenken, welche die edelsten Zierden des byzantinischen Hofes bildeten. Die Besatzung eines Schlosses wurde bei einem Ausfalle geschlagen und die Gefangenen wie üblich verurteilt. Die Vollstreckung des Urteils wurde durch ein Weib gestört, das mit blutenden Wangen, aufgelösten Haaren und unter ungestümem Geschrei eindrang und den Markgrafen zwang, seine Klage anzuhören. »So führet ihr Krieg, ihr hochherzigen Helden, Krieg gegen Frauen, die euch nie beleidigt haben und deren einzige Waffen Spindel und Webstuhl sind?« Theobald verteidigte sich gegen die Beschuldigung und beteuerte, daß er seit den Zeiten der Amazonen nie wieder etwas von einem Kriege gegen Weiber gehört hätte. »Wie könnet ihr uns«, rief sie wütend aus, »mehr angreifen und verwunden, als indem ihr uns unsere Gatten und die Hoffnung auf Nachkommenschaft raubt? Den Raub unserer Rinder und Lämmer habe ich ohne Murren ertragen, aber dieser Schimpf, dieser unersetzliche Verlust, bricht meine Geduld und ich rufe den Himmel und die Erde laut um Gerechtigkeit an.« Ein allgemeines Gelächter zollte ihr Beifall; die wilden, dem Mitleide unzugänglichen Franken wurden durch ihre lächerliche, obwohl wohlbegründete Verzweiflung bewegt. Sie erreichte die Freigabe der Gefangenen und erhielt auch ihr Eigentum zurück. Als sie im Triumphe nach dem Schlosse zurückkehrte, holte sie ein Bote ein, der sie in Theobalds Namen fragte, welche Strafe über ihren Gemahl verhängt werden solle, wenn er ein zweitesmal mit den Waffen in der Hand gefangen würde? »Wenn dies«, antwortete sie ohne Zögern, »durch seine Schuld und zu seinem Unglücke geschieht, hat er Nase, Augen, Hände und Füße. Diese sind sein Eigentum, die kann er durch seine persönlichen Vergehen verwirken. Aber mein Gebieter möge geruhen zu verschonen, was seine demütige Dienerin als ihr besonderes und rechtmäßiges Eigentum zu beanspruchen wagt.«
Die Festsetzung der Normannen im Königreiche Neapel und Sizilien ist ein seinem Ursprünge nach höchst romantisches, seine Folgen für Italien und das morgenländische Reich nach ein höchst wichtiges Ereignis. Die Provinzen der Griechen, Langobarden und Sarazenen waren jedem Angriffe preisgegeben, und die skandinavischen Seeräuber suchten alle Meere und Länder heim. Nachdem sie lange dem Raube und Morde gefrönt hatten, eroberten und besetzten die Normannen in Frankreich ein ausgedehntes Gebiet, das ihren Namen erhielt. Sie wurden Christen und bekannten sich als Vasallen Karls des Großen und Hugo Capets. Ihre Sitten wurden in einem wärmeren Klima als dem ihrer nördlichen Heimat verfeinert, ohne daß ihr Mut gelitten hätte. Die Gefährten Rollos vermengten sich nach und nach mit den Eingeborenen, nahmen die Sitten, Sprache und Galanterien der Franzosen an. Trotzdem galten die Normannen in einem kriegerischen Zeitalter als besonders tapfer. Sie machten Wallfahrten nach Rom, Italien und dem heiligen Lande. Der Reiz dieser Wallfahrten wurde durch die am Wege lauernden Gefahren erhöht, die Welt war an Wundern und Hoffnungen reich. Sie verbanden sich zu gegenseitiger Verteidigung, und die Räuber der Alpen, die oft Pilgerzüge überfielen, trafen auf Krieger im Mönchsgewand, die sie züchtigten. Bei einer dieser Fahrten in die Höhle des Berges Garganus in Apulien, die durch die Erscheinung des Erzengels Michael heilig war, wurden sie von einem Fremden in griechischer Tracht angeredet, der sich als Rebell, Flüchtling und Todfeind des griechischen Herrschers zu erkennen gab. Er hieß Melo, war ein edler Bürger aus Bari und suchte nach einer mißglückten Empörung neue Bundesgenossen und Rächer seiner Vaterstadt. Das kühne Aussehen der Normannen erregte sein Vertrauen und seine Hoffnungen; sie schenkten den Klagen und noch mehr den Versprechungen des Patrioten Gehör. Er versicherte ihnen, daß sie bei der Unternehmung Reichtümer erlangen würden, und dies schien ihnen zu beweisen, daß seine Sache gerecht sei. Sie betrachteten das fruchtbare Land, das von einem verweichlichten Tyrannen unterdrückt wurde, als Erbteil der Tapferen. Nach ihrer Rückkehr in die Normandie versuchten sie den Unternehmungsgeist anzufachen und es gelang ihnen eine kleine Schar zu sammeln, die Apulien befreien wollte. Sie gingen auf verschiedenen Wegen und in Pilgertracht über die Alpen und wurden in der Nähe Roms von dem Häuptling von Bari erwartet, der die ärmeren mit Waffen und Pferden versah und sie sogleich auf den Schauplatz der Tat führte. Im ersten Kampfe siegten sie durch ihre Tapferkeit, im zweiten wurden sie aber durch die große Zahl der Griechen und mit Hilfe der Kriegsmaschinen geschlagen. Sie zogen sich, das Antlitz den Feinden zugekehrt, voll Ingrimm zurück. Der unglückliche Melo starb am Hofe von Deutschland als Bittender; seine normannischen Anhänger irrten, sowohl aus ihrer Heimat als aus dem verheißenen Lande ausgeschlossen, in den Bergen und Tälern Italiens umher und erwarben sich ihren täglichen Unterhalt durch das Schwert. Die Fürsten von Capua, Benevent, Salerno und Neapel verwendeten die Normannen oft in ihren Kämpfen gegeneinander. Durch den größeren Mut und die größere Heereszucht der Normannen war der Sieg meistens bei jenen, für die sie fochten. Sie trugen jedoch dafür Sorge, daß nicht einer der Staaten ein besonderes Übergewicht erlange, wodurch ihre Hilfe minder wichtig geworden wäre und weniger einträglich. Ihr erstes Asyl war ein festes Lager in den Sümpfen Kampaniens. Der freigebige Herzog von Neapel verschaffte ihnen jedoch bald einen besseren Platz. Acht Meilen von seiner Residenz entfernt wurde als Bollwerk gegen Capua die Stadt Aversa gebaut und befestigt, und die Normannen, die die Stadt zu verteidigen hatten, genossen das Korn und die Früchte des fruchtbaren Bezirkes. Das Gerücht von ihren Erfolgen zog jedes Jahr neue Scharen von Pilgern und Kriegern herbei; die Armen wurden von der Not, die Reichen von der Hoffnung getrieben, denn die tapferen und tatenlustigen Normannen haßten Ruhe und dürsteten nach Ruhm. Jeder Flüchtling, jeder Geächtete, der vor der Strafe oder den Verfolgungen seines Herrschers geflohen war, wurde von den unabhängigen Normannen aufgenommen und fand Schutz. Diese fremden Elemente gingen bald völlig in der gallischen Kolonie auf. Der erste Anführer der Normannen war Graf Reinulf. Er verdiente diesen Posten sicherlich, denn in den Uranfängen der Gesellschaft ist der Rang ein Beweis und der Lohn für höhere Verdienste.
Seit der Eroberung von Sizilien durch die Araber hatten die griechischen Kaiser stets danach getrachtet, diese wertvolle Insel wieder zu erlangen. Aber alle ihre obgleich kräftigen Anstrengungen scheiterten an der Entfernung und am Meere. Sie machten kostspielige Rüstungen und errangen einen Schimmer von Erfolg, der bald einem neuen Unglück Platz machte. Zwanzigtausend ihrer besten Truppen gingen bei einem einzigen Zug verloren, und die Muselmanen verhöhnten die Politik einer Nation, die den Eunuchen nicht nur die Bewachung von Frauen, sondern auch den Oberbefehl über Männer anvertraute. Nach zweihundertjähriger Herrschaft wurden die Sarazenen durch ihre inneren Zwistigkeiten gestürzt. Der Emir schüttelte die Oberhoheit des Königs von Tunis ab, das Volk erhob sich gegen den Emir, die Häuptlinge bemächtigten sich der Städte, und jeder geringe Rebell war unabhängiger Tyrann seines Kreises. Der schwächere zweier feindlicher Brüder flehte die Christen um Hilfe an. Bei jeder Gefahr waren die Normannen schnell zur Hand und nützlich; fünfhundert Ritter oder Krieger zu Pferde wurden von Arduin, dem Geschäftsträger und Dolmetscher der Griechen, für die Fahne Maniaces', Statthalters der Lombardei, angeworben. Vor ihrer Landung versöhnten sich jedoch die feindlichen Brüder, die Einheit von Sizilien und Afrika war wieder hergestellt. Die Normannen bildeten die Vorhut, und die Araber von Messina wurden in dem ersten Gefechte geschlagen. Beim zweiten Gefecht wurde der Emir von Syrakus von Wilhelm von Hauteville, dem Eisenarm, aus dem Sattel gehoben und getötet. In einer dritten Schlacht schlugen die Normannen ein Heer von sechzigtausend Sarazenen und ließen die Griechen nur die Verfolgung durchführen. Die Normannen trugen auch wesentlich zum Erfolg des Maniaces bei, der dreizehn Städte und den größeren Teil von Sizilien unterwarf. Seine Erfolge wurden von dem undankbaren Tyrannen jedoch nicht sehr gewürdigt. Bei der Teilung der Beute vergaß er an seine tapferen Bundesgenossen, und die stolzen und habsüchtigen Normannen konnten eine solche Handlung nicht verzeihen. Sie führten durch ihren Dolmetscher Klage; ihre Beschwerden wurden nicht berücksichtigt und ihr Dolmetscher gegeißelt. Sie sannen daher auf Rache, verstellten sich jedoch vorerst, bis sie sicher nach Italien übersetzen konnten. Ihre Brüder von Aversa schlossen sich ihnen an, und die Normannen wollten sich durch ihren Einfall in der Provinz Apulien für das ihnen angetane Unrecht schadlos halten. Über zwanzig Jahre nach der ersten Auswanderung zogen die Normannen mit nicht mehr als siebenhundert Reitern und fünfhundert Mann zu Fuß ins Feld, wogegen die aus Sizilien zurückberufenen byzantinischen Legionen auf sechzigtausend Mann gebracht wurden. Der Herold der Griechen bot den Normannen die Wahl zwischen freiem Rückzug und der Schlacht. »Schlacht!« schrien die Normannen einstimmig, und einer ihrer stärksten Krieger streckte das Pferd des Herolds mit einem Faustschlage zu Boden. Dieser erhielt ein frisches Pferd und wurde entlassen; der Schimpf wurde vor den kaiserlichen Truppen geheimgehalten, aber in zwei aufeinanderfolgenden Schlachten lernten sie die todverbreitende Tapferkeit ihrer Gegner gründlich kennen. In der Ebene von Cannä flohen die Asiaten vor den Abenteurern Frankreichs; der Herzog der Lombardei wurde gefangengenommen, die Apulier unterwarfen sich, und nur die vier Städte Bari, Otranto, Brindisi und Tarent verblieben im Besitze der Griechen. Von diesem Zeitpunkte an können wir den Beginn der normannischen Herrschaft rechnen. Die junge Kolonie von Aversa wurde bald verdunkelt. Zwölf Grafen wurden je nach Alter, Verdienst und Geburt gewählt. Jeder erhielt einen Distrikt zugewiesen, dessen Tribute er nach Belieben verwenden durfte, und jeder Graf baute in der Mitte seiner Ländereien ein Schloß. Melphi, inmitten der Provinz, wurde zur gemeinsamen Hauptstadt und Festung der Republik auserkoren, jedem der zwölf Grafen wurde ein Viertel mit einem besonderen Hause zugeteilt. Alle Angelegenheiten der Nation wurden durch diesen kriegerischen Senat geordnet. Der Vorsitzende und Feldherr erhielt den Titel Graf von Apulien. Diese Würde wurde Wilhelm dem Eisenarm erstmalig zugesprochen, der in der Sprache jener Zeit ein Löwe in der Schlacht, ein Lamm im Umgange, ein Engel im Rat genannt wird. Ein zeitgenössischer normannischer Schriftsteller hat die Sitten seiner Landsleute unparteiisch geschildert: »Die Normannen«, sagt Malaterra, »sind ein schlaues, rachsüchtiges und beredtes Volk. Wenn es nötig ist, lassen sie sich herab zu schmeicheln, wenn sie aber nicht durch Gesetze im Zaume gehalten werden, sind sie zügellos und frönen ihren Leidenschaften. Die Fürsten bestreben sich freigebig zu sein, das Volk fällt vom Extrem der Habsucht in das der Verschwendung, verachtet, was es besitzt und dürstet nach Reichtum und Herrschaft. Waffen und Pferde, prachtvolle Kleider, Jagd und Falknerei reizen das Verlangen der Normannen. Sie können jedoch, falls dies nötig ist, mit unglaublicher Geduld jedes Klima und die Beschwerden des Kriegslebens ertragen.«
Die Normannen von Apulien saßen zwischen zwei Königreichen und wurden, je nach der augenblicklichen politischen Lage, von den Souveränen von Deutschland oder Konstantinopel mit ihren Ländern belehnt. Ihre Sicherheit lag jedoch in ihrer Macht; sie liebten und vertrauten niemand, niemand liebte sie und vertraute ihnen. Die Fürsten verachteten das unterworfene Volk, und die Eingeborenen haßten ihre Unterdrücker. Alles, was ihnen wünschenswert erschien, ein Pferd, eine Frau, einen Garten nahmen die Fremden, und ihre habsüchtigen Häuptlinge waren ehrgeizig und ruhmsüchtig. Die zwölf Grafen vereinigten sich manchmal zu einem Bunde, wenn es galt, größere Unternehmungen zu machen; sie waren jedoch in inneren Zwistigkeiten befangen und stritten oft um die Beute. Nach dem Tode Wilhelms wurde sein Bruder Drogo sein Nachfolger, der zwar ein guter Anführer in der Schlacht und wackerer Kämpfer war, dem es aber nicht gelang, die gewaltigen Fürsten im Zaume zu halten. Konstantin Monomachus versuchte mit Hilfe politischer Mittel Italien von den Normannen, die ärger waren als ein Barbarenschwarm, zu befreien, zu welchem Zwecke Argyrus, der Sohn des Melo, mit den stolzesten Titeln und den ausgedehntesten Vollmachten versehen wurde. Das Andenken an seinen Vater mochte ihn den Normannen empfehlen, und es gelang ihm, sich ihre freiwilligen Dienste zu sichern, um die Empörung des Maniaces zu unterdrücken und ihre eigenen und die öffentlichen Drangsale zu rächen. Konstantin hatte den Plan, diese normannischen Krieger aus den italienischen Provinzen im persischen Kriege zu verwenden; der Sohn Melos verteilte unter die Grafen Gold und kostbare Erzeugnisse Griechenlands, um ihnen die kaiserliche Huld zu beweisen. Aber seine Künste scheiterten an der Einsicht und dem Mute der Eroberer von Apulien; sie wiesen seine Geschenke zurück oder verwarfen wenigstens seine Vorschläge und weigerten sich standhaft, ihre Besitzungen aufzugeben, um in fernen Landen dem Glück nachzujagen. Da alle Überredungskünste nichts nützten, beschloß Argyrus, sie zu zwingen oder zu vernichten. Die Lateiner wurden gegen den gemeinsamen Feind aufgeboten und ein Verteidigungsbündnis zwischen dem Papst und den beiden Kaisern des Ostens und Westens geschlossen. Auf dem Thron des Apostels Petrus saß Leo IX., ein einfacher, heiliger Mann, der einen ehrwürdigen Charakter besaß, wodurch Maßregeln, die mit der Religion auch nicht sehr zu vereinigen waren, geheiligt werden konnten. Er wurde durch die Klagen, vielleicht die Verleumdungen eines mißhandelten Volkes gerührt, die gottlosen Normannen hatten den Zehnten abgeschafft, und es war recht und billig, daß die frevelbeladenen, die Strafen der Kirche nicht achtenden Räuber bestraft würden. Als Deutscher von edler Herkunft und Verwandter von Fürsten, hatte Leo freien Zutritt am Hofe Kaiser Heinrichs III., der ihm vertraute. Er glühte vor Eifer, Bundesgenossen zu finden und reiste von Apulien nach Sachsen und von der Elbe an den Tiber. Während die Feinde rüsteten, brachte Argyrus geheime und verbrecherische Waffen zur Anwendung. Eine Schar Normannen wurde niedergemetzelt und der tapfere Drogo in einer Kirche meuchlings ermordet. Aber sein Geist lebte in seinem Bruder Humphrey, dem dritten Grafen von Apulien, fort. Die Mörder wurden gezüchtigt, und der Sohn Melos wurde geschlagen und floh verwundet vom Schlachtfelde nach Bari, um die Ankunft der Hilfstruppen zu erwarten.
Die Heere Konstantins waren jedoch in einem Kriege gegen die Türken beschäftigt, Heinrich war schwach und unentschlossen, und statt daß der Papst mit einem Heere über die Alpen zurückkam, war er nur von einer Leibwache von siebenhundert Schwaben und einigen Freiwilligen aus Lothringen begleitet. Während seines langen Zuges von Mantua nach Benevent sammelte sich eine bunte, elende Schar Italiener unter der heiligen Fahne: Priester und Räuber schliefen im selben Zelt, Lanzen und Kreuze wogten durcheinander, und der kriegerische Heilige ordnete den Marsch und das Lager und frischte die Erfahrungen seiner Jugend auf. Die Normannen von Apulien konnten nur dreitausend Reiter und eine Handvoll Fußvolk in das Feld stellen, die Eingeborenen schnitten ihnen die Lebensmittel und den Rückzug ab, und sie wurden, sonst furchtlos, einige Augenblicke von abergläubischem Schauder befallen. Bei der Annäherung Leos knieten sie ohne Schmach und Widerwillen vor ihrem geistlichen Vater. Aber der Papst blieb unerbittlich; die hochgewachsenen Deutschen höhnten die kleineren Normannen, denen nur die Wahl zwischen Tod oder Verbannung freigestellt wurde. Flucht verschmähten sie, und da mehrere von ihnen schon seit Tagen keine hinreichende Nahrung genossen hatten, freuten sie sich auf einen leichten und ehrenvollen Tod. Sie stiegen auf den Berg Civitella, stürmten in die Ebene nieder und griffen das Heer des Papstes in drei Abteilungen an. Auf dem linken Flügel und im Zentrum griffen Richard Graf von Aversa und der berühmte Robert Guiscard an, durchbrachen, warfen und verfolgten die italienischen Scharen, die ohne Scham flohen. Eine schwierigere Arbeit blieb dem tapferen Grafen Humphrey vorbehalten, der die Reiterei am rechten Flügel anführte. Die Deutschen sind als ungeschickt im Reiten und bei der Handhabung der Lanze beschrieben worden, aber zu Fuß bildeten sie eine starke und undurchdringliche Phalanx, und weder Mann noch Roß, trugen sie auch noch so gute Rüstungen, konnten den Streichen ihrer langen, zweischneidigen Schwerter widerstehen. Nach langem, hartnäckigem Kampfe wurden sie von den von der Verfolgung zurückkehrenden Geschwadern umzingelt und starben, ohne sich vom Flecke zu rühren. Civitella verschloß dem fliehenden Papst seine Tore, und er wurde von den frommen Siegern eingeholt, die seine Füße küßten und ihn um seinen Segen und um die Lossprechung von ihren Sünden baten. Diese Krieger erblickten in ihrem Gefangenen und Feinde den Stellvertreter Christi, und obwohl man annehmen kann, daß sie sich aus Politik so verhielten, ist es doch wahrscheinlich, daß sie aus Religiosität so handelten. Der Papst beweinte in der Einsamkeit das vergossene Christenblut, an dem er schuldtragend war. Da seine Unternehmung nicht von Erfolg begleitet gewesen war, wurde er allgemein getadelt, daß er sich auf eine kriegerische Unternehmung eingelassen habe. Bei diesem Stande der Dinge entschloß er sich zu einem Vertrage und genehmigte die bisherigen wie zukünftigen Eroberungen der Normannen. Die Provinzen Kalabrien und Apulien bildeten, von wem immer sie usurpiert worden waren, einen Teil der Schenkung Konstantins und das Eigentum der Kirche; die Verleihung dieser Länder an die Normannen bestätigt die Rechtmäßigkeit der Ansprüche des Papstes. Sie versprachen, einander durch geistliche und weltliche Waffen zu unterstützen; ein Tribut oder Erbzins von zwölf Pfennigen wurde später für jeden Pflug Landes festgesetzt. Seit diesem merkwürdigen Übereinkommen ist das Königreich Neapel über siebenhundert Jahre ein Lehen des Heiligen Stuhles geblieben.
Robert Guiscards Abstammung wurde sowohl von Bauern als von Herzögen der Normandie abgeleitet; in Wirklichkeit stammte er vom mittleren Adel ab, und zwar von Valvassoren oder Bannerherren in der Diözese Cutances in der Normandie. Das Schloß Hauteville war ihr Sitz, sein Vater Tankred zeichnete sich am Hofe und im Heere des Herzogs aus und stellte im Kriege zehn Gewappnete oder Ritter. In zwei Ehen war er Vater von zwölf Söhnen geworden, die daheim von seiner zweiten Gattin erzogen wurden. Aber das kleine Besitztum genügte für seine zahlreiche und kühne Nachkommenschaft nicht. Seine Söhne sahen in der Nachbarschaft die Folgen der Armut und Zwietracht und beschlossen, in auswärtigen Kriegen sich ein Erbe zu erkämpfen. Nur zwei blieben zurück, um ihren alten Vater zu pflegen und den Stamm fortzupflanzen. Ihre zehn Brüder verließen einer nach dem anderen, sobald sie zu Männern geworden waren, das Schloß, gingen über die Alpen und stießen zu ihren Brüdern in Apulien. Die älteren wurden von ihrem angeborenen Mut vorwärts getrieben, die jüngeren durch deren Erfolge ermuntert, und die Ältesten, Wilhelm, Drogo und Humphrey, wurden wegen ihrer Verdienste zu den Oberhäuptern ihres Volkes gewählt und die Stifter einer neuen Republik. Robert war der älteste der sieben Söhne zweiter Ehe, und selbst die Feinde zollten ihm als Krieger und Staatsmann Lob. Er war größer als die Größten seines Heeres, von großer Stärke und Schönheit, und bis zu seinem Tode war er gesund, gebieterisch und würdevoll. Er hatte eine rote Gesichtsfarbe, breite Schultern, Haar und Bart waren lang und lichtblond. Feuer strahlte aus seinen Augen, und seine Stimme vermochte, gleich jener des Achilleus, den Lärm der Schlacht zu übertönen und Schrecken zu verbreiten. In den frühen Zeiten des Rittertums ist ein Mann mit solchen Eigenschaften nicht unwürdig, die Aufmerksamkeit des Dichters oder Geschichtschreibers zu erwecken: sie können anführen, daß Robert zu gleicher Zeit mit gleicher Gewandtheit mit der rechten Hand sein Schwert, mit der linken seine Lanze schwingen konnte, daß er in der Schlacht von Civitella drei Pferde verlor und daß man ihm bei dieser Schlacht den Preis der Tapferkeit vor allen Kriegern bei Freund und Feind zuerkannte. Sein grenzenloser Ehrgeiz war mit dem Bewußtsein größeren Wertes verbunden. Auf seiner Laufbahn hemmten ihn niemals Rücksichten auf Gerechtigkeit und Menschlichkeit, und obwohl er ruhmsüchtig war, war die Wahl seiner Mittel nur von dem zu erwartenden Erfolg abhängig. Der Beiname Guiscard wurde diesem Meister in der Politik gegeben, was man nur zu oft mit Verstellung und Betrug verwechselt; der apulische Dichter rühmt Robert, daß er Ulysses an List und Cicero an Beredsamkeit übertroffen habe. Diese Fähigkeiten wurden durch seine kriegerischen verschleiert; selbst auf der höchsten Stufe des Glücks war er zu seinen Waffengefährten vertraulich und hörte ihre Beschwerden an. Während er die Vorurteile seiner neuen Untertanen scheinbar annahm, trug er jedoch immer die Tracht seiner Heimat und behielt die alten Sitten bei. Er war raubsüchtig und freigebig, durch seine frühere Dürftigkeit war er an Mäßigkeit gewöhnt. Die geringste Summe war ihm willkommen, und er ließ seine Gefangenen unbarmherzig foltern, um sie zu zwingen, ihre verborgenen Schätze anzugeben. Nach Angabe der Griechen verließ er die Normandie mit nur fünf Reitern und dreißig Mann zu Fuß, aber selbst dies dürfte übertrieben sein: der sechste Sohn Tankreds von Hauteville zog als Pilger über die Alpen. Seine erste Schar waren italienische Abenteurer, die er zusammengelesen hatte. Seine Brüder und Landsleute hatten die fruchtbaren Gebiete Italiens unter sich geteilt und bewachten ihre Besitzungen mit Eifersucht und Geiz. Der emporstrebende Jüngling wurde nach Kalabrien getrieben, und bei seinen ersten Taten gegen Eingeborene und Griechen kann man den Helden nicht vom Räuber unterscheiden. Ein Schloß oder Kloster überrumpeln, die umliegenden Dörfer plündern, um Nahrung zu erhalten, waren die Taten, die ihn für größere Kämpfe stählten. Die Freiwilligen aus der Normandie scharten sich unter seiner Fahne zusammen und nahmen unter seiner Herrschaft die Art und den Namen der Normannen an.
Die sich mit seinem Glück entfaltenden Fähigkeiten erweckten die Eifersucht seines älteren Bruders, der bei einem kleinen Streite sein Leben bedrohte und seine Freiheit beschnitt. Nach Humphreys Tode konnten ihm seine zu jungen Söhne nicht im Oberbefehle folgen; Guiscard wurde auf den Schild erhoben und als Graf von Apulien und Feldherr der Republik begrüßt. Sein Ansehen und seine Macht wuchsen, er nahm die Eroberung Kalabriens wieder auf und strebte nach einem höheren Range. Wegen Raub oder Kirchenfrevel war er dem Kirchenbann verfallen; Nikolaus II. ließ sich jedoch ohne Mühe davon überzeugen, daß Streitigkeiten zwischen Freunden ihnen gegenseitig zum Nachteil gereichen würden, daß die Normannen die treuen Verteidiger des Heiligen Stuhles wären und daß man mit größerer Sicherheit auf das Bündnis mit einem Fürsten als auf ein solches mit einer launenhaften Aristokratie bauen könne. Eine Synode von hundert Bischöfen wurde nach Melphi berufen, und der Graf gab ein wichtiges Unternehmen auf, um den Papst zu bewachen und seine Beschlüsse auszuführen. Aus Dankbarkeit und Politik verlieh er Robert und seinen Nachkommen den Herzogstitel, belehnte ihn mit Apulien, Kalabrien und allen Provinzen, die er in Italien und Sizilien den schismatischen Griechen und Sarazenen entreißen würde. Diese apostolische Verleihung rechtfertigte seine Taten, konnte jedoch einem freien und siegreichen Volk die Zustimmung nicht abnötigen, weshalb Guiscard diese Auszeichnung verheimlichte, bis er im folgenden Feldzug Cosenza und Reggio erobert hatte. In der Stunde des Triumphes versammelte er seine Truppen und forderte die Normannen auf, den Beschluß des Stellvertreters Christi zu bestätigen. Die Soldaten begrüßten ihren Herzog freudig, und die Grafen leisteten ihm widerwillig und mit geheimer Entrüstung den Eid der Treue. Nach dieser Thronbesteigung nannte sich Robert: » Von Gottes und des heiligen Petrus Gnaden Herzog von Apulien, Kalabrien und dereinst von Sizilien«, aber er brauchte zwanzig Jahre, um diesen Titel zu verwirklichen. Die langsamen Fortschritte in einem so kleinen Land mögen den Fähigkeiten des Anführers und dem Mut der Nation unwürdig erscheinen; allein die Zahl der Normannen war klein, ihre Hilfsquellen gering, sie dienten freiwillig und waren unzuverlässig. Die Barone widersetzten sich zuweilen den kühnsten Plänen des Herzogs; die zwölf vom Volke gewählten Grafen verschworen sich gegen seine Herrschaft, und die Söhne Humphreys verlangten gegen ihren treulosen Oheim nach Rache und Anerkennung ihrer gerechten Ansprüche. Der kluge und tätige Guiscard entdeckte ihre Komplotte, unterdrückte die Empörung und bestrafte die Schuldigen mit Tod oder Verbannung. Seine besten Jahre und die Kräfte der Nation wurden in diesen einheimischen Fehden nutzlos vergeudet. Nach Überwältigung seiner auswärtigen Feinde, der Griechen, Langobarden und Sarazenen zogen sich deren geschlagene Truppen in die festen und volkreichen Städte an der Küste zurück. Sie zeichneten sich besonders im Bau von Befestigungsanlagen und bei der Verteidigung aus, die Normannen dagegen waren gewohnt, zu Pferde im Felde zu dienen, und ihre Angriffe auf befestigte Städte konnten nur mit der Zeit Erfolg haben. Salerno widerstand acht Monate, und Bari wurde jahrelang belagert. Bei diesen Unternehmungen war der Normannenherzog stets in den vordersten Reihen der Kämpfenden, der Ausharrendste bei allen Strapazen und der Geduldigste. Als er die Zitadelle von Salerno bedrängte, zerschmetterte ein großer Stein eine seiner Belagerungsmaschinen, und ein Splitter verwundete ihn an der Brust. Vor Bari wohnte er in einer elenden, aus dürren Ästen gebauten und mit Stroh gedeckten Baracke, eine gefährliche Wohnung, die alle Zugwinde der rauhen Jahreszeit zuließ und vor den Speeren der Feinde keinen Schutz bot!
Robert eroberte in Italien ungefähr so viel Land wie das spätere Königreich Neapel umfaßte, und die durch ihn vereinigten Länder wurden während siebzehnhundert Jahren nicht mehr getrennt. Das Reich bestand aus den griechischen Provinzen Kalabrien und Apulien, dem lombardischen Fürstentum Salerno, der Republik Amalfi und den zu dem großen Herzogtum Benevent gehörigen inneren Landesteilen. Nur drei Bezirke hatten eine Sonderstellung, einer für immer, die beiden anderen bis zur Mitte des folgenden Jahrhunderts. Die Stadt Benevent samt den umliegenden Ländereien war dem römischen Papste vom deutschen Kaiser geschenkt oder im Tauschwege abgetreten worden. Obwohl dieses geheiligte Land zuweilen mit Kriegsmacht überzogen wurde, war zuletzt der Name des heiligen Petrus stets mächtiger als das Schwert der Normannen. Von ihrer ersten Kolonie Aversa aus unterjochten und besetzten sie den Staat Capua, dessen Fürsten gezwungen wurden, ihr Brot vor dem Palaste ihrer Väter zu erbetteln. Die Herzöge von Neapel konnten unter dem Schutz des griechischen Reiches ihre und ihres Volkes Freiheit bewahren. Unter den neueroberten Städten Guiscards war Salerno wegen seines Wissens und Amalfi wegen seines Handels von Interesse. Von den verschiedenen Wissenschaften ist sicherlich die Heilkunde jene, die von den wilden wie von den zivilisierten Völkern am frühesten in Anspruch genommen und am meisten benötigt wurde. Die griechische Arzneikunde machte den Weg durch die arabischen Kolonien von Afrika, Spanien und Sizilien, und Salerno, eine berühmte Stadt, wo sich die Männer durch Redlichkeit und die Frauen durch Schönheit auszeichneten, besaß die erste Schule in Europa, wo die Heilkunde gelehrt wurde. Mönche und Bischöfe waren mit diesem nützlichen und einträglichen Gewerbe schließlich einverstanden, und Scharen von Kranken aus den höchsten Ständen suchten bei den Ärzten von Salerno Heilung. Sie wurden von dem normannischen Eroberer beschützt, denn obwohl Guiscard nur für die Waffen erzogen worden war, wußte er den Wert der Gelehrten zu schätzen. Nach neununddreißigjähriger Wanderung kehrte Konstantin, ein afrikanischer Christ, nach Bagdad als Meister der Sprache und der Wissenschaft der Araber zurück. Salerno wurde durch die Schriften des Schülers des Avicenna bereichert. Die Schule der Medizin wurde lange als Universität bezeichnet. Deren Lehren und Vorschriften sind in einer Reihe von Aphorismen in die leontinischen Verse oder lateinischen Reime des zwölften Jahrhunderts eingekleidet und aufbewahrt worden.
Sieben Meilen westlich von Salerno und dreißig südlich von Neapel lag die unbedeutende Stadt Amalfi, die sich zur mächtigen Industriestadt entfaltete. Das Land war zwar fruchtbar, aber nur von geringer Ausdehnung, doch die See war zugänglich und stand offen. Die Einwohner versahen zuerst die abendländische Welt mit den Waren und Produkten des Ostens, und dieser Handel wurde die Quelle des Reichtums und der Freiheit. Die Regierung war republikanisch, an der Spitze der Verwaltung stand ein Herzog, und die Oberhoheit besaß der griechische Kaiser. Amalfi hatte fünfzigtausend Bürger, und es gab keine Stadt, die mehr Gold, Silber und Luxusgegenstände enthielt, als sie. Die Seeleute, die es in großer Zahl gab, zeichneten sich in den nautischen Wissenschaften besonders aus. Die Entdeckung des Kompasses wird ihnen zugeschrieben. Ihr Handel umfaßte die Waren Afrikas, Arabiens und Indiens, ihre Niederlassungen in Konstantinopel, Antiochia, Jerusalem und Alexandria besaßen die Vorrechte unabhängiger Kolonien. Nach dreihundertjährigem Wohlstand wurde Amalfi von den Normannen unterdrückt, von dem eifersüchtigen Pisa verheert. Jetzt gibt es nur mehr tausend arme Fischer, die jedoch in den Resten des Arsenals, der Kathedrale und der Paläste königlicher Kaufleute Denkmäler der Größe ihrer Ahnen besitzen.
Roger, der zwölfte und jüngste von Tankreds Söhnen, war durch sein zartes und durch das hohe Alter seines Vaters lange in der Normandie zurückgehalten worden. Er nahm die an ihn ergangene willkommene Einladung an, eilte in das apulische Lager und erwarb sich zunächst die Hochachtung seines Bruders, der später auf ihn neidig wurde. Tapferkeit und Ehrgeiz besaßen sie in gleichem Grade, aber die Jugend, Schönheit und die angenehmen Sitten Rogers fesselten Krieger und Volk an ihn. Er und seine vierzig Krieger erhielten so wenig zu ihrem Unterhalt, daß er zuerst Räubereien, dann sogar Diebstähle beging. Die Eigentumsbegriffe waren so wenig feststehend, daß sein eigener Geschichtschreiber auf seinen Befehl ausdrücklich erwähnt, er habe aus dem Stall von Melphi Pferde gestohlen. Sein Geist erhob sich aus Armut und Schmach. Von seinen privaten Räubereien wendete er sich ab und führte verdienst- und ruhmvoll einen heiligen Krieg. Sein Einbruch in Sizilien wurde von seinem Bruder Guiscard begünstigt. Nach dem Rückzug der Griechen, hatten die Götzendiener ihre verlorenen Provinzen wieder erlangt, aber die Befreiung der Insel, die den Streitkräften des morgenländischen Reiches nicht gelungen war, wurde von einer kleinen Schar Abenteurer durchgeführt. Roger setzte bei seinem ersten Einfall in einem kleinen Boote über, landete mit nur sechzig Kriegern am feindlichen Gestade, jagte die Sarazenen bis an die Tore Messinas und kehrte wohlbehalten mit Beute beladen zurück. Im Schloß Trani zeigte er, daß er gleicherweise mutig und geduldig war. Im hohen Alter pflegte er mit Vergnügen zu erzählen, daß er bei dieser Belagerung mit seiner Gattin nur mehr einen Mantel besaß, den sie abwechselnd trugen. Bei einem Ausfalle sei sein Pferd von den Sarazenen getötet und er selbst gefangen worden. Nachdem er sich mit seinem Schwerte befreit hatte, sei er mit dem Sattel auf den Rücken heimgekehrt, damit nicht das geringste Siegenzeichen in den Händen der Feinde bliebe. Bei der Belagerung von Trani widerstanden dreihundert Normannen den Streitkräften der ganzen Insel und schlugen sie zurück. Auf dem Schlachtfelde von Ceramio wurden fünfzigtausend Mann zu Pferde und zu Fuß von einhundertsechsunddreißig christlichen Kriegern geschlagen. Die erbeuteten Fahnen und vier Kamele wurden für den Nachfolger des heiligen Petrus aufbewahrt, und wenn diese Siegeszeichen nicht im Vatikan, sondern am Kapitol aufgestellt worden wären, hätten sie an die Punischen Kriege erinnert. Die angeführten Zahlen über die Stärke der Normannen bedeuten höchstwahrscheinlich die Ritter, die Krieger von edlem Range, denen je fünf bis sechs Anhänger in das Feld folgten; aber selbst mit Hilfe dieser Interpretation und wenn man Tapferkeit, Waffen und Ruf in Betracht zieht, bleibt die Niederlage solcher Massen unverständlich und läßt nur die Wahl zwischen Wunder oder Fabel offen. Die Araber von Sizilien erhielten häufig mächtigen Beistand von ihren Stammverwandten in Afrika. Bei der Belagerung von Palermo standen den Normannen die Galeeren von Pisa bei, und bei der Schlacht wetteiferten die sonst neidischen Brüder miteinander. Nach dreißigjährigem Krieg erlangte Roger mit dem Titel Großgraf die Souveränität über die größte und fruchtbarste Insel des Mittelmeeres und zeigte während seiner Regierung einen edlen, sein Zeitalter und seine Erziehung weit überragenden Geist. Die Muselmanen durften ihre Religion weiter ausüben und behielten ihr Eigentum. Ein Philosoph und Arzt von Mazora aus Mohammeds Stamm sprach den Eroberer an und erhielt von ihm eine Einladung an den Hof; seine Geographie der sieben Klimate wurde in das Lateinische übersetzt, und Roger zog dieses Werk, nachdem er es emsig durchgelesen hatte, den Schriften des Griechen Ptolemäus vor. Die restlichen christlichen Einwohner hatten zum Erfolg der Normannen beigetragen: der Triumph des Kreuzes war ihr Lohn. Die Insel gehorchte wieder dem Papst, neue Bischöfe wurden für die vornehmsten Städte ernannt und Kirchen und Klöster den Geistlichen freigebig zugeteilt. Aber der christliche Held wahrte seine Rechte der weltlichen Herrschaft. Statt die Belehnung mit den Pfründen dem Papste zu überlassen, machte er sich schlau dessen Ansprüche zunutze, und die Herrschaft der Krone wurde durch die merkwürdige Bulle, die die Fürsten von Sizilien zu erblichen und ständigen Legaten des Heiligen Stuhles erklärt, gesichert und vergrößert.
Robert Guiscard hatte von der Eroberung Siziliens mehr Ruhm als Vorteil: Apulien und Kalabrien waren ihm in seinem Ehrgeize zu klein, und er beschloß die erste Gelegenheit zu benutzen, nötigenfalls sie zu schaffen, um in das römische Reich des Ostens einzubrechen und es vielleicht zu unterjochen. Von seiner ersten Gattin, die in seiner Armut bei ihm ausgeharrt hatte, ließ er sich unter dem Vorwande mit ihr blutsverwandt zu sein, scheiden, und ihr Sohn Bohemund ahmte seinen berühmten Vater nach, ohne an seine Stelle zu gelangen. Die zweite Gemahlin Guiscards war die Tochter der Fürstin von Salerno. Die Lombarden beruhigten sich, da die Erbfolge auf ihren Sohn Roger überging, die fünf Töchter wurden ehrenvoll vermählt. Eine derselben wurde in zartem Alter mit Konstantin, dem Sohne und Erben des Kaisers Michael, verlobt. Aber die Herrscher von Konstantinopel wurden gestürzt, die kaiserliche Familie Ducas im Palaste oder Kerker gefangen gehalten, und Robert beweinte und rächte die Schmach seiner Tochter und seines Bundesgenossen. Eine Grieche, der sich als Vater Konstantins bezeichnete, erschien bald in Salerno und erzählte über seinen Sturz und sein Entweichen. Er wurde vom Herzog anerkannt und mit dem Prunk und den Titeln des Kaisers geschmückt. Bei seinem Triumphzug durch Apulien und. Kalabrien wurde Michael mit Tränen und Zurufen vom Volke begrüßt, und Papst Gregor der Siebente ermahnte die Katholiken und Bischöfe, für seine Wiedereinsetzung zu predigen und zu kämpfen. Er pflog mit Robert häufig vertraulichen Umgang; dennoch war dieser Michael nach dem Geständnis der Griechen und Lateiner ein Betrüger, ein dem Kloster entsprungener Mönch, oder ein Mensch, der im Palaste gedient hatte. Der Betrug war von dem schlauen Guiscard ersonnen worden, der darauf rechnete, daß der Prätendent, nachdem er einen anständigen Vorwand zum Krieg abgegeben hatte, auf einen Wink des Eroberers wieder verschwinden würde. Sieg war das einzige Argument, das den Glauben der Griechen bestimmen konnte, aber die Lateiner waren eher leichtgläubig als eifrig. Die alten Normannen wünschten sich in Ruhe ihrer erkämpften Länder zu erfreuen, die unkriegerischen Italiener zitterten vor den bekannten und unbekannten Gefahren eines Zuges über die See. Robert sparte beim Sammeln neuer Truppen nicht mit Geschenken und Versprechungen, drohte mit Bestrafung durch die weltliche und geistliche Macht, und man warf ihm nach Begehung einiger Gewalttaten vor, daß Greise und Kinder ohne Unterschied zum Dienste des unbarmherzigen Fürsten gepreßt wurden. Nach zweijährigen unaufhörlichen Rüstungen versammelten sich die Streitkräfte zu Lande und zu Wasser beim äußersten Vorgebirge, der Ferse von Italien. Robert wurde von seiner Gattin, die an seiner Seite fechten wollte, von seinem Sohn Bohemund und dem angeblichen Kaiser Michael begleitet. Dreizehnhundert Ritter normannischer Abstammung bildeten den Kern des Heeres, das bis dreißigtausend Mann, Truppen und Troß, stark sein mochte. Menschen, Pferde, Waffen, Maschinen, mit rohen Häuten bedeckte Türme wurden an Bord von hundertfünfzig Fahrzeugen eingeschifft. Die Transportschiffe waren in den italienischen Häfen gebaut und die Galeeren von der verbündeten Republik Ragusa geliefert worden.
An der Mündung des Adriatischen Meerbusens nähern sich die Küsten von Italien und Epirus einander. Die Entfernung von Brindisi und Durazzo beträgt nur hundert Meilen. Bei Otranto verengt sich das Meer bis auf fünfzig Meilen. Diese geringe Entfernung hatte Pyrrhus und Pompejus dazu gebracht, an die Errichtung einer Brücke zu denken, für die damaligen Zeiten eine erhabene Idee. Vor der allgemeinen Einschiffung entsandte der Normannenherzog Bohemund fünfzehn Galeeren, um die Insel Korfu zu erobern oder zu bedrohen, die gegenüberliegende Küste zu besichtigen und in der Nähe von Ballona einen Hafen für die Ausschiffung der Truppen zu sichern. Sie bewerkstelligten die Überfahrt und Landung ohne einen Feind zu gewahren, was den Verfall und die Vernachlässigung der griechischen Flotte beweist. Die Inseln und Seestädte von Epirus wurden von Robert niedergeworfen oder ergaben sich freiwillig. Er führte seine Flotte und Armee von Korfu zur Belagerung von Durazzo. Diese Stadt, der westliche Schlüssel des Reiches, besaß großen Ruhm, neuangelegte Befestigungen und wurde von einem alten Patrizier namens Paläologus, der in den orientalischen Kriegen siegreich gewesen war, sowie von einer zahlreichen Besatzung, die aus Albanesen und Makedoniern bestand, verteidigt, die damals einen sehr kriegerischen Charakter hatten. Guiscard wurde bei dieser Unternehmung, durch Gefahren und Unfälle jeglicher Art, auf die Probe gestellt. In der günstigsten Jahreszeit erhob sich, als seine Flotte an der Küste hinsegelte, plötzlich ein Sturm, der von Schneegestöber begleitet war; das Adriatische Meer wurde von einem aus Süden kommenden Orkan gepeitscht und ein neuer Schiffbruch am Acroceraunischen Felsen fand statt. Segel, Maste und Ruder wurden zersplittert oder weggerissen, die See und das Gestade bedeckten sich mit Schiffstrümmern, Waffen und Leichen. Der größte Teil der Mundvorräte ging unter oder wurde beschädigt. Die herzogliche Galeere wurde mühsam gerettet, und Robert schlug am nahen Vorgebirge sein Lager auf und sammelte sieben Tage die Reste seiner Flotte und sprach seinen Soldaten Mut zu. Die Normannen waren nicht mehr jene kühnen und erfahrenen Seeleute, die den Ozean von Grönland bis zum Atlasgebirge durchschifft hatten und über die Gefahren des Mittelmeeres lächelten. Sie hatten während des Sturmes geweint, gerieten über die Annäherung der feindlichen Venetianer in Bestürzung, die vom byzantinischen Hofe durch Bitten und Verheißungen zur Hilfeleistung bewogen worden waren. Der Kampf der ersten Tage ging für den bartlosen Bohemund, der die Flotte seines Vaters befehligte, nicht ungünstig ans. Die Galeeren der Republik lagen die ganze Nacht in Form eines Halbmondes vor Anker. Sie siegten am zweiten Tag durch ihre gewandten Bewegungen, ihre Bogenschützen, ihre Wurfspieße und durch das ihnen überlassene griechische Feuer. Die apulischen und ragusanischen Schiffe flüchteten ans Ufer, mehreren wurden die Ankertaue gekappt und sie vom Sieger fortgeführt, und ein Ausfall aus der Stadt verbreitete Bestürzung. Rechtzeitige Verstärkung wurde in die Stadt Durazzo geworfen, und nachdem die Belagerer die Herrschaft zur See verloren hatten, weigerten sich die Inseln und Seestädte Tribut zu zahlen und Lebensmittel zu liefern. Das Lager selbst wurde von einer pestartigen Seuche heimgesucht, fünfhundert Ritter starben eines ruhmlosen Todes, und die Anzahl der Begrabenen (wenn alle ein anständiges Begräbnis fanden) stieg auf zehntausend. Bei diesen Drangsalen blieb nur Guiscards Herz fest und unbezwungen, und während er neue Streitkräfte aus Apulien und Sizilien an sich zog, bestürmte oder unterminierte er die Mauern von Durazzo. Aber seiner Kunst und Tapferkeit standen gleiche Tapferkeit und höhere Kunst entgegen. Ein beweglicher Turm, so groß und so geräumig, daß er fünfhundert Soldaten fassen konnte, wurde an den Fuß der Wälle gerollt; das Niederlassen des Tores oder der Zugbrücke wurde jedoch durch einen ungeheuren Balken verhindert und der Turm unverzüglich vom griechischen Feuer verzehrt.
Während das römische Reich von den Türken im Osten und von den Normannen im Westen angegriffen wurde, übergab der greise Nachfolger Michaels das Zepter Alexius, einem berühmten Heerführer und Stifter der Dynastie der Komnenen. Die Prinzessin Anna, seine Tochter und Geschichtsschreiberin, erwähnt in ihrer gezwungenen Art, daß selbst Herkules dem ungleichen Kampf nicht gewachsen gewesen wäre, und sie billigt daher den eiligst mit den Türken geschlossenen Frieden, wodurch ihr Vater instandgesetzt wurde, die Befreiung von Durazzo in Person durchzuführen. Alexius fand bei seiner Thronbesteigung weder Soldaten noch Geld vor; er ergriff aber so kraftvolle Maßregeln, daß er in sechs Monaten ein Heer von siebzigtausend Mann sammeln konnte, mit denen er fünfhundert Meilen zurücklegte. Seine Truppen wurden in Europa und Asien, vom Peloponnes bis zum Schwarzen Meer, ausgehoben, seine Leibwache zu Pferde hatte silberne Rüstungen und die Pferde reiche Geschirre, und der Kaiser hatte ein Gefolge an Fürsten und Großen, von denen mehrere mit dem Purpur bekleidet gewesen waren und infolge der Milde, die in jenen Zeiten herrschte, in Reichtum und Würden fortleben durften. Ihr jugendlicher Eifer befeuerte die Menge; aber ihr Hang zu Vergnügungen und ihr Widerwille gegen soldatischen Gehorsam konnten leicht Unordnung und Unheil veranlassen, und ihr ungeduldiges Geschrei nach einer baldigen Schlacht vereitelte die kluge Maßregel des Alexius, das Belagerungsheer einzuschließen und auszuhungern. Die Aufzählung der Provinzen zeigt den traurigen Gegensatz zwischen der früheren und der damaligen römischen Welt. Die ungeübten Truppen waren eilig und in Schrecken zusammengezogen worden und die Hilfe der Besatzungen von Anatolien oder Kleinasien mit Räumung von Städten erkauft worden, die unverzüglich von den Türken besetzt wurden. Der Kern des griechischen Heeres bestand aus den Warägern, den skandinavischen Leibwachen, die erst kürzlich durch Auswanderer und Freiwillige von der britischen Insel Thule verstärkt worden waren. Die normannischen Eroberer unterdrückten sie gemeinsam und vereinigten so die Dänen und Engländer; eine Schar kühner Jünglinge beschloß ein Land der Knechtschaft zu verlassen. Das Meer stand ihnen zur Flucht offen, und auf ihrer langen Irrfahrt besuchten sie jede Küste auf der sie Freiheit und Befriedigung ihrer Rache zu finden hofften. Sie wurden vom griechischen Kaiser in Dienst genommen und in eine Stadt am asiatischen Gestade als Posten gelegt. Alexius berief sie aber zur Verteidigung seines Palastes und seiner selbst nach Konstantinopel und vererbte seinen Nachfolgern die treue und tapfere Schar. Der Angriff durch die Normannen frischte die Erinnerung an ihre erlittenen Unbilden wieder auf, sie zogen freudig gegen den Nationalfeind und lechzten in Epirus den Ruhm wieder zu gewinnen, den sie in der Schlacht bei Hastings verloren hatten. Die Waräger wurden durch einige Scharen Franken oder Lateiner unterstützt, und die Europäer, die vor dem tyrannischen Guiscard nach Konstantinopel geflohen waren, dürsteten danach, ihren Eifer kundzutun und ihre Rache zu befriedigen. In dieser Not verschmähte der Kaiser die Hilfe der Paulicianer oder Manichäer von Thrazien und Bulgarien nicht. Diese Ketzer, die nach dem Märtyrertod Verlangen trugen, waren mutig, tatkräftig und fügten sich in die Heereszucht. Ein Vertrag mit dem Sultan hatte dem Kaiser die Hilfe einiger tausend Türken verschafft und man konnte der lanzenbewehrten Reiterei der Normannen mit Pfeil und Bogen bewaffnete türkische Kavallerie entgegenstellen. Auf das Gerücht von dieser furchtbaren Heeresmacht und nachdem man ihrer aus der Ferne ansichtig geworden war, versammelte Robert seine vornehmsten Unterbefehlshaber zu einem Kriegsrat. »Ihr sehet«, sprach er, »die Gefahr, sie ist groß und man kann ihr nicht ausweichen. Die Höhen sind besetzt, und der Kaiser der Griechen ist an Kriege und Triumphe gewöhnt. Gehorsamkeit und Eintracht allein kann euch retten: ich bin bereit, wenn ihr dies wünscht, den Oberbefehl einem würdigen Anführer abzutreten.« Der jubelnde Zuruf selbst seiner geheimen Feinde zeigte ihm in diesem gefährlichen Momente, daß er ihre Achtung und ihr Vertrauen besäße und der Herzog fuhr fort: »Lasset uns auf den Sieg bauen und den Feigen die Mittel zum Entkommen rauben. Lasset uns die Schiffe und das Gepäck verbrennen und an dieser Stelle die Schlacht liefern, als wäre hier unser Geburtsort und unser Begräbnisplatz.« Der Antrag wurde allgemein angenommen, und Guiscard erwartete in Schlachtordnung die Annäherung des Feindes. Er wurde im Rücken durch einen kleinen Fluß gedeckt, sein rechter Flügel lehnte sich ans Meer, sein linker an die Berge und vielleicht wußte er nicht einmal, daß an derselben Stelle Cäsar und Pompejus um die Weltherrschaft gekämpft hatten.
Alexius beschloß gegen den Rat seiner erfahrensten Unterbefehlshaber eine allgemeine Schlacht zu wagen und forderte die Besatzung der Stadt Durazzo auf, durch einen rechtzeitigen Ausfall an ihrer Befreiung mitzuwirken. Er marschierte in zwei Heerhaufen, um die Normannen bei Tagesanbruch von zwei Seiten zu überrumpeln; seine leichte Reiterei bedeckte die Ebene, die Bogenschützen bildeten die zweite Linie, und die Waräger beanspruchten die Ehre im Vordertreffen stehen zu dürfen. Beim ersten Angriff wüteten die Streitäxte der Fremden in dem Heere Guiscards, das bereits auf fünfzehntausend Mann zusammengeschmolzen war. Die Lombarden und Kalabrier wandten schimpflich den Rücken, flohen zur Brücke und zum Meere. Aber die Brücke war abgebrochen worden, um einen Ausfall der Belagerten zu erschweren, und an der Küste hielten venetianische Galeeren, die ihre Wurfmaschinen gegen den ordnungslosen Haufen spielen ließen. Sie waren schon fast verloren, als sie durch ihre mutigen und geschickten Anführer gerettet wurden. Gaita, Roberts Gattin, wird von den Griechen als eine kriegerische Amazone, eine zweite Pallas, geschildert. Minder erfahren in den Künsten, aber nicht minder schrecklich in Waffen als die atheniensische Göttin hielt sie, obwohl durch einen Pfeil verwundet, Stand und versuchte die fliehenden Truppen zu sammeln. Der mächtige Ruf und Arm des Normannenherzogs unterstützten sie, der ebenso ruhig in der Schlacht wie hochherzig im Rate war. »Wohin«, schrie er, wohin wollet ihr fliehen! Der Feind ist unversöhnlich und der Tod minder schmerzlich als Knechtschaft.« Der Augenblick war entscheidend; da die Waräger im Zentrum vordrangen, wurden ihre Flügel entblößt. Das Hauptheer des Herzogs, achthundert Ritter, stand fest und undurchbrechbar. Sie legten ihre Lanzen ein und stießen wütend und unwiderstehlich auf die Griechen vor. Es fehlte Alexius weder an den Eigenschaften eines Kriegers noch eines Feldherrn. Kaum erblickte er aber die Niederlage der Waräger und die fliehenden Türken, als er, seine Untertanen verachtend, die Hoffnung auf Sieg aufgab. Die Prinzessin Anna, die wegen dieses traurigen Ereignisses Tränen vergießt, beschränkt sich darauf, die Ausdauer und Schnelligkeit des Pferdes ihres Vaters hervorzuheben und ihn zu preisen, daß er sich im Kampfe wacker gehalten habe, nachdem er durch einen Lanzenstoß fast zu Boden geworfen worden war. Er schlug sich tapfer durch das Frankengeschwader, das sich ihm auf seiner Flucht entgegenstellte, und nachdem er zwei Tage und Nächte in den Gebirgen umhergeirrt war, fand er einige leibliche, wenn auch nicht seelische Ruhe in Lychnidus. Der siegreiche Robert tadelte die langsame und matte Verfolgung, bei der eine so erlauchte Beute entkommen war, tröstete sich aber mit den eroberten Siegeszeichen und Fahnen, mit dem im byzantinischen Lager erbeuteten Reichtümern und mit dem Ruhm, ein Heer, das fünfmal so stark wie sein eigenes gewesen war, geschlagen zu haben. Eine Schar Italiener war das Opfer ihrer eigenen Furcht geworden; von den Rittern aber wurden an diesem denkwürdigen Tage nur dreißig getötet. Die Verluste des römischen Heeres an Griechen, Türken und Engländern beliefen sich auf fünf- bis sechstausend. Die Ebene von Durazzo war mit den Leichen der Erschlagenen aus edlem oder kaiserlichem Blute bedeckt, und der Tod des Betrügers Michael war ehrenvoller als sein Leben.
Es ist mehr als wahrscheinlich, daß Robert über diesen Verlust nicht trauerte. Die Griechen verteidigten nach ihrer Niederlage Durazzo weiter, aber Paläologus, der unklugerweise von seinem Posten abberufen worden war, wurde durch einen venetianischen Befehlshaber ersetzt. Die Belagerer bauten sich feste Hütten an Stelle der Zelte, um die Kälte des Winters besser ertragen zu können, und Robert, der eine trotzige Botschaft von der Besatzung erhalten hatte, ließ sie wissen, daß seine Geduld mindestens ihrer Hartnäckigkeit gleichkomme. Vielleicht baute er bereits auf sein geheimes Einverständnis mit einem venetianischen Edlen, der die Stadt für eine reiche und ehrenvolle Heirat verkaufte. In tiefer Nacht wurden mehrere Strickleitern von den Mauern der Stadt herabgelassen, die behenden Kalabrier stiegen in aller Stille empor, und als die Griechen von den Trompeten geweckt wurden, waren die Normannen Herren der Wälle. Sie verteidigten sich jedoch drei Tage in den Straßen gegen einen Feind, der bereits Herr des Walles war, bis sie endgültig geschlagen wurden. Beinahe sieben Monate waren zwischen der ersten Umschließung und der Übergabe der Stadt verflossen. Von Durazzo drang der Normannenherzog in das Herz von Epirus oder Albanien vor, ging über die vordersten Gebirge von Thessalien, überrumpelte dreihundert Engländer in der Stadt Castoria, näherte sich Thessalonika und machte Konstantinopel zittern.
Er wurde jedoch von der weiteren Verfolgung seiner ehrgeizigen Pläne abgehalten. Sein Heer war auf ein Drittel seiner ursprünglichen Stärke zusammengeschmolzen. Statt daß es aus Italien ergänzt wurde, erhielt er vielmehr durch Klagebriefe die Nachricht, daß während seiner Abwesenheit Unruhen und Aufstände ausgebrochen seien, daß die Städte und Barone von Apulien sich empört hätten, daß der Papst in Not wäre und daß König Heinrich von Deutschland heranziehe, um in Italien einzubrechen. In der stolzen Zuversicht, daß er allein genüge, fuhr er in einer Brigantine über das Meer und ließ die Reste seines Heeres unter dem Befehle seines Sohnes und der normannischen Grafen zurück. Er ermahnte Behomund, die letzteren zu achten und forderte diese zum Gehorsam gegen ihren Anführer auf. Der Sohn Guiscards trat in die Fußstapfen seines Vaters; die Griechen vergleichen beide mit Raupen und Heuschrecken, welch' letztere verzehren, was erstere übriggelassen haben. Nachdem Bohemund zwei Schlachten gegen den Kaiser gewonnen hatte, stieg er in die Ebene von Thessalien nieder, belagerte Larissa, das ehemalige Reich des Achilles, welche Stadt den Schatz und die Vorräte der Byzantiner enthielt. Aber man darf Alexius, der standhaft und klug gegen die Drangsale der Zeiten kämpfte, gerechtes Lob nicht versagen. Da der Staatsschatz leer war, wagte er es, die Kirchengüter zu borgen. Die Manichäer fielen ab und wurden durch Stämme aus der Moldaugegend ersetzt; eine weitere Verstärkung von siebentausend Türken wurde herbeigezogen, um ihre getöteten Brüder zu rächen. Die griechische Kavallerie wurde täglich im Reiten, Bogenschießen, in Überfällen aus dem Hinterhalt geübt. Alexius hatte die Erfahrung gemacht, daß die furchtbare Reiterei der Franken im Kampfe zu Fuß untüchtig, ja nahezu jeder Bewegung unfähig sei. Er befahl daher seinen Bogenschützen mehr auf die Pferde als auf die Reiter zu schießen und ließ den Boden mit eisernen Fußangeln bestreuen. In der Nähe von Larissa kam der Feldzug zum Stehen. Bohemund zeichnete sich stets aus, und seine Unternehmungen waren häufig von Erfolg begleitet; sein Lager wurde jedoch von den Griechen infolge einer Kriegslist geplündert; die Stadt war nicht einzunehmen. Die käuflichen oder mißvergnügten Grafen verließen endlich seine Fahne, wurden ihrer Pflicht untreu und traten in den Dienst des Kaisers. Alexius kehrte nach Konstantinopel als Sieger zurück, der Sohn Guiscards räumte die eroberten Gebiete, die er nicht länger halten konnte, schiffte sich nach Italien ein und wurde von seinem Vater umarmt, der seine Verdienste anerkannte und sein Unglück begriff.
Von den lateinischen Fürsten, Alexius' Bundesgenossen und Roberts Feinden, war Heinrich der Dritte (als Kaiser) oder Vierte (als König von Deutschland) König von Deutschland und Italien und künftiger Kaiser des Abendlandes, der mächtigste. Das Schreiben des griechischen Monarchen an seinen Bruder enthält die wärmsten Freundschaftsbeteuerungen und drückt das lebhafte Verlangen aus, ihren Bund durch ein öffentliches und persönliches Band zu festigen. Er wünscht Heinrich zu seinem Erfolge in einem gerechten und heiligen Kriege Glück und klagt, daß seine eigenen Untertanen durch die verwegenen Unternehmungen Roberts des Normannen in ihrem Glücke gestört würden. Seine Geschenke sind für die Sitten des Zeitalters bezeichnend: eine mit Strahlen versehene Goldkrone, ein mit Perlen besetztes Kreuz, das auf der Brust getragen werden konnte, ein Schrein voll Reliquien mit den Namen und Titeln der Heiligen, eine Vase aus Kristall, eine aus Sardonyx, Balsam, wahrscheinlich aus Mekka, und hundert Stück Purpur. Diesen Geschenken fügte er eine bedeutendere Gabe hinzu, hundertvierzigtausend Byzantiner in Gold und sicherte ihm ferner weitere zweihundertsechzigtausend zu, sobald Heinrich Apulien mit seinem Heere betreten und durch einen Eid den Bund gegen den gemeinsamen Feind bekräftigt haben würde. Heinrich, der sich bereits an der Spitze eines Heeres in der Lombardei befand, nahm das freigebige Anerbieten an und rückte gegen Süden vor; die Kunde von der Schlacht von Durazzo zügelte seine Schnelligkeit. Die Rückkehr Roberts wurde durch seinen Namen und sein Heer jedoch erheblich beschleunigt, womit Heinrich die ihm von Alexius zugesagte Summe mehr als reichlich verdient hatte. Heinrich war der erbitterte Gegner der Normannen, der Bundesgenossen und Vasallen seines schlimmsten Feindes, Gregors des Siebenten. Der Kampf zwischen Thron und Inful war durch den ehrgeizigen, stolzen Priester künstlich wieder entzündet worden; der König und der Papst hatten sich gegenseitig abgesetzt und jeder einen Nebenbuhler auf den Thron seines Gegners erhoben. Nach der Niederlage und dem Tode des schwäbischen Anführers zog Heinrich nach Italien, um sich zum Kaiser krönen zu lassen und den Papst aus dem Vatikan zu vertreiben. Aber die Einwohner Roms hingen Gregor an; sie wurden durch herbeigezogene Krieger aus Apulien gestärkt, von wo auch Geld einlangte. Die Stadt wurde vom Könige von Deutschland dreimal fruchtlos belagert. Im vierten Jahre bestach er mit byzantinischem Gelde, wie gemeldet wird, die Großen, deren Besitzungen und Schlösser durch den Krieg verheert worden waren. Die Tore, Brücken und fünfzig Geißeln wurden in seine Hände geliefert und der Gegenpapst Clemens der Dritte im Lateran geweiht. Der dankbare Papst krönte seinen Schutzherrn im Vatikan, und der Kaiser Heinrich schlug seine Residenz als rechtmäßiger Nachfolger des Augustus und Karls des Großen auf dem Capitole auf. Die Trümmer des Septizoniums wurden weiter von Gregors Neffen verteidigt und dieser selbst in der Engelsburg belagert. Er konnte lediglich auf seine mutigen und treuen normannischen Vasallen hoffen. Ihre Freundschaft hatte wegen verschiedener Streitigkeiten einen Riß erlitten; aber im gegenwärtigen Falle wurde Guiscard durch seinen Eid und sein Interesse, das mächtiger war als alle Eide, durch Liebe zu Ruhm und Feindschaft gegen die beiden Kaiser getrieben, seine Partei zu ergreifen. Er entfaltete die heilige Fahne und beschloß dem Papste zu Hilfe zu eilen, sammelte unverzüglich das zahlreichste Heer, das er je besessen, sechstausend Reiter und dreißigtausend Mann zu Fuß. Sein Marsch nach Rom wurde allgemein bejubelt und die Gunst des Himmels wurde ihm verheißen. Heinrich, in sechsundsechzig Schlachten unbesiegt, zitterte bei seiner Annäherung, erinnerte sich einiger unaufschiebbarer Geschäfte, die seine Gegenwart in der Lombardei erforderten, ermahnte die Römer treu zu bleiben und entfernte sich eiligst drei Tage vor dem Einzuge der Normannen. In weniger als drei Jahren hatte der Sohn Tankreds den Papst befreit und die zwei Kaiser des Morgen- und Abendlandes bezwungen; sie flohen vor ihm. Aber der Triumph Roberts wurde durch die Drangsale, die Rom zu erleiden hatte, getrübt. Mit Hilfe der Freunde Gregors waren zwar die Mauern durchlöchert oder erstiegen worden, aber noch war die kaiserliche Partei mächtig und tätig; am dritten Tag brach im Volke ein mächtiger Aufruhr los, und ein übereiltes Wort des Siegers gab Anlaß zu Brand und Plünderung. Die Sarazenen von Sizilien, Untertanen Rogers und Hilfstruppen seines Bruders, benutzten die schöne Gelegenheit und beraubten und entweihten die heilige Stadt der Christen. Viele tausend Menschen wurden von den Bundesgenossen des heiligen Vaters getötet, geschändet, in Gefangenschaft geschleppt und ein großes Viertel der Stadt, vom Lateran bis zum Kollosseum, von den Flammen verzehrt. Gregor verließ die Stadt, wo er nur gehaßt und nicht mehr gefürchtet wurde, um seine Tage im Palaste von Salerno zu beenden. Der schlaue Papst machte dem eitlen Guiscard vielleicht Hoffnungen auf die römische oder kaiserliche Krone; dies war jedoch nicht ohne Gefahr, denn dann hätten sich die treuesten Freunde Deutschlands für immer von ihm abgewandt.
Der Befreier und die Geißel Roms hätte sich nun Ruhe gönnen können; aber noch im gleichen Jahre, in dem der Kaiser geflohen war, nahm der unermüdliche Robert seinen Plan, Eroberungen im Osten zu machen, wieder auf. Gregor hatte ihm aus Dankbarkeit die Königreiche Griechenland und Asien verheißen, seine Truppen standen stolz auf ihre Erfolge und gierig nach weiterem Kampf in Waffen. Ihre Zahl wird von Anna mit der von Bienenschwärmen verglichen; aber seine maximale Heeresstärke ist bereits angegeben worden. Diesmal besaß er hundertzwanzig Fahrzeuge; er zog der vorgerückten Jahreszeit halber den Hafen von Brindisi der offenen Reede von Otranto vor. Alexius hatte sich aus Furcht vor einem zweiten Angriff bemüht, die Seemacht des Reiches wieder herzustellen. Die Republik Venedig stellte ihm sechsunddreißig Transportschiffe, vierzehn Galeeren und neun Galeoten, Schiffe von außerordentlicher Größe und Stärke, zur Verfügung. Sie erhielt dafür Handelsmonopole, mehrere Buden und Häuser im Hafen von Konstantinopel, sowie Spenden für den heiligen Markus, welche den venetianischen Kaufleuten um so willkommener waren, als diese aus den Tributzahlungen ihrer Nebenbuhler von Amalfi stammten. Durch die Vereinigung der griechischen und venetianischen Flotten wimmelte das Adriatische Meer von feindlichen Fahrzeugen. Durch Roberts Geschick oder die Nachlässigkeit der Griechen, durch Umspringen des Windes oder mit Hilfe einer Nebelwand, gelang es den normannischen Truppen ungehindert an der Küste von Epirus zu landen. Mit zwanzig starken und wohlausgerüsteten Galeeren suchte der unerschrockene Herzog unmittelbar den Feind auf. Er war eigentlich nur gewohnt zu Pferde zu kämpfen, setzte aber sein eigenes Leben und das seines Bruders und zweier Söhne in einer Seeschlacht aufs Spiel. Nahe der Insel Korfu fanden drei Gefechte statt; in den beiden ersten behielten die geschickteren und zahlreicheren Verbündeten die Oberhand, aber im dritten errangen die Normannen einen entscheidenden und vollständigen Sieg. Die leichten Brigantinen der Griechen wurden in schimpfliche Flucht geschlagen; die neun schwimmenden Kastelle der Venetianer kämpften hartnäckig, dennoch wurden sieben versenkt und zwei genommen; zweitausendfünfhundert Gefangene flehten vergeblich um Gnade und Barmherzigkeit. Nach diesem Kampfe beklagte die Tochter des Alexius den Verlust von dreizehntausend seiner Untertanen oder Bundesgenossen. Guiscards Genie hatte seinen Mangel an Erfahrung ersetzt; jeden Abend, wenn er zum Rückzug hatte blasen lassen müssen, erwog er die Ursachen seiner Niederlage und ersann neue Methoden, um den Mängeln abzuhelfen und die Vorteile des Feindes auszugleichen. Der Winter vereitelte sein weiteres Vordringen; mit Wiederkehr des Frühlings versuchte er neuerlich die Eroberung Konstantinopels. Statt aber über die Berge von Epirus zu gehen, wendete er sich gegen Griechenland und Italien, wo Beute zu holen war und wo die Streitkräfte zu Wasser und Lande vereint mit Nachdruck und Wirksamkeit vorgehen konnten. Aber auf der Insel Kephalonia brach unter seinen Truppen eine epidemische Krankheit aus, Robert selbst verschied an ihr im siebzigsten Lebensjahre in seinem Zelte. Das Gerücht ging um, daß seine Gattin oder der griechische Kaiser ihn vergiftet hätten. Sein Tod läßt der Phantasie bezüglich der Taten, die er noch vollbracht hätte, freien Spielraum; die nächste Zeit beweist hinreichend, daß die Größe der Normannen auf ihn gegründet war. Ohne daß sich der Feind auch nur zeigte, zerstreute sich sein siegreiches Heer oder zog sich in Unordnung oder Bestürzung zurück, und Alexius, der für sein Reich gezittert hatte, freute sich seiner Befreiung. Die Galeere, die die Überreste Guiscards führte, scheiterte an dem italienischen Gestade; die Leiche des Herzogs wurde jedoch aus der See gefischt und in der Gruft von Venusia beigesetzt, ein Ort, der als Geburtsstätte des Horaz berühmt ist. Roger, sein zweiter Sohn und Nachfolger, sank sofort zu der untergeordneten Stellung eines Herzogs von Apulien herab; der tapfere Bohemund erbte von seinem ihn hochachtenden aber parteiischen Vater nur das Schwert. Er beunruhigte mit seinen Ansprüchen die Nation, bis der erste Kreuzzug gegen die Ungläubigen des Ostens ihm ein ruhmreiches Feld der Betätigung eröffnete.
Die männliche Linie Robert Guiscards erlosch sowohl in Apulien als Antiochia in der zweiten Generation; aber sein jüngerer Bruder wurde der Ahnherr einer Reihe von Königen. Der Sohn des Großgrafen besaß den Namen, die Länder und den Mut des ersten Roger. Der Erbe dieses normannischen Abenteurers war in Sizilien geboren und wurde im Alter von vier Jahren Souverän der Insel. Hätte sich Roger mit seinem fruchtbaren Erbe begnügt, so hätte ihn ein glückliches und zufriedenes Volk gesegnet; und wenn durch weise Verwaltung die glücklichen Zeiten der griechischen Regierung hätten wieder hergestellt werden können, wäre Sizilien ein weites und machtvolles Reich gewesen. Aber der ehrgeizige Großgraf wußte nichts von solchen edlen Bestrebungen, er ging vielmehr mit Gewalt und List vor. Er strebte nach dem ungeteilten Besitze von Palermo, wovon die eine Hälfte der älteren Linie abgetreten worden war, suchte seine Grenzen in Kalabrien, trotz der bestehenden Verträge, zu erweitern und beobachtete ungeduldig die abnehmende Gesundheit seines Vetters Wilhelm von Apulien, des Enkels Roberts. Auf die erste Nachricht von seinem Tode segelte Roger mit sieben Galeeren von Palermo ab, ging in der Bai von Salerno vor Anker, empfing nach zehntägiger Verhandlung von den Bewohnern der normannischen Hauptstadt den Eid der Treue, erlangte die Unterwerfung der Barone und erzwang seine gesetzliche Belehnung von den sich sträubenden Päpsten, die weder Freundschaft noch Feindschaft eines mächtigen Vasallen lange ertragen konnten. Der geheiligte Ort Benevent wurde als Eigentum des Papstes ehrfurchtsvoll geschont, Capua und Neapel jedoch unterworfen und damit der Plan seines Oheims Guiscard vollendet; der siegreiche Roger war Herrscher über alle normannischen Eroberungen. Im Bewußtsein seiner Überlegenheit und Macht verschmähte er den Titel eines Herzogs und Grafen. Die Insel Sizilien und ein Drittel des italienischen Festlandes konnte gar wohl die Grundlage eines Königreiches bilden, das nur den Monarchien England und Frankreich nachstand. Die Häupter der Nation, die seiner Krönung zu Palermo beiwohnten, durften ohne Zweifel bestimmen, unter welchem Titel er über sie herrschen sollte; aber das Beispiel eines griechischen Tyrannen oder sarazenischen Emirs reichte nicht hin, um seine königliche Würde zu rechtfertigen, und die neun Könige der lateinischen Welt konnten ihren neuen Genossen verleugnen, so lange er nicht durch den Papst geweiht worden war. Anacletus fühlte sich geschmeichelt, daß der stolze Normanne sich herabgelassen hatte, ihn um die Krönung zu bitten. Inzwischen war aber als Gegenpapst Innozenz der Zweite gewählt worden, der, während Anacletus im Vatikan residierte, als siegreicher Flüchtling von den Nationen Europas anerkannt wurde. Die junge Monarchie Rogers wurde durch seine unglückliche Wahl eines kirchlichen Schutzherrn erschüttert und fast zum Einsturz gebracht; Lothar der Zweite von Deutschland und die Flotte Pisas zogen gegen ihn, Innozenz schleuderte seinen Bannstrahl, und auch der heilige Bernhard wandte sich gegen den sizilianischen Räuber. Nach tapferem Widerstände wurde der Normannenfürst vom italienischen Festlande vertrieben; ein neuer Herzog von Apulien wurde vom Papst und Kaiser belehnt, welch letztere jeder ein Ende des Gofanon oder der Fahne hielten, als Zeichen, daß sie sich ihr Recht vorbehielten und ihren Streit einstellten. Eine solche eifersüchtige Freundschaft ist jedoch von kurzer Dauer; die deutschen Heere schmolzen bald durch Krankheit und Rückkehr einzelner nach Deutschland zusammen. Der apulische Herzog wurde mit allen seinen Anhängern von einem Fürsten, der weder den Toten noch den Lebendigen verzieh, ausgerottet. Gleich seinem Vorgänger Leo dem Neunten wurde der schwache, wenngleich stolze Papst der Gefangene und Freund der Normannen. Ihre Versöhnung wurde von dem beredten Bernard gefeiert, der jetzt die Tugenden und den Titel des Königs von Sizilien pries.
Dieser Monarch hatte vielleicht als Buße für seinen gottlosen Krieg gegen den Nachfolger des heiligen Petrus versprochen, die Fahne des Kreuzes zu entfalten; er erfüllte mit Feuereifer ein Gelübde, das so in seinem Interesse lag und durch das er seinen Rachedurst befriedigen konnte. Sizilien hatte wieder unter den Sarazenen gelitten und eine gerechte Vergeltung sollte ihre Häupter treffen; die Normannen, die sich mit ihren Untertanen bereits sehr vermischt hatten, wurden aufgefordert, der Seesiege ihrer Ahnen zu gedenken, ihnen nachzueifern und auf dem Höhepunkte ihrer Macht mit einer im Verfall begriffenen afrikanischen Macht zu kämpfen. Als der fatimitische Kalif zur Eroberung von Ägypten auszog, belohnte er seinen Diener Joseph mit seinem königlichen Mantel, vierzig arabischen Pferden, seinem Palast samt dessen prachtvoller Einrichtung und der Statthalterschaft der Königreiche Tunis und Algier. Die Zeiriden, Josephs Nachkommen, vergaßen Treue und Dankbarkeit gegen einen fernen Wohltäter, machten sich unabhängig, gründeten eine orientalische Dynastie und siechten nun in Schwäche dahin. Von der Landseite wurden sie von den Almohaden, den fanatischen Fürsten von Marokko bedrängt, während die Küste den Griechen und Franken offenstand, die noch im elften Jahrhundert von ihnen ein Lösegeld von zweihunderttausend Goldstücken erpreßt hatten. Roger vereinigte in seinen ersten Kämpfen Malta mit Sizilien. Hierauf wurde die starke Seestadt niedergeworfen, die Männer niedergemetzelt und die Weiber entführt, eine Maßnahme, die durch die gleichen Untaten der Muselmanen gerechtfertigt erscheint. Die Hauptstadt der Zeiriden hieß Afrika, nach ihrem arabischen Gründer jedoch Mahadia. Sie ist stark gebaut, steht auf einer Landzunge, die Unsicherheit ihres Hafens wird aber durch die Fruchtbarkeit der umliegenden Landstriche nicht aufgewogen. Mahadia wurde von dem sizilianischen Admiral Georg mit einer Flotte von hundertfünfzig mit Kriegern und Zerstörungswerkzeugen reichlich versehenen Galeeren belagert. Der Souverän war geflohen, der maurische Statthalter weigerte sich zu kapitulieren und floh insgeheim mit der muselmanischen Bevölkerung und überließ den Platz mit seinen Schätzen den räuberischen Franken. In mehreren Feldzügen unterwarf der König von Sizilien oder seine Unterbefehlshaber die Städte Tunis, Safax, Kapsia, Bona und einen großen Teil der Küste. Die Festungen wurden mit Besatzungen versehen, das Land zinspflichtig gemacht, und man kann von Robert sagen, daß er Afrika in Botmäßigkeit erhielt. Unter der stürmischen Regierung seines Nachfolgers wurden diese überseeischen Besitzungen entweder vernachlässigt oder geräumt oder gingen verloren. Scipio und Belisar haben bewiesen, daß Afrika weder unzugänglich, noch unbezwinglich ist; bisher aber sind den großen Fürsten und Mächten der Christenheit ihre Eroberungszüge gegen die Mauren wiederholt mißlungen, die hingegen lange Zeit hindurch die Herrschaft in Spanien besaßen.
Seit dem Tode Robert Guiscards hatten die Normannen ihre feindlichen Pläne gegen das morgenländische Reich über sechzig Jahre fallen gelassen. Roger strebte nach einem Bündnisse mit den griechischen Fürsten und wünschte mit ihnen in verwandtschaftliche Beziehungen zu treten, um seinem königlichen Range Würde zu verleihen. Er verlangte eine Tochter des Hauses der Komnenen zur Ehe. Die ersten Verhandlungen schienen Erfolg zu verheißen. Aber die verächtliche Behandlung seiner Gesandten erbitterte den eitlen Monarchen, und den Übermut des byzantinischen Hofes büßten, wie üblich, die schuldlosen Untertanen. Der sizilianische Admiral Georg erschien mit einer Flotte von siebzig Galeeren vor Korfu. Insel und Stadt wurden von den mißvergnügten Einwohnern, die mit Recht eine Belagerung für ein weit größeres Übel als Tributzahlung hielten, übergeben. In der Geschichte des Handels ist dieser Einbruch ein wichtiger; die Normannen verbreiteten sich über das Meer und die Provinzen von Griechenland und die ehrwürdigen Städte Athen, Theben und Korinth wurden beraubt und die Einwohner mit Grausamkeit behandelt. Von den Unbilden Athens ist keine nähere Nachricht auf uns gekommen; Thebens Mauern wurden erstiegen, und die Bewohner mußten schwören, keinen Teil ihrer Habe verborgen zu haben. Die Stadt Korinth wurde bei der Annäherung der Normannen geräumt; die Griechen zogen sich in die Zitadelle zurück, die auf einer steilen, von dem klassischen Brunnen Pirene bewässerten Höhe stand. Diese Festung wäre uneinnehmbar gewesen, wenn die Verteidiger einigen Mut gezeigt hätten. Sobald die Belagerer den Berg erklettert hatten, bei diesem Sturm ihre einzige Mühe, staunte ihr Anführer über seinen eigenen Sieg. Er bewies dem Himmel seine Dankbarkeit, indem er das kostbare Bild des Schutzheiligen Theodor vom Altar riß. Die Seidenweber beiderlei Geschlechts, die Georg nach Sizilien führte, bildeten den wertvollsten Teil der Beute. Indem er die fleißigen Handwerker mit den trägen und feigen Soldaten verglich, rief er aus, daß Spindel und Webstuhl die einzigen Waffen waren, welche die Griechen zu handhaben verständen. Dieser Seezug ist durch zwei denkwürdige Ereignisse ausgezeichnet: die Befreiung des Königs von Frankreich und die Beschimpfung der byzantinischen Hauptstadt, Ludwig der Siebente war auf seinem Rückzuge zur See von einem unglücklichen Kreuzzug von den Griechen, die die Gesetze der Ehre und Religion niedrigerweise verletzten, aufgefangen worden. Die Normannen, die ihm mit ihrer Flotte begegneten, befreiten den König. Ludwig wurde ehrenvoll am Hofe von Sizilien bewirtet und setzte bald seine Reise nach Rom und Paris fort. In Abwesenheit des Kaisers waren Konstantinopel und der Hellespont ohne Verteidigung gelassen worden, da man keine Ahnung von einer Gefahr hatte. Die Geistlichkeit und das Volk, denn die Krieger waren Manuels Fahne gefolgt, gerieten beim Anblick einer Galeerenflotte, die angesichts der Stadt kühn die Anker auswarf, in Erstaunen und Bestürzung. Die Streitkräfte des sizilianischen Admirals reichten nicht hin, um die volkreiche und ausgedehnte Hauptstadt zu belagern und zu erstürmen, wohl aber freute sich Georg des Ruhmes, daß er die hochmütigen Griechen gedemütigt und den Flotten des Westens den Weg zum Sieg gewiesen hatte. Er setzte einige Soldaten ans Land, um die kaiserlichen Gärten ihrer Früchte zu berauben und schoß im Feuer gespitzte Pfeile gegen den Palast der Cäsaren. Gegen diese possenhafte Beschimpfung der Seeräuber von Sizilien, die seine Abwesenheit benutzt hatten, zeigte Manuel öffentlich Verachtung, während er heimlich zur Rache rüstete. Der Archipelagus und das Jonische Meer bedeckten sich mit seiner und Venedigs Flotte. Der byzantinische Geschichtschreiber mutet uns jedoch zu, an fünfzehnhundert Schiffe zu glauben, was wir selbst bei Zuzählung von Proviantschiffen, Transportschiffen und Pinassen kaum annehmen können. Die Unternehmungen dieser Flotte wurden mit Klugheit und Kraft geleitet; Georg verlor auf der Heimfahrt neunzehn seiner Galeeren, die voneinander getrennt und genommen wurden. Korfu flehte, nachdem es sich hartnäckig verteidigt hatte, seinen rechtmäßigen Souverän um Barmherzigkeit an, und bald war innerhalb der Grenzen des byzantinischen Reiches weder ein Schiff noch ein Soldat des Normannenfürsten zu finden, außer als Gefangener. Das Glück und die Gesundheit Rogers waren im Sinken begriffen; während er in seinem Palaste zu Palermo Botschaften über Siege oder Niederlagen empfing, wurde der unbezwingliche Manuel, der Vorderste bei allen Angriffen, von den Griechen und Lateinern als der Alexander oder Herkules des Zeitalters gefeiert.
Ein Fürst von solchem Charakter konnte sich damit nicht begnügen, einen übermütigen Barbaren zurückgewiesen zu haben. Es war das Recht und die Pflicht, es mochte das Interesse und der Ruhm Manuels sein, die alte Majestät des Reiches wiederherzustellen, die Provinzen Italien und Sizilien wieder zu erlangen und diesen anmaßenden König, den Enkel eines normannischen Vasallen, zu züchtigen. Die Eingeborenen von Kalabrien waren der griechischen Sprache und Religion, die von der lateinischen Geistlichkeit geächtet worden war, noch immer zugetan. Apulien wurde, nachdem es seine Herzöge verloren hatte, von den Königen Siziliens geknechtet; der Stifter der Monarchie hatte durch das Schwert geherrscht, sein Tod die Furcht seiner Untertanen vermindert, ohne sie zufriedener zu machen. Eine Feudalverfassung barg stets den Samen der Zwietracht, und ein Neffe Rogers selbst rief die Feinde seiner Familie und Nation ins Land. Sein Ansehen als Kaiser und einige Feldzüge gegen die Ungarn und Türken hinderten Manuel den Krieg in Italien persönlich zu leiten. Der griechische Monarch vertraute dem edlen und tapferen Paläologus, seinem Unterbefehlshaber, eine Flotte und ein Heer an. Die Eroberung von Bari war seine erste Tat, die mit Gold und Eisen, wie jeder Sieg, durchgeführt wurde; Salerno und einige Plätze an der Westküste bewahrten dem Normannenkönig Treue; aber er verlor in zwei Feldzügen den größten Teil seiner Besitzungen auf dem Festlande, und der bescheidene Kaiser begnügte sich, unter Verschmähung aller Falschheit und Lüge, mit der Unterwerfung von dreihundert Städten und Dörfern Apuliens und Kalabriens, deren Namen an alle Mauern des Palastes geschrieben wurden. Die Lateiner erhielten, um ihren Vorurteilen zu genügen, eine echte oder erdichtete Schenkung mit dem Siegel der deutschen Kaiser; aber der Nachfolger Konstantins verschmähte bald diesen schimpflichen Vorwand, berief sich auf sein unverjährbares Herrscherrecht über Italien und erklärte seinen Entschluß, die Barbaren über die Alpen zu jagen. Durch die schlauen Reden, freigebigen Geschenke und unbegrenzten Verheißungen ihres morgenländischen Bundesgenossen wurden die freien Städte in ihrem hochherzigen Kampfe gegen den despotischen Friedrich Barbarossa ermutigt. Die Mauern Mailands wurden mit Hilfe des Geldes von Manuel wieder aufgebaut, und er goß einen Strom Gold, sagt der Geschichtschreiber, nach Ancona, dessen Anhänglichkeit an die Griechen durch Eifersucht und Feindschaft gegen Venedig, befestigt wurde. Lage und Handel machten Ancona zu einem wichtigen Platz im Herzen Italiens; zweimal belagerte es Friedrich, zweimal wurde er zurückgeschlagen. Der Gesandte von Konstantinopel feuerte die mutigen Einwohner an, und die unerschrockenen Patrioten wurden als treue Diener des byzantinischen Hofes mit Reichtum und Ehren überschüttet. Der stolze Manuel verachtete den barbarischen Kollegen. Sein Ehrgeiz wurde durch die Hoffnung gesteigert, die deutschen Usurpatoren des Purpurs zu entkleiden und im Morgen- und Abendlande als einziger Kaiser der Römer zu herrschen. In dieser Absicht bewarb er sich um das Bündnis mit dem Volk von Rom und dem Papste. Mehrere Große traten auf die Seite des griechischen Monarchen, der Beistand der mächtigen Familie Frangipani wurde durch die Vermählung seiner Nichte mit Odo Frangipani gesichert, und die Fahne oder das Standbild des Kaisers wurde in der alten Hauptstadt mit gebührender Ehrfurcht empfangen. Während des Kampfes zwischen Friedrich und Alexander dem Dritten, empfing der Papst im Vatikan zweimal die Gesandten Konstantinopels. Sie schmeichelten ihm, indem sie die Vereinigung beider Kirchen zusagten, führten seinen habsüchtigen, käuflichen Hof in Versuchung und forderten ihn auf, in diesem günstigen Augenblicke gerechterweise die stolzen Alemannen zu demütigen und den wahren Stellvertreter Konstantins und Augustus' anzuerkennen.
Aber diese italienischen Eroberungen, die geplante Herrschaft über die Welt, entglitten dem Kaiser bald wieder. Der kluge Alexander der Dritte, der so tief einschneidende Veränderungen genau erwog, wich seinen ersten Forderungen aus. Auch ließ sich der Papst nicht in Versuchung führen, wegen eines persönlichen Streites auf die Erbschaft des lateinischen Namens dauernd Verzicht zu leisten. Nach seiner Aussöhnung mit Friedrich führte er eine entschiedenere Sprache, hieß die Handlungen seiner Vorgänger gut, schleuderte gegen die Anhänger Manuels den Kirchenbann und sprach schließlich die Trennung der Kirchen oder wenigstens der Reiche von Rom und Konstantinopel aus. Die freien Städte der Lombardei gedachten nicht länger ihres ausländischen Wohltäters, der sich, ohne die Freundschaft Anconas zu bewahren, bald die Feindschaft Venedigs zuzog. Der Kaiser hatte sich aus Habsucht oder durch Beschwerden seiner Untertanen verleiten lassen, venetianische Kaufleute zu verhaften und ihre Waren einzuziehen. Diese Verletzung allgemeiner Grundsätze erbitterte die freien Venetianer; hundert Galeeren wurden in hundert Tagen ausgerüstet und bewaffnet; sie plünderten die Küsten von Dalmatien und Griechenland. Der Krieg wurde jedoch bald durch einen Vertrag beendigt, der unrühmlich für das Reich, ungenügend für die Republik war und die vollständige Rächung aller Unbilden den künftigen Geschlechtern vorbehielt. Der Statthalter Manuels hatte seinem Souverän berichtet, daß er stark genug sei, jede einheimische Empörung Kalabriens und Apuliens zu unterdrücken, daß aber seine Streitkräfte nicht hinreichten, den drohenden Angriffen des Königs von Sizilien zu widerstehen. Seine Prophezeiung ging bald in Erfüllung. Infolge des Todes Paläologus' ging der Befehl auf mehrere Anführer über, mit gleichem Range und gleich bar aller kriegerischen Fähigkeiten. Die Griechen zogen zu Land und Wasser die Kürzeren, und die von den Normannen verschonten Reste schworen für alle Zeiten dem Sieger Gehorsam. Der König von Sizilien ehrte jedoch den mutigen und standhaften Manuel, der ein zweites Heer in Italien ans Land gesetzt hatte. Er wandte sich ehrfurchtsvoll an den zweiten Justinian, bat um Frieden oder Waffenstillstand auf dreißig Jahre, nahm den königlichen Titel als Geschenk an und bekannte sich zum Vasallen des römischen Reiches. Die byzantinischen Kaiser begnügten sich mit dieser scheinbaren Herrschaft, ohne zu erwarten, daß die Normannenheere ihnen dienten und vielleicht auch ohne dies zu wünschen. Der dreißigjährige Waffenstillstand wurde durch keinerlei Feindseligkeit gestört. Gegen Ende dieser Zeit wurde der Thron Manuels von einem unmenschlichen Tyrannen usurpiert, der sich den gerechten Abscheu seines Vaterlandes und des Menschengeschlechtes zugezogen hatte. Wilhelm der Zweite, Rogers Enkel, wurde durch einen Flüchtling aus dem Hause der Komnenen bewogen, das Schwert zu ziehen, und die Untertanen des Andronikus bewillkommneten die Ausländer als Freunde, da sie ihren Souverän als den schlimmsten der Feinde verabscheuten. Die lateinischen Geschichtschreiber berichten ausführlich über die Fortschritte der vier Grafen, die in Romanien mit einem Heer und einer Flotte einbrachen und viele Städte und Schlösser zum Gehorsam gegen den König von Sizilien zwangen. Die Griechen erzählen und übertreiben die mutwilligen und kirchenschänderischen Grausamkeiten, die bei der Plünderung von Thessalonika, der zweiten Hauptstadt des Reiches, verübt wurden. Jene beklagen das Schicksal der unbezwinglichen und arglosen Krieger, die durch die geheimen Künste eines besiegten Feindes vernichtet wurden. Diese feierten in Triumphgesängen die wiederholten Siege ihrer Landsleute auf dem Marmarameer oder der Propontis, an den Ufern des Strymon und unter den Mauern von Durazzo. Durch eine Umwälzung wurde der verbrecherische Andronikus bestraft und die eifrigen und mutigen Auf rühr er vereinigten sich gegen die Franken; zehntausend wurden in der Schlacht getötet und dreitausend gefangengenommen, an denen der neue Kaiser Isaak Angelus seiner Rache frönen konnte. Das war der Ausgang des letzten Kampfes zwischen Griechen und Normannen; noch ehe zwanzig Jahre verflossen waren, waren beide rivalisierenden Nationen von anderen geknechtet und gedemütigt worden. Die Nachfolger Konstantins vermochten sich des Sturzes der sizilianischen Monarchie nicht lange zu freuen.
Das Zepter Rogers ging auf seinen Sohn, dann auf seinen Enkel über; beide hießen Wilhelm, doch hatte der eine den Beinamen der Böse, der andere hieß der Gute, doch war keiner wie die Beinamen anzudeuten scheinen, wirklich ganz böse oder ganz gut. Wilhelm der Erste, durch Gefahr und Schande zur Erhebung der Waffen gezwungen, zeigte die Tapferkeit seiner Ahnen; aber er war träge, hatte ausschweifende Sitten, war blind in seinen Leidenschaften. Der Monarch ist nicht nur für seine eigenen, sondern auch für die Laster seines Großadmirals Majo verantwortlich, der das Vertrauen seines Wohltäters mißbrauchte und sich gegen sein Leben verschwor. Die Sizilianer hatten von den arabischen Eroberern verschiedene orientalische Sitten, den Despotismus, die Pracht, ja selbst die Einrichtung des Harems teilweise übernommen: Ein christliches Volk wurde durch Eunuchen, die die Religion Mohammeds offen bekannten oder insgeheim ausübten, unterdrückt und mißhandelt. Ein beredter Geschichtschreiber jener Zeiten hat die Drangsale seines Vaterlandes geschildert; den Ehrgeiz und Sturz des undankbaren Majo, die Empörung und Bestrafung seiner Mörder, die Einkerkerung und Befreiung des Königs, die Privatfehden, die allenthalben ausgefochten wurden und die verschiedenen Unglücksfälle und die allgemeine Zwietracht, die Palermo, die Insel und das Festland während der Regierung Wilhelms des Ersten und der Minderjährigkeit seines Sohnes heimsuchten. Die Jugend, Unschuld und Schönheit Wilhelms des Zweiten machte ihn der Nation teuer; die Parteien versöhnten sich, die Gesetze traten wieder in Kraft, und bis zum frühen Tode dieses Herrschers genoß Sizilien eine kurze Periode des Friedens, der Gerechtigkeit, des Glückes, deren Wert durch die vergangene schlimme Zeit und die Furcht vor der Zukunft erhöht wurde. Die rechtmäßigen männlichen Nachkommen Tankreds von Hauteville erloschen mit Wilhelm dem Zweiten; aber seine Tante, die Tochter Rogers, hatte sich mit dem mächtigsten Fürsten seines Zeitalters vermählt. Heinrich der Sechste, Friedrich Barbarossas Sohn, zog über die Alpen, um die kaiserliche Krone und das Erbe seiner Gattin in Anspruch zu nehmen. Gegen den einstimmigen Wunsch des Volkes konnte diese Erbschaft nur mit Hilfe der Waffen angetreten werden. Ich wiederhole, was der Historiker Falcandus mit dem prophetischen Blick eines Staatsmannes und den Gefühlen eines Patrioten schrieb: »Konstantia, die Tochter Siziliens, von der Wiege an die Freuden und den Überfluß dieser glücklichen Insel genießend und in ihren Sitten erzogen, ist vor langer Zeit hinweggezogen, um die Barbaren mit unseren Schätzen zu bereichern und kehrt nun mit ihren wilden Bundesgenossen zurück, um die Schönheiten ihrer ehrwürdigen Mutter zu beflecken. Schon sehe ich die Schwärme grimmiger Barbaren; die Bewohner unserer reichen Städte, der Plätze, die lange Frieden bewahrt haben, sind von Schrecken ergriffen. Schreckliche Gemetzel veröden die Ländereien, die beraubt und von den unmäßigen Eroberern befleckt werden. Ich sehe unsere Bürger gemordet oder gefangen, unsere Frauen und Jungfrauen geschändet. Wie müssen die Sizilianer (fragt er einen Freund) in dieser Not handeln? Durch die einstimmige Wahl eines tapferen Königs könnte Sizilien noch gerettet werden, denn in die leichtsinnigen Apulier, die stets nach Umwälzungen gierig waren, kann ich weder Vertrauen noch Hoffnungen setzen. Sollte Kalabrien verloren gehen, so könnten die hohen Türme, die kriegerische Jugend und die Seemacht von Messina einem fremden Eindringling die Überfahrt verwehren. Wenn die wilden Deutschen sich mit den Seeräubern von Messina verbünden, wenn sie die fruchtbare Gegend, die schon oft von den Flammen des Ätna verwüstet worden ist, mit Feuer verheeren, welche Hilfsquellen bleiben den inneren Teilen der Insel, jenen Städten, die niemals von feindlichen Barbaren betreten werden sollten? Catania ist wieder durch ein Erdbeben verschüttet worden, das alte Syrakus geht in Armut und Einsamkeit zugrunde; aber Palermo ist noch mit dem Diadem gekrönt, und seine dreifachen Mauern umschließen tatkräftige Scharen von Christen und Sarazenen. Wenn sich die beiden Völker unter einem König zu ihrem Heil vereinigen, können sie sich auf die Barbaren stürzen. Aber wenn die Sarazenen durch Erneuerung der ihnen angetanen Unbilden sich jetzt zurückziehen und sich empören, wenn sie die Schlösser in den Gebirgen und an der Küste besetzen, so müssen die unglücklichen Christen, einem doppelten Angriffe preisgegeben, sich in hoffnungslose und unvermeidliche Knechtschaft schicken.« Wir dürfen nicht übersehen, daß ein Priester hier sein Vaterland seiner Religion vorzieht und daß die Muselmanen, deren Bündnis er wünscht, im Königreiche Sizilien noch immer zahlreich und mächtig waren.
Die Hoffnungen oder wenigstens die Wünsche Falcandus wurden anfangs durch die freie und einstimmige Wahl Tankreds erfüllt, des Enkels des ersten Königs, der zwar ein Bastard war, aber besondere bürgerliche und kriegerische Tugenden besaß. Vier Jahre hindurch, bis zu seinem Tode, stand er an der äußersten Grenze Apuliens gegen die deutschen Streitkräfte in Waffen. Er machte Konstantia selbst zur Gefangenen, ließ sie jedoch ohne Lösegeld oder andere Gegenleistung frei, was wohl über das Maß auch der edelsten Politik und über eine vernünftige Handlungsweise hinausgeht. Nach seinem Tode fiel das Reich ohne Kampf in Heinrichs Hände, der von Capua nach Palermo marschierte. Das politische Gleichgewicht Italiens wurde durch seinen Erfolg gestört, und wenn der Papst und die freien Städte ihr Interesse richtig erkannt hätten, hätten sie die Mächte des Himmels und der Erde aufbieten müssen, um die gefährliche Vereinigung des deutschen Reiches mit Sizilien zu verhindern. Aber der Vatikan, der sonst wegen seiner schlauen Politik gepriesen wurde, war in diesem Falle blind und untätig, und wenn es wahr sein sollte, daß Cölestin der Dritte die kaiserliche Krone vom Haupte des knieenden Heinrich gestoßen hat, konnte eine solche Tat nur zur Zerreißung von Verpflichtungen führen und einen Feind herausfordern. Die Genuesen, die eine Niederlassung in Sizilien hatten und mit der Insel einen einträglichen Handel trieben, glaubten seinen Versprechungen und der Versicherung nach der Besitznahme unverzüglich abzuziehen. Ihre Flotte beherrschte die Meerenge von Messina, sie öffneten den Hafen von Palermo, aber seine erste Handlung war die Abschaffung der Vorrechte und Einziehung des Eigentums dieser unklugen Bundesgenossen. Die letzte Hoffnung des Falcandus scheiterte an der Zwietracht der Christen und Muselmanen; sie fochten in der Hauptstadt gegeneinander, mehrere tausend der letzteren wurden erschlagen, aber ihre überlebenden Brüder verschanzten sich in den Gebirgen und störten noch über dreißig Jahre den Frieden der Insel. Friedrich der Zweite verpflanzte sechzigtausend Sarazenen nach Nocera in Sizilien. Der Kaiser und sein Sohn Manfred wurden in ihren Kriegen gegen die römische Kirche von den Feinden Christi unterstützt. Diese arabische Kolonie bewahrte ihre Sitten und Religion im Herzen Italiens, bis sie gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts vom Hause Anjou ausgerottet wurden. Alle Drangsale, die der prophetische Redner angekündigt hatte, wurden noch durch diejenigen übertroffen, die der grausame und habsüchtige deutsche Eroberer dem Lande zufügte. Er verletzte die königlichen Gräber; forschte nach den geheimen Schätzen des Palastes, Palermos, des ganzen Königreiches: Perlen und Juwelen ließen sich leicht beiseiteschaffen, aber hundertsechzig Pferde wurden mit Gold und Silber aus Sizilien beladen und fortgeführt. Der junge König, der Sohn Tankreds, seine Mutter und Schwestern und die Großen beiderlei Geschlechts wurden getrennt in den Alpenschlössern eingesperrt, und auf das geringste Gerücht von einer Empörung beraubte man die Gefangenen des Lebens, der Augen oder der Hoffnung auf Nachkommenschaft. Konstantia selbst war über das Unglück ihres Vaterlandes gerührt, und die Erbin des normannischen Hauses bestrebte sich vielleicht, ihren despotischen Gemahl milder zu stimmen und das Erbe ihres neugeborenen Sohnes, des im nächsten Jahrhunderte unter dem Namen Friedrich der Zweite so berühmten Kaisers, zu retten. Zehn Jahre nach dieser Umwälzung vereinigten die französischen Monarchen das Herzogtum Normandie mit ihrer Krone; das Zepter der früheren Herzöge war durch eine Enkelin Wilhelm des Eroberers auf das Haus Plantagenet übergegangen, und die verwegenen Normannen, die so viele Siegeszeichen in Frankreich, England, Irland, Apulien, Sizilien und im Orient errichtet hatten, vermischten sich als Sieger oder Knechte mit den von ihnen besiegten Nationen.