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Fünftes Kapitel

Mohammed

Beschreibung von Arabien und seiner Bewohner. – Geburt, Charakter und Lehre Mohammeds. – Er predigt in Mekka. – Flucht nach Medina. – Verbreitung seiner Religion durch das Schwert. – Freiwillige oder gezwungene Unterwerfung der Araber. – Sein Tod und sein Nachfolger. – Die Ansprüche und Schicksale Alis und seiner Abkömmlinge

Nachdem ich den Schatten der Kaiser von Konstantinopel und Deutschland sechshundert Jahre hindurch gefolgt bin, wende ich mich unter der Regierung des Heraklius den östlichen Grenzen der griechischen Monarchie zu. Während der Staat durch den persischen Krieg erschöpft und die Kirche durch die nestorianischen und monophysitischen Sekten zerrüttet wurde, errichtete Mohammed, das Schwert in der einen, den Koran in der anderen Hand, seinen Thron über den Trümmern des Christentums und Roms. Das Genie des arabischen Propheten, die Sitten seiner Nation und der Geist seiner Religion enthalten die Ursachen des Falles des morgenländischen Reiches, und unsere Blicke haften mit Spannung auf einer der merkwürdigsten Umwälzungen, die den Nationen des Erdballes einen neuen und dauernden Charakter gegeben haben.

In dem weiten Räume zwischen Persien, Syrien, Ägypten und Äthiopien kann die arabische Halbinsel als ein Dreieck mit langen, aber unregelmäßigen Seiten gedacht werden. Vom nördlichen Punkte, von Beles am Euphrat geht eine Linie von fünfzehnhundert Meilen bis an die Straße von Babelmandeb und das Land des Weihrauches. Ungefähr die Hälfte dieser Länge kann als die mittlere Breite, von Osten nach Westen, von Bassora bis Suez, vom Persischen Golf bis an das Rote Meer, angenommen werden. Die Seiten des Dreieckes erweitern sich allmählich, und die südliche Basis bietet dem Indischen Ozean eine Front von tausend Meilen. Die ganze Fläche der Halbinsel übertrifft die Größe Deutschlands oder Frankreichs um das Vierfache, aber der bei weitem größere Teil ist durch die Bezeichnung steinig und sandig gekennzeichnet. Selbst die tartarische Wildnis ist mit hohen Bäumen und üppigen Gräsern bewachsen, und der einsame Wanderer schöpft aus der Anwesenheit der Pflanzen einige Annehmlichkeit und Hoffnung. Aber in der traurigen Einöde Arabiens wird die unendliche Sandebene nur durch scharfe und nackte Berge unterbrochen und das Antlitz der Wüste, ohne Schatten oder Obdach, von den senkrechten und drückenden Strahlen einer tropischen Sonne verbrannt. Statt erfrischender Luft verbreiten die Winde, insbesondere aus dem Südwesten, einen schädlichen, sogar tödlichen Dunst; die Sandberge, die sie wechselnd heben und vernichten, werden den Wogen des Ozeans verglichen, und ganze Karawanen, ganze Heere sind umgekommen und von den Wirbelwinden begraben worden. Es fehlt Arabien an schiffbaren Flüssen, die den Boden befeuchten und seine Produkte den anliegenden Gegenden zuführen. Die Gießbäche, die von den Bergen stürzen, werden von der durstigen Erde aufgesogen; die seltenen und abgehärteten Pflanzen, die Tamarinde und Akazie, die ihre Wurzeln in die Felsenspalten schlagen, werden von dem Nachttau genährt. Die kärglichen Regenmengen werden in den Zisternen und Wasserleitungen gesammelt; die Brunnen und Quellen sind der geheime Schatz der Wüste, und den Pilger von Mekka widert nach manchem durstigen und schwülen Marschtage der Geschmack des Wassers an, das über ein Lager von Schwefel oder Salz geflossen ist. Das ist die allgemeine und wahrhafte Schilderung des Klimas von Arabien. Das Übel erhöht den Wert jedes lokalen oder partiellen Genusses. Ein schattiger Hain, eine grüne Weide, ein Strom frischen Wassers reichen hin, um eine Kolonie festwohnender Araber nach den glücklichen Flecken zu ziehen, die ihnen selbst und ihren Herden Nahrung und Erfrischung gewähren und den Anbau des Palmbaumes und Weinstocks begünstigen. Die Hochländer, die an den indischen Ozean grenzen, zeichnen sich durch ihren größeren Reichtum an Holz und Wasser aus; das Klima ist gemäßigter, die Früchte sind köstlicher, Tiere und Menschen zahlreicher. Der fruchtbare Boden weckt und belohnt die Mühe des Landwirtes, und Weihrauch und Kaffee haben zu allen Zeiten die Kaufleute der Welt angezogen. Wenn diese abgelegene Gegend mit den übrigen Teilen der Halbinsel verglichen wird, verdient sie in der Tat den Beinamen die glückliche. Phantasie und Dichtung haben sie in glänzenden Farben geschildert. Für dieses irdische Paradies hatte die Natur ihre auserwähltesten Gaben und ihre interessantesten Schöpfungen vorbehalten. Die unvereinbaren Segnungen der Üppigkeit und der Unschuld werden den Bewohnern zugeschrieben. Der Boden war mit Gold und Edelsteinen durchtränkt, und sowohl Land als Meer hauchten süße Gerüche aus. Diese den Griechen und Lateinern so geläufige Einteilung in das sandige, steinige und glückliche Arabien ist den Arabern selbst unbekannt, und es überrascht, daß ein Land, dessen Sprache und Einwohner stets dieselben geblieben sind, kaum eine Spur von seiner alten Geographie beibehalten hat. Die Seebezirke Bahrein und Oman liegen dem Königreiche Persien gegenüber. Das Königreich Yemen hat die Grenzen oder wenigstens die Lage von Arabia Felix; Nedsched breitet sich über den Binnenraum aus, und die Provinz Hedschas längs dem Roten Meere ist durch Mohammeds Geburt ausgezeichnet.

Die Dichte der Bevölkerung richtet sich nach den Mitteln zum Unterhalt; die Bewohner dieser großen Halbinsel werden an Zahl leicht von den Untertanen einer reichen Provinz Europas überboten. Längs dem Gestade des Persischen Meerbusens, des Ozeans, ja sogar des Roten Meeres, fuhren die Ichthyophagen oder Fischesser fort, umherirrend ihre unsichere Nahrung zu suchen. In diesem ursprünglichen und verwerflichen Zustande, der den Namen Gesellschaft schlecht verdient, zeichnet sich das Menschtier ohne Künste oder Gesetze, fast ohne Gefühl und Sprache nur wenig vor der übrigen Tierwelt aus. Geschlechter und Jahrhunderte rollten über sie in stiller Vergessenheit hinweg. Der hilflose Wilde wurde durch die Bedürfnisse und Beschäftigungen, die sein Dasein an dem schmalen Strich des Strandes fesselten, abgehalten, sein Geschlecht zu vermehren. Aber schon in einer früheren Periode des Altertums hatte sich die große Masse der Araber diesem Zustande des Elends entwunden, und da die nackte Wildnis ein Jägervolk nicht ernähren konnte, erhob sie sich auf einmal zum Hirtenleben. Dasselbe Leben wird von den Wanderstämmen der Wüste gleichförmig geführt. In der Schilderung eines Beduinen des achtzehnten Jahrhunderts erkennen wir die Züge ihrer Altvordern, die im Zeitalter des Moses und Mohammed unter ähnlichen Zelten wohnten und ihre Pferde, Kamele und Schafe zu denselben Quellen und auf dieselben Weiden führten. Durch unsere Herrschaft über nützliche Tiere wird unsere Mühe verringert und unser Reichtum vermehrt; die arabischen Hirten hatten den unumschränkten Besitz eines treuen Freundes und eines arbeitsamen Sklaven erworben: das Pferd und das Kamel. Arabien ist nach der Meinung der Naturforscher das echte und ursprüngliche Vaterland des Pferdes, und das Klima zwar nicht der Größe, aber dem Feuer und der Schnelligkeit dieses edlen Tieres höchst günstig. Die Trefflichkeit des Berberrosses, der spanischen und englischen Zucht liegt in der Beimischung arabischen Blutes; die Beduinen legen großen Wert darauf, die reinste Rasse zu besitzen; die Hengste werden zu einem hohen Preise, die Stuten höchst selten verkauft, und die Geburt eines edlen Füllens ist bei den Stämmen ein Tag der Freude und gegenseitiger Beglückwünschung. Diese Pferde werden unter den Zelten mit den Kindern der Araber mit zärtlicher Vertraulichkeit erzogen, die sie früh an Sanftmut und Anhänglichkeit gewöhnt. Sie gehen nur im Schritt oder gallopieren; ihr Gefühl wird nicht durch den unaufhörlichen Mißbrauch des Sporens und der Peitsche abgestumpft; ihre Kräfte werden zur Flucht oder Verfolgung geschont, kaum fühlen sie aber den Druck der Hand oder des Steigbügels, so schießen sie mit der Schnelligkeit des Windes davon, und wenn bei dem schnellen Jagen ihr Freund entsattelt wird, halten sie sogleich still, bis er seinen Sitz wieder eingenommen hat. In den Sandwüsten von Afrika und Arabien ist das Kamel ein heiliges und unschätzbares Geschenk. Dieses starke und geduldige Tier kann ohne Futter und Trank eine Reise von mehreren Tagen aushalten; ein Vorrat frischen Wassers wird in einem geräumigen Sack, einem fünften Magen des Tieres, bewahrt, dessen Körper die Zeichen der Knechtschaft trägt; es vermag eine Last von tausend Pfund fortzuschaffen, aber das leichter gebaute und gelenkigere Dromedar überbietet an Schnelligkeit den flüchtigsten Renner. Lebendig oder tot ist fast jeder Teil des Kamels dem Menschen nützlich; es gibt nährende Milch in Menge; das jüngere und zartere Fleisch schmeckt wie Kalbfleisch. Wertvolles Salz wird aus dem Urin bereitet; der Dünger dient als Brennmaterial, und das lange Haar, das jedes Jahr ausfällt und nachwächst, wird zu Gewändern, Hausrat und den Zelten der Beduinen verwendet. In der Regenzeit verbrauchen die Beduinen das geringe und unzulängliche Grün der Wüste; während der Hitze des Sommers und dem Winter verpflanzen sie ihre Lager nach der Seeküste, den Bergen von Yemen oder in die Nähe des Euphrat und haben sich oft die gefährliche Erlaubnis erzwungen, die Ufer des Nil und die Städte von Syrien und Palästina zu besuchen. Das Leben des arabischen Nomaden ist voll Gefahr und Not, und wenn er sich auch zuweilen durch Raub und Tausch Industrieprodukte verschafft, besitzt doch in Europa «in gewöhnlicher Bürger einen größeren Luxus als der stolzeste Emir, der an der Spitze von zehntausend Reitern ins Feld zieht.

Inzwischen läßt sich doch ein wesentlicher Unterschied zwischen den skythischen Horden und den arabischen Stämmen entdecken, da viele der letzteren in Städten vereinigt waren und sich mit Handel und Ackerbau beschäftigten. Ein Teil ihrer Zeit und ihres Fleißes blieb ausschließlich der Sorge für ihre Herden vorbehalten; sie mengten sich in Frieden und Krieg unter ihre Wüstenbrüder, und die Beduinen verdankten diesem nützlichen Verkehr eine gewisse Erfüllung ihrer Bedürfnisse und die Lehren einiger Anfangsgründe der Künste und Wissenschaften. Von den zweiundvierzig von Abulfeda angeführten Städten Arabiens lagen die ältesten und volkreichsten in dem glücklichen Yemen. Die Türme von Saana und der bewunderungswürdige Wasserbehälter von Merab wurden von den Königen der Homeriten gebaut; aber ihr irdischer Glanz wurde durch den Prophetenruhm von Medina und Mekka am Roten Meer verdunkelt. Die letztere dieser heiligen Städte war den Griechen unter dem Namen Makoraba bekannt. Die Endung des Wortes ist für ihre Größe bezeichnend, die jedoch selbst in der blühendsten Periode den Umfang und die Bevölkerung von Marseille niemals übertroffen hat. Irgendein geheimer Beweggrund, vielleicht Aberglaube, muß die Gründer in der Wahl einer höchst unvorteilhaften Lage geleitet haben. Sie bauten ihre Wohnungen aus Lehm oder Stein in einer gegen zwei Meilen langen und eine Meile breiten Ebene am Fuße von drei kahlen Bergen; der Boden ist Stein, selbst das Wasser des heiligen Brunnens Zemzem ist bitter und salzig; die Weiden sind von der Stadt entfernt, und Trauben werden aus den Gärten von Tayef über siebzig Meilen weit hergebracht. Der Ruf und Mut der Koreischiten, die in Mekka herrschten, leuchtete unter den arabischen Stämmen hervor; aber ihr undankbarer Boden lohnte die Mühen des Ackerbaues nicht. Ihre Lage hingegen begünstigte die Handelsunternehmungen. Mittels des nur vierzig Meilen entfernten Seehafens Gedda unterhielten sie leichte Verbindungen mit Abessinien, und dieses christliche Königreich gewährte den Jüngern Mohammeds die erste Zuflucht. Die Schätze von Afrika wurden über die Halbinsel nach Gerrha oder Katif in der Provinz Bahrein, einer der Sage nach von chaldäischen Verbannten aus Steinsalz erbauten Stadt, gebracht und von da mit den einheimischen Perlen des Persischen Meerbusens auf Flößen nach der Mündung des Euphrat geschafft. Mekka liegt fast in gleicher Entfernung von einer Monatsreise zwischen Yemen und Syrien. Jenes war die Station seiner Karawanen im Winter, dieses im Sommer und ihre rechtzeitige Ankunft erlöste die indischen Schiffe von der langwierigen und beschwerlichen Fahrt auf dem Roten Meer. Auf den Märkten von Saana und Merab, in den Häfen von Oman und Aden wurden die Kamele der Koreischiten mit einer köstlichen Ladung von Wohlgerüchen und Gewürzen beladen. Vorräte von Getreide und Manufakturwaren wurden auf den Märkten von Bostra und Damaskus eingekauft; der gewinnbringende Tausch verbreitete Wohlhabenheit und Reichtümer in Mekka, dessen edelste Söhne Liebe zu den Waffen mit dem Berufe des Kaufmanns vereinten.

Die dauernde Unabhängigkeit der Araber ist von Fremden und Eingeborenen stets gelobt worden. Die Theologen haben diese merkwürdige Tatsache in eine Prophezeiung und ein Wunder zu Gunsten der Nachkommenschaft Ismaels umgewandelt. Einige Ausnahmen, die weder abgeleugnet, noch umgangen werden können, machen diese Art der Beweisführung ebenso unklug als überflüssig. Das Königreich Yemen ist nacheinander durch die Abessinier, die Perser, die ägyptischen Sultane und die Türken unterworfen worden. Die heiligen Städte Mekka und Medina haben sich wiederholt dem Joche eines skythischen Tyrannen gebeugt, und die römische Provinz Arabien umfaßte insbesondere jenen Wüstenstrich, wo Ismael und seine Söhne ihre Zelte im Angesichte ihrer Brüder aufgeschlagen haben müssen. Aber diese Ausnahmen sind vorübergehend und beschränkt, die Masse des Volkes ist dem Joche der mächtigsten Monarchien entgangen; die Heere des Sesostris und Cyrus, des Pompejus und Trajan konnten die Eroberung Arabiens niemals vollenden. Die späteren türkischen Herrscher haben zwar die Herrschaft über die Araber gehabt, aber sie mußten fast um die Freundschaft eines Volkes werben, das zu reizen gefährlich, anzugreifen fruchtlos ist. Die augenfälligen Ursachen für ihre Freiheit findet man im Charakter und Lande der Araber. Viele Jahrhunderte vor Mohammed hatten ihre Nachbarn im Angriffs- wie im Verteidigungskriege ihre Unerschrockenheit und Tapferkeit schwer gefühlt. Die Eigenschaften eines Kriegers werden durch die Art und Gewohnheit des Hirtenlebens von selbst ausgebildet. Das Hüten der Schafe und Kamele wird Weibern des Stammes überlassen. Die kriegerische Jugend ist unter dem Banner des Emirs stets zu Pferde und im Felde, um sich in der Handhabung des Bogens, Wurfspießes und Säbels zu üben. Ihre lange Unabhängigkeit ist das sicherste Pfand für deren Fortdauer, und die nachfolgenden Geschlechter werden angeregt, ihre Abstammung hochzuhalten und ihre Erbschaft zu behaupten. Beim Anzüge eines gemeinsamen Feindes stellen sie ihre einheimischen Fehden ein. In einem ihrer Kriege gegen die Türken wurde die Karawane von Mekka von achtzigtausend Verbündeten angegriffen und geplündert. Wenn sie zur Schlacht vorrücken, haben sie Hoffnung auf den Sieg und die Gewißheit einer sicheren Rückendeckung. Ihre Pferde und Kamele, die In acht bis zehn Tagen einen Weg von vier- bis fünfhundert Meilen zurücklegen, verschwinden fast den Augen des Siegers; die geheimen Brunnen der Wüste entgehen seiner Nachforschung und seine siegreichen Truppen werden bei der Verfolgung eines unsichtbaren Feindes, der ihre Anstrengungen verlacht und sicher im Herzen der brennenden Wüste ruht, durch Hunger, Durst und Ermattung aufgerieben. Die Waffen und Einöden der Beduinen sind nicht nur die einzige Schutzwehr ihrer Freiheit, sondern auch die Bollwerke des glücklichen Arabiens, dessen Bewohner fern vom Kriege durch die Üppigkeit des Bodens und Klimas entnervt sind. Die Legionen des Augustus schmolzen durch Krankheit und Ermüdung zusammen, nur mit Schiffen ist die Unterwerfung von Yemen mit Erfolg versucht worden. Als Mohammed seine heilige Fahne aufpflanzte, war dieses Königreich eine Provinz des persischen Reiches; dennoch herrschten noch immer sieben Fürsten der Homeriten in den Gebirgen, und der Statthalter des Chosroes wurde in Versuchung geführt, sein fernes Vaterland und seinen unglücklichen Gebieter zu vergessen. Die Geschichtschreiber des justinianischen Zeitalters schildern die unabhängigen Araber, die bei dem langen Kampf im Orient sich aus Eigennutz oder Anhänglichkeit geteilt hatten. Der Stamm Gassan durfte auf syrischem Gebiete lagern. Den Fürsten von Hira war gestattet, eine Stadt ungefähr vierzig Meilen im Süden der Ruinen von Babylon zu gründen. Sie leisteten im Felde schnelle und kraftvolle Dienste, aber ihre Freundschaft war käuflich, ihre Treue wandelbar und sie waren in ihrer Feindschaft launenhaft; es war leichter, diese wandernden Barbaren zu reizen als zu entwaffnen, und im Kriege lernten sie die Schwäche sowohl Roms als auch Persiens kennen und verachten. Die arabischen Stämme von Mekka bis zum Euphrat wurden von den Griechen wie von den Lateinern unter der allgemeinen Benennung Sarazenen zusammengefaßt, ein Name, den jeder Christenmund nur mit Schrecken und Abscheu auszusprechen gewohnt war.

Die Sklaven heimischer Tyrannei rühmen sich umsonst ihrer Nationalunabhängigkeit; der Araber jedoch ist persönlich frei und genießt bis zu einem gewissen Grade die Wohltaten der Gesellschaft ohne die Rechte der Natur zu verwirken. In jedem Stamm hat Aberglaube, Dankbarkeit oder Glück eine besondere Familie über die Häupter ihresgleichen erhoben. Die Würden Scheik und Emir bleiben unwandelbar bei dieser auserwählten Familie; aber die Ordnung der Nachfolge ist locker und wandelbar, und die würdigsten oder ältesten der edlen Vettern werden für das einfache aber wichtige Amt gewählt, Streitigkeiten durch ihren Rat beizulegen und die Krieger durch ihr Beispiel zu leiten. Selbst einer klugen mutigen Frau ist einstmals gestattet worden, den Vaterlandsgenossen der Zenobia zu befehlen. Durch vorübergehenden Zusammenschluß der verschiedenen Stämme wird ein Heer gebildet, ihre dauernde Vereinigung bildet eine Nation, und der oberste Häuptling, der Emir der Emire, dessen Fahne an ihrer Spitze entfaltet wird, verdient bei den Fremden den Namen König. Wenn die arabischen Fürsten ihre Macht mißbrauchen, werden sie schnell durch den Abfall ihrer an milde und väterliche Gewalt gewohnten Untertanen bestraft. Ihr Herz ist frei, ihre Schritte sind ungehemmt, die Wüste steht ihnen offen, und die Stämme und Familien sind durch einen gegenseitigen und freiwilligen Vertrag aneinander gekettet. Die sanfteren Bewohner von Yemen ertrugen den Pomp und die Majestät eines Monarchen; wenn er aber seinen Palast nicht verlassen konnte, ohne sein Leben aufs Spiel zu setzen, mußte die ausübende Gewalt der Regierung auf seine Edlen und Obrigkeiten übergehen. Die Städte Mekka und Medina zeigen mitten in Asien das Wesen einer Republik. Mohammeds Großvater und seine Ahnen in gerader Linie erscheinen bei den auswärtigen wie einheimischen Verhandlungen als die Fürsten ihres Vaterlandes; aber sie herrschten wie Perikles in Athen oder die Medici in Florenz durch den öffentlichen Glauben an ihre Weisheit und Redlichkeit; ihr Einfluß wurde wie ihr Erbe geteilt, und das Zepter ging von den Oheimen des Propheten auf einen jüngeren Zweig des Hauses Koreisch über. Bei feierlichen Veranlassungen beriefen sie eine Volksversammlung, und weil die Menschen zum Gehorsam entweder beredet oder gezwungen werden müssen, liefert der Ruhm und die besondere Redekunst bei den alten Arabern den klarsten Beweis für ihre öffentliche Freiheit. Aber ihre Freiheit trug ein ganz anderes Gepräge als die feine und künstliche Maschinerie der griechischen und römischen Republiken, in denen jedes Mitglied einen vollständigen Anteil an den bürgerlichen und politischen Rechten der Gemeinde besaß. In dem einfacheren Zustande, in dem sich die Araber befanden, ist die Nation frei, weil jeder ihrer Söhne niedrige Unterwürfigkeit unter den Willen eines Gebieters verschmäht. Seine Brust ist mit Standhaftigkeit und Nüchternheit erfüllt. Liebe zur Unabhängigkeit regt ihn an, Selbstbeherrschung zu üben, und Besorgnis vor Entehrung schützt ihn vor ängstlicher Sorge, vor Schmerz, Gefahr und Tod. Der Ernst und die Festigkeit seiner Seele spiegelt sich in seinem Benehmen; er spricht langsam, gewichtig und kurz, läßt sich selten zum Lachen verleiten, seine einzige Gebärde besteht darin, daß er seinen Bart, das Symbol der Manneswürde, streicht, und das Gefühl seiner eigenen Wichtigkeit lehrt ihn mit seinesgleichen ohne Leichtfertigkeit, mit höheren ohne Scheu zu verkehren. Die Freiheit der Sarazenen überlebte ihre Eroberungen. Die ersten Kalifen duldeten die kühne und vertrauliche Sprache ihrer Untertanen; sie bestiegen die Kanzel, um die Versammlung zu überreden und zu erbauen. Erst als der Sitz des Reiches an den Tigris verlegt wurde, führten die Abassiden das stolze und prunkvolle Zeremoniell der persischen und byzantinischen Höfe ein.

Im Studium der Völker und Menschen muß man die Ursachen erkennen, die sie gegeneinander feindlich oder freundlich stimmen und ihren sozialen Charakter verengern oder erweitern, mildern oder erbittern. Die Trennung der Araber von der übrigen Menschheit hatte sie gewöhnt, die Begriffe Fremder und Feind zu verwechseln. Die Armut des Landes hat eine Maxime der Jurisprudenz eingeführt, der sie noch lange anhingen. Sie behaupten, daß bei der Teilung der Welt die reichen und fruchtbaren Länder den anderen Zweigen der Menschenfamilie zugewiesen wurden und daß die Nachkommen des geächteten Ismael durch Betrug oder Gewalt sich den Teil der Erbschaft wiederverschaffen dürften, dessen sie ungerechterweise beraubt worden wären. Nach der Bemerkung des Plinius waren die arabischen Stämme genau so dem Diebstahl wie dem Handel ergeben, die Karawanen, welche die Wüste durchziehen, mußten Lösegeld geben oder wurden geplündert, und ihre Nachbarn sind seit den fernen Zeiten Hiobs und Sesostris' die Opfer ihrer Raubsucht gewesen. Wenn ein Beduine von fern einen einsamen Wanderer entdeckt, reitet er wütend auf ihn zu und schreit: »Zieh dich aus, deine Muhme (mein Weib) hat kein Gewand.« Willige Unterwerfung gibt ihm Anspruch auf Schonung, Widerstand erbittert den Angreifer und sein eigenes Blut muß dann das Blut sühnen, das er in gerechter Verteidigung vergießen will. Ein einziger Räuber oder wenige Spießgesellen werden mit ihrem wahren Namen gekennzeichnet, aber die Taten einer zahlreichen Schar nehmen den Charakter eines rechtmäßigen und ehrenvollen Krieges an. Die Gemüter eines dergestalt gegen die Menschheit gehetzten Volkes wurden durch die heimische Gewohnheit des Raubes, Mordes und der Rache doppelt entflammt. In der europäischen Verfassung ist das Recht, über Krieg und Frieden zu entscheiden, auf eine geringe und die wirkliche Ausübung desselben auf eine noch viel kleinere Anzahl mächtiger Potentaten beschränkt. Jeder Araber hingegen kann ungestraft, sogar mit Ruhm seinen Wurfspieß gegen seinen Landsmann erheben. Die Nation bestand nur in einer allgemeinen Ähnlichkeit der Sprache und Sitten, und richterliche Gewalt des Oberhauptes erlosch in jeder Gemeinde. Aus der Zeit, die Mohammed vorausging, werden durch Überlieferung siebzehnhundert Schlachten erwähnt; die Feindschaft wurde durch Parteispaltung hervorgerufen, und die Erzählung einer alten Fehde in Prosa oder Poesie reichte hin, gleichen Ingrimm zwischen den Abkömmlingen der feindlichen Stämme zu erregen. Im Privatleben war jeder Mann oder wenigstens jede Familie Richter und Rächer in ihrer eigenen Sache. Die feine Empfindung des Ehrgefühles, die mehr den Schimpf als das Unrecht abwiegt, gießt tödliches Gift in die Streitigkeiten der Araber. Die Ehre ihrer Frauen und Bärte ist leicht zu verletzen, eine unanständige Handlung, eine verächtliche Rede kann nur durch das Blut des Beleidigers gesühnt werden, und so tief wurzelt ihre ausharrende Feindschaft, daß sie ganze Monate, ja Jahre auf die Gelegenheit der Rache harren. Geldbuße oder Ersatz für Mord ist bei den Barbaren jedes Zeitalters erlaubt; in Arabien aber steht es den Verwandten des Ermordeten frei, die Sühne anzunehmen oder mit eigenen Händen das Recht der Wiedervergeltung zu üben. In raffinierter Bosheit verschmäht der Araber sogar das Haupt des Mörders, nimmt an Stelle der schuldigen die unschuldige Person und überträgt die Strafe auf den besten und geehrtesten Mann des Stammes, von dessen Mitglied sie verletzt worden sind. Wenn er durch ihre Hände fällt, sind sie ihrerseits der Gefahr der Repressalien ausgesetzt, Zinsen und Kapital der Blutschuld laufen auf, die Individuen jeder Familie führen ein Leben in Haß und Argwohn, und fünfzig Jahre vergehen oft, bis die Rechnung der Rache völlig beglichen ist. Dieser blutdürstige Geist, der von Mitleid und Verzeihung nichts weiß, wird jedoch einigermaßen durch einen Grundsatz der Ehre gemildert, der bei jedem Privatkampf eine angemessene Gleichheit des Alters und der Stärke, der Zahl und Waffen fordert. Die Araber hielten vor Mohammed eine jährliche Festzeit von zwei, vielleicht vier Monaten, während der sie sowohl bei auswärtigen als einheimischen Feindseligkeiten ihr Schwert gewissenhaft in der Scheide behielten, und dieser teilweise Waffenstillstand schildert ihren Zustand der Gesetzlosigkeit und Fehde nur um so bedeutsamer.

Aber dieser rachsüchtige und räuberische Geist wurde durch den milden Einfluß im Verkehr mit anderen Völkern und deren Literatur gemäßigt. Die einsame Halbinsel ist auf allen Seiten von zivilisierten Völkern der alten Welt umgeben; der Kaufmann ist der Freund der Menschen, und die jährliche Karawane brachte den ersten Samen der Wissenschaft und Bildung in die Städte, ja sogar in die Lager der Wüste. Welches auch immer der Stammbaum der Araber sein mag, stammt doch ihre Sprache mit der hebräischen, syrischen und chaldäischen aus einer Urquelle; die Stämme wurden durch ihre besonderen Mundarten bezeichnet, aber jeder gab nach seiner eigenen dem reinen und deutlichen Idiom von Mekka den Vorzug. In Arabien wie in Griechenland gewann die Vervollkommnung der Sprache der Verfeinerung der Sitten den Vorsprung ab; sie hatten achtzig Namen für den Honig, zweihundert für eine Schlange, fünfhundert für den Löwen und tausend für ein Schwert zu einer Zeit, in der dieser reichhaltige Wortschatz einem schriftunkundigen Volk anvertraut war. Die Denkmäler der Homeriten sind mit alten und geheimnisvollen Zeichen bedeckt; aber die kufischen Buchstaben, die Grundlagen des jetzigen Alphabets, wurden an den Ufern des Euphrat erfunden und diese neue Erfindung in Mekka von einem Fremden gelehrt, der sich in dieser Stadt nach Mohammeds Geburt niedergelassen hatte. Die Künste der Grammatik, des Versbaues und der Rhetorik waren den Arabern mit ihrer angeborenen Beredsamkeit unbekannt, aber ihr Scharfsinn war durchdringend, ihre Phantasie üppig, ihr Witz markig und sententiös, und ihre Geisteserzeugnisse sprechen mit Kraft und Wirksamkeit zu den Hörern. Das Genie und der Verdienst eines aufstrebenden Dichters wurde durch den Beifall seines eigenen Stammes und der verwandten Stämme gepriesen. Ein feierliches Bankett wurde bereitet und Frauen, Cymbeln schlagend und mit hochzeitlichem Schmucke angetan, besangen in Anwesenheit ihrer Söhne und Männer das Glück des Stammes, daß ein Kämpe erschienen sei, um dessen Rechte zu verteidigen, daß ein Herold seine Stimme erhoben habe, um dessen Ruhm zu verewigen. Die fernen oder feindlichen Stämme strömten einer jährlichen Messe, die jedoch durch den Fanatismus der ersten Muselmanen abgeschafft wurde, einer Nationalzusammenkunft zu, die zur Eintracht und Verfeinerung der Barbaren hätte beitragen müssen. Dreißig Tage wurden nicht mit Korn- und Weinhandel, sondern mit Reden und dem Vortrag von Dichtungen zugebracht. Die Barden stritten in edlem Wetteifer um den Preis, das siegreiche Lied wurde in den Archiven der Fürsten und Emire niedergelegt, und wir können noch in unserer Sprache die sieben Urgedichte lesen, die in goldenen Buchstaben geschrieben und im Tempel von Mekka aufgehangen waren. Die arabischen Dichter waren die Geschichtschreiber und Sittenlehrer ihres Zeitalters, und wenn sie auch dieselben Vorurteile hatten wie ihre Landsmänner, so begeisterten und bekränzten sie doch ihre Tugenden. Die unauflösliche Vereinigung der Freigebigkeit und Tapferkeit bildete den Lieblingsgegenstand ihres Gesanges, und wenn sie gegen ein verächtliches Geschlecht ihre schärfste Satire spritzen wollten, behaupteten sie mit bitterem Vorwurf, daß die Männer nicht zu geben, die Weiber nicht zu versagen verständen. Dieselbe Gastfreiheit, wie sie von Abraham geübt und von Homer gefeiert worden ist, wird auch heute noch in den Lagern der Araber aufrecht erhalten. Die grimmigen Beduinen, der Schrecken der Wüste, umarmten ohne Frage und Zögern den Fremden, der es wagte, ihnen zu vertrauen und in ihr Zelt zu treten. Er wurde gütig und achtungsvoll behandelt, teilte den Reichtum oder die Armut des Wirtes und wurde nach gepflogener Ruhe auf seinen Weg mit Dank, mit Segnungen, vielleicht sogar mit Geschenken entlassen. Herz und Hand tun sich weiter den Bedürfnissen eines Bruders oder Freundes gegenüber auf; aber die heldenmütigen Taten, die auf öffentlichen Beifall Anspruch hatten, mußten das gewöhnliche Maß der Klugheit und Erfahrung überschritten haben. Es war ein Streit entstanden, wer von den Bürgern von Mekka den Preis der Großmut verdiente, und man berief sich nacheinander auf drei Personen, die man dessen am würdigsten hielt. Abdallah, der Sohn des Abbas, hatte eine weite Reise unternommen: sein Fuß war bereits im Steigbügel, als er die Stimme eines Flehenden hörte: »O Sohn des Oheims des Apostels Gottes, ich bin ein Wanderer und in Not.« Er stieg sogleich ab, um dem Pilger sein Kamel, das reiche Geschirr und einen Beutel mit viertausend Goldstücken zu reichen, nur das Schwert behaltend, entweder wegen seines inneren Wertes oder als Geschenk eines geehrten Freundes. Der Diener des Kais sagte einem anderen Flehenden, daß sein Gebieter schliefe, fügte aber sogleich hinzu: »Hier ist ein Beutel mit siebentausend Goldstücken (es ist alles, was wir im Hause haben) und hier ist ein Befehl, der dir auf ein Kamel und einen Sklaven ein Recht geben wird.« Sobald der Herr erwachte, pries er seinen getreuen Verwalter und schenkte ihm die Freiheit, jedoch nicht ohne den gelinden Verweis, daß er, indem er seinen Schlummer ehrte, seine Freigebigkeit gehemmt hätte. Der dritte dieser Helden, der blinde Arabah, stützte sich auf die Schultern von zwei Sklaven zur Stunde der Bitte. »Ach«, versetzte er, »meine Koffer sind leer, aber ihr könnt diese Sklaven verkaufen; wenn ihr euch weigert, verjage ich sie.« Bei diesen Worten schob er die Jünglinge von sich und fühlte seinen Weg längs der Wand mit seinem Stabe. Der Charakter Hatems ist das beste Beispiel arabischer Tugend. Er war tapfer und freigebig, ein beredter Dichter und glücklicher Räuber; vierzig Kamele wurden bei seinem gastlichen Schmause gebraten, und auf die Bitte eines Feindes gab er ihm sowohl die Gefangenen als die Beute zurück. Seine freien Landsleute verschmähten die Gesetze, folgten jedoch stolz dem Antrieb des Mitleides oder Wohlwollens.

Die Religion der Araber bestand, so wie die der Inder, in Verehrung der Sonne, des Mondes und der Fixsterne; eine ursprüngliche und reizende Art des Aberglaubens! Die strahlenden Lichter des Firmaments leuchten als das sichtbare Bild der Gottheit; ihre Anzahl und Entfernung erregt in einem denkenden, ja in einem gewöhnlichen Gemüte die Vorstellung grenzenlosen Raumes. Der Stempel der Ewigkeit ist diesen fernen Sonnen aufgedrückt, die der Verwesung und dem Verfall unzugänglich zu sein scheinen. Die Regelmäßigkeit ihrer Bewegungen kann einem Prinzip der Vernunft oder des Instinktes zugeschrieben werden, und ihr wirklicher oder eingebildeter Einfluß ermuntert zu dem eitlen Glauben, daß die Erde und ihre Bewohner der Gegenstand ihrer besonderen Fürsorge sind. Die Wissenschaft der Astronomie wurde in Babylon gepflegt, die Schule der Araber war ein reiner Himmel und eine glatte Ebene. Bei ihren nächtlichen Zügen ließen sie sich durch die Sterne leiten; ihre Namen, Ordnung und täglichen Stellungen waren den wißbegierigen oder andächtigen Beduinen wohlbekannt und die Erfahrung hatte sie gelehrt, den Zodiakus des Mondes in achtundzwanzig Teile zu teilen und die Sternbilder zu segnen, welche die durstige Wüste durch heilsamen Regen erfrischten. Die Herrschaft der himmlischen Sonnen konnte nicht über ihren sichtbaren Kreis ausgedehnt werden, und es war einige metaphysische Anstrengung erforderlich, um die Seelenwanderung und die Auferstehung der Körper zu behaupten. Ein Kamel wurde auf dem Grabe getötet, um seinem Gebieter in einem anderen Leben zu dienen, und die Anrufung der abgeschiedenen Geister deutet an, daß diese dauernd mit Bewußtsein und Macht begabt waren. Ich kenne die blinde Mythologie der Barbaren nicht und kümmere mich auch nicht um sie, um die Lokalgottheiten, die Sterne, die Luft, die Erde, ihr Geschlecht, ihre Namen, Eigenschaften und Ordnung. Jeder Stamm, jede Familie, jeder unabhängige Krieger schuf und veränderte die Zeremonien und den Gegenstand seines fanatischen Gottesdienstes; aber die Nation hat sich in jedem Jahrhundert vor der Religion wie vor der Sprache Mekkas gebeugt.

Das echte Altertum der Kaaba bestand schon vor der christlichen Zeitrechnung, der griechische Geschichtsschreiber Diodor hat bei der Beschreibung des Roten Meeres zwischen den Thamuditen und Sabäern einen berühmten Tempel erwähnt, der von allen Arabern verehrt wurde. Der leinene oder seidene Vorhang, der alle Jahre von dem türkischen Kaiser erneuert wird, wurde zuerst von einem frommen König der Homeriten, der siebenhundert Jahre vor Mohammed herrschte, gestiftet. Ein Zelt oder eine Höhle reichte für den Gottesdienst Wilder hin, ein Gebäude aus Stein und Ton ist an seiner Stelle erbaut worden, aber der Kunst und Macht der orientalischen Monarchen genügte vollauf das einfache ursprüngliche Muster. Ein geräumiger Portikus schließt das Viereck der Kaaba ein; eine vierseitige Kapelle, ungefähr zwölf Meter lang, elf Meter breit und dreizehneinhalb Meter hoch. Eine Tür und ein Fenster lassen das Licht ein; das Doppeldach wird von drei hölzernen Pfeilern getragen. Eine Dachrinne (jetzt aus Gold) dient als Regenwasserabfluß, und der Brunnen Zemzem ist durch einen Dom vor zufälliger Verunreinigung geschützt. Der Stamm der Koreischiten hat durch Betrug oder Gewalt die Bewachung der Kaaba erlangt; der priesterliche Dienst hatte sich durch vier Geschlechter in gerader Linie bis auf den Großvater Mohammeds fortgepflanzt, und die Familie der Haschemiten war die geehrteste und heiligste in den Augen ihres Volkes. Das Weichbild von Mekka genoß die Rechte eines Heiligtums, und im letzten Monate jedes Jahres füllten sich Stadt und Tempel mit langen Zügen von Pilgern, die ihre Gebete und Opfer im Hause Gottes darbrachten. Dieselben Zeremonien, die jetzt der gläubige Muselman vollbringt, sind von den Götzendienern erfunden und beobachtet worden. In einer ehrfurchtsvollen Entfernung legten sie ihre Gewänder ab. Siebenmal umkreisten sie die heilige Kaaba und küßten den schwarzen Stein. Siebenmal besuchten sie die naheliegenden Berge und beteten sie an; siebenmal warfen sie Steine in das Tal Mina, und die Wallfahrt wurde wie jetzt durch ein Opfer von Schafen und Kamelen und durch das Eingraben ihres Haares und ihrer Nägel in den geweihten Boden vollendet. Jeder Stamm fand in der Kaaba oder führte in ihr seinen heimischen Gottesdienst ein; der Tempel war mit dreihundertsechzig Götzen in Gestalt von Menschen, Adlern, Löwen und Antilopen geschmückt, und vor allem zeichnete sich das Standbild des Hebais aus rotem Achat aus, das in seiner rechten Hand sieben Pfeile ohne Federn oder Spitzen hielt, die Werkzeuge oder Symbole profaner Wahrsagerei. Aber dieses Standbild war ein Denkmal syrischer Kunst; die Frommen der früheren Jahrhunderte begnügten sich mit einer Säule oder Tafel, und die Felsen der Wüste wurden zu Göttern oder Altären als Nachahmung des schwarzen Steines von Mekka behauen, der mit dem Vorwurf heidnischen Ursprunges befleckt ist. Von Japan bis Peru hat der Gebrauch der Opfer allgemein geherrscht, und der Verehrer der Götter drückte seine Dankbarkeit und Furcht aus, indem er ihnen zu Ehren die teuersten und köstlichsten ihrer Gaben vernichtete und verzehrte. Ein Menschenleben galt als das wertvollste Opfer, um ein öffentliches Unglück abzuwenden; die Altäre von Phönizien und Ägypten, von Rom und Karthago sind mit Menschenblut befleckt worden. Diese grausame Sitte erhielt sich lange bei den Arabern; der Stamm der Dumatianer opferte im dritten Jahrhundert alljährlich einen Knaben, und ein Gefangener königlichen Ranges wurde von einem Sarazenenfürsten, dem Verbündeten und Krieger des Kaisers Justinian, in aller Frömmigkeit geschlachtet. Ein Vater, der seinen Sohn zum Altar schleppt, zeigt den schmerzlichsten und erhabensten Fanatismus, die Tat oder die Absicht wurde durch das Beispiel von Frommen und Helden geheiligt. Der Vater Mohammeds selbst war durch ein Gelübde dem Opfertod geweiht und konnte nur mit Mühe durch hundert Kamele ausgelöst werden. Zur Zeit der Unwissenheit aßen die Araber, gleich den Juden und Ägyptern, kein Schweinefleisch. Sie beschnitten ihre Kinder im Alter der Mannbarkeit; dieselben Gebräuche haben sich, ohne vom Koran getadelt oder vorgeschrieben zu werden, stillschweigend bei ihren Nachkommen und Proselyten erhalten. Man hat scharfsinnig vermutet, der schlaue Gesetzgeber habe den halsstarrigen Vorurteilen seiner Landsleute nachgegeben. Einfacher ist es zu glauben, daß er den Gewohnheiten und Meinungen seiner Jugend anhing, ohne vorauszusehen, daß ein Gebrauch, der dem Klima von Mekka angemessen war, an den Ufern der Donau oder Wolga nutzlos oder lästig werden könnte.

Arabien war frei, die angrenzenden Königreiche wurden von Eroberern und Tyrannen erschüttert, und die verfolgten Sekten flohen nach dem glücklichen Lande, wo sie bekennen durften, was sie dachten und ausüben, was sie bekannten. Die Religionen der Sabäer und Magier, der Juden und Christen waren vom Persischen Meerbusen bis ans Rote Meer verbreitet. In einer fernen Periode des Altertums war der Sabäismus über Asien durch die Chaldäer mittels Wissen, durch die Assyrer mittels Waffen ausgebreitet worden. Die Priester und Astronomen von Babylon folgerten aus zweitausendjährigen Beobachtungen die ewigen Gesetze der Natur und Vorsehung. Sie beteten die sieben Götter oder Engel an, die den Lauf der sieben Planeten regierten und ihren unwiderstehlichen Einfluß über die Erde geltend machten. Die Eigenschaften der sieben Planeten samt den zwölf Bildern des Tierkreises und den vierundzwanzig Sternbildern der nördlichen und südlichen Halbkugel wurden durch Bilder und Talismane dargestellt; die sieben Tage der Woche waren jeder einer eigenen Gottheit gewidmet. Die Sabäer beteten dreimal jeden Tag. Der Tempel des Mondes in Haran war das Ziel ihrer Wallfahrt. Aber ihr biegsamer Glaube war stets bereit zu lehren und zu lernen; die Überlieferung von der Schöpfung, der Sintflut, den Patriarchen stimmte auf eine merkwürdige Weise mit der ihrer jüdischen Gefangenen überein. Sie beriefen sich auf die geheimen Bücher Adams, Sets und Enochs, und eine leichte Beimischung des Evangeliums hat die letzten Polytheisten in Christen des heiligen Johann im Gebiete von Bassora verwandelt. Die Altäre von Babylon wurden von den Magiern gestürzt, dagegen die Unbilden der Sabäer durch Alexander gerächt. Persien seufzte über fünfhundert Jahre unter einem fremden Joch, und die reinsten Schüler Zoroasters entwichen der Versuchung des Götzendienstes und atmeten mit ihren Gegnern die Freiheit der Wüste. Siebenhundert Jahre vor dem Tode Mohammeds hatten sich Juden in Arabien angesiedelt, und eine bei weitem größere Menge wurde aus dem heiligen Lande in den Kriegen des Titus und Hadrian vertrieben. Die fleißigen Verbannten strebten nach Freiheit und Macht, sie errichteten Synagogen in den Städten, Schlösser in der Wildnis, und die heidnischen Bekehrten vermengten sich mit den Kindern Israels, denen sie auch durch das äußere Zeichen der Beschneidung glichen. Noch tätiger und glücklicher waren die christlichen Glaubensboten. Die Katholiken behaupteten ihre allgemeine Herrschaft; die Sekten, die sie unterdrückten, entwichen nacheinander über die Grenzen des römischen Reiches. Die Marcioniten und Manichäer verbreiteten ihre phantastischen Meinungen und unechten Evangelien; die Kirchen von Yemen aber und die Fürsten von Hira und Gassan wurden durch die jakobitischen und nestorianischen Bischöfe in einer reineren Lehre unterwiesen. Die freie Religionswahl wurde den Stämmen zugestanden; jeder Araber konnte willkürlich seine besondere Religion bekennen und ändern, und der rohe Aberglaube seines Hauses vermischte sich mit der erhabenen Theologie Heiliger und Weiser. Ein Grundartikel des Glaubens wurde durch die allgemeine Übereinstimmung dieser gelehrten Fremdlinge eingeschärft: das Dasein eines obersten Gottes, der über die Mächte des Himmels und der Erde erhaben ist, der sich aber der Menschheit durch den Mund der Engel und Propheten häufig offenbart und dessen Gnade und Gerechtigkeit durch Wunder die Ordnung der Natur unterbrochen hat. Die vernünftigsten der Araber erkannten seine Macht an, obwohl sie seine Verehrung vernachlässigten, und es war mehr Gewohnheit als Überzeugung, die sie noch immer an den Götzendienst fesselte. Die Juden und Christen waren das Volk des Buches; die Bibel war bereits in die arabische Sprache übersetzt, und das alte Testament wurde durch die Übereinstimmung dieser unversöhnlichen Feinde angenommen. Es freute die Araber, in der Geschichte der hebräischen Patriarchen die Urväter ihres Volkes zu entdecken. Sie zollten der Herkunft und Verheißung Ismaels ihren Beifall, verehrten den Glauben und die Tugenden Abrahams, führten seinen und ihren eigenen Stammbaum bis auf den ersten Menschen zurück und glaubten an die Wunder des heiligen Buches und die Träume und Überlieferungen der jüdischen Rabbiner.

Das Gerücht von der niedrigen und plebejischen Herkunft Mohammeds ist eine ungeschickte Verleumdung der Christen, welche die Verdienste ihres Feindes dadurch vergrößerten, statt ihn herabzuwürdigen. Seine Abstammung von Ismael ist entweder ein Nationalglaube oder eine Fabel, aber wenn auch sein älterer Stammbaum dunkel und zweifelhaft ist, konnte er doch mehrere Geschlechtsfolgen reinen und echten Adels aufweisen. Er entsproß dem Stamm Koreisch und der Familie Haschem, der erlauchtesten von Arabien, den Fürsten von Mekka und den Erbhütern der Kaaba. Der Großvater Mohammeds war Abdol Motalleb, der Sohn Haschems, ein reicher und freigebiger Bürger, der einer Hungersnot durch den Ertrag seines Handels abhalf. Mekka, das durch den freigebigen Vater genährt worden war, wurde durch den mutigen Sohn gerettet. Das Königreich Yemen war den christlichen Fürsten von Abessinien untertan; ihr Vasall Abraha wurde durch einen Schimpf gereizt, die Ehre des Kreuzes zu rächen und die heilige Stadt wurde von Elefanten und einem Heere Afrikaner eingeschlossen. Ein Vertrag wurde vorgeschlagen. In der ersten Audienz verlangte Mohammeds Großvater die Rückgabe seiner Herden. »Und warum«, fragte Abraha, »flehst du mich nicht lieber zu Gunsten deines Tempels an, den ich zu zerstören gedroht habe?« »Weil«, erwiderte der unerschrockene Häuptling, »das Vieh mein Eigentum ist; die Kaaba gehört den Göttern, sie werden ihr Haus schon gegen Unbilden und Frevel verteidigen.« Der Mangel an Lebensmitteln oder die Tapferkeit der Koreischiten zwang die Abessinier zu einem schmählichen Rückzug; ihre Niederlage wurde von einem wunderbaren Vogelschwarm vergrößert, von dem man erzählte, daß er Steine auf die Häupter der Ungläubigen fallen ließ, und man feierte die Befreiung lange durch die Aera des Elefanten. Der Ruhm Abdol Motallebs wurde durch häusliches Glück gekrönt; er erreichte das Alter von hundertzehn Jahren und zeugte sechs Töchter und dreizehn Söhne. Sein Liebling Abdallah war der schönste und bescheidenste aller arabischen Jünglinge. In der ersten Nacht, als er seine Vermählung mit Amina aus dem edlen Geschlechte der Zahriten vollzog, sollen zweihundert Jungfrauen aus Eifersucht und Verzweiflung gestorben sein. Mohammed, der einzige Sohn Abdallahs und Aminas, wurde in Mekka vier Jahre nach Justinians Tod und zwei Monate nach der Niederlage der Abessinier geboren, deren Sieg die christliche Religion in der Kaaba eingeführt haben würde. Er verlor in früher Kindheit Vater, Mutter und Großvater; seine Oheime waren mächtig und zahlreich, und bei der Teilung der Erbschaft wurde der Anteil der Waise auf fünf Kamele und eine äthiopische Sklavin beschränkt. Daheim und außen, im Frieden und Kriege war Abu Taleb, der achtbarste seiner Oheime, der Führer und Beschützer seiner Jugend. In seinem fünfundzwanzigsten Jahre trat er in die Dienste der Kadidschah, einer reichen und edlen Witwe von Mekka, die seine Treue bald mit ihrer Hand und ihrem Vermögen belohnte. Der Ehevertrag führt im einfachen Stil des Altertums die gegenseitige Liebe des Mohammed und der Kadidschah an, beschreibt ihn als den vollkommensten des Stammes Koreisch und bedingt eine Morgengabe von zwölf Unzen Gold und zwanzig Kamelen, die sein freigebiger Oheim liefert. Durch diese Vermählung wurde der Sohn Abdallahs wieder in den Rang seiner Ahnen eingesetzt. Die vernünftige Matrone war mit seinen häuslichen Tugenden zufrieden, bis er im vierzigsten Lebensjahre den Titel eines Propheten annahm und die Religion des Korans verkündete.

Nach Angabe seiner Gefährten zeichnete sich Mohammed durch persönliche Schönheit aus, eine Gabe, die selten verachtet wird, ausgenommen von denjenigen, denen sie versagt worden ist. Bevor er sprach, gewann der Redner das Wohlwollen seiner öffentlichen oder geheimen Zuhörerschaft. Sie bewunderten seine imponierende Erscheinung, sein majestätisches Aussehen, sein durchdringendes Auge, seinen wallenden Bart, sein Antlitz, das jede seelische Empfindung widerspiegelte und die Geberden, die jedem Worte seiner Lippen Nachdruck gaben. Im gewöhnlichen Umgang hielt er gewissenhaft an der ernsten und feierlichen Höflichkeit seines Vaterlandes fest; sein ehrfurchtsvolles Benehmen gegen Reiche und Mächtige erhielt durch seine Herablassung und Leutseligkeit gegen die ärmsten Bürger von Mekka Würde. Sein offenes Benehmen verbarg seine weitreichenden schlauen Absichten und seine Höflichkeit wurde persönlicher Freundschaft oder allgemeinem Wohlwollen zugeschrieben. Sein Gedächtnis war umfassend und getreu, sein Witz ungezwungen und leicht, seine Phantasie erhaben und sein Urteil klar, schnell und durchgreifend. Er besaß den Mut sowohl zu kühnen Gedanken als zur Tat, und wenn sich auch seine Pläne erst allmählich mit seinem Erfolge erweiterten, so trägt doch die erste Idee, die er von seiner göttlichen Sendung nährte, das Gepräge eines ursprünglichen und überlegenen Genies. Der Sohn Abdallahs war im Schöße des edelsten Geschlechtes, im Gebrauche der reinsten Mundart Arabiens erzogen worden und seine geläufige Rede wurde durch bescheidenes, und rechtzeitiges Stillschweigen gemäßigt und veredelt. Aber trotz seiner Rednergabe war Mohammed ein ungebildeter Barbar; die allgemeine Unwissenheit entschuldigte, daß er in seiner Jugend niemals lesen oder schreiben gelernt hatte, allein er war auf einen engen Kreis des Daseins beschränkt und jenes getreuen Spiegels beraubt, aus dem unserer Seele die Seelen der Weisen und Heroen entgegenstrahlen. Aber das Buch der Natur und Menschheit lag vor seinen Augen aufgeschlagen. In politischen und philosophischen Beobachtungen jedoch, die dem arabischen Reisenden zugeschrieben werden, hat man einigermaßen phantasiert. Er vergleicht die Nationen und Religionen der Erde, entdeckt die Schwäche der Monarchien Persien und Rom, sieht mit Mitleid und Entrüstung die Entartung der Zeiten und beschließt, den unbezwinglichen Mut und die ursprünglichen Tugenden der Araber unter einem Gott und einen König zu vereinen. Eine genauere Untersuchung ergibt jedoch, daß statt des Besuches der Höfe, Lager und Tempel des Ostens die beiden Reisen Mohammeds nach Syrien sich auf die beiden Märkte von Bostra und Damaskus beschränkten; daß er erst dreizehn Jahre alt war, als er die Karawane seines Oheims begleitete und daß ihm später seine Pflicht gebot zurückzukehren, sowie er über die Waren der Kadidschah verfügt hatte. Auf diesem eiligen Zuge konnte das Auge des Genies einige für seine Gefährten unsichtbare Dinge gewahren, konnten einige Samenkörner auf einen fruchtbaren Boden fallen, aber seine Unkenntnis der syrischen Sprache stand seiner Wißbegierde im Wege, und ich vermag weder im Leben, noch in den Schriften Mohammeds zu gewahren, daß sich sein Gesichtskreis über die Grenzen der arabischen Welt ausdehnte. Aus jeder Gegend dieser einsamen Welt versammelten sich die Pilgrime von Mekka alljährlich zur Andacht und zum Handel. Bei dem freien Verkehr der Scharen konnte ein einfacher Bürger in seiner Muttersprache den politischen Zustand und den Charakter der Stämme, die Theorie und Praxis der Juden und Christen studieren. Einige gelehrte Fremde werden gezwungen gewesen sein, die Rechte der Gastfreiheit in Anspruch zu nehmen, ja die Feinde Mohammeds haben ihn den Juden, den Perser und den syrischen Mönch genannt, denen sie Schuld geben, bei Abfassung des Korans geheime Hilfe geleistet zu haben. Umgang bereichert den Verstand, aber Einsamkeit ist die Schule des Genies, und die Gleichmäßigkeit eines Werkes verrät die Hand eines einzigen Künstlers. Von seiner frühesten Jugend an war Mohammed religiöser Betrachtung ergeben; jedes Jahr entzog er sich im Monat Ramadan der Welt und den Armen Kadidschahs; in der Grotte von Hera, drei Meilen von Mekka, beriet er sich mit dem Geiste des Betruges oder der Schwärmerei, dessen Wohnung nicht im Himmel, sondern in der Seele des Propheten war. Der Glaube, den er unter dem Namen Islam seiner Familie und Nation predigte, besteht aus einer ewigen Wahrheit und einer notwendigen Erdichtung: Es gibt nur einen Gott und Mohammed ist sein Prophet!

Die jüdischen Lobredner rühmen, daß während die gelehrten Nationen des Altertums durch die Fabeln der Vielgötterei betrogen wurden, ihre einfachen Altvordern die Kenntnis des wahren Gottes bewahrt haben. Die moralischen Eigenschaften Jehovahs lassen sich mit dem Maße menschlicher Tugend nicht leicht messen; seine metaphysischen Eigenschaften sind dunkel ausgedrückt, aber jede Zeile des Pentateuchs legt Zeugnis für seine Macht ab; die Einheit seines Namens ist auf der ersten Tafel des Gesetzes eingegraben, und sein Heiligtum wurde nie durch ein sichtbares Bild des unsichtbaren Wesens befleckt. Nach der Zerstörung des Tempels wurde der Glaube der hebräischen Verbannten durch die geistige Andacht in der Synagoge gereinigt, festgestellt und aufgeklärt, und die Macht Mohammeds kann seinen beständigen Vorwurf nicht rechtfertigen, daß die Juden von Mekka und Medina Esra als den Sohn Gottes anbeten. Aber die Kinder Israels hatten aufgehört ein Volk zu sein, und die Religionen der Welt waren, wenigstens in den Augen des Propheten, mit der Schuld beladen, daß sie dem höchsten Gotte Söhne oder Töchter oder Gefährten zuschrieben. In dem rohen Gottesdienste der Araber ist dieses Verbrechen offen sichtbar; die Sabäer werden durch den Vorrang, die sie dem ersten Planeten oder der Intelligenz in ihrer himmlischen Hierarchie geben, nur schwach entschuldigt, und in dem System der Magier verrät der Kampf der beiden Prinzipien die Unvollkommenheit des Siegers. Die Christen des siebenten Jahrhunderts waren unmerklich zum Heidentum zurückgesunken; ihre öffentliche und geheime Andacht galt den Reliquien und Bildern, welche die Tempel des Ostens schändeten. Der Thron des Allmächtigen wurde von Märtyrern, Heiligen und Engeln, den Gegenständen der Volksverehrung, verdunkelt und die collyridianischen Ketzer, die auf dem fruchtbaren Boden Arabiens blühten, nannten die Jungfrau Maria eine Göttin. Die Mysterien der Dreieinigkeit und Menschwerdung scheinen dem Grundsatze der Einheit Gottes zu widerstreiten. Sie führen drei gleiche Gottheiten ein und verwandeln den Menschen Jesus in die Wesenheit des Sohnes Gottes; ein orthodoxer Kommentar kann nur ein gläubiges Gemüt befriedigen; ungezügelte Forschsucht und rastloser Eifer hatten den Schleier von dem Heiligtum weggerissen, und jede der orientalischen Sekten versicherte eifrigst, daß alle übrigen den Vorwurf der Götzendienerei und Vielgötterei verdienten. Der Glaube Mohammeds ist frei von Zweideutigkeit, und der Koran legt ein glorreiches Zeugnis für die Einheit Gottes ab. Der Prophet von Mekka verwarf die Verehrung von Götzen und Menschen, Sternen und Planeten, aus dem vernünftigen Grundsatz, daß alles, was aufgeht untergehen, was geboren ist sterben, was vergänglich ist verfallen und vergehen muß. Als Urheber des Weltalls bekannte und betet er ein unendliches und ewiges Wesen ohne Gestalt an, nicht gezeugt, ohne Gleichen, unseren innersten Gedanken gegenwärtig, vorhanden durch die Notwendigkeit seiner eigenen Natur und aus sich selbst alle moralische und intellektuelle Vollkommenheit schöpfend. Diese erhabenen Wahrheiten, so in der Sprache des Propheten mitgeteilt, werden von seinen Schülern festgehalten und von den Auslegern des Korans mit metaphysischer Genauigkeit bestimmt. Ein philosophischer Geist könnte den Volksglauben der Mohammedaner bekennen, der vielleicht für unsere jetzige Fassungskraft zu erhaben ist. Welcher Gegenstand bleibt für die Phantasie oder auch nur für den Verstand übrig, wenn wir das unbekannte Wesen ohne alle Begriffe der Zeit und des Raumes, der Bewegung und Materie, des Gefühls und Denkens sehen? Das erste Prinzip der Vernunft und Offenbarung wurde durch die Stimme Mohammeds bestätigt; seine Proselyten sind von Indien bis Marokko durch den Namen der Unitarier ausgezeichnet, und der Gefahr des Götzendienstes ist durch das Verbot der Bilder vorgebeugt worden. Die Mohammedaner bekennen sich streng zur Lehre vom ewigen Beschlüsse und unbeschränkter Vorherbestimmung. Sie kämpfen mit den gewöhnlichen Schwierigkeiten: wie das Vorherwissen Gottes mit der Freiheit und Zurechnung des Menschen vereinigen? wie die Macht des Bösen unter der Herrschaft unendlicher Macht und unendlicher Güte erklären? Der Gott der Natur ist in allen seinen Werken, und sein Gesetz ist in das Herz des Menschen geschrieben. Die Kenntnis jener, die Befolgung dieses herzustellen ist der wirkliche oder angebliche Zweck der Propheten jedes Zeitalters gewesen. Mohammed räumte seinen Vorgängern denselben Glauben ein, den er für sich selbst verlangte und glaubt an Offenbarungen seit Adam bis zur Kundmachung des Korans. Während dieser Periode wurden einige Strahlen des prophetischen Lichtes hundertvierundzwanzigtausend durch Tugend und Gnade Auserwählten sichtbar, dreihundertzehn Apostel mit besonderer Vollmacht, ihr Vaterland von Abgötterei und Laster zu bekehren entsandt, einhundertvier Bände vom heiligen Geist eingegeben, und sechs Gesetzgeber von besonderer Größe haben den Menschen die sechs aufeinanderfolgenden Offenbarungen verschiedener Riten, aber nur einer einzigen unwandelbaren Religion verkündet. Die Macht und der Rang Adams, Noahs, Abrahams, Moses', Christus' und Mohammeds stehen in angemessener Stufenfolge übereinander; wer aber einen einzigen dieser Propheten haßt oder verwirft, gehört zu den Ungläubigen. Die Schriften der Patriarchen waren nur in den unechten Exemplaren der Griechen und Syrer erhalten; das Betragen Adams hatte ihm keinen Anspruch auf Dank oder Ehrfurcht von seinen Kindern gegeben. Die sieben Vorschriften Noahs wurden von einer unteren und unvollkommenen Klasse der Proselyten der Synagoge beobachtet; das Andenken Abrahams wurde von den Sabäern in seinem Vaterland Chaldäa verehrt; von den Myriaden Propheten lebten und herrschten nur Moses und Christus, und der Rest der vom Geist eingegebenen Schriften war in den Büchern des alten und neuen Testamentes enthalten.

Die wunderbare Geschichte des Moses findet sich durch den Koran geheiligt und verschönert, und den gefangenen Juden genügt die geheime Rache, ihren eigenen Glauben Nationen auferlegt zu haben, deren neue Glaubensbekenntnisse sie verlachen. Gegen den Stifter des Christentums lehrte der Prophet die Mohammedaner eine hohe und mysteriöse Ehrfurcht zu bewahren. »Fürwahr, Christus Jesus, der Sohn der Maria, ist der Apostel Gottes, er hauchte sein Wort der Maria ein, und ein Geist ging von ihm aus, geehrt in dieser und jener Welt und einer von denjenigen, die Gottes Gegenwart am nächsten stehen.« Die Wunder der echten und unechten Evangelien werden ihm verschwenderisch zugeschrieben, und die lateinische Kirche hat es nicht verschmäht, aus dem Koran die unbefleckte Empfängnis seiner jungfräulichen Mutter zu entlehnen. Jesus wird am Tage des Gerichtes durch sein Zeugnis sowohl die Juden verdammen, die ihn als Propheten verwerfen, wie die Christen, die ihn nicht als Gottes Sohn anbeten. Seine boshaften Feinde verleumdeten seinen Ruf und verschworen sich gegen sein Leben; allein nur ihre Absicht war schuldig, ein Phantom oder Verbrecher hing statt seiner am Kreuze, der unschuldige Heilige aber wurde in den siebenten Himmel aufgenommen. Sechshundert Jahre lang blieb das Christentum der Weg der Wahrheit und des Heiles, die Christen vergaßen jedoch allmählich das Gesetz wie das gegebene Beispiel ihres Stifters, und Mohammed lernte von den Gnostikern Kirche wie Synagoge der Fälschung des heiligen Textes anzuklagen. Moses und Christus freuten sich zuversichtlich auf einen künftigen Propheten, glorreicher als sie selbst; die evangelische Verheißung des Parakletes oder heiligen Geistes war schon lange verkündet und ging in Erfüllung in der Person Mohammeds, des größten und letzten der Apostel Gottes.

Die Verkündigung der Ideen fordert eine gewisse Ähnlichkeit im Denken und der Redeweise. Die Sprache eines Philosophen würde einem Bauern gegenüber wirkungslos bleiben; und doch, wie gering ist der Abstand zwischen ihren Geisteskräften, verglichen mit einem unendlichen und endlichen Geist, mit dem Worte Gottes ausgedrückt durch die Zunge oder die Feder eines Sterblichen! Die Begeisterung der hebräischen Propheten, der Apostel und Evangelisten Christi war gewiß mit ihrer Vernunft und ihrem Gedächtnisse nicht unvereinbar; ja die Schreibart der Bücher des alten und neuen Testaments zeigt die starke Verschiedenheit ihrer Talente. Mohammed begnügte sich mit dem anspruchslosen aber erhabeneren Charakter eines einfachen Herausgebers; die Substanz des Korans ist, ihm selbst oder seinen Schülern zufolge, unerschaffen und ewig, im Wesen der Gottheit ruhend und mit leuchtendem Griffel auf die Tafel seiner ewigen Beschlüsse geschrieben. Eine Abschrift auf Papier wurde in einem Einband von Seide und Edelsteinen in den untersten Himmel durch den Engel Gabriel gebracht, der unter der jüdischen Haushaltung allerdings mit den wichtigsten Sendungen beauftragt wurde; und dieser treue Bote offenbarte dem arabischen Propheten nach und nach die Kapitel und Verse. Statt einer dauernden, vollkommenen Urkunde des göttlichen Willens wurden die Bruchstücke des Korans nach Mohammeds Ermessen vorgebracht; jede Offenbarung ist seiner Politik oder Leidenschaft angepaßt, und aller Widerspruch wird durch die rettende Maxime beseitigt, daß jeder Text der Schrift durch jede folgende Stelle abgeschafft oder verändert werden könne. Das Wort Gottes und seines Apostels wurde von seinen Jüngern emsig auf Palmblätter und auf Schulterknochen von Hammeln niedergeschrieben und die Blätter ohne Ordnung und Zusammenhang in einen dem Hausgebrauch dienenden Kasten geworfen, den eine seiner Frauen aufbewahrte. Zwei Jahre nach Mohammeds Tod sammelte sein Freund und Nachfolger Abubeker das heilige Buch und gab es heraus. Kalif Othman sah das Werk im dreißigsten Jahre der Hegira durch, und die verschiedenen Ausgaben des Koran erheben sämtlich auf das wunderbare Privilegium eines gleichen und unverfälschten Textes Anspruch. Aus Schwärmerei oder Eitelkeit gründet der Prophet die Wahrheit seiner Sendung auf das Buch, fordert verwegen Menschen und Engel heraus, die Schönheit einer einzigen Seite nachzuahmen und wagt zu behaupten, daß nur Gott das unvergleichliche Werk inspirieren konnte. Ein derartiger Beweis spricht mit größter Macht zu dem frommen Araber, dessen Seele gläubig und verzückt ist, der durch die Musik der Worte in Wonne versetzt wird und dessen Unwissenheit nicht imstande ist, die Erzeugnisse des menschlichen Geistes zu vergleichen. Die Harmonie des Stils kann in einer Übersetzung nicht zu den europäischen Ungläubigen dringen; er wird ungeduldig die endlos unzusammenhängende Rhapsodie von Fabel, Lehre und Deklamation zu lesen, die nur selten ein Gefühl oder eine Idee anregt, bald im Staube kriecht und bald sich in den Wolken verliert. In seiner Phantasie ahnte der arabische Glaubensbote die Eigenschaften Gottes, aber sein höchster Flug steht tief unter der erhabenen Einfachheit des in einem fernen Zeitalter in demselben Lande und derselben Sprache verfaßten Buches Hiob. Wenn die Abfassung des Korans menschliche Kraft übersteigt, welcher höheren Intelligenz müßten wir die Iliade des Homer oder die Philippiken des Demosthenes zuschreiben! In allen Religionen ergänzt das Leben des Stifters seine schriftlichen Offenbarungen; die Aussprüche Mohammeds galten als ebensoviele Lehren der Wahrheit, seine Handlungen als ebensoviele Beispiele der Tugend, und seine Frauen und Gefährten erhielten das Andenken an sie. Nach Verlauf von zweihundert Jahren wurde die Sunna oder das mündliche Gesetz von Al Bochari, der siebentausendzweihundertfünfundsechzig Überlieferungen und dreihunderttausend Sagen zweifelhafter und verdächtiger Natur voneinander schied, festgesetzt und geheiligt. Jeden Tag betete der fromme Verfasser im Tempel von Mekka und verrichtete seine Waschungen mit dem Wasser des Zemzem. Die Blätter wurden nacheinander auf der Kanzel und dem Grabe des Apostels niedergelegt und das Werk ist von den vier orthodoxen Sekten der Sunniten gebilligt worden.

Die Sendung der alten Propheten, Moses und Jesus, war durch viele glänzende Wunder beglaubigt worden. Mohammed wurde von den Bewohnern von Mekka und Medina wiederholt gedrängt, einen ähnlichen Beweis seines göttlichen Auftrages zu liefern, den Engel oder das Buch seiner Offenbarung vom Himmel herabzurufen, einen Garten in der Wüste zu schaffen oder Flammen auf die ungläubige Stadt regnen zu lassen. So oft er von den Koreischiten gedrängt wird, beruft er sich auf Geschichte und Prophezeiung, auf die inneren Beweise seiner Lehre und verbirgt sich hinter der Vorsehung Gottes, die Zeichen und Wunder verweigere, die das Verdienst des Glaubens schmälern und die Schuld des Unglaubens mehren würden. Aber der demütige Ton seiner Ausflüchte verrät seine Schwäche und seinen Ärger, und diese ihm keine Ehre bringenden Stellen setzen die Unverfälschtheit des Koran außer Zweifel. Die Anhänger Mohammeds sind seiner Gabe Wunder zu wirken sicherer als er selbst; ihre Zuversicht und Leichtgläubigkeit wächst im Maße der Entfernung von Zeit und Ort seiner geistigen Großtaten. Sie glauben oder behaupten, daß Bäume ihm entgegengingen, Steine ihn grüßten, Wasser aus seinen Fingern strömte, daß er die Hungrigen sättigte, die Kranken heilte und die Toten erweckte; daß ein Balken ihm zuächzte, ein Kamel bei ihm klagte, ein Hammelsviertel ihm eröffnete, daß es vergiftet sei, kurz, daß die lebendige wie die leblose Natur dem Apostel Gottes in gleichem Grade untertan war. Die nächtliche Traumreise wird in einen wirklichen und körperlichen Vorgang verwandelt. Ein geheimnisvolles Tier, Borak, brachte ihn von dem Tempel von Mekka nach dem von Jerusalem; mit seinem Gefährten Gabriel stieg er zu den sieben Himmeln empor, wo er Begrüßungen mit Patriarchen, Propheten und Engeln austauschte. Über den siebenten Himmel hinaus durfte nur Mohammed schweben; er schritt durch den Schleier der Einheit, trat dem Throne bis auf zwei Bogenschußweiten nahe und fühlte eine unaussprechliche Kälte sein Herz durchdringen, als die Hand Gottes seine Schulter berührte. Nach dieser geheimen aber wichtigen Besprechung stieg er wieder nach Jerusalem hinab, setzte sich abermals auf den Borak, kehrte nach Mekka zurück und vollendete im zehnten Teil einer Nacht eine Reise von vielen tausend Jahren. Nach einer anderen Legende kam der Apostel in einer Nationalversammlung der boshaften Aufforderung der Koreischiten nach. Durch sein unwiderstehliches Wort spaltete er die Scheibe des Mondes; der gehorsame Planet schwebte von seinem Platz am Himmel nieder, vollendete seine sieben Rundgänge um die Kaaba, begrüßte Mohammed in arabischer Sprache, verkleinerte plötzlich seinen Umfang, schlüpfte zum Kragen seines Hemdes hinein und kam zum Ärmel heraus. Der große Haufen ergötzt sich an diesen Wundergeschichten, aber die ernstesten muselmanischen Gottesgelehrten ahmen die Bescheidenheit ihres Meisters nach und gestatten Weite des Glaubens oder der Auslegung. Sie können mit Recht anführen, daß es, um Religionen zu lehren, nicht nötig sei, die Harmonie der Natur zu verletzen, daß ein von Mysterien nicht umwölkter Glaube die Wunder entbehren könne und daß das Schwert Mohammeds nicht minder mächtig gewesen sei, als der Stab Moses.

Der Polytheist wird durch die Vielfachheit des Aberglaubens erdrückt und unsicher; tausend Zeremonien ägyptischen Ursprungs waren mit dem mosaischen Gesetze verwoben und der Geist des Evangeliums schwand im Prunk der Kirche. Der Prophet von Mekka folgte dem Vorurteile oder der Politik oder der Vaterlandsliebe, indem er die Zeremonien der Araber und die Gewohnheit heiligte, den heiligen Stein der Kaaba zu besuchen. Aber Mohammeds Vorschriften selbst schärfen einfache und vernünftige Frömmigkeit ein. Beten, Fasten, Almosengeben sind die religiösen Pflichten eines Muselmanes, der durch die Hoffnung belebt wird, daß das Gebet ihn auf den halben Weg zu Gott, das Fasten bis an das Tor des Paradieses bringe, das Almosengeben dort Einlaß verschaffe. I. Nach der Sage der nächtlichen Reise hatte der Apostel bei seiner persönlichen Besprechung mit Gott den Befehl erhalten, seinen Jüngern die Verpflichtung aufzuerlegen, täglich fünfzig Gebete zu beten. Auf Moses Rat bat er um eine Erleichterung dieser unerträglichen Bürde, und die Zahl wurde allmählich auf fünf herabgesetzt, von denen keine Befreiung durch Geschäft oder Vergnügen, Zeit oder Ort möglich war. Die Andacht des Gläubigen wird mit Tagesanbruch, zu Mittag, des Nachmittags, des Abends und zur ersten Nachtwache gehalten. Bei dem gegenwärtigen Sinken religiöser Inbrunst sind unsere Reisenden durch die tiefe Demut und Aufmerksamkeit der Türken und Perser überrascht worden. Reinlichkeit ist der Schlüssel zum Gebet; die häufigen Waschungen der Hände, des Antlitzes und des Körpers, die bei den Arabern von jeher üblich waren, werden durch den Koran feierlich eingeschärft, der die förmliche Erlaubnis enthält, bei Wassermangel Sand anzuwenden. Die Worte und Stellungen beim Beten, je nachdem dies stehend, sitzend oder kniend geschah, sind durch Gewohnheit oder Gesetz vorgeschrieben, aber das Gebet selbst besteht in kurzen und inbrünstigen Ausrufungen. Der Eifer wird durch keine langwierige Liturgie erschöpft, und jeder Mohammedaner hat für sich selbst den Charakter eines Priesters. Unter Deisten, die den Gebrauch der Bilder verwerfen, fand man es für notwendig, den Verirrungen der Phantasie einen Zaum anzulegen, indem man Augen und Gedanken nach einem Kebla oder sichtbaren Punkt des Horizontes richtete. Der Prophet war zuerst geneigt, den Juden durch die Wahl von Jerusalem zu schmeicheln; er entschied sich jedoch bald für Mekka, und jeden Tag fünfmal wenden sich die Blicke der Nationen in Astrachan, in Fez, in Delhi mit Frömmigkeit gegen den Tempel dieser Stadt. Jeder Platz ist zur Gottesverehrung gleich rein; die Mohammedaner beten ohne Unterschied in ihrem Gemach oder auf der Straße. Zum Unterschied von den Gebräuchen bei Christen und Juden ist der Freitag jeder Woche für den öffentlichen Gottesdienst bestimmt. Das Volk versammelt sich in der Moschee, und der Imam oder ein ehrwürdiger Ältester besteigt die Kanzel, um das Gebet zu beginnen und die Predigt zu halten. Die mohammedanische Religion kennt weder Päpste noch Opfer, und der unabhängige, schwärmerische Mohammedaner blickt mit Verachtung auf die Diener und Sklaven der anderen Religionen. II. Die freiwilligen Bußübungen der Asketen, ihres Lebens Qual und Ruhm, waren einem Propheten verhaßt, der ein vorschnelles Gelübde seiner Gefährten, sich von Fleisch, Weibern und Schlaf zu enthalten, tadelte und fest erklärte, er würde keine Mönche in seiner Religion dulden. Nichtsdestoweniger führte er in jedem Jahre eine dreißigtägige Fastenzeit ein und empfahl streng ihre Beobachtung als eine Einrichtung, welche die Seele reinige und den Leib unterwerfe und als Übung des Gehorsams im Willen Gottes und seines Apostels. Im Monat Ramadan enthält sich der Mohammedaner von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang der Speise, des Trankes, der Frauen, des Bades und der Wohlgerüche, jeder Nahrung, die seine Kraft wiederherstellen und jedes Vergnügens, das seine Sinne ablenken kann. Durch die Veränderlichkeit des Mondjahres ist der Ramadan bald im kalten Winter, bald im heißen Sommer, und der geduldige Märtyrer muß, ohne seinen Durst auch nur durch einen Tropfen Wasser zu mildern, das Ende eines langen und schwülen Tages abwarten. Das einigen Priester- und Einsiedlerorden eigentümliche Verbot des Weintrinkens ist von Mohammed allein in ein positives und allgemeines Gesetz verwandelt worden, und ein beträchtlicher Teil der Menschen hat auf sein Geheiß den Genuß dieses heilsamen, obschon gefährlichen Getränkes abgeschworen. Dieser peinliche Zwang wird ohne Zweifel von dem Schwelger gebrochen und von dem Heuchler umgangen; aber man kann deshalb den Gesetzgeber, der ihn auferlegte, nicht beschuldigen, er habe seine Proselyten durch die Erlaubnis zügelloser Befriedigung ihrer sinnlichen Begierden angelockt. III. Die Mildtätigkeit der Mohammedaner erstreckt sich bis zum Tier, und der Koran schärft, nicht als Verdienst, sondern als strenge und unerläßliche Pflicht ein, dem Dürftigen und Unglücklichen beizuspringen. Mohammed ist vielleicht der einzige Gesetzgeber, der das Maß der Mildtätigkeit genau bestimmt hat; zwar kann dasselbe nach dem Grad und der Beschaffenheit des Eigentums, je nachdem dasselbe in Geld, Korn oder Vieh, in Früchten oder Waren besteht, wechseln; aber der Mohammedaner erfüllt das Gesetz nicht, wenn er nicht den zehnten Teil seines Einkommens dazu verwendet, und wenn er sich des Betruges oder der Erpressung schuldig weiß, soll das Zehntel in ein Fünftel zur Wiedergutmachung verwandelt werden. Wohlwollen ist die Grundlage der Gerechtigkeit, weil das Gebot, jemandem Hilfe zu leisten, das Verbot in sich schließt, ihm ein Unrecht zuzufügen. Ein Prophet kann die Geheimnisse des Himmels und der Zukunft enthüllen, aber in seinen moralischen Vorschriften kann er nur die Lehren unserer eigenen Herzen wiederholen.

Die beiden Glaubensartikel und die vier praktischen Pflichten des Islams werden durch Belohnungen und Strafen gehütet, und der Mohammedaner glaubt fest und fromm an ein letztes Gericht und an einen jüngsten Tag. Der Prophet hat nicht gewagt, den Zeitpunkt dieser furchtbaren Katastrophe zu bestimmen, wohl aber die Zeichen im Himmel und auf Erden dunkel verkündet, die der allgemeinen Auflösung vorangehen, bei der die Leben zerstört werden und die Ordnung der Schöpfung in das ursprüngliche Chaos zurückfallen wird. Auf den Ton der Trompete werden neue Welten zum Dasein gelangen; Engel, Genien und Menschen werden von den Toten auferstehen, und die Seele wird wieder mit dem Körper vereinigt werden. Die Lehre von der Wiederauferstehung wurde zuerst von den Ägyptern geglaubt, die Körper einbalsamierten und die Pyramiden bauten, um die alte Hülle der Seele während einer Periode von dreitausend Jahren zu bewahren. Aber dieses Verfahren ist zwecklos; mit philosophischem Geist verläßt sich Mohammed auf die Allmacht des Schöpfers, dessen Wort den Staub wieder beleben und die zahllosen Atome sammeln kann, die ihre Form und ihr Wesen nicht beibehalten hatten. Der Zustand der Seele, bis dies geschieht, ist schwer zu beschreiben, und selbst diejenigen, die am festesten an ihre unkörperliche Natur glauben, sind in Verlegenheit, zu begreifen, wie sie ohne Hilfe der Sinneswerkzeuge denken oder handeln können.

Der Wiedervereinigung der Seele mit dem Leibe folgt das letzte Gericht; aber der Prophet hat in seiner Kopie des Gemäldes der Magier die Form des Verfahrens, ja sogar die Trägheit eines irdischen Tribunals zu treu nachgeahmt. Von seinen unduldsamen Gegnern wird er geschmäht, weil er die Hoffnung auf Heil sogar auf sie selbst ausdehnt und die schwärzeste aller Ketzereien begehe, indem er nämlich behaupte, daß jeder Mensch, der an Gott glaube und gute Werke tue, am Jüngsten Tag ein günstiges Urteil erwarten dürfe. Eine solche vernünftige Gleichgültigkeit paßt schlecht zum Charakter eines Schwärmers, und es ist nicht wahrscheinlich, daß ein Bote des Himmels den Wert und die Notwendigkeit seiner eigenen Offenbarung herabsetzt. In der Sprache des Korans ist der Glaube an Gott unzertrennlich von jenem an Mohammed; gute Werke sind jene, die er geboten hat; und in diesen beiden Merkmalen liegt das Bekenntnis des Islams, zu dem alle Nationen und alle Sekten ohne Unterschied zugelassen werden. Ihre geistige Blindheit, wenn auch durch Unwissenheit entschuldigt und mit Tugenden gekrönt, wird mit ewigen Qualen bestraft werden, und die Tränen, die Mohammed über dem Grabe seiner Mutter vergießt, für die zu beten ihm nicht erlaubt war, enthüllen einen auffallenden Gegensatz von Menschlichkeit und Schwärmerei. Die Verdammung der Ungläubigen ist allgemein; das Maß ihrer Schuld und Strafe richtet sich nach der Größe des Beweises der Religion Mohammeds, den sie verworfen und nach den Irrtümern, die sie bekannt haben; die ewigen Wohnungen der Christen, Juden, Sabäer, Magier und Götzendiener liegen im Abgrund eine unter der anderen, und der unterste Raum ist den treulosen Heuchlern vorbehalten, welche die Religion als Maske benützen. Nachdem der größere Teil der Menschheit ihrer Meinung wegen verdammt worden ist, werden die echten Gläubigen nach ihren Taten gerichtet. Das Gute und Böse, das jeder Mohammedaner vollbracht hat, wird genau abgewogen, wobei eine sonderbare Art der Gegenrechnung zum Ersatz der Unbilden stattfindet; der Beleidiger muß zugunsten der Person, der er Unrecht getan, eine seiner eigenen guten Handlungen abtreten, und wenn er gar kein moralisches Eigentum besitzt, wird seine Sündenlast um einen angemessenen Teil der Fehler der Beleidigten beschwert. Je nachdem Schuld oder Tugend überwiegt, wird das Urteil gefällt werden. Alle aber müssen ohne Unterschied über die scharfe und gefährliche Brücke des Abgrundes gehen; die Unschuldigen, in Mohammeds Fußstapfen wandelnd, werden ruhmvoll durch die Tore des Paradieses schreiten, während die Schuldigen in die erste und mildeste der sieben Höllen stürzen. Die Zeit der Buße wechselt von neunhundert bis siebentausend Jahren; aber der Prophet hat weislich verheißen, daß alle seine Jünger, wie groß auch ihre Sünden sein mögen, durch ihren eigenen Glauben und seine Fürbitte gerettet werden würden. Es ist nicht zu verwundern, daß der Aberglaube auf die Furcht seiner Anhänger am mächtigsten wirkt, weil sich die menschliche Phantasie das Elend eines zukünftigen Lebens mit weit größerer Kraft ausmalen kann als die Seligkeit. Mit der Finsternis und dem Feuer können wir ein Gefühl der Pein verbinden, das durch den Begriff der endlosen Dauer bis zu einem unendlichen Grad verschärft werden kann. Derselbe Begriff bewirkt aber einen entgegengesetzten Erfolg bezüglich der Freudendauer, denn unser Genuß hienieden ist meist schon durch das Aufhören des Übels bedingt. Es ist sehr natürlich, daß ein arabischer Prophet bei den Hainen, Brunnen und Strömen des Paradieses verweilte. Statt aber den gesegneten Einwohnern einen edlen Geschmack für Harmonie und Wissen, Umgang und Freundschaft einzuhauchen, preist er eitel die Perlen und Diamanten, die seidenen Gewänder, Marmorpaläste, goldenen Schüsseln, reichen Weine, köstlichen Leckereien, zahlreiche Dienerschaft und den ganzen Troß sinnlicher Üppigkeit, der für seine Genießer selbst in der kurzen Periode dieses irdischen Lebens schal wird. Zweiundsiebzig Huris oder schwarzäugige Mädchen von glänzender Schönheit, blühender Jugend, jungfräulicher Reinheit und ausgesuchter Empfindlichkeit werden zum Vergnügen des geringsten Gläubigen geschaffen; ein Augenblick des Vergnügens wird auf tausend Jahre verlängert, und seine Kräfte werden um das Hundertfache vermehrt, um ihn seiner Seligkeit würdig zu machen. Obschon gewöhnlich das Gegenteil geglaubt wird, werden doch die Tore des Himmels für beide Geschlechter offen stehen. Mohammed hat aber den auserwählten Frauen keine männlichen Gefährten zugewiesen, entweder um nicht die Eifersucht früherer Gatten zu erregen oder ihr Glück nicht durch die Besorgnis vor einer ewigen Ehe zu stören. Dieses Bild eines fleischlichen Paradieses hat die Entrüstung, vielleicht den Neid der Mönche erregt; sie ziehen gegen die unreine Religion Mohammeds los, und seine bescheidenen Verteidiger geben als armselige Ausflucht an, daß dies Bilder und Allegorien seien. Aber die vernünftigere Partei bleibt folgerichtig ohne Scham bei der buchstäblichen Auslegung des Korans: zwecklos wäre ja die Auferstehung des Leibes, wenn er nicht wieder in den Besitz seiner besten Fähigkeiten kommen würde, und die Vereinigung des sinnlichen und geistigen Genusses ist notwendig, um das Glück des Doppelwesens, des vollkommenen Menschen, zu vervollständigen. Aber die Freuden des mohammedanischen Paradieses werden nicht auf bloße Üppigkeit und Sinnengenuß beschränkt sein, und der Prophet hat ausdrücklich erklärt, daß die Heiligen und Märtyrer, die zur Seligkeit des Anschauens Gottes gelangen, jedes niedrige Glück vergessen und verachten werden.

Die ersten und schwierigsten Eroberungen Mohammeds waren die seiner Gattin, seines Dieners, seines Zöglings und seines Freundes, weil er sich als Prophet denjenigen kundgab, die seine Schwächen als Mensch am besten kannten. Dennoch glaubte Kadidschah den Worten und glühte für den Ruhm ihres Gatten; der gehorsame und zugetane Seid wurde durch die Aussicht auf Freiheit gewonnen; der berühmte Ali, Abu Talebs Sohn, erfaßte die Ansichten seines Vetters mit dem Geiste eines Helden. Der reiche, mäßige, wahrheitsliebende Abubeker bekräftigte die Religion des Propheten, dem er nachzufolgen bestimmt war. Durch seine Überredung wurden zehn der achtbarsten Bürger Mekkas veranlaßt, dem Geheimunterricht im Islam beizuwohnen; sie ließen sich durch Vernunft und Schwärmerei fesseln und wiederholten das Grundbekenntnis: »Es ist nur ein Gott und Mohammed ist sein Prophet!« und ihr Glaube wurde noch in diesem Leben mit Reichtümern und Ehrenstellen, mit dem Befehl über Heere und der Regierung von Königreichen belohnt. Drei Jahre vergingen in der Stille mit Bekehrung von vierzehn Proselyten, den ersten Anhängern seiner Lehre; im vierten Jahre aber übernahm er das Amt eines Propheten. Mit dem Entschluß, seiner Familie das Licht der göttlichen Wahrheit zu offenbaren, bereitete er ein Mahl, ein Lamm wie es heißt, und einen Krug Milch zur Bewirtung von vierzig Gästen aus dem Geschlecht Haschem. »Freunde und Vettern«, sprach Mohammed zu der Versammlung, »ich biete euch, ich allein kann euch die Schätze dieser Welt und der zukünftigen bieten. Gott hat mir befohlen, euch zu seinem Dienst zu berufen. Wer unter euch will meine Last tragen? Wer unter euch will mein Genosse und mein Vezir sein?« Keine Antwort erfolgte, bis endlich das staunende, zweifelnde und verachtende Schweigen durch den ungestümen, mutigen Ali, einen vierzehnjährigen Jüngling, gebrochen wurde. »O Prophet, ich bin der Mann; wer gegen dich aufsteht, dem will ich die Zähne zerschmettern, die Augen ausreißen, die Beine brechen, den Bauch aufschlitzen. O Prophet, ich will dein Vezir über sie sein.« Mohammed nahm dieses Anerbieten mit Entzücken an, und Abu Taleb wurde ironisch ermahnt, die höhere Würde seines Sohnes zu ehren. In ernsterem Tone riet Alis Vater seinem Neffen, den unausführbaren Plan aufzugeben. »Spare deine Vorstellungen«, erwiderte der unerschrockene Schwärmer seinem Oheim und Wohltäter, »und wenn man die Sonne zu meiner Rechten und den Mond zu meiner Linken stellte, würden sie mich nicht von meiner Bahn ablenken.« Er beharrte zehn Jahre in Erfüllung seiner Sendung; aber die Religion, die sich über den Osten und Westen verbreitet hat, machte innerhalb der Mauern von Mekka nur langsame und mühselige Fortschritte. Indessen genoß Mohammed die Genugtuung, seine kleine Gemeinde der Unitarier, die ihn als einen Propheten verehrten und denen er zur günstigen Zeit die geistige Nahrung des Korans spendete, wachsen zu sehen. Die Zahl der Proselyten kann an der Verminderung von dreiundachtzig Männern und achtzehn Frauen ermessen werden, die sich im siebenten Jahre seiner Sendung nach Äthiopien zurückzogen. Seine Partei wurde durch die wichtige Bekehrung seines Oheims Hamza und des wilden und unbeugsamen Omar verstärkt, der zugunsten des Islams denselben Feuereifer bewährte, den er zu dessen Vernichtung an den Tag gelegt hatte. Auch war die Freigebigkeit Mohammeds nicht auf den Stamm Koreisch und den Bereich von Mekka beschränkt; an feierlichen Festen, in den Tagen der Wallfahrt besuchte er die Kaaba, mischte sich unter die Fremden jedes Stammes und drang sowohl in Privatgesprächen als in öffentlichen Reden auf den Glauben und die Verehrung einer einzigen Gottheit. Im Bewußtsein seines Rechtes wie seiner Schwäche berief er sich auf Gewissensfreiheit und verwarf die Anwendung religiösen Zwanges; aber er forderte die Araber zur Reue auf und beschwor sie, der alten Götzendiener von Ad und Thamud zu gedenken, welche die göttliche Gerechtigkeit von der Erde getilgt hatte.

Das Volk von Mekka war in seinem Unglauben durch Aberglauben und Neid verhärtet. Die Ältesten der Stadt, die Oheime des Propheten, erkünstelten Verachtung gegen eine verwegene Waise, die sich zum Reformator seines Vaterlandes aufspielen wollte. Die frommen Reden Mohammeds in der Kaaba wurden von Abu Talebs Geschrei unterbrochen: »Mitbürger und Pilger, höret nicht auf den Versucher, horchet nicht auf seine ruchlosen Neuerungen, beharret fest auf der Verehrung von AI Lata und AI Uzzach.« Der Sohn Abdallahs blieb jedoch dem greisen Häuptling stets teuer, und er schützte den Ruf und die Person seines Neffen gegen die Angriffe der auf den Vorrang der Familie Haschern seit langer Zeit eifersüchtigen Koreischiten. Ihre Bosheit verbarg sich unter dem Gewande der Religion; zur Zeit Hiobs wurde das Verbrechen der Gottlosigkeit von dem arabischen Richter bestraft, und Mohammed hatte die Schuld der Abtrünnigkeit und Verleugnung der Nationalgottheiten auf sich geladen. Aber so wenig strenge waren die Gesetze von Mekka, daß die Häupter der Koreischiten, statt einen Verbrecher anzuklagen, gezwungen waren, zu Überredung oder Gewalt zu greifen. Sie wandten sich an Abu Taleb oft in vorwurfsvollem und drohendem Tone: »Dein Neffe schmäht unsere Religion. Er beschuldigt unsere weisen Altvordern der Unwissenheit und Narrheit. Bringe ihn schnell zum Schweigen, sonst entzündet er in der Stadt Tumult und Zwietracht. Wenn er dabei beharrt, werden wir unsere Schwerter gegen ihn und seine Anhänger ziehen, und du wirst für das Blut deiner Mitbürger verantwortlich sein.« Der einflußreiche und gemäßigte Abu Taleb vereitelte die Gewalttätigkeit der Partei der alten Religion; die hilflosesten oder furchtsamsten Jünger des Propheten wanderten nach Äthiopien aus, und er selbst zog sich in feste Plätze in der Stadt oder auf dem Lande zurück. Da er noch immer von seiner Familie beschützt wurde, verpflichteten sich die übrigen Mitglieder des Stammes Koreisch, allen Verkehr mit den Kindern Haschems abzubrechen, von ihnen weder zu kaufen noch ihnen zu verkaufen, sie weder zur Ehe zu nehmen noch ihnen Frauen zur Ehe zu geben, sondern sie mit unversöhnlichem Hasse zu verfolgen, bis sie Mohammed der göttlichen Gerechtigkeit überliefert haben würden. Der Beschluß wurde in der Kaaba vor den Augen der versammelten Nation angeschlagen. Die Gesandten der Koreischiten verfolgten die mohammedanischen Verbannten im Herzen von Afrika, belagerten den Propheten und seine getreuesten Anhänger, beraubten sie des Wassers und entflammten ihre gegenseitige Feindschaft durch Wiedervergeltung der Unbilden und Beleidigungen. Ein zweifelhafter Waffenstillstand stellte scheinbare Eintracht her, bis der Tod des Abu Taleb Mohammed der Macht seiner Feinde in einem Augenblick preisgab, als er durch den Verlust der treuen und edelmütigen Kadidschah seiner häuslichen Trösterin beraubt wurde. Abu Sophian, das Oberhaupt des Hauses Ommijah, folgte in der Regierung der Republik Mekka. Ein eifriger Verehrer der Götzen, ein Todfeind des Hauses Haschern, berief er eine Versammlung der Koreischiten und ihrer Bundesgenossen, um über das Schicksal des Propheten zu entscheiden. Seine Einkerkerung hätte die Fanatiker zur Verzweiflung treiben können, und die Verbannung eines beredten und beliebten Schwärmers würde das Unheil über die Provinzen von Arabien verbreitet haben. Daher wurde sein Tod beschlossen, und man kam überein, daß jeder Stamm ein Schwert in seine Brust stoßen solle, um die Blutschuld zu teilen und die Rache der Haschemiten zu vereiteln. Ein Engel oder Spion enthüllte die Verschwörung, und die Flucht war das einzige Hilfsmittel Mohammeds. In tiefer Nacht entwich er, nur von seinem Freunde Abubeker begleitet, in der Stille aus seinem Hause; die Mörder wachten, wurden aber durch Ali getäuscht, der auf dem Lager ruhte und mit dem grünen Gewand des Propheten bekleidet war. Die Koreischiten ehrten die Aufopferung des heldenmütigen Jünglings. Ein paar noch vorhandene Verse Alis geben ein interessantes Bild von seiner Angst, Liebe und religiösen Zuversicht. Drei Tage waren Mohammed und sein Gefährte in der Höhle von Tor, ungefähr eine Stunde von Mekka, verborgen, und an jedem Abend empfingen sie durch den Sohn und die Tochter Abubekers insgeheim Nachricht und Nahrung. Die emsigen Koreischiten durchforschten jeden Winkel in der Nähe der Stadt; sie kamen zum Eingang der Höhle, aber ein Spinnengewebe und ein Taubennest sollen sie überzeugt haben, daß der Platz einsam und unbetreten sei. »Wir sind nur zwei«, sagte der zitternde Abubeker. »Noch ein dritter ist da, Gott selbst«, erwiderte der Prophet. Kaum war die Suche vorüber, so verließen die beiden Flüchtlinge ihre Felsen und bestiegen die Kamele; auf dem Wege nach Medina wurden sie von Sendungen der Koreischiten eingeholt, aus deren Händen sie sich durch Bitten und Versprechungen lösten. In diesem wichtigen Augenblick hätte die Lanze eines Arabers die Weltgeschichte umgestalten können. Die Flucht von Mekka nach Medina hat die merkwürdige Zeitrechnung der Hedschra begründet, die nach Verlauf von vierzehn Jahrhunderten noch immer die Mondjahre der mohammedanischen Religion bezeichnet.

Die Religion Mohammeds würde in der Wiege erstickt worden sein, wenn Medina nicht mit Glauben und Ehrfurcht die heiligen Vertriebenen von Mekka empfangen hätte. Medina oder die Stadt, bekannt unter dem Namen Yathreb, war, bevor sie durch den Thron des Propheten geheiligt wurde, zwischen den Stämmen der Charegiten und Awsiten geteilt, deren erbliche Fehde bei der geringsten Veranlassung aufloderte; zwei jüdische Kolonien, die sich priesterlicher Herkunft rühmten, waren ihre geringen Bundesgenossen, und ohne die Araber zu bekehren, führten sie Wissenschaft und Religion ein, was Medina den Titel Stadt des Buches gab. Einige ihrer edelsten Bürger waren auf einer Wallfahrt nach der Kaaba durch Mohammeds Predigt bekehrt worden; nach ihrer Rückkehr verbreiteten sie den Glauben an Gott und seinen Propheten, und das neue Bündnis wurde durch ihre Abgesandten in zwei nächtlichen, geheimen Zusammenkünften auf einem Berg in den Vorstädten von Mekka geschlossen. In der ersten vereinigten sich zehn Charegiten und zwei Awsiten in Glauben und Liebe und beteuerten im Namen ihrer Weiber, Kinder und abwesenden Brüder, daß sie für immer den Glauben des Korans bekennen und seine Vorschriften befolgen würden. Die zweite diente einem politischen Bündnis: Der erste Lebensfunke des Reiches der Sarazenen. Dreiundsiebzig Männer und zwei Frauen aus Medina hielten eine feierliche Unterredung mit Mohammed, seinen Verwandten und Jüngern und banden sich durch gegenseitigen Eid der Treue. Sie versprachen im Namen der Stadt, daß sie, wenn er verbannt werden sollte, ihn als ihren Bundesgenossen aufnehmen, ihm als ihrem Anführer folgen und ihn gleich ihren eigenen Weihern und Kindern bis zum letzten Atemzug verteidigen würden. »Aber wenn du von deiner Vaterstadt zurückgerufen wirst«, fragten sie mit schmeichelnder Besorgnis, »wirst du nicht deine neuen Freunde verlassen?« »Alle Dinge«, erwiderte Mohammed lächelnd, »sind nun zwischen uns gemein; euer Blut ist mein Blut, euer Verderben mein Verderben. Wir sind durch die Bande der Ehre und des Interesses aneinandergekettet. Ich bin euer Freund und der Feind eurer Feinde.« »Aber wenn wir in deinem Dienst getötet werden, was wird dann unser Lohn sein?« riefen die Abgesandten von Mekka aus. »Das Paradies!« versetzte der Prophet. »Strecke deine Hand aus!« Er streckte sie aus, und sie wiederholten den Eid der Anhänglichkeit und Treue. Ihr Vertrag wurde vom Volke genehmigt, das sich einmütig zum Islam bekannte. Sie freuten sich der Verbannung des Propheten, zitterten aber für sein Leben und erwarteten ungeduldig seine Ankunft. Nach einer gefährlichen, eiligen Reise längs der Küste machte er in Koba halt und feierte seinen öffentlichen Einzug in Medina sechzehn Tage nach seiner Flucht aus Mekka. Fünfhundert Bürger gingen Mohammed entgegen, er wurde mit Freudengeschrei empfangen; er saß auf einer Kamelstute, ein Sonnenschirm beschattete sein Haupt und ein Turban war vor ihm entfaltet, um als Fahne zu dienen. Seine tapfersten Jünger, die durch den Sturm zerstreut worden waren, sammelten sich um ihn, und die Verdienste der Moslems wurden mit den Namen Mohagerianer und Ansaren, die Flüchtlinge von Mekka und die Bundesgenossen von Medina, belohnt, Um den Samen der Eifersucht auszurotten, vereinte Mohammed seine vornehmsten Anhänger, indem er ihnen die Rechte und Pflichten von Brüdern auferlegte, und als sich Ali ohne Genossen fand, erklärte der Prophet liebevoll, daß er der Gefährte und Bruder des edlen Jünglings sein wolle. Das Mittel war von Erfolg gekrönt; die heilige Brüderschaft wurde im Frieden und im Kriege geachtet, und die beiden Parteien wetteiferten hochherzig miteinander an Mut und Treue. Nur einmal wurde die Eintracht durch einen zufälligen Streit leicht getrübt: ein Patriot von Medina klagte über den Übermut der Fremden, aber der Antrag, sie zu vertreiben, wurde mit Abscheu aufgenommen und sein eigener Sohn erbot sich hastig, das Haupt seines Vaters zu den Füßen des Propheten zu legen.

Mohammed übernahm von seiner Niederlassung in Medina an das königliche und priesterliche Amt. Es wäre ruchlos gewesen, gegen einen Richter, dessen Beschlüsse durch göttliche Weisheit eingegeben wurden, berufen zu wollen. Ein kleiner Fleck Landes, das Eigentum von zwei Waisen, wurde durch Geschenk oder Kauf erworben; an dieser auserwählten Stelle baute er ein Haus und eine Moschee, in ihrer rohen Einfachheit ehrwürdiger als die Paläste und Tempel der assyrischen Kalifen. Auf seinem goldenen oder silbernen Siegel war der apostolische Titel eingegraben. Wenn er in der wöchentlichen Versammlung betete und predigte, lehnte er sich gegen den Strunk eines Palmbaumes, und es dauerte lange, bevor er einen Stuhl oder eine Kanzel aus rohbehauenem Holze verwendete. Nach sechsjähriger Regierung erneuerten fünfzehnhundert bewaffnete Mohammedaner im Felde ihren Treueid, und ihr Anführer wiederholte seinerseits das Gelübde, das er bis zum Tode des letzten Mitgliedes oder bis zur gänzlichen Vernichtung des Bundes halten wolle. In demselben Lager war es, wo der Abgesandte von Mekka über die Aufmerksamkeil der Gläubigen auf die Worte und Blicke des Propheten, über die Gier, womit sie seinen Speichel, ein Haar, das zur Erde fiel, das Wasser, daß er zu seiner religiösen Reinigung verwendet hatte, sammelten, als erhielten sie dadurch von seiner prophetischen Kraft einigen Anteil, in Erstaunen gesetzt wurde. »Ich habe den Chosroes von Persien und den Cäsar von Rom gesehen«, rief er aus, »aber nie erblickte ich einen König unter seinen Untertanen, wie es Mohammed unter seinen Genossen ist.« Schwärmer handeln mit größerer Energie und Wahrhaftigkeit als die kalten und formenreichen Knechte der Höfe.

Im Naturzustand hat jeder Mensch das Recht, durch Waffen seine Person und sein Eigentum zu verteidigen, die Gewalttätigkeit seiner Feinde zurückzuweisen, ja ihr sogar zuvorzukommen und seine Feindseligkeiten bis zu einem vernünftigen Maße um der Genugtuung und Wiedervergeltung willen auszudehnen. Bei den Arabern wurden durch die Pflichten eines Untertanen und Bürgers nur schwache Zügel angelegt, und Mohammed war in Erfüllung einer friedlichen und wohlwollenden Sendung durch seine ungerechten Landsleute beraubt und verbannt worden. Die Wahl eines unabhängigen Volkes hatte den Flüchtling von Mekka zu dem Rang eines Souveräns erhoben. Er hatte das Recht, Bündnisse zu schließen und Verteidigungs- und Angriffskriege zu führen. Das unvollständige menschliche Recht wurde durch die Fülle göttlicher Macht ergänzt und bewaffnet; der Prophet von Medina zeigte in seinen neuen Offenbarungen einen wilderen und blutdürstigeren Charakter, was beweist, daß seine frühere Mäßigung die Folge der Schwäche gewesen war. Überredung war versucht worden, die Zeit der Langmut war verstrichen, und es wurde ihm nun befohlen, seine Religion mit dem Schwerte zu verbreiten, die Denkmäler des Götzendienstes zu zerstören und ohne Rücksicht auf die Heiligkeit der Tage und Monate die ungläubigen Völker der Erde zu verfolgen. Dieselben blutigen Vorschriften, die der Koran so oft einschärft, werden von seinem Verfasser dem Pentateuch und dem Evangelium zugeschrieben. Aber der milde, zweideutige Text wird so erklärt, daß Jesus nicht den Frieden, sondern ein Schwert auf die Erde gebracht habe; seine Geduld und Demut dürfen nicht mit dem unduldsamen Eifer der Fürsten und Bischöfe verwechselt werden. Mit besserem Rechte konnte sich Mohammed bei seinem Religionskriege auf das Beispiel Moses', die Richter und Könige von Israel berufen. Das Kriegsrecht der Hebräer war noch viel strenger als das des arabischen Gesetzgebers. Der Herr der Heerscharen zog in Person von den Juden; wenn eine Stadt ihrer Aufforderung nicht folgte, wurden die männlichen Einwohner ohne Unterschied niedergemetzelt. Die sieben Völkerschaften Kanaans waren der Vernichtung geweiht, und weder Reue noch Bekehrung konnte sie vor dem unabwendbaren Geschick retten, wonach kein Geschöpf innerhalb ihrer Landmarken am Leben bleiben durfte. Den Feinden Mohammeds dagegen wurde es freigegeben, Freundschaft, Unterwerfung oder Schlacht zu wählen. Wenn sie sich zum Islam bekannten, wurden ihnen alle zeitlichen und geistlichen Wohltaten seiner ursprünglichen Schüler zuteil, und sie zogen unter demselben Banner mit ihnen, um die Religion zu verbreiten, die sie angenommen hatten. Die Milde des Propheten hing von seinem Interesse ab, aber er trat nur selten einen am Boden liegenden Feind in den Staub und schien zu verheißen, daß gegen Zahlung eines Tributs die weniger Schuldigen seiner ungläubigen Untertanen bei ihrem Gottesdienst oder wenigstens in ihrem primitiven Glauben beharren durften. In den ersten Monaten seiner Regierung predigte er die Lehre vom heiligen Krieg und entfaltete sein weißes Banner vor den Toren von Medina. Der kriegerische Prophet focht persönlich in neun Schlachten oder Belagerungen, und fünfzig kriegerische Unternehmungen wurden in zehn Jahren teils von ihm selbst, teils von seinen Unterbefehlshabern ausgeführt. Der Araber fuhr fort, den Beruf eines Kaufmannes mit dem eines Räubers zu vereinigen, und seine kleinen Streifzüge zur Verteidigung oder zum Angriff einer Karawane bereiteten die Truppen allmählich zur Eroberung von Arabien vor. Die Teilung der Beute wurde durch ein göttliches Gesetz geregelt; das Ganze wurde getreulich zu einem Haufen geschichtet, ein Fünftel des Goldes und Silbers, der Gefangenen und des Viehes, der beweglichen und unbeweglichen Güter wurde dem Propheten für fromme und mildtätige Zwecke übergeben, das übrige zu gleichen Teilen unter die Soldaten, die den Sieg erfochten oder das Lager bewacht hatten, verteilt. Der Anteil der Erschlagenen ging auf ihre Witwen und Waisen über, und die Reiterei erhielt einen doppelten Anteil für Pferd und Mann, um Berittene zu gewinnen. Von allen Seiten strömten die wandernden Araber zur Fahne der Religion und des Raubes; der Prophet gab die Erlaubnis, daß die weiblichen Gefangenen als Frauen oder Geliebte behandelt werden dürften, und so schien der Genuß des Reichtums und der Schönheit nur eine Vorstufe der Freuden des Paradieses zu sein, die den tapferen Märtyrern des Glaubens winkten. »Das Schwert«, sagt Mohammed, »ist der Schlüssel zu Himmel und Hölle; ein Tropfen Blut in Gottes Sache vergossen, eine Nacht unter Waffen zugebracht, nützen mehr als zwei Monate Fasten und Beten; wer immer in der Schlacht fällt, dessen Sünden sind verziehen; am Tage des Gerichtes werden seine Wunden glänzen wie Scharlach, duften wie Moschus, und seine verlorenen Gliedmaßen werden durch die Fittiche der Engel und Cherubim ersetzt werden.« Die unerschrockenen Seelen der Araber wurden von Enthusiasmus entflammt, das Bild der unsichtbaren Welt prägte sich ihrer Phantasie mit Allgewalt ein, und der Tod, den sie stets verachtet hatten, wurde zum Gegenstand der Hoffnung und des Verlangens. Der Koran schärft im unbedingtesten Sinn die Lehren des Fatums und der Vorherbestimmung ein, die sowohl Fleiß als Tugend vernichten müßten, wenn die Handlungen der Menschen von ihrem spekulativen Glauben geleitet würden. Nichtsdestoweniger hat sein Einfluß in jedem Jahrhundert den Mut der Sarazenen und Türken erhöht. Die ersten Gefährten Mohammeds gingen mit furchtloser Zuversicht in die Schlacht; es gibt keine Gefahr, wo es keinen Zufall gibt; es war ihnen vielleicht bestimmt, in ihrem Bett zu sterben oder heil und unverwundet mitten unter den Geschossen der Feinde zu bleiben.

Vielleicht hätten sich die Koreischiten mit Mohammeds Flucht begnügt, wenn sie nicht durch die Rache eines Feindes, der ihren syrischen Handelsweg durch das Gebiet von Medina stören konnte, herausgefordert und in Unruhe versetzt worden wären. Abu Sophian führte selbst mit nur dreißig bis vierzig Begleitern eine reiche Karawane von tausend Kamelen; sein Zug entging durch Glück oder Gewandtheit der Wachsamkeit Mohammeds, aber der Fürst der Koreischiten erfuhr, daß die heiligen Räuber im Hinterhalt lägen, um seine Rückkehr zu erspähen. Er schickte einen Boten an seine Brüder in Mekka, und die Furcht, ihre Waren und Lebensmittel zu verlieren, wenn sie ihm nicht mit der Kriegsmacht der Stadt zu Hilfe eilten, stachelte sie auf. Die heilige Schar Mohammeds bestand aus dreihundertdreizehn Muselmanen, siebenundsiebzig Flüchtlingen und den übrigen Verbündeten. Sie ritten wechselweise auf siebzig Kamelen (die Kamele von Yatreb sind im Krieg furchtbar), und so groß war ihre Armut, daß nur zwei von ihnen zu Pferde im Felde erscheinen konnten. In dem fruchtbaren und berühmten Tale Beder, drei Märsche von Medina, erfuhr er durch seine Kundschafter, daß sich die Karawane von der einen Seite und die Koreischiten, hundert Reiter und achthundert Mann Fußvolk, von der anderen Seite näherten. Nach kurzer Beratung opferte er die Hoffnung auf Reichtum dem Ruhm und der Rache und warf eine kleine Verschanzung auf, um seine Truppen und einen Strom frischen Wassers zu decken, der durch das Tal floß. »O Gott«, rief er aus, als die Scharen der Koreischiten von den Bergen herabzogen, »o Gott, wenn diese vernichtet sind, wer wird dich auf Erden anbeten? – Mut, Kinder! Schließt eure Reihen; schießt eure Pfeile ab und der Tag ist unser.« Mit diesen Worten stellte er sich selbst mit Abubeker auf einen Thron oder Betstuhl und verlangte unverzüglich den Beistand Gabriels und von dreitausend Engeln. Sein Blick haftete auf dem Schlachtfeld; die Mohammedaner ermatteten und wurden bedrängt. In diesem entscheidenden Augenblick sprang der Prophet von seinem Thron auf, schwang sich auf sein Pferd und warf eine Hand voll Sand in die Luft. »Verwirrung decke ihr Antlitz!« Beide Heere hörten den Donner seiner Stimme; ihre Phantasie sah die himmlischen Krieger; die Koreischiten bebten und flohen. Siebzig der tapfersten wurden erschlagen; siebzig Gefangene schmückten den ersten Sieg der Gläubigen. Die Toten der Koreischiten wurden beraubt und beschimpft, zwei der schuldigsten Gefangenen hingerichtet und das Lösegeld der übrigen, viertausend Drachmen Silber, ersetzte das entgangene Gut der Handelskarawane. Umsonst suchten die Kamele des Abu Sophian einen neuen Weg durch die Wüste und am Euphrat; sie wurden von den behenden Mohammedanern eingeholt, und reich muß die Beute gewesen sein, wenn der für den Propheten weggelegte fünfte Teil zwanzigtausend Drachmen betrug. Der Ingrimm über den öffentlichen und persönlichen Verlust stachelte Abu Sophian an, ein Heer von dreitausend Mann zu sammeln, von denen siebenhundert mit Brustharnischen bewaffnet und zweihundert beritten waren. Dreitausend Kamele folgten seinem Zug, und seine Gattin Henda und fünfzehn edle Frauen von Mekka schlugen unaufhörlich die Handpauken, um die Truppen anzufeuern und die Größe Hobais, der beliebtesten Gottheit der Kaaba, zu preisen. Die Fahne Gottes und Mohammeds wurde von neunhundertfünfzig Gläubigen verteidigt; das Mißverhältnis der Zahl war nicht größer als auf dem Schlachtfeld von Beder, und ihre verwegene Siegeszuversicht gewann die Oberhand über die göttliche oder menschliche Einsicht des Propheten. Die zweite Schlacht wurde auf dem Berge Ohud, sechs Meilen nördlich von Medina geschlagen. Die Koreischiten rückten in Form eines Halbmondes vor. Der rechte Flügel wurde von Kaled geführt, dem grimmigsten und glücklichsten Krieger Arabiens. Die Truppen Mohammeds waren geschickt auf dem Abhänge eines Berges aufgestellt, und ihr Rücken wurde von einer Abteilung von fünfzig Bogenschützen gedeckt. Ihr ungestümer Angriff gegen das Zentrum der Götzendiener durchbrach dieses, aber bei der Verfolgung verloren sie ihre vorteilhafte Stellung, die Bogenschützen verließen ihre Posten, die Beute verlockte die Mohammedaner, sie gehorchten ihrem Anführer nicht, und ihre Reihen gerieten in Verwirrung. Der unerschrockene Kaled kam ihnen durch eine Schwenkung seiner Reiterei in die Flanke und den Rücken und rief mit lauter Stimme aus, daß Mohammed getötet sei. Er war in der Tat von einem Wurfspieß im Gesicht verwundet, zwei seiner Zähne waren von einem Stein zerschmettert; aber inmitten des Lärmes und Schreckens warf er den Ungläubigen Prophetenmord vor und segnete die befreundete Hand, die sein Blut stillte und ihn an einen sicheren Platz brachte. Siebzig Märtyrer starben für die Sünde des Volkes; sie fielen, sagt der Prophet, in Paaren, jeder Bruder die Leiche seines Gefährten umschlungen haltend; ihre Leiber wurden von den unmenschlichen Frauen von Mekka verstümmelt, und Abu Sophians Gattin wühlte in den Eingeweiden Hamzas, des Oheims des Propheten. Sie mochten ihre Götzen preisen und ihre Wut sättigen, die Muselmanen sammelten sich bald wieder im Felde, doch den Koreischiten fehlte es an Stärke oder Mut, die Belagerung von Medina zu unternehmen. Es wurde im folgenden Jahre von einem Heer von zehntausend Feinden angegriffen, und dieser dritte Feldzug wird verschieden nach den Völkern, die unter Abu Sophians Banner zogen oder nach dem Graben benannt, der die Stadt und ein Lager von dreitausend Mohammedanern deckte. Mohammed lehnte weislich eine allgemeine Schlacht ab. Der tapfere Ali zeichnete sich im Zweikampf aus, und der Krieg währte zwanzig Tage bis zur völligen Trennung der Bundesgenossen. Ein Unwetter, Sturm, Regen und Hagel riß ihre Zelte um, ihre Privatstreitigkeiten wurden durch einen hinterlistigen Gegner geschürt, und die Koreischiten, verlassen von ihren Bundesgenossen, gaben die Hoffnung auf, den Thron des unbezwinglichen Verbannten zu stürzen oder seinen Eroberungen Einhalt zu tun.

Die Wahl von Jerusalem zum ersten Kebla des Gebetes offenbart den anfänglichen Hang Mohammeds zugunsten der Juden, und e« wäre für ihr zeitliches Interesse ein Glück gewesen, wenn sie in dem arabischen Propheten die Hoffnung Israels und den verheißenen Messias anerkannt hätten. Ihre Halsstarrigkeit verwandelte seine Freundschaft in jenen unversöhnlichen Haß, womit er dieses Volk bis zum letzten Augenblick seines Lebens verfolgte, und seine Verfolgung dehnte sich bei seinem doppelten Charakter eines Propheten und eines Eroberers auf beide Welten aus. Die Kainoken wohnten in Medina unter dem Schutz der Stadt; er ergriff die Gelegenheit und forderte sie bei einem zufälligen Tumult auf, entweder seine Religion anzunehmen oder mit ihm zu kämpfen. »Ach«, erwiderten die zitternden Juden, »wir verstehen nicht mit den Waffen umzugehen, aber wir beharren bei dem Glauben und dem Gottesdienst unserer Väter; warum willst du uns zu gerechter Verteidigung zwingen?« Der ungleiche Kampf wurde in fünfzehn Tagen beendet, und nur mit äußerstem Widerstreben gab Mohammed dem Drängen seiner Bundesgenossen nach und willigte ein, das Leben der Gefangenen zu schonen. Ihre Reichtümer wurden eingezogen, ihre Waffen, furchtbare Werkzeuge in den Händen der Mohammedaner, und siebenhundert unglückliche Verbannte wurden gezwungen, eine Zuflucht an den Grenzen von Syrien zu erflehen. Die Nadhiriten waren schuldiger, denn sie hatten sich verschworen, den Propheten bei einer freundschaftlichen Zusammenkunft zu ermorden. Er belagerte ihre drei Meilen von Medina entfernte Feste, aber sie erlangten durch ihre entschlossene Verteidigung ehrenvolle Bedingungen; der Besatzung wurde gestattet, unter Trompetenschall und Paukenschlag mit kriegerischen Ehren abzuziehen. Die Juden hatten den Krieg der Koreischiten angeregt und daran teilgenommen; kaum hatten sich die Völker von dem Graben zurückgezogen, als Mohammed, ohne auch nur seine Rüstung abzulegen, noch an demselben Tage aufbrach, um den feindlichen Stamm der Kinder von Koreidha auszurotten. Nach fünfundzwanzigtägigem Widerstand ergaben sie sich auf Gnade und Ungnade. Sie bauten auf die Fürbitte ihrer alten Bundesgenossen von Medina, hätten aber wissen können, daß der Fanatismus die Gefühle der Menschlichkeit vernichtet. Ein ehrwürdiger Ältester, auf dessen Urteil sie sich beriefen, sprach ihr Todesurteil; siebenhundert Juden wurden in Ketten auf den Marktplatz geschleppt, stiegen lebendig in die zu ihrer Hinrichtung und ihrem Grabe gemachten Höhle, und der Prophet sah unverwandt der Niedermetzelung seiner hilflosen Feinde zu. Die Muselmanen erbten ihre Schafe und Kamele; dreihundert Brustharnische, fünfhundert Piken, tausend Lanzen bildeten den brauchbarsten Teil der Beute. Sechs Tagereisen nordöstlich von Medina war die alte und reiche Stadt Chaibar, der Sitz der jüdischen Macht in Arabien; das Gebiet, ein fruchtbarer Fleck in der Wüste, war mit Pflanzungen und Herden bedeckt und von acht Schlössern, wovon einige für uneinnehmbar galten, beschützt. Die Streitkräfte Mohammeds bestanden aus zweihundert Reitern und vierzehnhundert Mann zu Fuß. In acht aufeinanderfolgenden regelmäßigen und mühevollen Belagerungen wurden sie der Gefahr, der Ermattung und dem Hunger preisgegeben und auch die unerschrockensten Häuptlinge zweifelten am Erfolg. Der Prophet belebte ihren Glauben und Mut durch Nennung Alis, dem er den Beinamen Löwe Gottes verlieh; wir können immerhin glauben, daß er mit seinem unwiderstehlichen Säbel einen Hebräer von riesenhaftem Wuchs mitten durchhieb, unmöglich aber, daß er das Tor einer Festung aus den Angeln riß und als Schild in der linken Hand schwang. Nach Bezwingung der Schlösser unterwarf sich die Stadt Chaibar dem Joch. Das Oberhaupt des Stammes wurde in Mohammeds Gegenwart gefoltert, um ihm das Versteck seiner verborgenen Schatze zu erpressen. Hirten und Landwirte wurden mit Duldung behandelt. Man gestattete ihnen, solange es dem Eroberer gefallen würde, ihr Eigentum zu gleichen Teilen zu seinem und ihrem eigenen Nutzen zu pflegen. Unter Omars Regierung wurden die Juden von Chaibar nach Syrien verschickt, wobei der Kalif das Gebot seines sterbenden Gebieters anführte, daß nur eine, und zwar die wahre Religion in seinem Vaterland Arabien bekannt werden dürfte.

Fünfmal jeden Tag waren Mohammeds Blicke gegen Mekka gerichtet, und er wurde durch die heiligsten und wichtigsten Beweggründe veranlaßt, die Stadt und den Tempel, von wo er als Verbannter vertrieben worden war, als Eroberer wieder zu besuchen. Er sah die Kaaba im Schlafen und im Wachen, und ein eitler Traum wurde in ein Gesicht und in eine Prophezeiung umgewandelt; der Prophet entfaltete die heilige Fahne und verhieß vorschnell den Sieg. Auf seinem Zuge nach Mekka entfaltete er den feierlichen Pomp wie bei einer Wallfahrt; siebzig zum Opfer gewählte und geschmückte Kamele gingen vor der Vorhut, das heilige Gebiet wurde geachtet und die Gefangenen ohne Lösegeld entlassen, um den Ruf seiner Milde und Andacht zu verbreiten. Kaum war aber Mohammed in der Ebene, eine Tagreise vor der Stadt, angelangt, so rief er aus: »Sie haben sich in Tigerfelle gehüllt!« Die entschlossenen und zahlreichen Koreischiten widersetzten sich seinen Fortschritten, und gar leicht konnten die wandernden Araber der Wüste einen Anführer im Stich lassen, dem sie in der Hoffnung auf Beute gefolgt waren. Der unerschrockene Fanatiker verwandelte sich in einen kaltblütigen und vorsichtigen Politiker; er ließ im Vertrag den Titel eines Apostel Gottes fallen, schloß mit den Koreischiten und ihren Bundesgenossen einen Waffenstillstand auf zehn Jahre, verpflichtete sich, die Flüchtlinge von Mekka auszuliefern, die sich zu seiner Religion bekehren würden und bedang sich für das folgende Jahr das demütige Recht aus, die Stadt als Freund zu besuchen und drei Tage in ihr zu verweilen, um die Zeremonien der Wallfahrt vorzunehmen. Die sich zurückziehenden Mohammedaner waren beschämt und traurig, und in ihrer getäuschten Erwartung konnten sie mit Recht den Propheten anklagen, der sich so oft auf den Erfolg berufen hatte. Aber der Glaube und die Hoffnung der Pilger wurden durch den Anblick von Mekka neuerlich entflammt. Ihre Schwerter ruhten in der Scheide; siebenmal umschritten sie in den Fußstapfen des Propheten die Kaaba. Die Koreischiten hatten sich nach den Bergen zurückgezogen, und Mohammed verließ nach dem herkömmlichen Opfer die Stadt am vierten Tage. Das Volk erbaute sich an seiner Andacht, die feindlichen Häupter wurden eingeschüchtert, entzweit, verführt und sowohl Kaled als Amru, die zukünftigen Eroberer von Syrien und Ägypten, verließen zu sehr gelegener Zeit die im Sinken begriffene Götzendienern. Die Macht Mohammeds wurde durch die Unterwerfung der arabischen Stämme vermehrt; zehntausend Mann sammelten sich zur Bezwingung von Mekka, und die Götzendiener, der schwächere Teil, waren leicht überführt, daß sie den Waffenstillstand gebrochen hätten. Durch Schwärmerei und Manneszucht wurde der Marsch beschleunigt und geheimgehalten, bis der Glanz von zehntausend Feuern den bestürzten Koreischiten die Absicht, die Annäherung und die unwiderstehliche Macht des Feindes enthüllte. Der stolze Abu Sophian überreichte die Schlüssel der Stadt, bewunderte die Verschiedenartigkeit der Waffengattungen und Fahnen, die an ihm vorbeizogen, bemerkte, daß der Sohn Abdallahs ein mächtiges Königreich erworben habe und bekannte, von Omars Säbel bedroht, daß derselbe der Prophet des wahren Gottes sei. Die Rache Mohammeds war durch Religionseifer angestachelt, und seine beleidigten Anhänger waren begierig, den Befehl eines allgemeinen Gemetzels zu vollziehen, ja ihm sogar zuvorzukommen. Statt ihren und seinen eigenen Leidenschaften zu fröhnen, verzieh der siegreiche Verbannte die Schuld und vereinigte die Parteien von Mekka. Seine Truppen rückten in drei Abteilungen in die Stadt ein; achtundzwanzig Einwohner wurden durch Kaled getötet, elf Männer und sechs Frauen durch Mohammed geächtet. Aber er tadelte die Grausamkeit seines Unterbefehlshabers, und mehrere der schuldigsten Opfer verdankten ihr Leben seiner Milde oder Verachtung. Die Häuptlinge der Koreischiten lagen im Staub zu seinen Füßen. »Welches Mitleid könnt ihr von einem Manne erwarten, den ihr so schwer gekränkt habt?« »Wir vertrauen der Großmut unseres Stammverwandten.« »Und ihr sollt nicht umsonst vertraut haben; euer Leben ist sicher, ihr seid frei.« Das Volk von Mekka erwarb sich durch seine Bekehrung zum Islam Verzeihung. Nach siebenjähriger Verbannung thronte der flüchtige Glaubensbote als Fürst und Prophet in seiner Vaterstadt. Die dreihundertsechzig Götzen der Kaaba wurden schmählich zerbrochen, das Haus Gottes gereinigt und geschmückt; der Prophet erfüllte, künftigen Zeiten als Beispiel, abermals die Pflichten eines Wallfahrers und erließ das immerwährende Gesetz, daß kein Ungläubiger je wagen dürfe, seinen Fuß auf das Gebiet der heiligen Stadt zu setzen.

Die Eroberung von Mekka entschied den Glauben und Gehorsam der arabischen Stämme, die je nach den Wechselfällen des Glückes dem beredten oder gewaffneten Propheten gehorcht oder ihn verworfen hatten. Gleichgültigkeit gegen Ritus und Meinungen kennzeichnet noch den Charakter der Beduinen, und sie nahmen die Lehren des Korans ebenso oberflächlich an, als sie jetzt ernsthaft daran hängen. Ein hartnäckiger Rest beharrte aber bei der Religion seiner Altvordern, und der Krieg von Honain erhielt seinen Namen von den Götzen, die Mohammed zu zerstören und die Verbündeten von Tayef zu verteidigen geschworen hatten. Viertausend Heiden rückten geheim und schnell heran, um den Eroberer zu überrumpeln; sie bemitleideten und verachteten die träge Sorglosigkeit der Koreischiten, aber sie verließen sich auf die Wünsche und vielleicht auch auf den Beistand eines Volkes, das erst vor so kurzer Zeit seinen Göttern entsagt und sich unter das Joch des Feindes gebeugt hatte. Die Fahnen von Mekka und Medina wurden vom Propheten entfaltet; eine Beduinenschar verstärkte das Heer, und zwölftausend Mohammedaner verließen sich in ihrem verwegenen und sündhaften Trotz auf ihre unbezwingliche Macht. Sie stiegen ohne Vorsicht in das Tal Honain hinab. Die Höhen waren von den Bogenschützen und Schleuderern der Bundesgenossen besetzt, sie wurden bedrängt, ihre Ordnung löste sich auf, ihr Mut verwandelte sich in Entsetzen, und die Koreischiten lächelten über das drohende Verderben. Der Prophet wurde auf seinem weißen Maultier von den Feinden umzingelt, er wollte sich in ihre Speere stürzen, um einen glorreichen Tod zu finden; zehn seiner treuen Gefährten warfen sich dazwischen, drei von ihnen fielen tot zu seinen Füßen und er rief wiederholt aus: »O meine Brüder, ich bin der Sohn Abdallahs, der Apostel der Wahrheit! O Mensch, stehe fest in deinem Glauben! O Gott, sende deine Hilfe herab!« Sein Oheim Abbas, der sich gleich den homerischen Helden durch seine weitschallende Stimme auszeichnete, ließ das Tal von der Aufzählung der Gaben und Verheißungen Gottes widerhallen; die fliehenden Muselmanen kehrten von allen Seiten zur heiligen Fahne zurück, und Mohammed bemerkte mit Vergnügen, daß das Feuer von neuem angefacht war. Seine Anordnungen und sein Beispiel stellte die Schlacht wieder her, und er reizte seine siegreichen Truppen, an den Urhebern ihrer Schmach erbarmungslose Rache zu üben. Von dem Schlachtfelde von Honain rückte er ohne Verzug vor, um Tayef, sechzig Meilen südsöstlich von Mekka, zu belagern, eine starke Festung, deren fruchtbare Ländereien die Früchte Syriens inmitten der arabischen Wüste hervorbrachten. Ein befreundeter Stamm, der in der Kriegskunst erfahren war, sandte ihm Sturmwidder und Kriegsmaschinen und fünfhundert Werkleute dazu. Umsonst bot er den Sklaven von Tayef die Freiheit, umsonst verletzte er sein eigenes Gesetz durch Ausrottung der Obstbäume, umsonst öffneten die Minierer den Boden, umsonst wurde eine Bresche von den Truppen geschlagen. Nach zwanzigtägiger Belagerung ließ der Prophet zum Rückzug blasen und zog mit frommen Triumphgesängen ab. Er tat, als wenn er für die Reue und das Heil der ungläubigen Stadt betete. Die Beute dieses glücklichen Feldzuges belief sich auf sechstausend Gefangene, vierundzwanzigtausend Kamele, vierzigtausend Schafe und viertausend Unzen Silber; ein Stamm, der bei Honain gefochten hatte, löste seine Gefangenen dadurch aus, daß er seine Götzen opferte. Mohammed ersetzte aber den Kriegern den Verlust, indem er ihnen sein Fünftel der Beute überließ und um ihretwillen wünschte, er besäße so viele Nutztiere, als es Bäume in der Provinz Tehama gäbe. Statt die Koreischiten zu bestrafen, schnitt er nur, wie er sich ausdrückte, ihre Zungen ab, indem er sich bemühte, ihre Anhänglichkeit durch größere Freigebigkeit zu gewinnen! Abu Sophian allein erhielt dreihundert Kamele und zwanzig Unzen Silber, und Mekka wurde aufrichtig zur einträglichen Religion des Korans bekehrt.

Die Flüchtlinge und Hilfsgenossen klagten, daß diejenigen, welche die Last getragen, in der Stunde des Sieges vernachlässigt würden. »Ach!« versetzte ihr schlauer Anführer, »lasset mich immerhin diese zweifelhaften Bekehrten, die jüngst noch Feinde waren, durch einige vergängliche Güter bereichern. Eurer Bewachung aber vertraue ich mein Leben und mein Glück an. Ihr seid die Gefährten meiner Verbannung, meines Königreiches, meines Paradieses.« Die Gesandten von Tayef, wo man die Wiederholung der Belagerung fürchtete, folgten ihm. »Gewähre uns, o Apostel Gottes, einen Waffenstillstand von drei Jahren und die Duldung unseres alten Gottesdienstes.« »Keinen Monat, keine Stunde.« »Befreie uns wenigstens von der Verpflichtung des Gebetes.« »Ohne Gebet hilft die Religion nichts.« Sie unterwarfen sich still, ihre Tempel wurden zerstört und das gleiche Vernichtungsurteil an allen Götzen von Arabien vollzogen. Seine Stellvertreter wurden am Roten Meer, am Ozean, am Persischen Meerbusen von den Freudenrufen eines treuen Volkes begrüßt, und die Gesandten, die vor dem Tore von Medina knieten, waren so zahlreich (sagt das arabische Sprichwort) wie die Datteln, die zur Zeit der Reife von einem Palmbaum fallen. Die Nation unterwarf sich Gott und dem Zepter Mohammeds. Die schimpfliche Benennung Tribut wurde abgeschafft; die freiwillig oder ungern gegebenen Opfer von Almosen und Zehnten wurden für die Religion verwendet, und einhundertvierzehntausend Mohammedaner begleiteten den Propheten auf seiner letzten Wallfahrt.

Als Heraklius im Triumphe aus dem persischen Krieg zurückkehrte, empfing er in Emesa einen der Abgesandten Mohammeds, der die Fürsten und Völker der Erde zum Bekenntnis des Islams aufforderte. Daraus machten die eifrigen Araber eine geheime Bekehrung des christlichen Kaisers zum Islam und daraus entstand die griechische Fabel eines persönlichen Besuches des Fürsten von Medina, der vom Kaiser reiche Ländereien und einen sicheren Ruhesitz in der Provinz Syrien angenommen habe. Aber die Freundschaft von Heraklius und Mohammed war von kurzer Dauer; die neue Religion hatte die Raubsucht der Sarazenen eher angestachelt als gemildert, und die Ermordung eines Gesandten diente ihnen als Vorwand, um mit dreitausend Soldaten in das Gebiet von Palästina ostwärts vom Jordan einzufallen. Die heilige Fahne wurde Seid anvertraut, und so groß war die Zucht oder der Enthusiasmus der neuen Sekte, daß die edelsten Häuptlinge ohne Widerwillen unter dem Sklaven des Propheten dienten. Für seinen Todesfall waren Giafar und Abdallah nacheinander bestimmt, ihm im Oberbefehl zu folgen, und wenn alle drei im Kriege umkommen sollten, hatten die Truppen Vollmacht, ihren Anführer zu wählen. Die drei Anführer wurden in der Schlacht von Muta getötet, bei der ersten Gelegenheit, die Tapferkeit der Mohammedaner gegen einen auswärtigen Feind zu erproben. Seid fiel als Krieger in den vordersten Reihen; der Tod Giafars war heldenmütig und merkwürdig: er verlor seine rechte Hand, da schwang er die Fahne mit der linken; auch die linke Hand wurde von seinem Körper getrennt, da umfaßte er die Fahne mit den blutigen Stümpfen, bis er mit fünfzig ehrenvollen Wunden am Boden lag. »Vorwärts!« schrie Abdallah, der an den erledigten Platz trat, »vorwärts mit Zuversicht. Entweder der Sieg oder das Paradies ist unser!« Ein Lanzenstoß warf ihn nieder, aber die sinkende Fahne wurde von Kaled, dem Proselyten von Mekka gerettet; neun Schwerter zerbrachen ihm in der Hand, und er widerstand tapfer der überlegenen Anzahl der Christen, ja trieb sie zurück. Im nächtlichen Kriegsrat des Lagers wurde er zum Oberbefehlshaber gewählt; seine geschickten strategischen Bewegungen sicherten am folgenden Tag entweder den Sieg oder den Rückzug der Sarazenen. Kaled wurde von seinen Brüdern und Feinden durch den ruhmreichen Namen das Schwert Gottes ausgezeichnet. Auf der Kanzel beschrieb Mohammed mit prophetischem Entzücken die Krone der gesegneten Märtyrer, insgeheim aber zeigte er menschliche Gefühle: er wurde überrascht, als er mit Seids Tochter weinte. »Was sehe ich?« rief sein erstaunter Verehrer. »Du siehst«, erwiderte der Prophet, »einen Freund, der den Verlust seines teuersten Freundes beweint.« Nach der Unterwerfung von Mekka wollte der Herrscher von Arabien den Rüstungen des Heraklius zuvorkommen und erklärte den Römern feierlich den Krieg, ohne im mindesten die Beschwerlichkeiten und Gefahren des Unternehmens zu verheimlichen. Die Mohammedaner zeigten Mutlosigkeit; sie schützten den Mangel an Geld, Pferden, Vorräten, die Erntezeit und die unerträgliche Hitze des Sommers vor. »Noch heißer ist die Hölle!« rief der entrüstete Prophet. Er verschmähte es, sie zu zwingen, aber nach seiner Rückkehr bestrafte er die Schuldigsten mit fünfzigtägigem Bann. Ihre Feigheit erhöhte das Verdienst Abubekers Othmans und der treuen Gefährten, die ihr Leben und Vermögen aufs Spiel setzten. Mohammed entfaltete seine Fahne an der Spitze von zehntausend Reitern und zwanzigtausend Mann Fußvolk. Auf dem Marsch litten sie in der Tat grauenhafte Not; Ermattung und Durst wurden noch furchtbarer durch die glühenden, verpesteten Wüstenwinde; zehn Männer ritten abwechselnd auf demselben Kamel. Sie sahen sich in die schreckliche Lage versetzt, das Wasser aus dem Bauch getöteter Tiere trinken zu müssen. Auf halbem Wege, zehn Tagereisen von Medina und Damaskus, ruhten sie sich in der Nähe des Haines und Brunnens von Tabuk aus. Über diesen Platz hinaus wollte Mohammed den Krieg nicht tragen; er erklärte sich durch die friedlichen Absichten des Kaisers des Morgenlandes zufriedengestellt, wahrscheinlich aber war er durch dessen kriegerische Macht eingeschüchtert. Der tätige und unerschrockene Kaled verbreitete dagegen ringsum Schrecken, und der Prophet empfing die Unterwerfung der Stämme und Städte vom Euphrat bis Ailah, an der Spitze des Roten Meeres. Seinen christlichen Untertanen gewährte Mohammed gern Sicherheit und Freiheit im Verkehr, beließ ihnen ihre Güter und duldete ihren Gottesdienst. Die Schwäche ihrer arabischen Brüder hatte diese abgehalten, sich ihm zu widersetzen; die Jünger Jesus' waren dem Feind der Juden teuer, und es lag im Interesse eines Eroberers, der mächtigsten Religion der Erde einen guten Vergleich anzubieten.

Bis zum Alter von dreiundsechzig Jahren war Mohammeds Kraft den zeitlichen und geistlichen Anstrengungen seiner Sendung gewachsen. Seine epileptischen Anfälle, eine alberne Verleumdung der Griechen, würden eher Anlaß zu Mitleid als zum Abscheu gegeben haben. Er selbst aber glaubte ernstlich, daß er in Chaibar durch eine Jüdin vergiftet worden sei. Vier Jahre lang nahm die Gesundheit des Propheten ab, und er wurde immer schwächer; aber seine Todeskrankheit war ein vierzehntägiges Fieber, das ihn zeitweise der Vernunft beraubte. Sowie er sich der Gefahr bewußt wurde, erbaute er seine Brüder durch seine Demut oder Reue. »Wenn es irgendeinen Menschen gibt«, sagte der Prophet von der Kanzel, »den ich mit Unrecht gegeißelt habe, biete ich meinen Rücken der Geißel der Wiedervergeltung dar. Habe ich den Ruf eines Mohammedaners angegriffen? Er möge meine Fehler angesichts der Gemeinde verkünden. Habe ich jemanden seiner Güter beraubt? Das Wenige, was ich besitze, soll Kapital und Zinsen bezahlen.« »Ja«, rief eine Stimme aus der Schar, »ich habe auf drei Drachmen Silber Anspruch.« Mohammed hörte die Klage, befriedigte die Forderung und dankte seinem Gläubiger, daß er ihn lieber in dieser Welt als am Tage des Gerichts anklage. Er sah mit Festigkeit dem Nahen des Todes entgegen, sprach seine Sklaven frei (siebzehn Männer und elf Frauen), bestimmte genau die Ordnung bei seinem Leichenbegängnis und tröstete seine weinenden Freunde, denen er seinen Segen erteilte. Bis zum dritten Tage vor seinem Tod verrichtete er regelmäßig die öffentlichen Gebete; er bat Abubeker, diesen alten und treuen Freund, sein Nachfolger im priesterlichen und königlichen Amt zu werden, aber dieser lehnte weislich eine gefährliche ausdrückliche Ernennung ab. In einem Augenblick, wo seine Kräfte schon sichtbar geschwächt waren, verlangte er Feder und Tinte, um ein göttliches Buch, die Summe und Vollendung aller seiner Offenbarungen zu schreiben oder vielmehr zu diktieren. Da entstand im Gemach ein Zank, ob man ihm gestatten solle, das Ansehen des Korans zu schmälern, und der Prophet sah sich gezwungen, die unangebrachte Heftigkeit seiner Schüler zu tadeln. Wenn man den Überlieferungen seiner Frauen und Gefährten auch nur die geringste Glaubwürdigkeit zuschreibt, so bewahrte er im Schöße seiner Familie und bis zum letzten Augenblick seines Lebens die Würde eines Apostels und die Glaubenszuversicht eines Enthusiasten; er beschrieb die Besuche des Engels Gabriel, der ihm anbot, der Erde für ewig Lebewohl zu sagen, er drückte sein lebhaftes Vertrauen nicht bloß in die Barmherzigkeit, sondern auf die Gunst des höchsten Wesens aus. In einem vertrauten Gespräch hatte er sein besonderes Vorrecht erwähnt, daß der Engel des Todes sich nicht eher seiner Seele bemächtigen dürfe, als bis er den Propheten ehrfurchtsvoll um Erlaubnis gebeten habe. Die Bitte wurde gewährt, und Mohammed sank sogleich in Agonie. Sein Haupt ruhte auf dem Schoß der Ayescha, seiner geliebtesten Frau; er wurde aus allzu heftigem Schmerz ohnmächtig, aber seine Besinnung wieder erlangend, hob er seine Augen zur Decke und sprach mit festem Blick, obschon mit schwankender Stimme die letzten gebrochenen Worte: »O Gott! .. verzeihe meine Sünden.. Ja, ..ich komme zu meinen Gefährten in die Höhe«, und so verschied er in Frieden auf einem über den Boden gebreiteten Teppich (632).

Ein Zug zur Eroberung von Syrien wurde durch dieses traurige Ereignis aufgehalten; das Heer machte an den Toren von Medina halt, ihre Anführer waren um ihren sterbenden Gebieter versammelt. Die Stadt, insbesondere das Haus des Propheten, war der Schauplatz lärmenden Schmerzes oder stiller Verzweiflung; nur die Schwärmer konnten noch Trost und Hoffnung fühlen. »Wie kann er tot sein, unser Zeuge, unser Fürbitter, unser Vermittler bei Gott! Bei Gott, er ist nicht tot; gleich Moses und Jesus liegt er in heiliger Verzückung und wird bald zu seinem treuen Volk zurückkehren.« Was die Augen sahen wurde nicht anerkannt. Omar zog seinen Säbel und drohte, die Häupter der Ungläubigen abzuschlagen, die behaupten würden, daß der Prophet nicht mehr lebe. Der Tumult wurde durch den angesehenen und gemäßigten Abubeker beigelegt. »Ist es Mohammed«, fragte er Omar und die Menge, »oder der Gott Mohammeds, den ihr anbetet? Der Gott Mohammeds lebt ewig, aber der Prophet war ein Sterblicher, wie wir selbst, und hat nach seiner eigenen Voraussage das gemeinsame Los der Sterblichen erfahren.« Er wurde von seinen frommen nächsten Verwandten an demselben Ort beerdigt, wo er verschieden war; Medina ist durch Mohammeds Tod und Begräbnis geheiligt und die unzählbaren Pilger von Mekka biegen oft von ihrem Weg ab, um in freiwilliger Andacht vor dem Grab des Propheten zu beten.

Man wird vielleicht erwarten, daß ich am Schluß des Lebens Mohammeds seine Fehler und Tugenden abwiege, daß ich entscheide, ob dem außerordentlichen Mann eigentlich der Beiname eines Schwärmers oder eines Betrügers zukomme. Auch wenn ich mit dem Sohn Abdallahs vertrauten Umgang gepflogen hätte, würde die Aufgabe noch immer schwierig und der Erfolg ungewiß sein. In einer Entfernung von Jahrhunderten sehe ich nur dunkel seinen Schatten durch eine Wolke religiösen Weihrauchs und könnte ich ihn auch richtig zeichnen, würde doch das schwankende Bild nicht in gleichem Grad auf den Einsiedler des Berges Hera, den Prediger von Mekka und den Eroberer von Asien passen. Der Urheber einer mächtigen Umwälzung war mit einem frommen, zur religiösen Betrachtung geneigten Gemüt begabt; sowie er durch seine Vermählung von Mangel befreit wurde, vermied er die Pfade des Ehrgeizes und der Habsucht und lebte unschuldig bis zum Alter von vierzig Jahren, und er hätte leicht sterben und keinen Namen hinterlassen können. Die Einheit Gottes ist eine der Natur und Vernunft höchst zusagende Idee, und selbst ein spärlicher Umgang mit Juden und Christen konnte ihn lehren, die Abgötterei von Mekka zu verachten und zu verabscheuen. Es war die Pflicht eines Menschen und Bürgers, die Lehre des Heils mitzuteilen und sein Vaterland von der Herrschaft der Sünde und des Irrtums zu befreien. Die stets auf dieselbe Sache gerichtete Willenskraft der Seele konnte eine allgemeine Verpflichtung in einen besonderen Beruf verwandeln; die glühenden Bilder der Phantasie konnten sich leicht dem Gefühl als himmlische Eingebungen aufdringen, das angestrengte Denken sich in Verzückungen und Gesichte auflösen und die innere Stimme, der unsichtbare Mahner, als ein Engel Gottes erscheinen. Der Schritt von der Schwärmerei zum Betrug ist gefährlich und schlüpfrig; der Dämon des Sokrates liefert einen merkwürdigen Beweis, wie ein weiser Mann sich selbst, wie ein guter Mann andere täuschen und wie das Gewissen zwischen Selbsttäuschung und freiwilligem Trug sich halten kann. Man kann wohlwollender Weise annehmen, daß die ursprünglichen Beweggründe Mohammeds reines und echtes Wohlwollen waren; aber ein irdischer Glaubensbote ist unfähig, die hartnäckigen Ungläubigen zu lieben, die seine Macht verwerfen, seine Lehre verachten und ihn selbst verfolgen. Stolz und Rache wurden in Mohammeds Brust entzündet, und er seufzte gleich dem Propheten von Ninive nach der Vernichtung der Rebellen, die er verdammt hatte. Der Haß der Bürger Mekkas und die Wahl derer von Medina verwandelten ihn aus einem Bürger in einen Fürsten, den demütigen Prediger in einen Heerführer; aber seine Streitbarkeit war durch das Beispiel von Heiligen gerechtfertigt, und derselbe Gott, der eine sündhafte Welt mit Pest und Erdbeben heimsucht, konnte seine tapferen Diener zu ihrer Bekehrung oder Züchtigung begeistern. In seiner Politik war er gezwungen, weniger fanatisch zu sein, den Vorurteilen und Leidenschaften seiner Anhänger einigermaßen nachzugeben und sogar die Laster der Menschen zum Werkzeug ihres Heils zu machen. Betrug und Treulosigkeit, Grausamkeit und Ungerechtigkeit waren oft der Verbreitung des Glaubens nützlich. Mohammed befahl oder billigte daher die Ermordung der Juden und Götzendiener, die dem Schlachtfeld entronnen waren. Durch die Wiederholung solcher Handlungen mußte der Charakter Mohammeds leiden. So verderbliche Gewohnheiten konnten durch persönliche und gesellige Tugenden, die notwendig sind, um den Ruf eines Propheten unter seinen Sektierern und Freunden zu erhalten, kaum aufgewogen werden. Die herrschende Leidenschaft seiner letzten Jahre war Ehrgeiz, und ein Politiker wird vermuten, daß er insgeheim (der siegreiche Betrüger!) über die Schwärmerei seiner Jugend und die Leichtgläubigkeit seiner Proselyten lächelte. Ein Philosoph dagegen wird bemerken, daß ihre Leichtgläubigkeit und seine Erfolge ihn nur noch mehr von seiner göttlichen Sendung überzeugen mußten, daß sein Interesse und seine Religion unzertrennlich verbunden waren und daß sein Gewissen durch die Überzeugung beschwichtigt wurde, ihn allein habe die Gottheit von positiven und menschlichen Gesetzen befreit. Wenn Mohammed irgendeine Spur seiner angeborenen Unschuld behielt, so können seine Sünden als Beweis seiner Aufrichtigkeit genommen werden. Lüge und Betrug sind minder verbrecherisch, wenn sie zur Verteidigung der Wahrheit dienen, und er würde vor der Niederträchtigkeit der Mittel zurückgewichen sein, wenn er nicht von der Gerechtigkeit und Wichtigkeit des Zweckes überzeugt gewesen wäre. Sogar Eroberer kann man bei einem Wort oder einer Handlung unverstellter Menschlichkeit ertappen, denn die Verfügung Mohammeds, daß bei dem Verkaufe der Gefangenen die Mütter niemals von ihren Kindern getrennt werden sollen, kann den Tadel des Geschichtsschreibers mäßigen oder sogar zum Schweigen bringen.

Mohammed verachtete königlichen Pomp. Der Apostel Gottes unterzog sich dem geringsten Hausdienst, zündete Feuer an, fegte den Boden, molk die Schafe und besserte mit eigenen Händen seine Schuhe und sein Wollgewand aus. Die Kasteiung und Buße eines Mönchs verschmähend, führte er ohne Anstrengung und nicht aus Eitelkeit die enthaltsame Lebensweise eines Arabers und Kriegers. Bei feierlichen Veranlassungen bewirtete er seine Gefährten einfach und gastfrei, aber mit Überfluß. In seinem häuslichen Leben vergingen mehrere Wochen, ohne daß Feuer auf dem Herde des Propheten brannte. Er bekräftigte das Verbot des Weintrinkens durch sein Beispiel, ein wenig Gerstenbrot stillte seinen Hunger. Milch und Honig waren Leckerbissen für ihn. Seine gewöhnliche Nahrung bestand aus Datteln und Wasser. Wohlgerüche und Frauen waren die beiden sinnlichen Genüsse, die seine Natur forderte und seine Religion nicht verbot, ja Mohammed erklärte, daß durch diese unschuldigen Vergnügungen die Inbrunst seiner Andacht gesteigert werde. Das warme Klima entflammt das Blut der Araber und ihre Sinnlichkeit ist schon von den Schriftstellern des Altertums hervorgehoben worden. Ihre Unmäßigkeit wurde durch die bürgerlichen und religiösen Satzungen des Korans beschränkt, blutschänderische Ehen getadelt, die unbegrenzte Vielweiberei auf vier rechtmäßige Frauen oder Geliebte beschränkt, die Rechte betreffs Bett und Mitgift gerecht festgelegt, die Trennung erschwert, Ehebruch als ein schweres Verbrechen verdammt und Hurerei bei beiden Geschlechtern mit hundert Hieben bestraft. Das waren die ruhigen und vernünftigen Vorschriften des Gesetzgebers. Aber für seine Person fröhnte Mohammed den menschlichen Begierden und mißbrauchte die Rechte eines Propheten. Eine besondere Offenbarung stellte ihn außerhalb der Gesetze, die er der Nation auferlegt hatte; Mädchen und Frauen wurden ihm ohne Rückhalt überlassen, und dieses seltsame Vorrecht erregte mehr Neid als Ärgernis, mehr die Verehrung als den Neid der frommen Mohammedaner. Wenn wir der siebenhundert Weiber und dreihundert Geliebten des weisen Salomon gedenken, müssen wir die Mäßigung des Arabers rühmen, der sich nur mit siebzehn oder fünfzehn Frauen begnügte. Elf werden aufgezählt, die in Medina ihre besonderen Gemächer rings um das Haus des Propheten hatten und der Reihe nach seine eheliche Gesellschaft genossen. Seltsam, daß mit Ausnahme der einzigen Ayescha, Abubekers Tochter, alle Witwen waren. Sie war gewiß eine Jungfrau, weil Mohammed seine Ehe mit ihr (so groß ist die frühzeitige Reife in diesem Klima) vollzog, als sie erst neun Jahre alt war. Durch ihre Tugend, Schönheit und ihren Geist übte Ayescha einen überlegenen Einfluß aus, sie besaß die Liebe und das Vertrauen des Propheten, nach dessen Tod die Tochter Abubekers lange als die Mutter der Gläubigen verehrt wurde. Ihr Benehmen war zweideutig und unklug gewesen; bei einem nächtlichen Marsch wurde sie zufällig zurückgelassen, und des Morgens kehrte Ayescha mit einem Mann ins Lager zurück. Mohammed war eifersüchtig, aber eine göttliche Offenbarung versicherte ihm ihre Unschuld; er bestrafte ihren Ankläger und erließ ein Gesetz zugunsten des häuslichen Friedens, wonach keine Frau verdammt werden durfte, außer vier männliche Zeugen hätten ihren Ehebruch mitangesehen. Bei seinem Abenteuer mit Seineb, der Gattin Seids und mit Maria, einer ägyptischen Gefangenen, vergaß der verliebte Prophet, auf seinen Ruf bedacht zu sein. Im Hause Seids, seines Freigelassenen und Adoptivsohnes, hatte er die schöne Seineb nur leichtbekleidet gesehen und war in einen Ausruf der Andacht und des Verlangens ausgebrochen. Der knechtische oder dankbare Freigelassene verstand den Wink und wich ohne Zögern seinem Wohltäter. Da aber das Sohnesverhältnis Ärgernis erregt hatte, stieg der Engel Gabriel vom Himmel herab, um die Tat zu genehmigen und die Adoption für ungültig zu erklären und dem Apostel einen sanften Verweis zu erteilen, daß er die Milde seines Gottes mißbraucht habe. Eine seiner Gattinnen, Hafna, die Tochter Omars, überraschte ihn auf ihrem eigenen Bett in den Armen seiner ägyptischen Gefangenen; sie versprach Geheimhaltung und Verzeihung, und er schwur, auf Maria Verzicht zu leisten. Beide Parteien vergaßen ihre Verpflichtungen und Gabriel stieg abermals herab, um ihn von seinem Eid zu lösen und ihn zu ermahnen, seine Gefangenen und Geliebten zu genießen, ohne sich an das Geschrei seiner Frauen zu kehren. In einsamer dreißigtägiger Zurückgezogenheit arbeitete er allein mit Maria, die Gebote des Engels zu vollziehen. Nachdem seine Liebe und Rache gesättigt waren, rief er seine elf Frauen vor sich, warf ihnen ihren Ungehorsam und ihre Geschwätzigkeit vor und drohte ihnen mit Scheidung sowohl in dieser als in jener Welt; eine schreckliche Sentenz, da diejenigen, die das Bett des Propheten bestiegen hatten, niemals eine zweite Ehe eingehen durften. Vielleicht läßt sich die Unmäßigkeit Mohammeds durch die Sage von seiner natürlichen oder übernatürlichen Gabe beschönigen; er vereinigte in sich die Manneskraft von dreißig gewöhnlichen Sterblichen und der Prophet hätte die dreizehnte Arbeit des griechischen Herkules tun können. Eine ernstere und anständigere Entschuldigung liegt in seiner Treue gegen Kadidschah. Während einer vierundzwanzigjährigen Ehe verzichtete ihr jugendlicher Gemahl auf Vielweiberei, und die stolze und zärtliche ehrwürdige Matrone wurde nie durch die Gesellschaft einer Nebenbuhlerin verletzt. Nach ihrem Tod versetzte er sie unter die vier vollkommenen Frauen mit Moses' Schwester, Jesus' Mutter und Fatime, der geliebtesten seiner Töchter. »War sie nicht alt?« fragte Ayescha mit dein Übermut einer blühenden Schönheit, »hat dir Gott nicht an ihrer Stelle eine bessere gegeben?« »Nein, bei Gott«, rief Mohammed in ehrenhafter Dankbarkeit aus, »es kann nie eine bessere geben! sie glaubte an mich, als die Menschen mich verachteten; sie half mir, als ich arm war und von der Welt verfolgt wurde.«

Der Stifter einer Religion und eines Reiches wollte, indem er der Vielweiberei in weitestem Sinn fröhnte, eine zahlreiche Nachkommenschaft zur Linealerbfolge zeugen. Die Hoffnungen Mohammeds wurden schmerzlich betrogen. Die Jungfrau Ayescha und seine zehn Witwen reifen Alters und erprobter Fruchtbarkeit blieben in seinen mächtigen Umarmungen steril. Die vier Söhne der Kadidschah starben in der Kindheit. Maria, seine ägyptische Geliebte, wurde ihm durch die Geburt Ibrahims teuer. Nach fünfzehn Monaten schon weinte der Prophet über seinem Grab, aber er trug mit Festigkeit den Hohn seiner Feinde und tat der Schmeichelei oder der Leichtgläubigkeit der Mohammedaner durch die Versicherung Einhalt, daß der Tod des Kindes keine Sonnenfinsternis zur Folge gehabt hätte. Kadidschah hatte ihm auch vier Töchter gegeben, die mit seinen treuesten Schülern vermählt waren; die drei ältesten starben vor ihrem Vater, Fatime aber, die das Vertrauen und die Liebe ihres Vaters besaß, wurde die Gattin seines Vetters Ali und die Mutter einer berühmten Nachkommenschaft. Das Verdienst und die Unfälle Alis und seiner Nachkommen veranlassen mich, an dieser Stelle die Reihe der sarazenischen Kalifen anzuführen, ein Titel, der die Beherrscher der Gläubigen als die Stellvertreter und Nachfolger des Apostels Gottes bezeichnet.

Die Geburt, Vermählung und der Charakter Alis, wodurch er über alle seine Vaterlandsgenossen erhoben wurde, rechtfertigten seinen Anspruch auf den erledigten Thron von Arabien. Der Sohn Abu Talebs war kraft eigenen Rechtes das Oberhaupt der Familie Haschern und der Erbfürst oder Beschützer der Stadt oder des Tempels von Mekka. Das Licht der Prophezeiung war erloschen; aber der Gemahl der Fatime durfte auf die Erbschaft und den Segen ihres Vaters hoffen. Die Araber hatten sich zuweilen eine weibliche Herrschaft gefallen lassen, und der Prophet hatte seine beiden Enkel oft in seinem Schoß gewiegt und auf der Kanzel als die Hoffnung seines Alters und die Anführer der Jünglinge des Paradieses gezeigt. Der erste wahre Gläubige durfte danach streben, sowohl in dieser als in jener Welt vor ihnen einher zu ziehen, und wenn auch einige ernster und strenger waren, hatte doch noch kein Proselyt den Eifer und die Tugend Alis übertroffen. Er besaß die Eigenschaften eines Dichters, Kriegers und Heiligen; seine Weisheit lebt noch in einer Sammlung moralischer und religiöser Sprichwörter fort, und er überwältigte jeden Gegner sowohl im Rede- als im Schwerterkampf. Der Prophet war von der ersten Stunde seiner Sendung an bis zur letzten Feier seines Leichenbegängnisses nie von diesem hochherzigen Freund verlassen worden, den er seinen Bruder, seinen Stellvertreter, den treuen Aaron eines zweiten Moses zu nennen pflegte. Dem Sohn Abu Talebs wurde später vorgeworfen, er habe vernachlässigt, durch eine feierliche Erklärung, die jede Mitbewerbung zum Schweigen gebracht und seine Nachfolge mit den Beschlüssen des Himmels besiegelt hätte, sein Interesse zu wahren. Aber der arglose Held vertraute sich selbst; Eifersucht und vielleicht auch Furcht vor Widerstand verschoben die Kundmachung der Beschlüsse des Propheten, und sein Krankenlager wurde von der schlauen Ayescha, Abubekers Tochter und Alis Feindin, belagert.

Das Schweigen und der Tod des Propheten gaben dem Volk seine Freiheit zurück. Seine Gefährten beriefen eine Versammlung, um über die Wahl seines Nachfolgers zu beraten. Durch das erbliche Recht und den hohen Geist war Ali einer Aristokratie von Ältesten widerwärtig, die das Zepter durch eine freie und häufige Wahl zu verleihen und wieder an sich zu nehmen wünschten; die Koreischiten konnten sich niemals mit dem stolzen Vorrang des Hauses Haschem aussöhnen. Die alte Zwietracht der Stämme flammte wieder auf, die Flüchtlinge von Mekka und die Verbündeten von Medina verteidigten ihre gegenseitigen Ansprüche, und die Ausführung des unbesonnenen Vorschlages, zwei unabhängige Kalifen zu wählen, hätte Religion und Reich der Sarazenen schon im Entstehen vernichten müssen. Der Tumult wurde durch den uneigennützigen Entschluß Omars beendet, der plötzlich auf seine eigenen Ansprüche Verzicht leistete, seine Hand ausstreckte und sich zum ersten Untertanen des milden und ehrwürdigen Abubeker erklärte. Die Dringlichkeit des Augenblickes und die Zustimmung des Volkes konnten diese ungesetzliche und übereilte Maßregel entschuldigen; Omar selbst aber erklärte von der Kanzel, daß, wenn in Zukunft irgendein Mohammedaner sich erdreisten würde, der Wahl seiner Brüder vorzugreifen, sowohl der Wähler als der Gewählte des Todes schuldig sein sollten. Nach Abubekers einfacher Krönung gehorchten ihm Medina, Mekka und die Provinzen von Arabien. Nur die Haschemiten verweigerten die Treue, und ihr Oberhaupt hielt sich in seinem eigenen Hause über sechs Monate eingeschlossen, ohne sich an Omars Drohungen zu kehren, der die Wohnung der Tochter des Propheten in Brand zu stecken versuchte. Der Tod der Fatime und die Abnahme seiner Partei bezwangen den entrüsteten Ali; er ließ sich herbei, den Beherrscher der Gläubigen zu begrüßen, ließ seine Entschuldigung, daß es notwendig gewesen sei, ihren gemeinsamen Feinden zuvorzukommen, gelten und wies weislich sein höfliches Anerbieten zurück, die Regierung niederzulegen. Nach zweijähriger Herrschaft wurde der greise Kalif vom Todesengel abberufen. In seinem Testament hinterließ er mit stillschweigender Billigung seiner Gefährten das Zepter dem starken und unerschrockenen Omar. »Ich habe keinen Anspruch auf die Stelle«, sagte der bescheidene Kandidat. »Wohl aber die Stelle auf dich«, erwiderte Abubeker und starb mit dem inbrünstigen Gebet, der Gott Mohammed möge seine Wahl genehmigen und die Muselmanen auf die Bahn der Eintracht und des Gehorsams leiten. Das Gebet blieb nicht ohne Wirkung, da Ali selbst in einem Leben der Einsamkeit und Andacht den größeren Wert und die Würde seines Nebenbuhlers anzuerkennen schien, der ihn für den Verlust des Reiches mit den schmeichelhaftesten Beweisen des Vertrauens und der Hochachtung tröstete. Omar empfing im zwölften Jahre seiner Regierung von Mörderhand eine tödliche Wunde, verwarf unparteiisch als Nachfolger seinen Sohn und Ali, weigerte sich, sein Gewissen mit der Wahl seines Nachfolgers zu belasten und übertrug sechs der achtungswertesten Gefährten die schwierige Aufgabe, einen Beherrscher zu wählen. Bei dieser Veranlassung wurde Ali abermals von seinen Freunden getadelt, daß er sein Recht dem Urteil von Menschen unterwarf und ihr Ohnmacht anerkannte, indem er einen Platz unter den sechs Wählern annahm. Er hätte ihre Stimmen erlangen können, wenn er sich herbeigelassen haben würde, strengen und knechtischen Gehorsam nicht nur dem Koran und der Überlieferung, sondern auch den Beschlüssen zweier Ältesten zu geloben. Mit diesen Beschränkungen übernahm Othman, Mohammeds Geheimschreiber, die Regierung, und erst nach dem dritten Kalifen, vierundzwanzig Jahre nach dem Tod Mohammeds, wurde Ali durch Volkswahl mit dem königlichen und priesterlichen Amt bekleidet. Die Araber bewahrten in ihren Sitten die ursprüngliche Einfachheit, und auch der Sohn Abu Talebs verachtete den Pomp und die Eitelkeit dieser Welt. Zur Stunde des Gebetes begab er sich, in ein dünnes Baumwollgewand gekleidet, einen großen Turban auf dem Haupt, seine Schuhe in der einen Hand, in der anderen statt eines Stabes seinen Bogen, nach der Moschee von Medina. Die Gefährten des Propheten und die Häupter der Stämme begrüßten ihren neuen Souverän und reichten ihm die Rechte zum Zeichen der Huldigung und Treue.

Das Unheil, dessen Quelle im Ehrgeiz liegt, beschränkt sich gewöhnlich auf die Zeiten und Länder, in denen die Kämpfe ausgefochten worden sind. Aber der Religionszwiespalt der Freunde und Feinde Alis ist in jedem Jahrhundert der Hedschra erneuert worden und lebt noch in dem unsterblichen Haß der Türken und Perser fort. Letztere, die mit der Benennung Schiiten oder Sektierer gebrandmarkt sind, haben den Mohammedanismus durch einen neuen Glaubensartikel bereichert, nämlich: Mohammed ist der Prophet Gottes und sein Gefährte Ali ist Gottes Statthalter. Sie stoßen sowohl im Gespräch als bei dem öffentlichen Gottesdienst auf die drei Usurpatoren, die sein unverjährbares Recht, die Würde des Imam und Kalifen zu erhalten, verletzt haben, die bittersten Verwünschungen aus und glauben, daß Omar der vollständige Ausbund der Verruchtheit und Gottlosigkeit ist. Die Sunniten, die sich auf die allgemeine Zustimmung und die orthodoxe Überlieferung der Mohammedaner stützen, bekennen sich zu einer minder parteiischen oder wenigstens anständigeren Ansicht. Sie ehren das Andenken Abubekers, Omars, Othmans und Alis, der heiligen und rechtmäßigen Nachfolger des Propheten. Aber sie weisen den letzten und geringsten Platz dem Gemahl der Fatime in der Überzeugung an, daß die Ordnung der Nachfolge durch die Grade der Heiligkeit bestimmt worden sei. Ein Geschichtsschreiber, der diese vier Kalifen unbeirrt durch Aberglauben wägt, wird die ruhige Entscheidung fällen, daß ihre Sitten gleich rein und musterhaft, ihr Eifer gleich feurig und wahrscheinlich aufrichtig und daß inmitten der Reichtümer und Macht ihr Leben der Erfüllung der moralischen und religiösen Pflichten gewidmet war. Aber die öffentlichen Tugenden Abubekers und Omars, die Klugheit des ersten und die Strenge des zweiten, veranlaßten Frieden und Glück während ihrer Regierung. Der schwache und alte Othman war der Last der Eroberung und Herrschaft nicht gewachsen. Er wählte und wurde betrogen, er vertraute und wurde verraten; die würdigsten Gläubigen leisteten während seiner Regierung entweder keine Dienste oder waren feindlich gesinnt, und seine verschwenderische Güte erzeugte nur Undankbarkeit und Unzufriedenheit. Der Geist der Zwietracht verbreitete sich über die Provinzen, ihre Abgesandten kamen in Medina zusammen, und die Charegiten, die verzweifelten Schwärmer, die Unterordnung und Vernunft schmähten, mengten sich mit den freigeborenen Arabern, die Abhilfe ihrer Beschwerden und Bestrafung ihrer Unterdrücker verlangten. Von Kufa, von Bassora, von Ägypten, von den Stämmen der Wüste erhoben sie sich in Waffen, lagerten eine Stunde von Medina und sandten an ihren Souverän das übermütige Gebot, entweder Gerechtigkeit zu üben oder vom Thron zu steigen. Seiner Reue wegen begannen sich die Aufrührer zu entwaffnen und zu zerstreuen, aber ihre Wut wurde durch die Intrigen seiner Feinde neuerdings entflammt und die Fälschung eines treulosen Geheimschreibers benutzt, um seinen Ruf zu schwärzen und seinen Fall zu beschleunigen. Der Kalif hatte den einzigen Schutz seiner Vorgänger verloren, die Achtung und das Vertrauen der Mohammedaner; während einer sechswöchentlichen Belagerung wurde ihm das Trinkwasser, die Zufuhr an Lebensmitteln abgeschnitten und die schwachen Tore des Palastes nur wegen der Gewissenszweifel der Empörer nicht erbrochen. Verlassen von denen, die seine Einfalt mißbraucht hatten, erwartete der hilflose und ehrwürdige Kalif den herannahenden Tod; der Bruder der Ayescha kam an der Spitze der Mörder und Othman empfing, den Koran an der Brust haltend, zahllose Wunden. Eine tumultuarische Anarchie von fünf Tagen wurde durch die Thronbesteigung Alis beendigt; seine Weigerung würde ein allgemeines Gemetzel zur Folge gehabt haben. In dieser peinlichen Lage zeigte er den geziemenden Stolz des Oberhauptes der Haschemiten, erklärte, daß er lieber zu dienen als zu herrschen wünsche, wies die Anmaßung der Fremden zurück und forderte die förmliche, wenn auch nicht freiwillige Zustimmung der Häupter der Nation. Er ist niemals beschuldigt worden, den Mörder Omars gefördert zu haben, obschon Persien unklugerweise das Fest dieses heiligen Märtyrers feiert. Die Zwietracht zwischen Othman und seinen Untertanen wurde durch die rechtzeitige Vermittlung Alis besänftigt. Hassan, sein ältester Sohn, war in Verteidigung des Kalifen mißhandelt und verwundet worden. Nichtsdestoweniger ist es zweifelhaft, ob Hassans Vater es mit seinem Widerstand gegen die Rebellen kräftig und ernstlich meinte. Doch gewiß ist, daß der Nutzen ihres Verbrechens ihm zufiel. Die Versuchung war in der Tat so groß, daß sie auch die Tugendhaftesten zum Wanken und zum Fall bringen konnte. Der ehrgeizige Kandidat strebte nicht mehr nach dem dürftigen Zepter von Arabien; die Sarazenen waren im Osten und im Westen siegreich gewesen und die reichen Königreiche Persien, Syrien und Ägypten waren dem Beherrscher der Gläubigen Untertan.

Ein Leben des Gebetes und der Betrachtung hatte die kriegerische Veranlagung Alis nicht unterdrücken können; noch im reifen Alter und nach langer Welterfahrung verriet er in seinem Benehmen die Verwegenheit und Unklugheit der Jugend. In den ersten Tagen seiner Regierung unterließ er es, die zweifelhafte Treue Delhas und Zobeirs, der zwei mächtigsten arabischen Häuptlinge, durch Geschenke oder Fesseln zu sichern. Sie flohen von Medina nach Mekka, von da nach Bassora, pflanzten die Fahne der Empörung auf und bemächtigten sich der Statthalterschaft von Irak oder Assyrien, um die sie als Lohn ihrer Dienste vergeblich gebeten hatten. Die Maske des Patriotismus wird vorgenommen, auch um die schreiendsten Widersprüche zu decken und die Feinde, vielleicht die Mörder Othmans, forderten nun Rache für sein Blut. Ayescha, die Witwe des Propheten, die bis zur letzten Stunde ihres Lebens einen unversöhnlichen Haß gegen den Gatten und die Nachkommen der Fatime nährte, hatte sie auf ihrer Flucht begleitet. Die vernünftigeren Mohammedaner nahmen Ärgernis daran, daß die Mutter der Gläubigen sich im Lager aufhielt; aber die abergläubische Menge war überzeugt, daß ihre Anwesenheit die Gerechtigkeit ihrer Sache zeige und den Erfolg sichere. An der Spitze von zwanzigtausend seiner treuen Araber und neuntausend tapferer Bundesgenossen aus Kufa bekämpfte und schlug der Kalif die überlegenen Streitkräfte des Feindes unter den Mauern von Bassora. Ihre Anführer Delha und Zobeir wurden in der ersten Schlacht getötet, welche die mohammedanischen Waffen mit Bürgerblut befleckte. Nachdem Ayescha durch die Reihen gezogen war, um die Truppen anzufeuern, hatte sie ihren Posten mitten im Feld an gefährlicher Stelle gewählt. In der Hitze des Gefechtes waren siebzig Mann, die den Zaum ihres Kamels hielten, getötet oder verwundet worden und die Sänfte, in der sie saß, starrte von Wurfspießen und Pfeilen. Die ehrwürdige Gefangene ertrug mit Festigkeit die Vorwürfe des Siegers. Sie wurde unverzüglich nach ihrem Platz am Grabe Mohammeds mit der Ehrfurcht und Liebe entlassen, die der Witwe des Propheten gebührte. Nach diesem Sieg, genannt der Tag des Kamels, zog Ali gegen einen furchtbareren Gegner, gegen Moawijah, den Sohn Abu Sophians, der den Titel eines Kalifen angenommen hatte und dessen Ansprüche durch die syrischen Streitkräfte und durch den Einfluß des Hauses Ommijah unterstützt würden. Vom Paß von Thapsakus dehnte sich die Ebene Siffin längs des Euphrats aus. Auf diesem geräumigen und ebenen Schauplatz führten die beiden Gegner hundertzehn Tage lang einen unentschiedenen Krieg. Man schätzte in neunzig Gefechten und Scharmützeln den Verlust Alis auf fünfundzwanzigtausend, den des Moawijah auf fünfundvierzigtausend Soldaten, und die Liste der Erschlagenen wurde durch die Namen von fünfundzwanzig Veteranen geschmückt, die bei Beder unter Mohammeds Fahne gefochten hatten. In diesem blutigen Kampf entwickelte der rechtmäßige Kalif einen durch Tapferkeit und Menschlichkeit in höherem Grad ausgezeichneten Charakter. Seine Truppen hatten strengen Befehl, den ersten Angriff des Feindes abzuwarten, ihre fliehenden Brüder zu schonen, die Leichen der Erschlagenen und die Keuschheit ihrer weiblichen Gefangenen zu ehren. Er schlug, um mohammedanisches Blut zu sparen, edelmütig einen Zweikampf vor, aber sein zitternder Nebenbuhler lehnte die Herausforderung als sicheres Todesurteil ab. Die syrischen Reihen wurden von dem mutigen Helden durchbrochen, der auf einem Schecken saß und sein schweres, zweischneidiges Schwert mit unwiderstehlicher Kraft schwang. So oft er einen Rebellen niederschlug, rief er das Allah Akbar (»Gott ist siegreich!«), und während eines nächtlichen Kampfes hörte man ihn diesen furchtbaren Ausruf vierhundertmal wiederholen. Schon dachte der Fürst von Damaskus an Flucht, als Alis Händen der sichere Sieg durch seine ungehorsamen und schwärmerischen Truppen entrissen wurde. Sie wurden durch die feierliche Berufung auf die Bücher des Korans, die Moawijah auf den vordersten Lanzen aufpflanzte, eingeschüchtert, und Ali mußte sich einen schimpflichen Waffenstillstand und einen hinterlistigen Vergleich gefallen lassen. Er zog sich mit Schmerz und Entrüstung nach Kufa zurück. Seine Partei war entmutigt, die fernen Provinzen Persien, Yemen und Ägypten wurden von seinem schlauen Nebenbuhler unterjocht oder verführt, und einigen Fanatikern, die die drei Oberhäupter der Nation töten wollten, gelang nur der Mord an dem Vetter Mohammeds. Im Tempel von Mekka sprachen drei Charegiten oder Schwärmer über die Unordnung der Kirche und des Staates und waren bald darüber einig, daß der Tod des Ali, des Moawijah und seines Freundes Amru, des Vizekönigs von Ägypten, den Frieden und die Einheit der Religion wiederherstellen würde. Jeder der Mörder wählte sein Opfer, vergiftete seinen Dolch, weihte sein Leben Gott und begab sich insgeheim auf den Schauplatz seiner Tat. Ihr Entschluß war gleich verzweifelt; aber der erste irrte sich in der Person Amrus und erdolchte den Stellvertreter, der seinen Sitz eingenommen hatte; der Fürst von Damaskus wurde von dem zweiten gefährlich, der rechtmäßige Kalif aber in der Moschee von Kufa von dem dritten tödlich verwundet. Er starb im dreiundsechzigsten Lebensjahr (660) und empfahl seinen Kindern voll Barmherzigkeit den Mörder mit einem einzigen Streich zu töten. Das Grab Alis wurde vor den Tyrannen des Hauses Ommijah geheim gehalten; aber im vierten Jahrhundert der Hedschra erhob sich in der Nähe der Ruinen von Kufa ein Grabmal, ein Tempel und eine Stadt. Viele tausend Schiiten ruhen in der heiligen Erde zu den Füßen des Statthalters Gottes. Die Wüste wird durch die zahlreichen und jährlichen Besuche der Perser belebt, welche die Andacht an diesem Grab für ebenso verdienstvoll halten wie eine Wallfahrt nach Mekka.

Die Verfolger Mohammeds maßten sich das Erbe seiner Kinder an und die ehemaligen Verteidiger des Götzendienstes wurden die obersten Häupter seiner Religion und seines Reiches. Abu Sophian leistete grimmig und hartnäckig Widerstand, seine Bekehrung war spät und zögernd gewesen, Notwendigkeit und Eigennutz bestärkten ihn in seiner neuen Religion. Er diente, focht, glaubte vielleicht, und die Sünden in der Zeit der Unwissenheit wurden vielleicht durch die neuerlichen Verdienste des Hauses Ommijah gesühnt. Moawijah, der Sohn Abu Sophians und der grausamen Henda, wurde in seiner frühen Jugend mit dem Amt oder Titel eines Geheimschreibers des Propheten ausgezeichnet. Omar verlieh ihm die Statthalterschaft von Syrien, und er verwaltete diese wichtige Provinz über vierzig Jahre, teils in einem untergeordneten, teils im höchsten Rang. Ohne auf den Ruhm der Tapferkeit und Freigebigkeit zu verzichten, strebte er nach dem Ruhm der Menschlichkeit und Mäßigung; ein dankbares Volk hing an seinem Wohltäter, und die siegreichen Mohammedaner wurden mit der Beute von Cypern und Rhodus bereichert. Die heilige Pflicht, die Mörder Othmans zu bestrafen, diente ihm als Vorwand. Das blutige Hemd des Märtyrers wurde in der Moschee von Damaskus ausgestellt, der Emir beweinte das Schicksal eines ermordeten Verwandten, und sechzigtausend Syrer traten mit dem Eid der Treue und Rache in seine Dienste. Amru, der berühmte, starke Eroberer von Ägypten, war der erste, der den neuen Monarchen begrüßte und das gefährliche Geheimnis offenbarte, daß die arabischen Kalifen wo anders als in der Stadt des Propheten ernannt werden können. Moawijahs Politik siegte über die Tapferkeit seines Nebenbuhlers, und nach dem Tode Alis unterhandelte er über die Abdankung seines Sohnes Hassan, der sich ohne Klage aus dem Palast von Kufa in eine armselige Zelle am Grabe seines Großvaters zurückzog. Die ehrgeizigen Wünsche des Kalifen wurden schließlich durch die wichtige Umwandlung eines Wahlreiches in eine Erbmonarchie gekrönt. Einiges Gemurre über Freiheit bezeugte den Widerwillen und die Schwärmerei der Araber, und vier Bürger von Medina verweigerten den Treueid; aber Moawijah verfolgte seine Pläne mit Kraft und Geschicklichkeit, und sein Sohn Yelid, ein schwacher und ausschweifender Jüngling, wurde als Beherrscher der Gläubigen und Nachfolger des Propheten ausgerufen.

Eine bekannte Geschichte wird von der Güte eines der Söhne Alis erzählt. Ein Sklave, der bei der Tafel aufwartete, hatte aus Versehen eine Schüssel mit siedender Brühe auf seinen Gebieter fallen lassen; der unachtsame Bursche fiel zur Erde, um seine Bestrafung durch Bitten abzuwenden und rezitierte einen Vers aus dem Koran: »Das Paradies harret derjenigen, die ihren Zorn beherrschen!« – »Ich zürne nicht!« – »und derjenigen, die Vergehen verzeihen!« – »Ich verzeihe dein Vergehen!« – »und derjenigen, die Böses mit Gutem vergelten!« – »Ich schenke dir die Freiheit und vierhundert Silberstücke!« Gleich fromm, erbte Hosein, Hassans jüngerer Bruder, einen Teil des Mutes seines Vaters und diente ehrenvoll gegen die Christen in der Belagerung von Konstantinopel. Das Erstgeburtsrecht des Hauses Haschem und der heilige Charakter eines Enkels des Propheten waren in seiner Person vereint und es stand ihm frei, sein Recht gegen Yelid, den Tyrannen von Damaskus, zu verfolgen, dessen Laster er verachtete und dessen Anerkennung man nie von ihm gefordert hatte. Eine Liste von hundertvierzigtausend Mohammedanern, die ihre Anhänglichkeit an seine Sache bekannten und bereit waren, das Schwert zu ziehen, sobald er an den Ufern des Euphrat erscheinen würde, wurde insgeheim von Kufa nach Medina gesandt. Er beschloß gegen den Rat seiner weisesten Freunde, sich selbst und seine Familie einem treulosen Volk anzuvertrauen. Er durchzog die arabische Wüste mit einem bescheidenen Gefolge von Frauen und Kindern; als er sich aber den Grenzen von Irak näherte, wurde er durch die Verlassenheit oder das öde Aussehen des Landes in Bestürzung versetzt, und er argwöhnte entweder den Abfall oder die Vernichtung seiner Partei. Seine Besorgnisse waren berechtigt; Obeidollah, der Statthalter von Kufa, hatte die ersten Funken eines Aufruhrs erstickt, und Hosein wurde in der Ebene von Kerbela von fünftausend Reitern umzingelt, die ihn von der Stadt und dem Strom abschnitten. Noch hätte er nach einer Festung in der Wüste, die den Waffen des Cäsar und Chosroes getrotzt hatte, entfliehen und sich dem Stamme Tais anvertrauen können, der zehntausend Krieger zu seiner Verteidigung zu den Waffen gerufen hätte. In einer Besprechung mit dem feindlichen Anführer schlug er die Wahl zwischen drei ehrenvollen Bedingungen vor; man sollte ihm entweder gestatten, nach Medina zurückzukehren oder ihn in einer Grenzfestung gegen die Türken verwenden oder mit sicherem Geleit vor Yefid führen. Aber die Befehle des Kalifen oder seines Unterfeldherrn waren hart und unbedingt und Hosein erfuhr, daß er sich entweder als Gefangener und Verbrecher dem Beherrscher der Gläubigen unterwerfen oder die Folgen seiner Empörung tragen müsse. »Glaubt ihr etwa«, erwiderte er, »mich mit dem Tod zu schrecken?« Und er bereitete sich in einer kurzen Nacht vor, mit feierlicher und ruhiger Entschlossenheit seinem Schicksal entgegenzutreten. Er tat dem Wehklagen seiner Schwester Fatime Einhalt, die den drohenden Sturz seines Hauses beklagte. »Unser Vertrauen«, sagte Hosein, »beruht auf Gott allein. Alle Dinge sowohl im Himmel wie auf Erden müssen untergehen und zu ihrem Schöpfer zurückkehren. Mein Vater, meine Mutter, mein Bruder waren besser als ich, und jeder Mohammedaner hat das Beispiel des Propheten vor Augen.« Er drang in seine Freunde, durch rechtzeitige Flucht für ihre Sicherheit zu sorgen; sie weigerten sich einmütig, ihren geliebten Gebieter zu verlassen oder zu überleben, und ihr Mut wurde durch inbrünstiges Gebet und die zuversichtliche Hoffnung auf das Paradies gestählt. Am Morgen des verhängnisvollen Tages stieg er, das Schwert in der einen, den Koran in der anderen Hand, zu Pferde; seine hochherzige Schar von Märtyrern bestand nur aus zweiunddreißig Reitern und vierzig Mann zu Fuß; aber ihre Seiten und Rücken waren durch Zeltstricke und einen tiefen Graben geschützt, den sie mit angezündeten Reisigbündeln nach arabischer Sitte gefüllt hatten. Der Feind rückt widerstrebend vor, und einer seiner Anführer ging mit dreißig Anhängern über, um den sicheren Tod zu teilen. In jedem dichten Angriff, in jedem Zweikampf waren die verzweifelten Fatimiten unbezwinglich, aber die sie umgebenden Scharen beschossen sie aus der Ferne mit Pfeilen und töteten nacheinander Pferde und Menschen; ein Waffenstillstand wurde von beiden Seiten für die Stunde des Gebetes geschlossen, und der Kampf endigte mit dem Tod des letzten der Gefährten Hoseins. Allein, ermüdet und verwundet, setzte er sich vor seinem Zelt nieder. Während er etwas Wasser trank, traf ihn ein Pfeil in den Mund, und sein Sohn und sein Neffe, zwei schöne Jünglinge, wurden in seinen Armen getötet. Er erhob seine Hände gegen den Himmel, sie waren voll Blut. Er sprach ein Sterbegebet für die Lebenden und Toten. In der höchsten Verzweiflung eilte seine Schwester aus dem Zelt und beschwor den Feldherrn der Truppen von Kufa, Hosein nicht vor seinen Augen ermorden zu lassen. Eine Träne rann in seinen ehrwürdigen Bart und seine kühnsten Krieger wichen zurück, als sich der sterbende Held unter sie stürzte. Der gewissenlose Schamer, ein von den Gläubigen verfluchter Name, warf ihnen ihre Feigheit vor, und der Enkel Mohammeds wurde durch dreiunddreißig Lanzen- und Schwertstöße getötet. Nachdem sie seine Leiche in den Staub getreten, brachten sie seinen Kopf nach dem Schloß von Kufa, und der unmenschliche Obeidollah schlug mit einem Stock auf seinen Mund. »Ach!« rief ein greiser Mohammedaner aus, »auf diesen Lippen habe ich die Lippen des Propheten gesehen.« In einem fernen Jahrhundert und Land erweckte der tragische Tod Hoseins das Mitgefühl des kältesten Lesers. Zur jährlichen Feier seines Märtyrertodes überlassen sich seine persischen Verehrer bei der frommen Wallfahrt zu seinem Grab ihre Seele dem religiösen Schmerz und der Entrüstung. Als die Schwestern und Kinder Alis in Ketten vor den Thron von Damaskus gebracht wurden, riet man dem Kalifen ein beim Volk beliebtes und feindlich gesinntes Geschlecht, das er zu sehr gekränkt habe, als daß eine Versöhnung möglich sei, auszurotten. Yefid zog jedoch Milde vor und entließ die trauernde Familie in Ehren, um ihre Tränen mit denen ihrer Verwandten in Medina zu mengen. Der Ruhm des Märtyrertums ersetzte das Recht der Erstgeburt. Die zwölf Imams oder Päpste des persischen Glaubens sind Ali, Hassan, Hosein und die Nachkommen Hoseins in gerader Linie bis in die neunte Generation. Ohne Waffen, ohne Schätze, ohne Untertanen genossen sie nacheinander die Verehrung des Volkes und reizten die Eifersucht der herrschenden Kalifen. Ihre Gräber in Mekka oder Medina, an den Ufern des Euphrats oder in der Provinz Chorasan werden noch immer von andächtigen Pilgern besucht. Sie waren oft der Vorwand zu Aufruhr und Bürgerkrieg; aber diese königlichen Heiligen verachteten den Pomp der Welt, unterwarfen sich dem Willen Gottes und der Ungerechtigkeit der Menschen und widmeten ihr schuldloses Leben dem Studium und der Ausübung der Religion. Der zwölfte und letzte Imam, ausgezeichnet durch den Titel Mahadi oder Führer, lebte noch einsiedlerischer als seine Vorgänger und übertraf sie an Heiligkeit. Er verbarg sich in einer Höhle in der Nähe von Bagdad; Zeit und Ort seines Todes sind unbekannt, ja seine Verehrer behaupten, er lebe noch immer und werde vor dem Tage des Gerichtes erscheinen, um die Tyrannei Dedschals oder des Antichrists zu stürzen. Im Verlaufe von zwei bis drei Jahrhunderten hatte sich die Nachkommenschaft des Abbas, des Oheims des Propheten, bis zu dreiunddreißigtausend Personen vermehrt. Das Geschlecht Alis war nicht minder fruchtbar; das geringste Individuum war über die ersten und größten Fürsten erhaben, ja von den ausgezeichnetsten glaubte man, daß sie die Vollkommenheit der Engel überträfen. Ihr unglückliches Schicksal aber und die große Ausdehnung der mohammedanischen Herrschaft bot jedem kühnen und schlauen Betrüger, der auf eine Verwandtschaft mit dem heiligen Stamm Anspruch machte, einen weiten Spielraum; das Zepter der Almohaden in Spanien und Afrika, der Fatimiten in Ägypten und Syrien, der Sultane von Yemen und der Sophis von Persien ist durch diesen unbestimmten und zweideutigen Anspruch geheiligt worden. Unter ihrer Regierung war es gefährlich, die Echtheit ihrer Geburt zu bestreiten. Einer der fatimitischen Kalifen brachte einen unbescheidenen Frager zum Schweigen, indem er den Säbel zog: »Das«, rief Moez, »ist mein Stammbaum und dies sind«, eine Handvoll Gold den Soldaten hinwerfend, »meine Verwandten und Kinder.« In den verschiedensten Ständen von Fürsten, Gottesgelehrten, Edlen, Kaufleuten, Bettlern wird ein Schwarm echter oder angeblicher Nachkommen Mohammeds und Alis durch den Titel Scheik, Scherif oder Emir geehrt. Im osmanischen Reich zeichnen sie sich durch einen grünen Turban aus, beziehen einen Jahresgehalt vom Staat, werden nur von ihrem Oberhaupt gerichtet und behaupten, wie sehr sie auch durch ihre Verhältnisse oder ihren Charakter herabgekommen sein mögen, noch immer den stolzen Vorrang ihrer Geburt. Eine Familie von dreihundert Personen, der reine und rechtgläubige Stamm des Kalifen Hassan, lebt in den heiligen Städten Mekka und Medina und hat nach Jahrhunderten noch immer die Bewachung des Tempels inne und besitzt die Souveränität in ihrem Vaterland. Mohammeds Ruhm und Verdienste hatten ein plebejisches Geschlecht geadelt, und das alte Geschlecht der Koreischiten wird von der neuen Majestät der Könige der Erde überstrahlt.

Die Talente Mohammeds verdienen unsere Achtung, aber sein Erfolg hat vielleicht unsere Bewunderung zu sehr erregt. Kann es uns überraschen, daß eine Menge Proselyten sich zur Lehre und zu den Leidenschaften eines beredten Fanatikers bekannten? Die Kirche hat dieselbe Verführung von der Zeit der Apostel bis zu jener der Reformatoren wiederholt versucht. Scheint es vielleicht unglaublich, daß ein Privatmann nach Schwert und Zepter griff, sein Vaterland unterjochte und mit seinen siegreichen Waffen eine Monarchie gründete? In den orientalischen Dynastien haben sich hundert glückliche Usurpatoren aus einem niedrigeren Ursprung erhoben, furchtbarere Hindernisse überwältigt und einen größeren Raum erobert und beherrscht. Mohammed verstand in gleichem Grad zu predigen und zu kämpfen, und die Vereinigung dieser entgegengesetzten Eigenschaften trug, indem sie sein Verdienst erhöhten, zu seinem Erfolg bei; Gewalt und Überredung, Enthusiasmus und Furcht griffen beständig ineinander, bis endlich vor der unwiderstehlichen Macht jede Schranke zerbrach. Er forderte die Araber zur Freiheit und zum Sieg, zum Krieg und Raub, zur Befriedigung ihrer Lieblingsleidenschaften in dieser und jener Welt auf; der Zwang, den er auferlegte, war notwendig, um sein Ansehen als Prophet zu begründen und das Volk im Gehorsam zu üben, und das einzige Hindernis für seinen Erfolg war sein vernünftiger Glaube an die Einheit und Vollkommenheit Gottes. Nicht die Verbreitung, sondern die Dauer seiner Religion verdient unsere Bewunderung; was er in Mekka und Medina schuf, ist genau so rein und vollständig von den indischen, afrikanischen und türkischen Proselyten des Korans bewahrt worden. Wenn die christlichen Apostel Petrus und Paulus nach dem Vatikan zurückkehren könnten, würden sie möglicherweise nach den Namen der Gottheit fragen, die mit so geheimnisvollen Zeremonien in diesem prachtvollen Tempel verehrt wird; in Oxford oder Genf würden sie vielleicht weniger überrascht sein, würden es aber doch für nötig halten, den Katechismus der Kirche zu lesen und die orthodoxen Kommentare zu ihren eigenen Schriften und den Worten ihres Lehrers zu studieren. Aber der türkische Dom der heiligen Sophie stellt mit etwas mehr Glanz umfangreicher das Zelt dar, das in Medina von Mohammeds errichtet worden ist. Die Mohammedaner haben der Versuchung widerstanden, den Gegenstand ihres Glaubens und ihrer Andacht in den Maßen des Menschen darzustellen. »Ich glaube an einen Gott und Mohammed ist sein Prophet«, ist das einfache und unwandelbare Glaubensbekenntnis des Islams. Die Ehren, die dem Propheten gezollt werden, haben das menschliche Maß nie überschritten, und seine lebendigen Vorschriften haben die Dankbarkeit seiner Schüler auf die Grenzen der Vernunft und Religion beschränkt. Die Verehrer Alis haben allerdings das Andenken ihres Helden, seiner Gattin und Kinder geheiligt, und einige persische Lehrer behaupten, daß das göttliche Wesen in der Person der Imame inkarniert worden sei; aber ihr Aberglaube wird von den Sunniten allgemein verdammt und sie haben rechtzeitig vor der Verehrung von Heiligen und Märtyrern gewarnt. Die metaphysischen Fragen über die Eigenschaften Gottes und die Freiheit des Willens sind in den Schulen der Mohammedaner so wie in jenen der Christen Gegenstand des Streites gewesen; allein bei jenen hat sich niemals das Volk daran beteiligt, noch wurde je die Ruhe des Staates gestört. Die Ursache dieses wichtigen Unterschiedes läßt sich in der Trennung oder Vereinigung des königlichen und priesterlichen Amtes finden. Es lag im Interesse der Kalifen, der Nachfolger Mohammeds und Beherrscher der Gläubigen, alle religiösen Neuerungen zurückzudrängen; der Stand, die strengen Einrichtungen, der zeitliche und weltliche Ehrgeiz der Geistlichkeit sind den Mohammedanern unbekannt; die Weisen des Gesetzes sind die Leiter ihres Gewissens und die Orakel ihres Glaubens. Vom atlantischen Ozean bis zum Ganges ist der Koran als Grundgesetzbuch nicht nur der Theologie, sondern auch des Zivil- und Kriminalrechtes anerkannt, und die Gesetze, welche die Handlungen und das Eigentum der Menschen regulieren, werden durch die unwandelbare Heiligkeit des Willens Gottes geschützt. Diese religiöse Knechtschaft ist mit einigen praktischen Nachteilen verbunden; der ungelehrte Gesetzgeber ist oft durch seine eigenen Vorurteile sowie durch die seines Vaterlandes mißleitet worden, und die Einrichtungen, die die arabischen Wüstenbewohner benötigen, mögen schlecht zum Reichtum des Volkes von Ispahan und Konstantinopel passen. In diesem Falle legt sich der Kadi das heilige Buch ehrfurchtsvoll auf sein Haupt und unterschiebt gewandt eine Auslegung, die den Grundsätzen der Billigkeit und den Sitten und der Politik der Zeit angemessener ist.

Mohammeds wohltätiger oder verderblicher Einfluß auf das öffentliche Wohl bildet die letzte Betrachtung in bezug auf seinen Charakter. Die bittersten und frömmsten seiner christlichen oder jüdischen Feinde werden gewiß zugeben, daß er den erdichteten Auftrag übernahm, eine heilsame Lehre zu verkünden, die an Vollkommenheit nur ihrer eigenen nachsteht. Er benützte als Grundlage seiner Religion frommerweise ihre früheren Offenbarungen, die Tugenden und Wunder ihrer Stifter. Die Götzen Arabiens wurden vor dem Thron Gottes vernichtet, das Menschenopfer durch Gebet, Fasten und Almosen, die löblichen und unschuldigen Künste der Andacht, ersetzt, und seine Belohnungen und Strafen in einer zukünftigen Welt waren in Bildern ausgemalt, wie sie einem unwissenden und sinnlichen Volk am besten zusagten. Mohammed war vielleicht nicht fähig, ein moralisches und politisches System zum Gebrauch seiner Landsleute zu entwerfen; aber er empfahl den Gläubigen Milde und Freundschaft sowie die Ausübung gesellschaftlicher Tugenden und tat durch seine Gesetze und Vorschriften dem Durst nach Rache und der Unterdrückung der Witwen und Waisen Einhalt. Die feindlichen Stämme wurden in Glauben und Gehorsam vereinigt und die Tapferkeit, die in einheimischen Fehden nutzlos vergeudet worden war, kraftvoll gegen einen auswärtigen Feind gelenkt. Wäre der Stoß minder heftig gewesen, so hätte Arabien frei daheim und gefürchtet im Ausland unter einer Reihe einheimischer Monarchen blühen können. Seine Souveränität verlor sich durch Ausdehnung seiner Eroberungen und die Schnelligkeit, in der sie vor sich ging. Die Kolonien der Nation waren über den Osten und Westen zerstreut, und ihr Blut vermischte sich mit dem ihrer Bekehrten und Gefangenen. Nach der Regierung von drei Kalifen wurde der Thron von Medina nach dem Tal von Damaskus und an die Ufer des Tigris verlegt. Die heiligen Städte wurden durch einen gottlosen Krieg verletzt, Arabien durch einen Untertanen, vielleicht einen Fremden regiert, und die Beduinen der Wüste, von ihrem Traum der Herrschaft erwachend, kehrten wieder zu ihrer alten und einsamen Unabhängigkeit zurück.


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